MOTU Stage-B16 Audio-Interface mit Netzwerkfähigkeiten im Test
von Dr. Andreas Hau, Artikel aus dem Archiv
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Digitale Audionetzwerke sind nicht nur fürs Studio interessant, sondern auch für Live-Anwendungen: Lassen sich doch die teuren, armdicken Multicore-Kabel durch billige und optisch unauffällige Ethernet-Strippen ersetzen. Mit dem Stage-B16 bietet MOTU ein dediziert auf Bühnenanwendungen zugeschnittenes AVB-Audio-Interface an — das nebenbei aber auch fürs Studio hoch interessant ist.
Schon auf den ersten Blick präsentiert sich das Stage-B16 ganz anders als die bisherigen AVB-Audio-Interfaces von MOTU. Mit zwei Höheneinheiten ist das Gehäuse doppelt so hoch, und das nicht ohne Grund, denn alle Audioanschlüsse sind als große XLR-Steckverbinder ausgeführt. Und sie befinden sich auf der Gehäusefront, statt wie gewohnt auf der Rückseite. Ganz klar, das Stage-B16 ist eine Art digitale Stage-Box. Hier geht’s ganz nüchtern rein und raus; sogar das große blaue LC-Display, das bislang für MOTUs AVB-Flotte typisch war, musste weichen!
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Leichtgewicht
So schwer das voluminöse Gerät rein optisch wirken mag, so verblüffend leicht ist es, wenn man das Stage-B16 anhebt. Nur knapp über 2 kg bringt es auf die Waage, denn das robuste Schalengehäuse besteht vollständig aus Leichtmetall. Werkseitig nicht angebracht, aber beigelegt sind »Überrollbügel«, die sich links und rechts auf der Gerätefront montieren lassen, um die Anschlüsse beim Transport zu schützen.
Das frontseitige Anschlussfeld ist praktisch selbsterklärend: 16 Mikrofoneingänge stehen acht Line-Outputs gegenüber. Zusätzlich gibt es zwei AES/EBU-Ausgänge, jeweils stereo. Sogar die AVB-Netzwerkbuchse befindet sich auf der Frontplatte. Anders als bei MOTUs Studio-Interfaces kommt hier eine Road-taugliche Buchse mit Verriegelung zum Einsatz (ein normales Ethernet-Kabel passt aber auch). Sämtliche Steckverbinder sind Qualitätsware von Amphenol.
übrigen AVB-Interfaces hat das Stage-B16 nur zwei Reihen Multicolor-LEDs: eine für jeden Ein- und Ausgang als rudimentäre Pegelanzeige. Nur zwei Taster gibt es: »Mute All« ist bei Rückkopplungen hilfreich, um den Weltfrieden wiederherzustellen. Drückt man »Show 48V«, leuchten die LEDs derjenigen Eingänge rot auf, für die die Phantomspeisung aktiviert wurde. Ein- und ausschalten lässt sich diese nicht am Gerät selbst, sondern nur per Software. MOTUs AVB-Audio- Interfaces lassen sich bekanntlich komplett per Internet-Browser konfigurieren.
Fast vergessen: Einen regelbaren Kopfhöreranschluss gibt es auch noch. Auch der Kopfhörermix wird über den Web-Browser eingestellt. Sind ein AVB-Switch und WLAN verfügbar, können Mix und Konfiguration auch kabellos erfolgen, etwa über ein Tablet.
Fürs iPad gibt’s sogar die (kostenlose) »AVBDiscovery«-App von MOTU.
Die Audio-Performance ist beeindruckend — nicht nur innerhalb der Preisklasse. Die Gesamtdynamik (AD+DA) liegt bei knapp 119 dB! Ein Spitzenwert, den allenfalls teure Mastering-Wandler überbieten. Dabei wurde sogar über die Mikrofoneingänge gemessen (bei aktiviertem Pad), da das Stage-B16 ja gar keine Line-Eingänge hat.
Bild: Dr. Andreas Hau
Bild: Dr. Andreas Hau
Bild: Dr. Andreas Hau
Was ist AVB?
Das Kürzel AVB steht für »Audio Video Bridging« und bezeichnet eine Reihe von technischen Standards für synchronisierte und bevorzugte Übertragung von zeitkritischen Audio-/Videodaten über Netzwerke, speziell Ethernet. Es handelt sich also keineswegs um ein MOTU-eigenes System, sondern um einen von einem Komitee, der Time Sensitive Networking Task Group (IEEE 802.1), spezifizierten offenen Standard — mit imposanten Leistungsdaten: Die minimale Latenz beträgt 0,25 ms, die maximale Abtastrate 192 kHz. Damit sollte AVB die Puste so schnell nicht ausgehen.
Viel effizienter als bei den herkömmlichen digitalen Punkt-zu-Punkt-Verbindungen (z. B. S/PDIF oder ADAT) kommunizieren Geräte in Netzwerken viel effizienter: Hier wird eine Verbindung nur dann aufgebaut, wenn tatsächlich Daten übertragen werden; es muss auch nicht jedes Gerät mit jedem anderen direkt verbunden sein, pro Gerät genügt eine einzige Verbindung zum Netzwerk.
Praxis
Man könnte meinen, bei einem Audio-Interface für die Bühne habe die Klangqualität vielleicht nicht oberste Priorität. Der Blick auf die Messungen belehrt eines Besseren: Das MOTU Stage-B16 punktet mit erstklassigen Messwerten, die teilweise sogar noch die sehr guten Spezifikationen der AVB-Interfaces fürs Studio übertreffen! Im Loop-Test − d. h., der Ausgang wird mit dem Eingang verbunden − ermitteln wir einen Dynamikumfang von 119 dB (für AD- plus DA-Wandlung!). Und das, obwohl wir das Stage-B16 über die Mikrofoneingänge messen mussten, da es ja gar keine Line-Inputs besitzt. Das belegt im Übrigen, dass man die Mikrofoneingänge ohne Klangeinbußen auch für Line-Quellen verwenden kann; man muss lediglich das InputPad aktivieren, was nebenbei auch die Eingangsimpedanz von 3 kOhm auf 4,5 kOhm erhöht. Das sollte für die allermeisten Line-Quellen locker ausreichen (gewöhnlich liegen Line-Inputs bei um 10 kOhm).
Auch das Klirrverhalten ist ausgezeichnet. Die Gesamtverzerrungen betragen nur 0,0003 %, einer der besten Werte, den wir bislang gemessen haben.
Die Mikrofonvorstufen arbeiten, wie von MOTU nicht anders gewohnt, sehr sauber und transparent. Das Eingangsrauschen ist mit –128 dBu angegeben; damit lassen sich auch dynamische Mikros mit wenig Output rauscharm betreiben. Die maximale Verstärkung beträgt 63 dB und lässt sich in Schritten von 1 dB justieren. Alle Einstellungen für das Gerät, das Routing und den internen Mixer können abgespeichert werden und bleiben auch nach dem Ausschalten des Stage-B16 erhalten.
Grundsätzlich kann man den internen DSP-Mixer des Stage-B16 außer fürs Monitoring auch für den Live-Mix verwenden. Pro Kanal lassen sich Hochpass, EQ, Dynamics und ein Gate zuschalten. Auch Sends und ein einfacher Hall-Effekt sind vorhanden. Letzterer klingt allerdings recht bescheiden. Bequemer und professioneller wäre die Kombination mit einem digitalen Hardware-Mischpult, wofür der Hersteller die Anbindung über ein MOTU 112D vorsieht.
Derzeit scheinen aber auch MischpultHersteller den AVB-Standard (neu) zu entdecken, unter anderem Presonus. Bei AVB handelt es sich ja keineswegs um eine proprietäre MOTU-Schnittstelle, sondern um einen offenen, Hersteller-übergreifenden Standard. Vor ein paar Jahren gab es schon einmal entsprechende Vorstöße, doch mit MOTUs Engagement scheint AVB nun entscheidend an Moment gewonnen zu haben. Man darf gespannt sein; da tut sich was!
Mit seinen ausgezeichneten Klangeigenschaften ist das Stage-B16 keineswegs auf Live-Anwendungen beschränkt, sondern es eignet sich ohne Abstriche auch für den Studiobetrieb. Beispielsweise als (zusätzliches) Interface für den Aufnahmeraum. Mit 16 Mikrofoneingängen sollte man für die allermeisten Szenarien gerüstet sein. Und wie angesprochen, lassen sich die Mic-Inputs auch als Line-Eingänge verwenden; man sollte lediglich das Pad aktivieren und aufpassen, dass die Phantomspeisung für den betreffenden Eingang nicht aktiviert ist – aber dafür gibt’s ja den praktischen »Show 48V«-Button. Die acht Line Outputs lassen sich im Aufnahmeraum in Verbindung mit einem Kopfhörerverstärker für individuelle Monitor-Mixes verwenden.
Schade, dass sich die MIDI-Buchsen nicht über AVB ansprechen lassen, sondern nur bei Direktanbindung über USB. Vielleicht tut sich ja da noch was, denn die paar MIDI-Daten sollten sich doch locker noch im AVB-Datenstrom unterbringen lassen. Wäre jedenfalls sehr praktisch, um den MIDI-Output mitschneiden zu können, wenn etwa ein Keyboarder mit den übrigen Musikern im Aufnahmeraum spielt.
Ansonsten lässt sich das Stage-B16 natürlich auch am Mac oder PC als »normales« USB-Audio-Interface betreiben. Die Niedriglatenz-Performance entspricht der der übrigen MOTU AVB-Audio-Interfaces, ist also sehr ordentlich.
An neueren Macs lassen sich die MOTU AVB-Interfaces ab OS X 10.10 auch über den Ethernet-Port anschließen; derzeit besteht hier allerdings eine Beschränkung auf die Abtastraten 48, 96 oder 192 kHz.
Fazit
Das MOTU Stage-B16 ist mehr als nur eine digitale Stage-Box für die Bühne. Mit seiner professionellen Ausstattung und seinen erstklassigen Audiowerten ist das Stage-B16 absolut studiotauglich. Obwohl es auch als alleiniges Audio-Interface betrieben werden kann, empfiehlt es sich vor allem als Erweiterung für bestehende AVB-Setups. Seine 16 Mikrofoneingänge und acht Line-Ausgänge (plus 2 x AES/EBU) machen es nicht nur für den Bühneneinsatz attraktiv, sondern auch als komplett fernsteuerbares Audio-Interface für den Aufnahmeraum, wo es »nebenbei« auch fürs Monitoring verwendet werden kann und eine Menge langer Kabelwege einspart. Tolle Sache!