Seit den 80er-Jahren steht der Name Apogee für erstklassige AD/DA-Wandler. Mit dem Ensemble Thunderbolt stellt der US-Hersteller nun ein komplexes Audio-Interface vor, das perfekt auf heutige Studioumgebungen abgestimmt ist: Preamps, Monitor-Controller und rasante Thunderbolt-Anbindung. Dazu einige ungewöhnliche Extras.
Äußerlich erinnert das Apogee Ensemble Thunderbolt ein wenig an die Apollo-Interfaces von Universal Audio: schwarze Front, tiefes Gehäuse, viel drin. Doch statt auf DSP-gestützte Audiobearbeitung setzt Apogee auf die Einbindung von »echter« analoger Hardware − denn genau dafür wurden ein paar nette Extras eingebaut, die den Workflow im Studio 2.0 deutlich verbessern. Aber der Reihe nach.
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Das Apogee Ensemble kommt im 19- Zoll-Rackgehäuse mit 1 HE. Im eingebauten Zustand wirkt es sehr kompakt, tatsächlich aber steckt in diesem 32 cm tiefen Gerät eine komplette Studiozentrale. Auf der linken Seite der Frontplatte sitzen zehn Gummitaster zur Auswahl der Inputs. Verwaltet werden diese über den daneben befindlichen EndlosDrehregler in Verbindung mit einem kontraststarken OLED-Farbdisplay. Rechts befinden sich ein weiteres Display und ein weiterer Endlos-Drehencoder für die Outputs. Dazu kommen vier frei belegbare Gummitaster, die man üblicherweise für Monitoring-Funktionen nutzen wird, und zwei separat regelbare Kopfhörerausgänge. Ein Talkback-Mikrofon ist ebenfalls in die Front integriert.
Rein & raus
Die Eingänge 1 − 8 können für Mikrofon- oder Line-Signale verwendet werden. Die ersten vier Inputs lassen sich wahlweise auch als Instrumenteneingänge mit hoher Impedanz nutzen, was aber ein Umstöpseln auf der Rückseite erfordert, denn hier kommen Combo-Buchsen zum Einsatz, die entweder mit einem XLR-Stecker (für Mic/Line) oder Klinke (Instrument) belegt werden können. Allerdings gibt es auf der Frontplatte zwei weitere Instrumenteneingänge, die separat anwählbar sind und über eigene Wandlerkanäle verfügen. Die rückseitigen Instrument-Inputs sind also eher als Reserve zu betrachten, falls man einmal mehr als zwei gleichzeitig benötigen sollte.
Ausgangsseitig verfügt das Apogee Ensemble über einen regelbaren Monitor-Out (2 x Klinke symmetrisch) zum direkten Anschluss von aktiven Lautsprecherboxen sowie über acht Line-Outs in Form einer D-Sub-25- Buchse mit der üblichen Belegung nach Tascam-Standard. Dazu kommen zwei Kopfhörerausgänge, die über eigene Wandlerkanäle angesprochen werden können, wahlweise aber auch den Main-Out (oder ein anderes Ausgangspaar) spiegeln können.
Digitale Ein- und Ausgänge gibt’s natürlich auch, nämlich ein Paar koaxiale S/PDIF-Buchsen und zwei Paar optische Anschlüsse, die wahlweise im S/PDIF- (stereo) oder ADAT-Modus (jeweils achtkanalig) betrieben werden können. Bei höheren Abtastraten von 88,2 bzw. 96 kHz lassen sich die optischen Buchsen im S/MUX2-Modus zwei Mal vier – kanalig nutzen, bei 192 kHz fallen die optischen Digitalanschlüsse ganz weg. Abgerundet wird die Ausstattung durch Word-Clock-Buchsen zur externen Taktsynchronisation. MIDI-Anschlüsse sucht man leider vergebens, aber wer ein Audio-Interface dieser Größe verwendet, dürfte in den meisten Fällen ohnehin ein separates MIDI-Interface mit multiplen Anschlüssen benötigen.
Extras
Soweit nichts wirklich Ungewöhnliches. Doch das Apogee Ensemble Thunderbolt hat noch einige interessante Extras auf Lager. So bieten die ersten beiden Inputs zwischen der Vorstufe und dem AD-Wandler Insert-Punkte − ideal also, um einen Kompressor oder EQ einzuschleifen. Anderes als etwa bei den meisten Mischpulten sind diese Inserts symmetrisch beschaltet, und sie können bequem über das Front-Panel aktiviert oder deaktiviert werden. Somit lassen sich diese Inserts auch für externe Preamps nutzen, indem man den Send unbenutzt lässt und den Output des Preamps mit dem Return verbindet.
Äußerst praktisch sind auch die zusätzlichen »Out«-Buchsen der frontseitigen Instrumenteneingänge. Beim Aufnehmen wird hier das Signal durchgeschleift, sodass man einen Gitarren- oder Bassverstärker anschließen kann, während das »nackte« Instrumentensignal mitgeschnitten wird − den Verstärker kann man währenddessen separat abnehmen und über einen der Mikrofoneingänge aufnehmen. So erhält man simultan den Verstärker-Sound und das pure Gitarrensignal zur Verwurstung in einem digitalen Amp-Simulanten bzw. zum Re-Ampen mit einem echten Gitarrenverstärker. Und genau für letzteren Fall lassen sich die Out-Buchsen auch über separate Wandlerkanäle mit bereits aufgenommenen Signalen beschicken. Die »Out«-Buchsen unter den Instrumenteneingängen ersetzen also eine DI-Box und eine Re-Amping-Box. Super Sache! Einziger Wermutstropfen: Es fehlt ein Ground-Lift-Schalter, um gegebenenfalls Brummschleifen zu eliminieren.
Ein typisches Apogee-Extra gibt’s natürlich auch beim Ensemble Thunderbolt: Soft Limit. In Zeiten von hochauflösenden 24-BitWandlern eigentlich ein Anachronismus, aber manche User mögen einfach den Sound. Soft Limit ist auch eine gute Sache für all jene, die sich partout nicht daran gewöhnen können, ausreichend Headroom zu lassen. Noch immer geistert ja in vielen Köpfen die Mär von der verschenkten Auflösung, wenn die Wandlerdynamik nicht bis aufs letzte dB ausgeschöpft wird. Soft Limit klingt definitiv besser als digitales Clipping. Grundsätzlich ist die Klangtransparenz jedoch etwas höher bei deaktivierter Soft-Limit-Funktion und entsprechend »konservativer« Aussteuerung.
Die Audiowerte sind rekordverdächtig:
Die Gesamtverzerrungen für AD+DA-Wandlung betragen 0,0001%. Das ist sensationell niedrig und hart an der Grenze der Messbarkeit. Die Gesamtdynamik beträgt knapp über 117 dB. Auch dies ist ein sehr guter Wert und nur ein paar dB unter den Spitzenwerten teurer Mastering-Grade-Wandler.
Bild: Dr. Andreas Hau
Bild: Dr. Andreas Hau
Bild: Dr. Andreas Hau
Bild: Dr. Andreas Hau
Praxis
Aufgrund seiner Computerschnittstelle ist das Apogee Ensemble Thunderbolt ein MacOnly-Gerät. Apple-affin war Apogee schon immer, aber zwischenzeitlich gab es − durch die Zusammenarbeit mit Avid − auch Interfaces mit Windows-Treibern. Beim Ensemble Thunderbolt lohnt sich der Programmieraufwand kaum, denn es gibt nach wie vor nur sehr, sehr wenige Windows-PCs mit Thunderbolt-Schnittstelle.
Löblich: Im Gegensatz zu vielen anderen Thunderbolt-Audio-Interfaces verfügt das Apogee Ensemble über einen zweiten Thunderbolt-Port, sodass Daisy-Chaining mit weiteren Thunderbolt-Devices möglich ist. Aufgrund der hohen Bandbreite der Thunderbolt-2-Schnittstelle funktioniert das in der Regel ohne Performance-Einbußen. Ein Thunderbolt-Kabel gehört leider nicht zum Lieferumfang.
Treiber sind erhältlich für Mac OS X ab 10.9 (Mavericks), 10.11 (El Capitan) wird bereits unterstützt. In der niedrigsten Puffereinstellung mit 32 Samples − der Mac gönnt sich »heimlich« noch weitere interne Puffer − meldet Cubase eine Eingangslatenz von 1,088 ms und eine Ausgangslatenz von 1,769 ms. Das ist gerade ausgangsseitig ein wenig mehr, als manches andere Thunderbolt-Audio-Interface bietet, andererseits läuft das Apogee Ensemble schon bei so niedrigen Latenzen überraschend performant.
Um das genauer zu quantifizieren, habe ich mal wieder den CPU-intensiven Softsynth u-he DIVA als Benchmark verwendet (»Beauty Patch« im »Divine Mode« bei aktivierter Multi-CPU-Unterstützung). Bereits in der 32-Samples-Einstellung konnte mein kleines MacBook Pro 13 acht DIVA-Stimmen knackfrei wiedergeben. In der 64-Samples-Einstellung werden dann schon 14 DIVA-Stimmen erreicht, und mit 128 Samples die maximal möglichen 16 Stimmen, die das kleine MacBook Pro (Intel Core i5 CPU @ 2 x 2,4 GHz, 16 GB RAM) zu fast 100 % auslasten. Bei 128 Samples beträgt die Eingangslatenz 3,2 ms und die Ausgangslatenz 3,9 ms. Somit bleibt auch die Roundtrip-Latenz im einstelligen Bereich. Das sollte für ein direktes Spielgefühl mit Guitar Rig & Co locker ausreichen.
Erfreuliches gibt es auch von der Bedienung zu berichten. Das Gerät selbst ist nahe – zu selbsterklärend. Dank der beiden Farbdisplays fällt es kaum ins Gewicht, dass es keine dedizierten Buttons für die einzelnen Funktionen gibt. Bereits nach kurzer Zeit hat man die Bedienung per Channel-Buttons und Multifunktionsrad verinnerlicht.
Die Bediensoftware Maestro 2 wirkt auf den ersten Blick etwas karg. Es fehlt jegliches Eye-Candy in Form von 3D-Grafik, und die Farbgebung ist grau in grau. Trotzdem, oder gerade deshalb, fällt die Bedienung sehr leicht. Alles ist übersichtlich und logisch angeordnet, sodass man auch ohne Vorkenntnisse in Windeseile einen Monitor-Mix hinbekommt. Gleich vier unabhängige Mixes kann die Software auf beliebige Ausgänge routen.
Was fehlt, ist jedoch einfacher »Wohlfühl«-Hall für Gesangsaufnahmen. Zu kritisieren ist auch die äußerst bescheidene Klangqualität des eingebauten Talkback-Mikros − dagegen klingt selbst ein Telefon Hi-Fi!
Ansonsten gibt es nur Gutes zur Audioqualität zu berichten. Die Mikrofon-Preamps arbeiten sehr rauscharm und bieten üppige 75 dB Gain. Die gesamte Signalführung wirkt sehr sauber; viele Funktionen werden über Relais gesteuert, um die Signalwege kurz zu halten. Dass die Wandler ausgezeichnet klingen, versteht sich bei einem Apogee-Gerät eigentlich von selbst. Die Messwerte sind sehr gut bis überragend. Mit einer Dynamik von über 117 dB erreicht das Apogee Ensemble als Multikanal-Interface fast das Niveau teurer Mastering-GradeWandler. Bei den harmonischen Verzerrungen erreicht das Apogee Ensemble mit 0,0001 % THD − wohlgemerkt für AD+DA Wandlung! − den besten Wert, den wir je gemessen haben. Die Frequenzgänge sind wie gewohnt schnurgerade.
Auf subjektiver Ebene gefällt der sehr plastische, bestens aufgelöste Sound, der − typisch Apogee − in den Höhen eine gewisse Luftigkeit besitzt, die man bei anderen Herstellern bisweilen vermisst.
Fazit
Ein tolles Gerät. Klar, der Preis ist kein Pappenstiel, aber das Apogee Ensemble Thunderbolt ist ein Audio-Interface, das auch auf längere Sicht kaum Wünsche offen lassen dürfte. Das Gerät wirkt sauber und hochwertig verarbeitet, sodass man lange Freude daran haben sollte. Die Niedriglatenz-Performance ist sehr gut, die Bedienung fällt leicht, und der Klang ist Apogee-typisch: transparent und subjektiv angenehm, ohne gleich schönfärberisch zu wirken. Auch die Messwerte überzeugen auf ganzer Linie.
Dazu kommen durchdachte Extras wie schaltbare Inserts und die DI/Re-Amping-Funktionen der Instrumenteneingänge. Da hat der Hersteller mitgedacht bzw. den Workflow im Studio 2.0 genau analysiert. Nachbessern sollte Apogee beim eingebauten Talkback-Mikro; ansonsten ist das Ensemble Thunderbolt ein Audio-Interface ohne Fehl und Tadel. Leider nur für Mac!