Wo hat sicherlich jeder schon mal reingepustet und einen hübschen Ton erzeugt? Richtig, in eine Flasche. Und damit wir das Nützliche mit dem Schönen verbinden, beginnen wir mit einem Besuch des lokalen Getränkemarkts, um uns mit diversen »Instrumenten« in allen Formen und Größen einzudecken. Spaß beiseite: Das nächstbeste Bier tut es in diesem Fall natürlich auch. Nun denn, Flasche öffnen, Prost, und bis zur gewünschten Tonhöhe austrinken. Und ja, eine Bierflasche darf auch gerne tief gestimmt werden. Also bitte einmal leeren.
Nachdem nun das Instrument bereit und der Durst gestillt ist, geht es an das eigentliche Sampling. Da wir kein Multisampling betreiben wollen, soll uns eine einzige Aufnahme genügen. Um allerdings ein gutes Ergebnis zu erzielen, müssen wir ein paar Details beachten. Damit es die Pitch- und Timestretching Algorithmen unseres Samplers, falls wir sie denn später einsetzen, leichter haben, brauchen wir eine Aufnahme mit möglichst viel Ton und wenig Rauschen. Dabei ist nicht nur das Rauschen des Equipments gemeint, sondern auch das Anblasgeräusch, welches präsent, aber nicht übermäßig stark sein sollte. Des Weiteren sollte der Ton möglichst gleichmäßig und sauber erklingen; erst gegen Ende, wenn dem Spieler die Puste ausgeht, sollte es zu größeren Schwankungen kommen. Daher darf vor der Aufnahme gerne ein wenig geübt werden.
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Ein kleiner Hinweis noch zur Positionierung des Mikrofons: Auch wenn ein Poppschutz verwendet wird, achten wir darauf, dass unsere Puste nicht in Richtung des Mikrofons geht. Wir stellen uns eher rechtwinklig zum Mikro auf oder, wenn es der Platz erlaubt, vergrößern den Winkel sogar noch etwas.
Sound&Recording 02/16 – Brass Recording Special
In der Sound&Recording-Ausgabe 02/16 steht die Mikrofonierung von Blasinstrumenten im Fokus. Wir haben mit jeweiles über 25 Mikrofonen an Trompete, Posaune und Saxofon Audiobeispiele erstellt, die ihr hier auf der Website über SoundCloud auch anhören könnt. In unserem Brass Recording Special im Heft geben wir euch einen Einblick hinter die Kulissen der Recordings mit dem Bläsersatz aus “Sing mein Song – Das Tauschkonzert”. In unseren Tests findet ihr das Kleinmembranmikrofon-Stereoset Telefunken M60 FET. Für alle Homerecorder zeigt S&R-Leser Felix Krawcyk, wie er sein Homestudio aufgepimpt hat. Im zweiten Teil unserer DAW History Reihe geht es um den Game-Changer Ableton Live. Alle Love The Machines Fans können sich auf den Yamaha DX200 (*2001) freuen.
Die eigentliche Aufnahme sollte dann relativ kurz und schmerzlos sein, damit wir uns direkt an die Nachbearbeitung machen können. Wir schneiden den besten Take grob frei und packen ihn in unserer DAW auf eine eigene Spur. Der erste Schritt ist nun das Tuning. Da – mit wir mit unserem Instrument möglichst flexibel arbeiten können, müssen wir zunächst herausfinden, um wie viele Cent unsere Aufnahme vom nächstgelegenen Halbton abweicht. Hierzu verwenden wir ein TunerPlug-in, wie man es beispielsweise auch für Gitarren verwendet; bei den meisten großen DAWs sollte ein solches mittlerweile zum Standard-Repertoire gehören. Falls vorhanden, verwenden wir mehrere verschiedene Tuner, denn die Ergebnisse können leicht voneinander abweichen. Wenn wir dann einen groben Mittelwert bilden, sollten wir zu einem brauchbaren Ergebnis kommen.
Mit diesem Mittelwert füttern wir nun unseren qualitativ besten PitchShifting-Algorithmus und tunen das Sample so, dass dessen Grundton auf den nächstgelegenen Halbton »rutscht«. Das gestimmte Sample werden wir nun weiter bearbeiten. Zunächst filtern wir mit einem steilflankigen Filter unnötiges Gerumpel unterhalb des Grundtons weg. Zur Feinjustierung des Anblasgeräusches verwenden wir einen HighShelf-EQ, den wir auf eine Frequenz von rund 8 kHz einstellen. Das anschließende Anheben oder Absenken erfolgt ganz nach Geschmack. Hier sei noch einmal erwähnt, dass ein zu großer Noise-Anteil eventuell zu Artefakten beim Timestretching innerhalb des Samplers führen kann.
Da das Pusten in eine Flasche ein wenig steril und sinusartig klingen kann, wollen wir unserem Instrument nun ein wenig mehr Charakter geben, indem wir seine Obertöne hervorheben. Dazu brauchen wir einen EQ mit vielen, möglichst steilflankigen Bändern wie z. B. den Waves Q10.
Mittels eines entsprechenden Berechnungs-Tools, wie man es beispielsweise auf www.sengpielaudio.com/Rechnerharmonische.htm findet, können wir schnell die entsprechenden Obertöne zur Grundfrequenz unserer Aufnahme ermitteln und diese nun nach Belieben cutten und boosten. Da wir dem Instrument Charakter verleihen wollen, können wir hier beliebig eingreifen. Wer mag, kann auch den Grundton stark herausfiltern und so hauptsächlich mit Obertönen arbeiten, was interessante Möglichkeiten bietet.
Nachdem wir unser File gebounced haben, widmen wir uns dem Sample-Mapping im Sampler. Dabei sollte die Herangehensweise bei allen gängigen Samplern recht ähnlich sein. Wir importieren das Sample in ein neues Instrument und schieben es auf der virtuellen Klaviatur auf die Taste, die dem Grundton unserer Aufnahme entspricht. In der Regel sollte sich der sogenannte »Rootkey« anpassen und ebenfalls dieser Taste entsprechen. Falls das nicht der Fall sein sollte, korrigieren wir dies jetzt noch manuell.
Da wir kein Multisampling betreiben, sollten wir uns im Klaren darüber sein, dass es beim Spielen des Instruments zu immer stärkeren Artefakten kommt, je weiter wir uns vom Rootkey entfernen. Es kann daher Sinn machen, den spielbaren Bereich einzugrenzen und das Sample nur im Bereich von ±2 Oktaven um den Rootkey herum spielbar zu machen. Natürlich kann es aber auch reizvoll sein, mit der Transposition in Bereiche vorzudringen, in denen der Sound arg verfremdet klingt − Geschmackssache … Als Nächstes stellt sich die Frage, ob wir Timestretching verwenden wollen und (falls vorhanden) welchen Algorithmus wir verwenden. Hier muss primär das Gehör entscheiden, denn die Ergebnisse der verschiedenen Algorithmen meines Samplers (NI Kontakt) waren doch deutlich unterschiedlich.
Um den Realismus und die Lebendigkeit noch zu erhöhen, fügen wir in unser Instrument nun noch ein HiCut-Filter mit einer sehr sanften Flankensteilheit ein. Dessen Cutoff-Frequenz modulieren wir mit der Velocity, sodass sich das Filter komplett öffnet, wenn man mit starkem Anschlag spielt, und der Sound bei geringen Velocities in den Höhen bedämpft wird. Hier ist Ausprobieren gefragt; ich habe das Filter in meinem Falle auf ca. 144 Hz eingestellt.
Effekte
Abschließend bemühen wir noch die Samplerinternen Effekte. Hier haben ja mittlerweile alle großen Sampler wie Kontakt, Halion & Co einiges zu bieten, daher kann sich jeder austoben. Ich habe meiner Bierflasche einen Flanger mit viel Modulationstiefe und Feedback sowie einer langsamen Geschwindigkeit verpasst; zusätzlich sitzt dahinter noch ein Convolution Reverb, der als Impulse Response Weißes Rauschen verwendet. Viel Spaß beim Experimentieren!
sehr schön, da kriegt man lust auf flaschendrehen;-)
hier ein ganzer Track nur aus Bierflaschensounds (schon ein bisschen älter):
https://myspace.com/didubbo/music/song/beerbottledub-18179490-17980675