Mix-Engineer Rich Costey über die Produktion des Albums Drones
von Text: Paul Tigen; Übersetzung: Dr. Andreas Hau,
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Mit ihrem siebten Album Drones meldeten sich Muse 2015 zurück. Producer Rich Costey und Engineer Tommaso Colliva ermöglichten uns einen detaillierten Blick hinter die Kulissen der Produktion — von den Recordings bis zum Mix.
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Mit ihrem neuen Album Drones protestieren Muse gegen den menschenverachtenden Dronenkrieg, und nebenbei verarbeitet Sänger Matt Bellamy die Trennung von Kate Hudson. Stilistisch kehrt die Band nach der Synth-lastigen, orchestralen Opulenz der Vorgänger The Resistance (2009) und The 2nd Law (2012) zurück zum ursprünglichen Gitarre/ Bass/Drums-Power-Trio-Format. Ob auch Drones zum All-Time-Classic wird, bleibt abzuwarten, doch der Anfang ist vielversprechend: Zum fünften Mal in Folge erreichte ein Muse-Album die Spitze der UK-Charts, und erstmals war Muse auch in den USA Nummer 1 der Album-Charts.
Mit ihren groß angelegten Produktionen, ihrem kontrastreichen Nebeneinander von harten, brachial verzerrten Rock-Sounds und differenzierten Arrangements mit klassischen Elementen wie Orchester, Chören, Tonartwechseln, vereint durch Bellamys opernhaften Gesangsstil, schaffen Muse einen unverwechselbaren Bombast-Sound. Doch dieser Hang zu Extremen spaltet die Gemüter. Während die einen sich für den mitreißend energiegeladenen Power-Rock begeistern, finden andere Drones „taktlos und derb“. Und doch, trotz der merklich erhöhten Schlagzahl „übergroßer Gitarren-Riffs“ sind auf Drones noch immer jede Menge Keyboards und klassische Einflüsse zu hören, und noch immer klingt das Album … naja, nach Muse, eben. Also alles beim Alten?
Wir sprachen mit Tommaso Colliva, der Muse seit zehn Jahren technisch betreut, und dem Mixer/Produzenten Rich Costey, der schon an den beiden Megasellern der Band, Absolution (2003) und Black Holes and Revelations (2005), maßgeblich beteiligt war sowie drei Songs auf The 2nd Law mischte. Gemeinsam geben Colliva und Costey einen umfassenden Einblick in die Entstehung von Drones und lüften dabei manches Geheimnis um die unglaublichen Arbeitsmethoden des Robert „Mutt“ Lange, der als Kult-Produzent berühmt (u. a. Def Leppard, AC/DC, Foreigner, Bryan Adams, Shania Twain) und auch dafür bekannt ist, niemals Interviews zu geben.
Tommaso Colliva begann seine Recording-Karriere 2002 als Assistent im Officine Meccaniche, wo er allmählich zum Chief Engineer aufstieg, bis er sich 2006 selbstständig machte. Während dieser Zeit arbeitete er mit Künstlern wie Erykah Badu, Shania Twain, Manu Chao und Muse. Tatsächlich assistierte er in seiner allerersten Session Mutt Lange bei Gitarrenaufnahmen für Shania Twains Album Up (2002). Wenn er nicht bei Muse in Diensten steht, arbeitet Colliva oft für Afterhours, eine der bekanntesten Rockbands Italiens. Weitere Kunden sind Mark Lanegan, Twilight Singers, Franz Ferdinand und eine ganze Reihe von italienischen Künstlern.
Top Sound made in Italy
Vor zwei Jahren zog Colliva nach Großbritannien, wo er sein eigenes Aufnahme- und MixStudio namens „Toomi Labs“ betreibt. Es befindet sich in den Gebäuden von Palm Recordings im Norden Londons. Dort erinnert sich Colliva an die Anfänge von Drones und seine Rolle während der Schreibphase und der Pre-Production: „Ich arbeite nicht nur als Engineer für ihre Studio-Sessions; zu meinem Job gehört es auch, all ihre Studios zu entwerfen und aufzubauen. Jedes Mal, wenn Matt umzieht, werde ich gerufen, um ein neues Schreibzimmer für ihn zu designen. Ich richte es so ein, dass er alleine arbeiten kann, wenn er möchte. Das Studio in Italien benutzen wir nicht mehr; gegenwärtig hat Matt in London und LA identische Setups zum Schreiben. Dazu gehören u. a. ein Pro Tools Rig, eine Auswahl von Mikros und Vorverstärkern wie Neve 1073, etwas Outboard, u. a. 1176-Kompressoren, PCM- und KRK-Monitorboxen, ein Dangerous Monitor Controller, ein Kawai MP8-Keyboard und ein Aviom Kopfhörersystem. Die anderen Bandmitglieder haben ähnliche Setups.
Während der Schreibphase und Pre-Production arbeiten sie größtenteils computerbasiert, d. h., Matt verwendet Soft-Synths und Pianoteq für die Klavier-Sounds, weil das sehr flexibel ist. Für seinen Gitarren-Sound verwendet er einen Kemper Profiler Amp, den sie auch live einsetzen. Das Profiling mache ich für sie, denn das bedeutet, dass sie die gleichen Sounds, die wir im Studio erzielen, auch zu Hause und auf der Bühne zur Verfügung haben. Beispielsweise habe ich Profile für Vox, Marshall, Diezel und Fender Amps von Matt erstellt. Während des Schreibens und der Pre-Production liegt Matts Fokus mehr auf dem musikalischen Inhalt als auf dem Klangbild, und so kann er mit diesen Sounds ganz einfach Sachen skizzieren. Er stöpselt seine Gitarre in den Kemper, und den Kemper ins Pro Tools − fertig! Er schreibt dann etwa einen Monat, und dann komme ich vorbei, um seine Sessions aufzuräumen; ich repariere ein paar Sachen und programmiere Synths und Beats, vielleicht mache ich auch schon Rough-Mixes seiner Ideen.“
Italien, Schweiz, Kanada
Muse haben zuletzt mit großer Regelmäßigkeit alle drei Jahre ein neues Album herausgebracht, und im Sommer 2014 begannen sich die Arbeiten am nächsten Opus zu konkretisieren. Bellamy hatte eine Reihe neuer Songs geschrieben, und, so Colliva, „man hatte bereits längere Zeit über eine Rückkehr zum Rock nachgedacht. Weil auf den vorangegangenen Alben die elektronischen Elemente zunehmend in den Vordergrund rückten, wurde es immer schwieriger, die Songs live umzusetzen. Ich glaube, den Jungs gefiel die Vorstellung, etwas Reduzierteres aufzunehmen, das leichter live zu spielen ist. Ich nehme an, dass sie so auch auf die Idee kamen, Mutt zu kontaktieren, denn er hat Erfahrung darin, Rock-Alben zu produzieren, die ein großes Publikum ansprechen, wie beispielsweise Back in Black von AC/DC (1980).
Bei diesen Überlegungen und Diskussionen war ich nicht dabei, aber ich weiß, dass die Band rüber in die Schweiz gefahren ist, um Mutt zu treffen, und dass dann einiges an Pre-Production aus der Ferne stattfand, indem Matt und Mutt Songs hin und her schickten. Danach fiel die Entscheidung, das Album in den Warehouse Studios in Vancouver aufzunehmen. Mutt kennt es durch seine Arbeit mit Bryan Adams [dem das Studio gehört], und da [Bassist] Chris [Wolstenholme] in London wohnt und [Drummer] Dominic [Howard] und Matt in LA, schien es ein guter Ort zu sein, um sich in der Mitte zu treffen. Außerdem hat das Warehouse Studio 1 die gleiche Konsole wie das Air Lyndhurst Studio 1. Das sind zwei von nur drei Neve Montserrat- Pulten, die jemals gebaut wurden, und vielleicht die besten Konsolen überhaupt.“
Erste Session: Emotional
Nach der ersten Session in Vancouver am 19. Oktober 2014 posteten Muse eine Message auf Instagram: „Ende der ersten Session. Es war emotional.“ Laut Colliva lag das an vielen Dingen, u. a. der Anwesenheit von Mutt Lange, aber auch daran, dass die Session „… anstrengend und arbeitsintensiv war. Es ging darum, sich wieder der Studio – arbeit zu widmen und wieder im Trio-Format zu spielen. Auch bei den vorangegangenen Muse-Alben haben wir immer damit begonnen, die drei live in einem Raum aufzunehmen, aber dabei ging es um Guide-Tracks, die anschließend in einem langwierigen Prozess ersetzt und overdubbt wurden. Dieses Album war stärker Trio-basiert geschrieben, außerdem war die Band sehr gut vorbereitet. Als sie in Vancouver ankamen, hatten sie bereits eine ziemlich gute Vorstellung davon, was sie vorhatten.
Dazu gehörte auch Input von Mutt durch Unterhaltungen, die bereits stattfanden, bevor die Sessions begannen. Deshalb gaben uns die Live-Takes, die sie in Vancouver aufnahmen, einen ziemlich guten Eindruck davon, wie die Songs am Ende klingen würden. Es fehlten keine wichtigen Teile, die erst später eingefügt werden sollten. Der Grundablauf während der ersten beiden Wochen war so, dass wir am Morgen alles aufgebaut haben, die Band kam dann zum Mittagessen, man diskutierte mit Mutt den Ablauf für den Song, an dem wir arbeiten wollten, und anschließend wurden bis zum Abendessen Takes eingespielt. Nach dem Abendhessen ging die Band, und Mutt und ich blieben noch, um Comps zusammenzuschneiden.“
Sound-Akribie à la Mutt
„Beim Editing und Comping ging Mutt Note für Note ins Detail, wie ich es nicht für möglich gehalten habe. Das war fast übermenschlich. Er hat alles gecheckt. Aber immer aus einer musikalischen Perspektive. Er sagte Sachen wie: ›Dieses Take fühlt sich natürlicher an‹, oder: ›Das Take hat etwas angenehm Erhebendes‹ − solche Kommentare. Du merkst, dass er schon lange dabei ist, denn während heute alle die Sachen am Raster ausrichten, arbeitet er anders. Er sagt dann: ›Hören wir es uns mal an.‹ Er schließt seine Augen und sagt dann: ›Dieser Takt ist zu lang‹, oder: ›Der Takt ist zu schnell.‹ Woraufhin wir unser Bestes gegeben haben, das zu beheben. Pro Tools rührt er überhaupt nicht an. Obwohl er gelegentlich am Pult arbeitet, glaube ich, dass er sich generell von der technischen Seite distanzieren möchte, um sich ganz auf seine Ohren zu verlassen.“
Colliva beschreibt die Sessions der ersten beiden Wochen: „Die Band spielte im Aufnahmeraum, während Mutt, ich und der zusätzliche Engineer Adam Greenholtz in der Tonregie waren. Am Anfang jeder Session ging Mutt zu den Jungs in den Aufnahmeraum, um zu checken, ob alles korrekt aufgebaut und an seinem Platz war. Dann kam er zurück in die Tonregie, und wir haben den Aufnahmeknopf gedrückt. Wir hatten geplant, nur die Drums zu behalten und alles andere zu ersetzen, aber in vielen Fällen sagte Mutt: ›Der Bass ist im Kasten.‹ Darauf wir: ›Echt jetzt?‹ Wir haben auch einige der ursprünglichen Gitarren behalten, aber im Allgemeinen wollten wir die finalen GitarrenSounds noch etwas detaillierter herausarbeiten. Bei einem Song wie Psycho sind es aber immer noch die ursprünglich eingespielten Drums, Bass und Gitarren.
Drum-Mikrofonierung
Dom ist sehr gut darin, klasse Drum-Sounds herauszuholen, indem er die Trommeln stimmt, Felle austauscht, mit Becken experimentiert usw. Er weiß, was er will. Wir haben ihn mit einem Shure Beta 91 in der Kick aufgenommen − Dom liebt dieses Mikro, weil es den Attack so gut rüberbringt, und benutzt es auch live. Außen vor der Kick hatten wir ein [Neumann] U47 fet. Wir haben es praktisch genau in die Mitte des Lochs im Resonanzfell platziert, und weil du dort diesen Luftdruck hast, mussten wir ein Poppfilter verwenden. Am Resonanzfell hatten wir außerdem ein Sony C48.
Über der Snare hatten wir ein Sony C47, ein Wahnsinnsmikrofon, und unter der Snare war ein AKG C414. An der Hi-Hat war ein Neumann KM 84 und als Overheads kamen Telefunken ELA M250 zum Einsatz. Am Ride-Becken hatten wir ein weiteres KM 84. Die Toms wurden mit Sennheiser MD 421 am Schlagfell und Neumann U87-Mikros am Resonanzfell abgenommen. Wir hatten ein paar Mono-Raummikrofone, wie das Neumann U47, ein tolles RCA 44 und ein paar PZMs [Grenzflächenmikrofone], die wir im Raum verschoben. Außerdem hatten wir einige Stereo-Raummikrofone wie DPA 4006 und Coles 4038; oben auf der Empore hatten wir mehrere AKG C460Bs.
D.h., wir hatten die Nahmikrofonierung, Mikros in mittlerer Distanz und Mikros in größerer Entfernung, die wir zusammenmischen konnten, je nachdem, welchen Sound wir für den jeweiligen Song wollten. Wir haben gleich den finalen Schlagzeug-Sound angestrebt und uns auf Dinge festgelegt, andererseits wollten wir uns aber auch nicht zu sehr die Hände binden. Die meisten Mikros liefen durchs Neve-Pult, wir hatten aber auch einige EQs und Kompressoren in der Aufnahmekette. Beispielsweise hatte ich ein paar Pultec-EQs auf der Kick und der Snare, einen GML-8200-EQ auf den Overheads, und für die Raummikrofone haben wir Kompressoren sowie den [SPL] Transient Designer verwendet. Auf einigen Songs sind die Raummikros ziemlich komprimiert, meist mit einem Audio Design Compex F760X RS. Es war alles Outboard, Plug-ins haben wir in den Aufnahme-Sessions nicht verwendet.“
Aufnahmesession im Warehouse Studio, Vancouver. Den Hauptaufnahmeraum für die Band als Trio einzurichten — ohne Trennwände oder Schallkabinen, sodass sie in einem Dreieck einander gegenüberstanden —, war Mutts Idee. Sie haben, genau wie auf der Bühne, ein In-Ear-Monitorsystem benutzt, wofür sie die exzellenten 16-Kanal-Mixer des Warehouse verwendet haben.
Verschiedene Bass-Setups führen zum Ziel
„Unser Setup für den Bass war Song-spezifisch, aber gewöhnlich gab es einen cleanen Verstärker, meist ein Ampeg SVT-VR, der die ganze Zeit lief; er liefert die tiefen Frequenzen und Wärme. Zusätzlich hatten wir immer zwei weitere Verstärker für Distortion, meist Marshall Dynamics; das sind Transistor-Verstärker mit hohem Headroom, die gut mit Effektpedalen funktionieren. Die Verzerrung kam hauptsächlich von den Pedalen, und zwar Modelle, die sich gut einfügen und einander ergänzen. Eins lieferte mehr so eine Big-Muff -Distortion und das andere war etwas Moderneres wie das Human Gear Animato oder ein ZVex-Pedal.
Wir verwenden eine ganze Menge ZVex-Pedale wie das Mastotron und das Wooly Mammoth, weil sie richtig verrückte Sounds produzieren. Für ein Live-Szenario sind manche davon zu unberechenbar, aber im Studio sind sie wirklich nützlich, wenn du sehr extreme Sounds suchst. Die Boxen des cleanen Bassverstärkers haben wir mit einem Neumann U47 fet, einem [Shure] SM57, einem Beyerdynamic M88 oder einem Electro-Voice RE20 abgenommen. Genauso auch die verzerrten Amps, wobei wir für die auch ein Shure SM57 oder Sennheiser MD 421 ausprobiert haben. Die Bassverstärker-Boxen standen im Keller, sodass wir recht lange Kabelwege hatten. Aus diesem Grund stehen auch die Mikrofonvorverstärker im Keller, meist Neve 1081-Preamps mit einem LA2A oder einem Distressor dahinter für Kompression. Diese liefen in die Insert-Returns des Pults, um die Line-Preamps zu umgehen. Dort haben wir dann noch EQ und Pegelanpassungen vorgenommen.
Um bei Bedarf Sachen später reampen zu können, haben wir außerdem ein DI-Signal vom Bass aufgenommen sowie ein verzerrtes DI-Signal hinter dem Pedal abgezapft. Manchmal hatte ich einen LA3A oder einen Distressor auf dem DI-Signal. Für manche Songs des Albums haben wir einen vierten Bassverstärker verwendet, etwa für eine ganz andere Art von Verzerrung oder für ein Pitch- oder Whammy-Pedal oder einen Octaver. Das alles haben wir mit dem Little Labs PCP-Distro-Splitter gemanagt. Trotz dieses ziemlich komplizierten Bass-Setups antworte ich immer, wenn Leute mich nach dem Geheimnis von Chris’ Bass-Sound fragen: Die Hauptzutat ist Chris. Es liegt daran, wie er Bass spielt!“
14 Tage nur für Guitar-Recording
Zwei weitere Wochen im Warehouse widmete man sich vornehmlich Gitarren-Overdubs, danach, berichtet Colliva, „… wurden weitere zehn Tage Gesang und Synthesizer aufgenommen. Für die Gitarren-Overdubs haben wir Studio 3 im oberen Teil des Gebäudes benutzt, wo beim Basic-Tracking Matts Gitarrenboxen standen. In Studio 3 hatten wir einen zusätzlichen Regieraum zur Verfügung, wo Matt arbeiten konnte, während wir unten mit Comping, Editing und Overdubbing beschäftig waren. Fürs [Basic-]Tracking hatten wir ein Amp-Setup, bestehend aus einem handverdrahteten Marshall 1959, einem Diezel VH4 und vintage JMI Vox-Amps aus den 1960ern, die wir mit dem üblichen Paar von Shure SM57 und Sennheiser MD 421, einem Mikrofon-Preamp und etwas Pult-EQ aufgenommen haben, um das Ganze einfach zu halten.
Außerdem hatten wir zwei DI-Signale: direkt an der Gitarre bzw. hinter den Pedalen abgegriffen.“ Die Recording-Methoden von Muse und Colliva scheinen genauso exzessiv und „over the top“ wie die Musik selbst. Die Gitarrenaufnahmen waren keine Ausnahme: „Für die Overdubs war das Gitarrenarsenal viel umfangreicher“, sagt Colliva mit untypischem Understatement. „Als wir The Resistance im Studio in der Nähe des Comer Sees aufnahmen, haben wir uns so viel Zeit gelassen, wie wir wollten, um Amps, Boxen, Mikrofone und Aufnahmeketten miteinander zu vergleichen. Dieses Wissen ist weiterhin ein wichtiger Bestandteil unserer Methoden. Aber auch heute noch mache ich vor jeder Session detaillierte Vergleiche von Amps und Mikrofonen, um die bestmögliche Kombination zu finden. Ich verschiebe die Boxen und Mikrofone, passe auf, dass alles in Phase ist usw. Manchmal machen Matt und ich das gemeinsam, aber oft mache ich es alleine, um Matt eine Ausgangsbasis zu liefern.
Für die finalen Gitarrensounds hatten wir ein sehr ausgedehntes Setup im Aufnahmeraum. Wir haben u. a. mehrere Mills Acoustic Afterburner 4×12-Boxen verwendet, vor die ich eine riesige Menge Mikros gestellt habe. Dann haben wir angefangen, die Topteile auszutauschen, um zu sehen, wie sie auf die verschiedenen Mikros reagieren, und schließlich haben wir die Kombinationen von Topteilen, Boxen und Mikros herausgesucht, die uns am besten gefielen. Ich gehe da sehr wissenschaftlich vor und passe auf, dass ich den Sound von zwei Komponenten exakt reproduziere, damit ich den Unterschied höre, den die dritte Variable macht.
Schlussendlich haben wir zwei Mills-Boxen verwendet, eine mit einem modifizierten Ampeg V4, der ursprünglich ein Bassverstärker war und einen sehr tiefen Sound hat, oder mit einem modifizierten Marshall-1959- Top oder manchmal mit einem Marshall Plexi Amp, der dem Studio gehört. Eine weitere Mills-Box wurde von einem Diezel VH4 gespeist, die wir hauptsächlich für cleane oder stark verzerrte Sounds verwendet haben. Der Diezel ist nicht der beste Amp für angezerrte Sounds mit einem mittleren Crunch, aber für die Extreme ist er sehr gut. Ansonsten haben wir den JMI Vox-Amp verwendet und Fender-Combos wie den Super Reverb, außerdem einen Watkins- und einen Selmer-Amp, wenn wir mal etwas Experimentelleres wollten. In der Vergangenheit hatten wir kaum Fender-Amps benutzt, insofern war das etwas Neues für Muse.
Für den Gitarren-Sound auf The Globalist, Part 1 haben wir intensive Amp-Forschung betrieben. Matt hatte eine genaue Vorstellung vom Klang, der retro, warm und intim sein sollte. Ich habe das DI-Signal aus den Aufnahme-Sessions des Songs genommen, um eine Auswahl von Amps auszuprobieren, die ich gemietet hatte, insbesondere viele Fender-Amps aus den späten 50ern − Tremolux, Deluxe, Tweeds etc. −, und mit denen habe ich einen aufwendigen Klangvergleich gemacht. Schlussendlich haben wir eine Kombination aus Deluxe und Tremolux verwendet, einen mit und einen ohne Tremolo. Auch was Effektpedale angeht, war eine Menge am Start, aber ein paar davon haben wir häufig verwendet, beispielsweise den ZVex Fuzz Factory, den ZVex Super Hard On, der einen schönen cleanen Boost bietet, um den Amp zu übersteuern, den Super Duper und den Machsonic Thrust Drive, der von einem Typ in der Türkei gebaut wird.
Wir haben ihn mit dem Ampeg-Top verwendet, um einen sehr ausgehöhlten Fuzz-Sound hinzubekommen. Außerdem die JHS Colour-Box, die den Klang eines Neve 1073 nachahmt, und ein Roland SDD-3000-Pedal. Als Mikros haben wir für die finalen Takes ein Shure SM7 und ein Sony C37 für den 1960er-Vox verwendet. Am Fender Super Reverb ein Sennheiser MD 421 und ein Royer R-121, ein Sennheiser MD 421 und ein Joseph – son e22 am modifizierten Marshall 1959HW oder dem Ampeg V4 mit der Mills-Box sowie ein Neumann U47 fet und ein SM57 am Diezel VH4 mit einer Mills-Box. Alle Amps waren durch große Schaumstoff-Stellwände getrennt und über unseren Radial JD78 Injector Signal-Splitter in der Mitte des Raums verbunden. So konnten wir Sachen schnell ausprobieren.
Vor jeder Session sind Matt und ich alle Amps, Boxen und Pedale durchgegangen, und auch Mutt hat sich eingebracht, indem er Vorschläge machte und sagte, was ihm gefiel und was nicht. Sobald wir uns auf den finalen Sound geeinigt hatten, haben wir aufgenommen. Matt war dann in einer der Glaskabinen im Aufnahmeraum, Mutt in der Tonregie, und ich war im Aufnahmeraum beim JD7, um Sachen umzuschalten, Pedale ein- und auszuschalten, basierend auf meinem Gefühl und Anweisungen von Mutt und Matt.“
Weniger Keyboards, aber Gute!
Auf Drones gibt es weniger Keyboards als auf den vorangegangenen Alben. Was wir verwendet haben, waren die üblichen Verdächtigen: Buchla 200e, ARP 2600, Korg MS-20, Prophet-5 und Moog Voyager. Alessandro Cortini, der bei den Nine Inch Nails spielt, brachte einige experimentelle Synths vorbei, wie den modularen Make Noise. Die Hardware-Synths nehmen wir gewöhnlich per DI auf. Die meisten Synths auf dem Album sind Hardware, obwohl wir auch ein paar Softsynths aus der Pre-Production benutzt haben. Außerdem haben wir im Officine Meccaniche in Mailand echte Streicher aufgenommen; das war im Dezember.
Zu der Zeit war Mutt zurück in der Schweiz, und die Jungs von Muse waren alle in London, von daher war es für alle leicht, nach Italien zu kommen.“ Ungewöhnlich ist, dass Colliva während der Aufnahmen keine Rough-Mixes machte, weil alle Beteiligten einfach die Pro-Tools-Sessions mit nach Hause genommen haben, um sie sich anzuhören oder daran zu arbeiten. Bis Ende 2014 waren alle Aufnahmen zu Drones abgeschlossen. Anschließend, so Colliva „… nahm Mutt die Sessions mit in sein Studio in der Schweiz, wo er mit seinem Assistenten Olle ›Sven‹ Romo den Final-Mix vorbereitete. Dann schickte er uns, was er gemacht hatte, und Matt und ich haben es noch weiter bearbeitet und an Rich Costey geliefert.“
Während der Aufnahmen hatte Mutt Lange immer wieder eine Phrase gebraucht, die alle Anwesenden verwirrte, nämlich: „The record begins after the recordings are finished“ [Frei übersetzt: Eine Platte wird erst daraus, wenn die Aufnahmen fertig sind]. Niemand wusste so recht, was das zu bedeuten hatte, aber als Bellamy Collive und Costey die Pro-Tools-Sessions von Lange und Romo zurückerhielten, begannen sie zu verstehen. Die beiden hatten 20 Tage gebraucht, um den ersten Song zu bearbeiten, und dabei so viel Automation und ein derart detailliertes Editing betrieben, wie es die anderen noch nie gesehen hatten; oft waren die Audiospuren von all den Schnitten regelrecht geschwärzt.
Mixwizard: Rich Costey
Der Grammy-Gewinner arbeitet hauptsächlich im Bereich Heavy und Alternative Rock; zu seinen Kunden gehören Fiona Apple, die Foo Fighters, My Chemical Romance, Arctic Monkeys, Rage Against the Machine, New Order, Franz Ferdinand, Vampire Weekend, Bruce Springteen, Pink, Chvrches, Phantogram, Haim, Foster the People und natürlich Muse. Costey wuchs in Vermont auf und besuchte das Berklee College of Music in Boston. Anschließend zog er nach New York, wo er mit Philip Glass arbeitete. Ein paar Jahre später zog es ihn nach Los Angeles, wo er mit Jon Brion zusammenarbeitete und Fiona Apples zweites Album When The Pawn … (1999) aufnahm.
Costeys El Dorado Studio ist mit einem SSL K-Series-Pult ausgerüstet, das auch für die Drones-Mixes verwendet wurde − allerdings weniger, als man annehmen würde, wo Costey doch als eingefleischter Hardware-Fan bekannt ist. Vor Kurzem gab es jedoch eine überraschende Wende in Costeys Arbeits – weise, nachdem er den Shadow Hills Equinox 30-Kanal-Summing-Mixer getestet hatte. „Er klang so gut, dass es schon grotesk war“, erinnert sich Costey. „Für mich klang es sehr ähnlich wie das klassische Neve 8058-Pult.
Das Album Kintsugi (2014) von Deathcab For Cutie, das ich auch produziert habe, habe ich sowohl über das K[-Series Pult] als auch über den Equinox gemischt, und der letztere Mix wurde verwendet, weil er besser klang. Mein nächstes Projekt war Beneath The Skin (2015) von Of Monsters and Men, das ich ebenfalls produziert habe, und wieder habe ich über den Equinox gemischt, wobei ich den obe – ren Teil der Pro-Tools-Sessions wie mein SSL K-Pult eingerichtet habe.“ Das nächste Projekt sollte Drones von Muse werden. Inmitten seiner Wandlung zum In-The-Box-Mixer − wenngleich via Summing-Mixer und einer größeren Menge von Out – board − erreichte ihn im Februar 2015 die erste Muse-Session.
Es war das erste Mal in seiner Karriere, dass Costey ein von Mutt Lange produziertes Werk mischen sollte, und entsprechend neugierig war Costey: „Bei Mutt bist du auf alles gefasst.“ Nichtsdestotrotz quollen Costey die Augen über, als er die Session zum ersten Mal öffnete … „Als Mutt die Sessions in die Schweiz mitnahm, wusste niemand, was zu erwarten war. Es hätte durchaus sein können, dass er alle möglichen verrückten Overdubs aufgenommen hätte, aber die Sessions, die wir zurückerhielten, waren im Grunde hoch raffinierte, editierte Versionen der vorhandenen Performances. Was jeden von uns überwältigte, war das Ausmaß und die Detailversessenheit seines Editings.
So etwas hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie gesehen. Ich hatte ihn bei den Aufnehmen zum Album im Vancouver getroffen; er ist ein wirklich netter Typ, ein bisschen wie ein Guru. Ich hatte nicht erwartet, dass einer, der Def Leppard und AC/DC produziert hat, so ein − ich will nicht sagen Hippie − aber doch ein nachdenklicher Buddha-Typ ist.
Wir haben uns über seine Arbeitsmethoden nicht en détail unterhalten, aber wenn ich mir die Sessions so anschaue, scheint es mir, als wäre er kein großer Fan von Kompression, um Töne im Zaum zu halten. Stattdessen hatte er auf fast allem Volume-Automation und automatisierte EQ-Absenkungen. Und ich meine wirklich auf jedem einzelnen Snare-Schlag, Piano-Akkord, jeder Bass-Note usw. Du siehst bei jedem Snare-Schlag, wie der EQ für einen kurzen Augenblick bei 1 kHz oder manchmal 700 Hz eingreift, wenn der Stick auftrifft, sodass der Ausklang so fett wie möglich klingt. Er hat auch Sachen in der Zeitebene verschoben. Und alles ganz klar von Hand, nach Gehör! Es gibt keine Quantisierung. Wie akribisch er die Bassgitarre bearbeitet hat, war unglaublich.
Der erste Mix, den wir machten, war Mercy, und Mutt hatte nicht nur EQ-Automation auf jeder Achtelnote, sondern auch Volume-Automation zwischen jeder Achtelnote, um das Geräusch der Finger auf den Saiten zu entfernen. Als Mixer habe ich Sessions von vielen Leuten gesehen, aber so etwas noch nie. Seine Methode, den EQ auf den Gitarrensoli zu automatisieren, war besonders inspirierend. Jeder andere hätte irgendwann den Überblick verloren, aber er scheint beim Editing eine wahnsinnige Konzentrationsfähigkeit zu haben. Ich habe mal mit Mike Shipley gesprochen [ein Engineer, der lange mit Lange arbeitete]; er meinte, dass Mutt das schon zu Zeiten von analogem Tape gemacht hat, indem er beispielsweise jedes Wort am Pult mit EQ bearbeitet hat. Du schaust dir das an und denkst: ›Super Technik, sollte ich auch mal probieren.‹
Allerdings kenne ich niemanden, der das schafft, ohne den Blick fürs Ganze zu verlieren.“ Allerdings, so genial Langes Methoden auch sein mochten, sie funktionierten nicht immer für die Band und Costey, sodass sie sich in einigen Fällen entschieden, einen Teil des Extrem-Editings wieder zu beseitigen. Außerdem ließ der Zeitrahmen zur Fertigstellung des Albums es nicht zu, jeden Song 20 Tage lang zu editieren. Laut Costey war Lange beim Mix stark involviert, indem man sich per E-Mail austauschte, doch mit der Zeit nahmen die Band und Costey die Zügel immer mehr selbst in die Hand, um das Projekt mehr oder weniger alleine fertigzustellen, natürlich aufbauend auf dem, was sie mit Lange bereits erreicht hatten.
Intercontinental Mixing
Es folgten zwei Wochen im Air Lyndhurst in London und eine weiterer Arbeitsabschnitt im El Dorado, sodass das Album am 1. April fertiggestellt war. „Wir sind ins Air umgezogen, weil Muse in Großbritannien eine Club-Tour machten [15 bis 23. März]“, erinnert sich Costey, „und sie wollten unbedingt beim Mix dabei sein. Wir waren im Air Studio 2 mit der 80-Kanal SSL G+-Konsole. Die Band hat außerdem Studio 1 gemietet, um dort zu proben; sie hatten also das halbe Gebäude in Beschlag! Es war ein großes Unternehmen. Weil wir hauptsächlich durch meinen Equinox [Summing Mixer] gemischt hatten, habe ich den mitgenommen, genauso wie ein bisschen von meinem Outboard, insbesondere meinen Burl B80 Mothership [MultikanalWandler], weil ich den Klang anderer Konverter nicht ausstehen kann. Es hat alles in ein großes Flightcase gepasst.
Während der ersten Woche im El Dorado hatten wir die Songs Mercy, Revolt und Psycho gemischt und hatten einen ersten Versuch mit Dead Inside unternommen. Weil Letzteres die erste Single war, war das der erste Song, an den ich mich im Air gesetzt habe.“ Ganz oben in der rund 140 Spuren umfassenden Session sind 34 Aux-Tracks, die alle Audioelemente der Session zusammenfassen, gefolgt von 10 Effektspuren mit eingeschleiftem Outboard und 10 VCA-Spuren. Es folgen ein Mixdown-Track und dann verschiedene Sample-Tracks mit Native Instruments Battery und [XLN Audio] Addictive Drums. Die eigentlichen, von der Band eingespielten Audiospuren beginnen erst ab Track 61.
Costey erklärt, wie und warum er nun rechnerbasiert arbeitet, dabei aber seine frühere SSLPult-Mix-Methoden weiterführen und jede Menge Outboard nutzen kann. „Es hat ein paar Monate gedauert, das alles zu entwickeln und einzustellen, aber jetzt haben wir dieses Pro-Tools-Layout als Template. Ich habe einen Assistenten, dessen Job es ist, die Sessions, die wir bekommen, in dieses Template zu laden. Teil seines Jobs ist es auch, wo nötig, alle Drums zu mappen, damit wir später mit dem Massey DRT-Plugin Samples triggern können. Außerdem geht er alles von Hand durch, um sicherzustellen, dass alles in Phase und samplegenau ist. Die ganzen Aux-Tracks oben sind so ähnlich wie ich früher die Sachen auf das SSL-Pult gelegt habe, und die Ausgänge des Aux-Music-Tracks gehen dann auf den Equinox [Summing-Mixer].
Die Aux-Effect-Tracks sind natürlich ähnlich, wie ich die Effektkanäle auf dem Pult hatte, und die VCA-Tracks reproduzieren die VCA-Masterkanäle in der Mitte der SSL-Konsole. Durch die VCAs laufen keine Audiosignale, sie kontrollieren lediglich die Pegel von Drums, Bass, Gitarre, Keyboards, Vocals, Backing Vocals und Effekten. Battery und Addictive [Drums] sind per Default in der Session, aber ich verwende sie nicht jedes Mal. Zusätzlich zu den Plug-ins auf den Spuren und Aux-Tracks in Pro Tools verwende ich immer noch eine beträchtliche Menge Outboard, entweder über Inserts in Pro Tools oder zwischen den Pro-Tools-Outputs und dem Equinox. Das bedeutet, dass ich gegen- über dem Pult eine riesige Menge Signalweg einspare.
Wenn ich Outboard-EQ verwende, dann meist zwischen dem Burl DA[-Wandler] und dem Equinox. Aber ich verwende auch viel Outboard parallel über die Pro-Tools- Inserts, nur musst du dann natürlich in Pro Tools die Latenz ausgleichen. Als ich mit dem Mix von Drones anfing, habe ich über mein SSL K[-Series Pult] und den Equinox gemischt, weil die Band massive Zweifel hatte, was den Equinox betrifft. Ich habe beide Mixes ausgespielt, und Mutt bevorzugte den Equinox. Die Band war ein bisschen gespalten, weil der Equinox wärmer klingt, was Dom und Chris Gefällt. Matt mag meist einen etwas helleren Klang, hatte am Ende aber keine klare Präferenz.“