Audionetzwerk mit Focusrite RedNet und KLANG:fabrik
Dante Audionetzwerk in den Challow Park Studios
von Marc Bohn,
Anzeige
Im Broadcast- und im Live-Bereich ist eine Audioübertragung über das Netzwerkprotokoll Dante bereits weit verbreitet. In Tonstudios entwickelt sich der Trend allerdings nur sehr langsam hin zu dieser rein digitalen Aufnahme, die scheinbar immer noch polarisiert.
Anzeige
Dass man aber wohl digital und analog sehr gut kombinieren kann, zeigt sich in den Challow Park Studios in England. Dort liefert Dante die nötige Flexibilität, die in einem Recording-Komplex wie diesem auch wirklich benötigt wird. Aber klingt es auch?
DIY auf höchstem Niveau. Den Bau des neuen Studiokomplexes haben Will und Amy sehr gut dokumentiert. Bis auf absolute Knochenjobs haben sie dennoch die meisten Arbeiten selber durchgeführt
iele Engineers sind einhellig der Meinung, dass in einem professionellen Studio VintageEquipment stehen muss. Nicht nur, dass es einen gewissen Charme ausstrahlt, auch die Audioqualität ist dabei absolut ein Argument. Schon der Anblick eines Netzwerkkabels, das mehr als 100 Audiosignale gleichzeitig übertragen kann, provoziert spontan einen Ausdruck von Argwohn im Gesicht des AnalogConnaisseurs. Netzwerke, Computer, digital − kultig ist das schon gar nicht, und wenn schon, dann gehören Audiokabel erst einmal in einen vernünftigen Preamp oder ein analoges Mischpult. Dann geht das Signal von dort in den A/D-Wandler und zur DAW.
Mit digitalen Audio-Netzwerken zu arbeiten schließt aber den klassischen Weg aus, und es geht dabei nicht um das »Entweder Oder«, sondern vielmehr um ein »Sowohl Als Auch«. Dass eine derartige Netzwerkstruktur, wie Dante sie bietet, die Basis einer durchdachten Recording-Umgebung im Studio darstellt und trotz rein digitaler Aufnahme sehr viele Vorteile liefert, zeigt sich in den Challow Park Studios in England, wo man digitale Audiotechnik und die kultigsten Studiostandards miteinander in einem Workflow nutzt − im besten Sinne: Best of both worlds!
Die Challow Park Studios liegen etwa 120 km westlich von London, im kleinen Ort East Challow. Betreiber des Studios sind Audio-Engineer Will Biggs und seine Partnerin Amy Blyth. Amy ist die Tochter von Graham Blyth, dem Mitbegründer des Audioherstellers Soundcraft, deren Firmensitz unweit des Studios liegt. Auf dem Gelände der heutigen Challow Park Studios errichtete Graham Blyth, zu seiner Zeit bei Soundcraft, eine Lagerhalle, die Amy und Will seit 2010 als Tonstudio nutzten.
2013 ließen die beiden die Halle abrei- ßen, um an gleicher Stelle eigenhändig ein komplett neues Studio aufzubauen. Will: »Viele Arbeiten gingen richtig auf die Knochen, und die haben Amy und ich alleine nicht geschafft. Dort haben uns unsere Freunde unterstützt. Aber das Meiste haben wir tatsächlich alleine aufgebaut.«
Jetzt haben die beiden einen 550 m2 gro- ßen Studio-Komplex mit zwei Regien, zwei Aufnahmeräumen und einer angrenzenden Konzerthalle, deren Fläche 200 m2 beträgt. Genügend Platz also, um nicht nur Bands, sondern auch ganze Orchester aufzunehmen. Sogar eine große Orgel ist in den Konzertsaal integriert.
FOCUSRITE VERNETZT
Um einen solchen Studiokomplex zu bauen, bedarf es neben der Bau- und Akustikplanung auch einer strukturierten Verkabelung. Aufgrund der Größe des Gebäudes und der Art, wie Will später im Studio arbeiten wollte, fiel die Wahl auf die Dante-fähigen RedNetSysteme von Focusrite. »Das Gebäude ist einfach riesig, und wir wollten eine RecordingUmgebung schaffen, in der wir frei arbeiten und das Signalrouting flexibel an die Aufnahmesituation anpassen können. Trotzdem wollten wir weiterhin mit analogem und auch digitalem Outboard arbeiten. Also besorgten wir uns zum Testen einen RedNet 2 und legten los.«
Beim ersten Test zog Will ein Cat5-Kabel von seinem Büro im Haus bis ins Studio, schloss seinen Laptop an der einen und den Mic-Preamp am anderen Ende an und machte seine ersten Aufnahmen. Für ihn war dies ein absolutes Aha-Erlebnis. »Die Qualität ist unglaublich gut, und wir können das System buchstäblich an unseren Workflow individuell anpassen. Das sind die zwei Gründe, warum unsere Entscheidung auf RedNet gefallen ist«, so Will. Sein System umfasst sieben RedNet-Units, die je nach Typ zwischen 8 und 32 Mikrofon-Eingänge bereitstellen. Die RedNet 6 MADI-Bridge liefert zusätzlich 64 MADI-In- und -Outputs.
Diese Dante-fähigen Units von Focusrite sind sowohl Preamp als auch D/A-Wandler und werden deshalb »Ethernet-NetzwerkStudio-Interfaces« genannt. Gain, Phantomspeisung, Lüfter und weitere Funktionen können über eine Software von Focusrite vom Rechner aus ferngesteuert werden. Auch das Routing lässt sich in einer Dante-Software anpassen, in der alle Ein- und Ausgänge in einer 2D-Ansicht dargestellt und Koppelpunkte einfach per Mausklick gesetzt werden. Dort können Signale auch beliebig oft gesplittet werden.
>> Recording-Kult und Prince Special <<
Für das Thema Recording-Kult haben wir Studio-Legende Al Schmitt getroffen und waren in denAbbey Road Studios, um uns ein paar edle Teile des dortigen Mikrofonparks anzuschauen. Engineers aus deutschen Studios zeigen, wie man heute mit echtem Vintage-Gear aufnimmt! In unserem Prince-Special widmen wir unsdem Sound, der Musik und der Person Prince,derdie Musikwelt weit über Minneapolis hinaus geprägt hat!
Weitere Themen:
Loudness War − Interview mit Lautheitsforscher Rudi Ortner
Focusrite Clarett 8Pre − Thunderbolt-Audio-Interface im Test
Tube-Tech HLT 2AM − Mastering-EQ mit Röhrentechnik im Test
Mit den Möglichkeiten, die diese DanteGeräte liefern, konnten die Vorstellungen von Will und Amy am besten umgesetzt werden. Zudem erleichterte RedNet die weiteren Planungen, was die Positionierung der Hardware in den Räumen und des gesamten Studio-Interieurs betrifft.
DER DANTE-WORKFLOW
Die Arbeitsweise von Will hat sich mit DanteRedNet komplett verändert. In der Vergangenheit ging er mit dem Mikro in den Preamp und setzte vor dem A/D-Wandler schon einen Kompressor ein. Jetzt schließt er die Mikrofone direkt an den RedNet und schickt von dort aus das Signal weiter über eine RedNet-PCIeKarte, die die I/Os steuert, zur DAW. Den Main-Output routet Will aus Pro Tools heraus in eine RedNet AES-Box, die das Signal von digital in analog wandelt, direkt zur Abhöre.
In der eben schon angesprochenen Dante-Software hat Will einige Presets für verschiedene Recording- und Mixing-Situationen angelegt, die das gesamte Routing der internen und externen Signale auf die jewei – lige Anwendung anpassen. Dazu zählen Aufnahmen in den unterschiedlichen Räumen, wo er viele Ein- und Ausgänge benötigt, aber auch eben Mixing- und Mastering-Situationen, wo er ein deutlich kleineres Routing benötigt und weniger Geräte und I/Os im Einsatz sind.7
Zuvor hat Will lange Zeit mit einer Konsole gearbeitet, die zwar immer noch im Studio steht, aber eher selten in Betrieb ist. Das RedNet-System betreibt er nämlich komplett ohne Mischpult, und das Mixing-Desk kommt, wie sein komplettes analoges Outboard, nur im Mixing oder der Post-Produktion zum Einsatz, genau dann, wenn er die Klangfärbungen der jeweiligen Hardware einsetzen möchte. Die Preamps der RedNets klingen sehr neutral und arbeiten fast ohne Klangfärbung.
Im mobilen Rack sind drei RedNet 4 und eine RedNet 1 mit jeweils 8 Kanälen eingebaut. Damit stehen insgesamt bis zu 32 Einund Ausgänge zur Verfügung. Das mobil einsatzfähige Rack positioniert Will dort, wo er es gerade braucht. Über die Switches in den Aufnahmeräumen und der Regie kann er das gesamte Rack einfach in den Signalfluss integrieren und von überall, wo ein Dante-Zugang zur Verfügung steht, die Signale abgreifen.
DIE INFRASTRUKTUR
Ein Großteil der Verkabelung in den Challow Park Studios läuft über Cat5- oder Cat6- Kabel mit OM3 Glasfaser-Technologie. Das Routing der Audio-Ethernet-Daten übernehmen mehrere Cisco-Switches, die in jedem Aufnahmeraum und in allen Regien integriert sind. Dadurch hat Will die Möglichkeit, seine mobilen Racks in den Räumen hin und her zu schieben. Er schließt sie einfach über ein Cat-Kabel an den Switch im jeweiligen Raum an und hat direkt von überall aus Zugriff auf die Signale. Wenn im Studio gerade eine Session stattfindet, kann Will sich über das virtuelle Dante-Interface von seinem Laptop aus anhören, was gerade im Studio passiert, ohne dabei die Produktion zu stören.
Während einer Aufnahme nutzt Will tatsächlich häufig alle verfügbaren Channels seines Systems. Er nimmt die Bands gerne live auf, sodass alle 32 Preamps und Wandler einer RedNet-5-Unit gleichzeitig in Betrieb sind. Und das mit einer Latenz von gerade einmal 2,5 Millisekunden. Gerade plant er die Aufnahme eines großen Jazzorchesters, und Will ist gespannt, ob er es schafft, dort das System zum ersten Mal an seine Grenzen zu bringen.
DIE WANDLUNG MACHT DEN UNTERSCHIED
»Bei der Konvertierung von digital auf analog oder umgekehrt kommt es immer auf die Qualität der Wandler an«, so Will. Die beiden haben einige ausprobiert, und es fällt ihnen sehr schwer, die Unterschiede zu definieren. Der Klang wies nur wenige Differenzen auf und Will kann nicht einmal sagen, welchen Sound er besser findet. Viel wichtiger war ihm die bereits angesprochene Flexibilität, die Skalierbarkeit und Möglichkeit zu haben, ein Signal an mehrere Empfänger gleichzeitig zu schicken und bearbeiten zu können, ohne dafür ein XY-Kabel oder aufwendige Routings vornehmen zu müssen. Denn auch das ist in Dante möglich.
MONITORING
Monitoring war zu Beginn oft ein Problem, da das Netzwerk bei einer großen Session mit vielen Musikern zu langsam wurde. Ein Lösung des Problems ist die KLANG:fabrik von KLANG:technologies, eine junge deutsche Firma, dessen Systeme bereits große Künstler wie System Of A Down live fürs Monitoringverwenden. Den Testbericht zur KLANG:fabrik findet ihr auf unserer Website unter www.soundandrecording.de/klangfabrik.
Die KLANG:fabrik wird ebenfalls über Dante angesteuert. Für Will ist sie die beste Monitor-Lösung überhaupt. Er war von Anfang an vom Klang begeistert, und eine Latenz ist laut ihm einfach nicht vorhanden. Über die KLANG:fabrik laufen die Monitor – mixe für die Kopfhörer der Künstler in Stereo während der Aufnahme − das Sytem kann übrigens auch mit In-Ears in 3D eingesetzt werden.
Will ist davon überzeugt, dass ein Künstler mit einem guten Monotormix auch besser spielt. Der kann vom Künstler sogar selbst über ein iPad angepasst werden. Will macht das aber lieber selbst von seinem Laptop aus in der Regie. Bisher hat sich auch noch keiner beschwert, alle sagten, dass es sich mit der KLANG:fabrik für sie nicht so anfühlt, als hätten sie Kopfhörer auf. Aber auch eine Focusrite-Lösung steht hier zur Verfügung: der Red – Net AM2 Stereo Dante Kopfhörerverstärker.
ZUKUNFTSMUSIK
»Die erste Session, in der ich mit Dante gearbeitet habe, war grauenhaft«, gesteht Will. »Ich fühlte mich wie beim Umbruch von einem analogen zu einem digitalen Pult. Aber jetzt, wo alles richtig geroutet ist und die Setups stimmen, bin ich sehr glücklich mit Dante.« Es wundert ihn, dass dieses »analog oder digital«-Ding heute immer noch so polarisiert, in einer Welt, in der es äußerst präzise Wandler gibt und Musik über Smartphones konsumiert wird.
Audionetzwerke bieten eine Menge Vorteile, wobei man nicht zuletzt auch mal den Preisvergleich machen sollte zwischen einem rein analog aufgebauten Studio und einem Hybrid aus analoger Aufnahmetechnik im digitalen Netzwerk. Allein die Verkabelung eines analogen Studios kann eine echte Budget-Bombe sein. Dafür bekommt man beim digitalen Audionetzwerk hohe Flexibilität frei Haus geliefert, sodass sich das analoge Outboard dorthin routen lässt, wo es gerade gebraucht wird. So kann man sein analoges Instrumentarium auf die Gerätschaften reduzieren, die man tatsächlich braucht − bestimmte analoge Preamps zum Beispiel kann man verwenden, wenn man wirklich ihren Klangcharakter haben möchte. Somit ist nicht nur die Konnektivität, sondern auch der Workflow mit Dante äußerst flexibel. Im Artikel »Analog & Digital mischen mit Dante«beschreibt Audio-Engineer Florian Schober seinen Workflow mit digitalem Dante-Equipment und analoger Hardware.
Kommentar zu diesem Artikel
Pingbacks