Studioreport: Jupiter Jones und der Sound der “Brüllenden Fahnen”
von Dirk Heilmann,
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Wir haben Jupiter Jones in ihrem Studio in Hamburg besucht und zu ihrem aktuellen Album “Brüllende Fahnen” befragt. Tief versunken sitzen uns Becks und Sascha in ihren orangen schalenförmigen Sesseln aus den 70ern gegenüber und schwärmen von Sounds und Geräten die mindestens ebenso alt sind – eben jene, die auch für das kommende Album bereit standen und noch immer eifrig genutzt werden.
Um näher am Geschehen zu sein, sind Jupiter Jones aus ihrem Proberaum in der Eifel in die Hamburger Studiogemeinschaft „Yeah Yeah Yeah“ gezogen und haben sich hier, samt Studio, neu eingerichtet. Drei von vieren leben in der nordischen Hafenstadt und konnten sich so ganz dem Songwriting, Aufnehmen und Produzieren widmen, statt mit Reisen durch die BRD.
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Grundsätze der neuen alten Aufnahmetechnik
Der Großteil wurde genau hier, in heimeliger Atmosphäre und teils sogar bei offenem Fenster aufgenommen. Einzige für die Schlagzeugaufnahmen zog es die Jungs ins „Studio Nord Bremen“, das ein einziger Vintage Himmel ist, in dem sogar schon Heintje produziert wurde erzählt Sascha und muss etwas schmunzeln. Aber nicht nur optisch lässt der riesige Tanzsaal ein Gefühl der vergangenen Zeiten aufleben, auch die Technik stammt teils sogar aus den 50ern und 60ern und stand für die Aufnahme bereit. Und das ist genau das, was sie in ihrem neuen Album einfließen lassen wollten und nahmen das Schlagzeug auf Band (!) auf. Mit dem Album verfolgt die Band eine neue Idee und wechselte dafür die Aufnahmetechnik und auch den Produzenten – nicht weil sie vorher unzufrieden waren, sondern weil sie neue Wege gehen wollen.
Auch das Mixing passierte in Hamburg unter vintage Voraussetzungen. Produzent Olav Opal haben sie sich mit ins Boot geholt, nachdem sie in Gesprächen merkten, dass er genau der richtige “Freak” für das Album ist, ebenso wie weitere Geräte aus dem prä-digitalem Zeitalter wie ein MCI-Pult aus den 70ern auf dem gemischt wurde. Technisch verlieft das nicht immer ganz reibungsfrei, aber diese Problemchen waren ihnen lieber, als einem fremden Produzenten ihre Sound- und Klangvorstellungen in ellenlagen Sitzungen zu erklären und danach womöglich doch nur ein „zerregeltes“ Album in den Händen zu halten.
Ein solches Konzept aber konsequent durchzuhalten erfordert mehr als nur einen Haufen altes Equipment. Ebenso braucht es Mut, diesen Weg stringent zu Ende zu gehen – das haben sie gemacht, betont Becks, und erwähnt, dass sie der Mut während den Aufnahmen sogar gesteigert hat.
Damit versuchen sie sich übrigens nicht zu letzte von dem ganzen „Einheitsbrei aus dem deutschen Radio-pop“ zu unterscheiden, sagt Becks. Auch die Instrumentation und Spielweise wurde extrem reduziert und vereinfacht – was nicht bedeutet, dass alles einfacher klingt! Abgesehen von ganz wenigen Synthies, stehen hier vor allem Gitarre, Bass, Schlagzeug und Gesang im Vordergrund. Auf ewig viele Doppelungen der Gitarre wurde dabei aber ebenso verzichtet wie ein überdimensioniertes Schlagzeug, das nun überwiegend auf Bassdrum, Snare und Hi-Hat reduziert ist. Stattdessen war es umso wichtiger, sich auf die wenigen und wesentlichen Sounds zu konzentrieren und diese einfach „gut“ darzustellen. Apropos „Gut“: Das was „gut“ ist, musste erst einmal neu definiert werden. Olav Opal erkennt schon zu Beginn, dass die Platte „nicht gut“ klingen darf. Aber natürlich soll die Platte „gut“ klingen – darüber war sich die ganze Band einig! Nur eben irgendwie anders „gut“.
Der richtige Sound der Saiten
Um die Gitarre möglichst originalgetreu widerzugeben, schwört Sascha auf das Delta Bändchenmikrofon. Nach unzähligen anderen ausprobierten, hat er keins gefunden, das nur ansatzweise an das Delta reicht. Als ersten Teil der Gitarren-Kette nutzte Sascha neben einer Fender Telecaster, die er auch Live hauptsächlich benutzt, u.a. eine alte Silvertone Gitarre, eine „billige 70er Jahre Kaufhausgitarre mit etwa 8 Jahren alten Saiten drauf“, wie er sagt und grinst dabei übers ganze Gesicht. Der passende Verstärker dazu war ein im Gitarrenkoffer untergebrachter kleiner Röhren-Amp! Mit Modeling-Amps und Co. hingegen, kann Sascha nichts anfangen.
Der Bass wurde mittels Neumann U 87 direkt von der Box abgenommen und als DI-Signal. Allerdings nicht trocken – wie häufig üblich um auf Nummer sicher zu gehen – sondern direkt mit dem richtigen Sound, der dann auch schon mal zwei Stunden lang gesucht und gefunden werden muss.
Songwriting mit neuem Sänger
Für das Songwriting hat sich Sascha, der wohl den größten Teil diesbezüglich dazu beisteuert, für diese Platte besonders viel von Schlagzeugsounds und –beats inspirieren lassen. Am Computer setzt der Gitarrist einen Grundbeat und erste Soundvorstellungen um, drum herum bastelt er dann Bass oder Gitarre. Als Blaupause dienten dafür immer wieder die Arctic Monkeys, Block Party und Jack White von denen Sascha sich während Spaziergängen mit seinem Hund hat inspirieren lässt. Allerdings bieten am Ende doch eben jene Ideen die beste Grundlage für Songs, die spontan im Proberaum entstehen ohne den Kopf einzuschalten.
Bild: Jupiter Jones
Bild: Jupiter Jones
Bild: Jupiter Jones
Bild: Jupiter Jones
Bild: Jupiter Jones
Bild: Jupiter Jones
Bild: Jupiter Jones
Bild: Jupiter Jones
Die Inhalte der Lieder entstanden für dieses Album, vielleicht anders als zunächst erwartet, in Zusammenarbeit zwischen Sascha und Vertrauten Niclas Breslein. Das hat jedoch den einfachen Grund, dass der neue Sänger Sven mit dem Auswendiglernen und Hineinfinden in das bestehende Bandgefüge bereits genug um die Ohren hatte. Und dennoch hat auch er bereits seine Farbe im Sound von Jupiter Jones hinterlassen – ganz unbewusst. Immerhin ist er „ein Viertel der ganzen Band – das verändert das ganze Bandgefüge“, so Sascha.
„Ein neuer Geist“
Sänger Sven und Jupiter Jones sind sich übrigens nicht ganz unvertraut. Er kannte bereits Schlagzeuger Marco und besonders zu Sascha hat er seit der frühen Kindheit eine bestehende Freundschaft und sie hatten ihre erste Band zusammen. Zu den ersten Platten von Jupiter Jones stand Sven mit Rat zur Seite und als die Band „kränkelte“ war die Idee Sven zu fragen nur einen Anruf weit entfernt und nun schwärmt Becks von einen neuen Geist.
Vom Aufnahme- zum Regieraum
Im Regieraum gibt es kaum ein Gerät, das keine analoge Signalanzeige oder eiergroße Potis und kräftige Kippschalter hat. Zwei brusthohe Racks voll 19“ Geräten stehen neben dem Pult und fassen diese Armada an echten vintage Schätzen. Produzent Opal erzählt dazu kleinlich wo welches Gerät herkommt – teilweise auch was darin steckt. Nicht wenige benutzt er ganz anders als er es sonst tut, wie den 1176 Limiting Amplifier Blue-Stripe Variante, der bei ihm gewöhnlich für Gesang zum Einsatz kommt, hier jedoch nutzt er ihn für Bass und schwört auf seine “extrem guten Mitten”.
Er kommt aus dem Schwärmen der Sounds selbst kaum raus und erzählt das Konzept der Platte aus seiner tontechnischen Sicht. Im Mittelpunkt steht auch für ihn das Erzielen eines speziellen Klangs, der auf keinen Fall „klinische“ sein darf. Dicke Sounds brauchen nicht gedoppelt zu werden. Wichtig ist ihm hier einen rauen und schlichten Sound zu erzeugen, der – entgegen der ein oder anderen Erwartung – nicht rock ´n rollig klingt.
Bild: Marc Bohn
1176 Limiting Amplifier: Nutzt Olav normalerweise für Gesang, hier aber für Bass. „extrem gute Mitten!“; Distressor EL8, Monoparallele für Bassdrum und Snare; 176 als Stereo-Pärchen für Gesang das gut funktioniert – meistens. „Etas solides für die Stereoabbildung mit Röhre“; LA 3 As auf Bassdrumm und Snare direkt drauf. Olav nutzt Kompressor gerne so, dass er weniger EQen muss. „Die Shapen die Signale“.
Bild: Marc Bohn
Bigger than Live! Von RCA aus Amerika. Wurde in den 50er Jahren produziert und wollten bisher vor allem die Sänger haben, der ihn gehört hat – hat aber niemand finden können.
Bild: Marc Bohn
WSW: „Komische, seltene Germanium-Kompressoren mit drei riesen Übertragern pro Kanal“ der Wiener Schwachstrom Werke – eigentlich Siemens-Technologie.
Er liebt den knochig-zerrenden Bass, der elegant vor sich hin knatternden und eine „komische Gitarre“, die durch den Sound, den Sascha erfunden hat, bereits so krass gefiltert ist, dass da gar nichts mehr geschehen muss. Eigentlich klingt sie fast als sei sie gesampelt, erzählt Opal begeistert. Dazu kommt ein fester Beat und diese „übertriebenen“ Snare-Sounds. Letztendlich alles komprimiert, nur ein Schlagzeug eine Gitarre und ein Bass, aber der Gesang gedoppelt.
Aber all die Ergebnisse die sie zusammen erzielen konnten, sind vor allem auch der vielen Erfahrung zu verdanken, die jeder von ihnen mit ins Studio bringt. Zu erkennen wann ein weniger zerriger Sound härter klingt als ein Sound mit viel Verzerrung, dazu gebraucht es einfach ein paar Jährchen und bei Sascha vermisst er diese nicht. Und es gibt etliche Kleinigkeiten, die einfach schneller von der Hand laufen und dank der sich die ganze Arbeitsweise als sehr entspannt entpuppt.