Der Gedanke, Dante aufgrund des geringen Verkabelungsaufwands, der Flexibilität, der Skalierbarkeit und der hohen Konnektivität im Homestudio zu nutzen, ist naheliegend.
Aber wie lässt sich damit analoges Outboard in die digitale Arbeitsweise integrieren, und vor allem: Wie sieht es mit der Wandlung von Analog zu Digital aus? Um das herauszufinden, habe ich Florian Schober, Betreiber der Toneblasphemy in Viersen, besucht. Er hat sein Studio mit Dante vernetzt und kombiniert Analog und Digital. Wie sein Workflow sich durch Dante verändert hat, wie das Routing mit dem Netzwerkprotokoll funktioniert, und was er zum immer noch polarisierenden Thema Analog vs. Digital sagt, ist spannend und aufschlussreich …
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Florian arbeitet ohne analoges Mischpult und hat einen komplett digitalen Signalfluss − vom Preamp bis hin zu den digitalen Lautsprechern − in sein Studio integriert.
Mit dem Bau des Studios hat er sich zwar gegen ein analoges Mischpult entschieden, trotzdem wollte er weiterhin mit analogem Outboard arbeiten. Also musste er eine Lösung finden, wie er die Hardware in sein digitales Setup einbeziehen kann. Das wäre natürlich auch mit einem analogen Mischpult gegangen, in dem man alle Kanäle auf den Mixer routet und sie über Inserts ein – bindet. »Das ist bei großen Konsolen einfach irgendwann ein riesiges Geroute, das man ständig im Kopf haben muss. Mit Dante ist das viel einfacher realisiert«, so Florian. Er erklärt mir, dass man sich Dante wie ein großes Digitalmischpult vorstellen muss, bei dem eben keine Kabel an der Patchbay neu gepatcht werden, sondern in einer Routing-Matrix alle Ein- und Ausgänge flexibel per Mausklick miteinander verbunden werden können.
In seinem Rack stehen Dante-Units der Focusrite RedNet-Serie, die gleichzeitig als Interface, Preamp und Wandler arbeiten. Das gesamte analoge Outboard ist mit diesen Geräten verbunden, deren Integration in den Signalfluss die Dante Matrix steuert.
Ein Wandler ist dabei entweder Eingang oder Ausgang. Es ist also beispielsweise nicht möglich, vom gleichen Wandler den Ein- und Ausgang gleichzeitig zu belegen. Man kann also einen Kompressor beispielsweise nicht an Eingang 1 und 2 und Ausgang 1 und 2 anschließen. Dazu wird ein zweiter Wandler benötigt, der dann entweder der Input oder der Output ist.
Einen der größten Vorteile neben der Flexibilität sieht Florian darin, dass Signale virtuell und ohne Wandlung beliebig oft gesplittet werden können. Eine parallele Kompression ist mit nur wenigen Klicks realisierbar, und der Patch-Aufwand bleibt erspart. In einem Beispiel am Bass kann sowohl die rohe Bass-Spur als auch das komprimierte Signal direkt mit aufgezeichnet werden. Damit lässt sich eine parallele Aufnahme eines Backups ohne aufwendiges Routing realisieren − Safety First.
llatenz von 2,5 ms, im In- und Output. Wenn er nur den Ausgang nutzt, sind es sogar nur 0,8 ms − Werte, die zu vernachlässigen sind. Außerdem helfen vorgefertigte Presets dabei, den Signalfluss je nach Anwendung anzupassen. Für verschiedene Aufnahmesituationen wie Vocal- oder Drum- Recordings, Mixing oder Mastering hat Florian Presets angelegt, die ähnlich wie Templates in einer DAW softwareseitig mit nur wenigen Klicks die In- und Outputs seiner Hardware nach Bedarf umpatchen.
HOCHWERTIGER KLANG AUF KLEINSTER MEMBRAN
Die Arbeit mit Dante setzt natürlich die Bereitschaft voraus, bei Bedarf viele A/D-Wandlungen in seinen Signalwegen in Kauf zu nehmen. Für einige ist das eine Frage der Recording-Philosophie, wo viele auch dazu tendieren, wirklich philosophisch zu werden. Florian sagt dazu Folgendes: »Kommerzielle Musik wird heute am häufigsten über Download-Portale und Streaming-Anbieter konsumiert. Als Abspielgerät dienen oft kleine Bluetooth-Boxen, billige In-Ear-Kopfhörer, und im schlimmsten Fall wird die Musik sogar direkt über die Smartphone-Lautsprecher abgespielt. Eventuelle Verzerrungen, die durch eine schlechte Wandlung im Studio zwischen Analog und Digital entstanden sind, sind auf diesen Endgeräten sowieso unhörbar. Es hört dann auch keiner mehr, ob bei der Aufnahme, im Mixing oder im Mastering Plug-ins oder analoges Outboard verwendet wurde. Viele Diskussionen gehen meiner Meinung nach schon in den esotherischen Bereich. Für mich ist Klang allerdings real.«
In der Frequenzanalyse sieht man, dass der Anteil an kleinen Pegelspitzen bei einer digitalen Bearbeitung höher ist als bei einer analogen, wo alles abgerundet klingt − was man auch im Frequenzanalyser sieht.
ANALOG UND DIGITAL MISCHEN
Florian hat die Erfahrung gemacht, dass in der Klassik eine digitale Aufnahme einer analogen vorgezogen wird. Dort sind Klangfärbungen, die von analoger Hardware erzeugt werden, eher unbeliebt. Bei der Aufnahme eines Steinways möchte man eben den echten Sound des Flügelklassikers einfangen, und weil Röhrengeräte beispielsweise dem Signal Obertöne hinzufügen, verfälschen sie den originalen Sound. Florian hat den Test gemacht und eine Flügelaufnahme einmal mit Plug-ins und einmal mit analogem Outboard gemischt und anschließen beide Versionen den Musikern vorgespielt. Ergebnis: Die Plug-in-Variante kam sogar besser an. Die Mixes wurden sogar sowohl über analoge als auch über digitale Studio-Monitore abgespielt. »Software ist mittlerweile der Hardware ebenbürtig, wenn nicht sogar teilweise überlegen. Ich hätte auch nie gedacht, dass ich das einmal sagen werde. Aber vor allem in der Absenkung arbeiten Plugins einfach sauberer als analoge Geräte.« Er erklärt, dass wenn man einen 1-kHz-Sinus-Ton durch analoge Hardware schickt, die VU-Meter minimale Pegelabweichungen anzeigen, die eigentlich nicht da sein dürften. Bei digitalen Geräten bleibt die Pegelanzeige dagegen starr.
Beim Anheben von Frequenzbereichen sieht Florian allerdings das Outboard vorne. Bei Stimmen vertraut er unter anderem auf den EQ im Vacuum Tube von Avalon, der beim Anheben des obersten Frequenzbandes bei ca. 30 kHz den Sound sehr luftig macht. Wenn man allerdings in einem R’n’B-Track 10 bis 15 Stimmen hat, deren Lautstärkeverhältnisse bereits angepasst sind, Bässe entfernt wurden und leise im Hintergrund liegen, bekommt man auf der Summe einen schönen Sound ohne Gezische. »Das bekommt ein Plug-in so nicht hin. Bei 15 Spuren würde das Signal dort eher zischiger klingen.«
MASTERING
Florian ist der Meinung, dass viele Master von elektronischer Musik, die rein digital gemastert wurden, einfach fetter klingen. Denn durch eine lange analoge Signalkette kann der Klang weicher werden, und das möchte man in vielen Fällen einfach nicht.
Im Mastering arbeitet er deshalb zuerst digital, senkt störende Frequenzen ab, passt das Mitten-Seiten-Feld an und entfernt Störgeräusche. Ganz zum Schluss möchte er dem Ganzen dann nochmal mit analogem Outboard einen prägenden Sound aufdrücken. Natürlich nur bei der Musik, wo es für ihn auch Sinn macht.
Dort setzt er also die Klangfärbungen der Hardware ganz bewusst ein, »um oben rum mehr Luft zu schaffen und unten rum mehr Wucht zu bekommen«, wie er so schön sagt. »Wucht bekommt man zwar auch mit Plug-ins, aber nicht in dieser klanglichen Auflösung, wie sie analoge Geräte liefern. In dem Fall hört man die analoge Hardware.«
HILFE, ICH HAB EINE WANDLUNG
Zum Thema Wandlung kann Florian sehr viel erzählen, da er schon mehrere Wandler ausprobiert und verschiedene Vergleichstest aufgestellt hat. Bei diesen Tests hat er Signale über sein Outboard geschickt, aufgenommen, wieder ausgespielt und wieder aufgenommen, und diesen Prozess mehrfach wiederholt. Danach hat er sie in verschiedenen Wandlungsstufen abgespeichert und Experten vorgespielt. Natürlich konnte den Unterschied niemand hören. Also kam als Antwort: »Ja, klingt halt komprimiert.«
Natürlich können bei einer A/D-Wandlung Quantisierungsfehler auftauchen. Diese hört man allerdings nur bei sehr, sehr leisen Signalen, wie beispielsweise im Fade-Out oder bei klassischer Musik. »Bei Rock und elektronischer Musik, wo mit hohen Pegeln gearbeitet wird, sind Quantisierungsfehler unrelevant. Eine oder zwei zusätzliche Wandlungen kann man nicht hören, sondern allerhöchstens nachmessen.«, so Florian. Er erzählt weiter: »Wenn man ein Signal 50 Mal durch irgendwelche Gerät rein- und rausschicken muss, um den Klang zu verbessern, hat man sowieso etwas beim Ursprungssignal falsch gemacht.
Man kann mit Sicherheit auch verschiedene Wandler hören. Ob man mit Logic oder Pro Tools arbeitet, Drittprogramme hinzunimmt oder weiteres Hi-End-Equipment nutzt, mag man vielleicht hören, aber ob das nun besser oder schlechter klingt, ist schwer zu sagen. Demjenigen, der die Musik danach konsumiert, fällt das sowieso nicht auf bzw. er weiß überhaupt nichts von Wandlern, Programmen oder was ein Plug-in ist und kennt sich mit dem Equipment nicht aus, sondern will einfach einen für ihn guten Klang haben.«
Im Mastering kann Florian sogar einen zweiten Rechner dazunehmen, auf dem er den fertigen Mix abspielt und das Signal über Dante durch seine Hardware routet. Das Ganze nimmt er dann zeitgleich mit seiner MainWorkstation in 96 kHz auf.
Aber auch hier hat Florian einen Vergleichstest mit zwei unterschiedlichen Mastern aufgestellt. Eines davon hat er, wie eben beschrieben, mit zwei Rechnern erstellt und das andere direkt am gleichen Rechner. Einfach aus der DAW heraus, in die analoge Welt hinein, den Klang bearbeitet, das Signal aufgewertet und die Audiospuren wieder zurück in seine DAW geholt. Das Ergebnis hat er mehreren Tontechnikern in Studios vorgespielt. Den Unterschied zwischen beiden Versionen hat niemand gehört. »Es klingen beide gleich«, bekam er als Rückmeldung.
Nach diesem Prozess setzt er noch einen adaptiven Limiter drauf, um den Sound noch fetter zu machen, und einen weiteren, der die Inter-Sample-Peaks entfernt. »Im Hi-FiBereich werden diese von sehr feinen Öhrchen gehört, und verschiedene CD-Player zeigen diese auch als Fehler und müssen an der Fehlerkorrektur arbeiten, die dann anscheinend hörbar ist.« Hier sind wir allerdings wieder in der Esotherik angelangt. »InterSample-Peaks gibt es, und sie sollten aus technischen Gründen entfernt sein, aber dass man sie hört, halte ich für sehr fraglich.«
ESOTHERIK VS. GEHÖR
In der Toneblashemy habe ich nicht nur Interessantes über schottischen Single Malt Whisky erfahren, sondern auch eine Person getroffen, die klare Stellung zum Thema A/DWandlung bezieht. Die Arbeitsweise von Florian zeigt, dass Analog & Digital einfach besser funktioniert als Analog vs. Digital! Über das Thema A/D-Wandlung wird die Recording-Szene wohl noch einige Zeit diskutieren. Wie man seinen Workflow aufbaut, muss am Ende jeder selbst entscheiden.
»Für esoterisch hörbare Grundlagenforschung fehlt mir auch die Zeit. Ich will Musikmachen und nicht über 0,01 dB mehr Pegel während des Dithering bei 22,5 khz mit −70 dB im Fade-Out diskutieren und darüber, das genau da an der Stelle der andere Wandler vielleicht besser klingt …«
>> Recording-Kult und Prince Special <<
Für das Thema Recording-Kult haben wir Studio-Legende Al Schmitt getroffen und waren in denAbbey Road Studios, um uns ein paar edle Teile des dortigen Mikrofonparks anzuschauen. Engineers aus deutschen Studios zeigen, wie man heute mit echtem Vintage-Gear aufnimmt! In unserem Prince-Special widmen wir unsdem Sound, der Musik und der Person Prince,derdie Musikwelt weit über Minneapolis hinaus geprägt hat!
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