Was bringt die beste Aufnahmetechnik, wenn das Instrument nicht taugt? Professionelle Verleiher vermieten Equipment für Tour- und Recording-Einsatz. Standards sind gängige Marken: Fender- und Gibson-Gitarren, Fender-, Marshall- oder Mesa-Boogie-Amps, und Schlagzeuge von Pearl, Tama und Yamaha zählen zum »Butter-und-Brot«-Besteck. Große Anbieter bedienen gar Orchesterbestückung. Wir haben sieben Verleiher besucht — ein kurzer Überblick über die »Spezialitäten«.
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Warum Samples nutzen, wenn man auch das richtige Instrument haben kann? Professionelle Verleiher vermieten Equipment für Tour- und Recording-Einsatz. Standards in den Sortimenten sind gängige Gitarren- und – Amp-Marken, dazu Schlagzeuge sowie Ampeg-Bassverstärker − praktisch das, was jeder gutsortierte Musikladen auf Lager hat.
RÜCKKOPPLUNG IN HAMBURG, ST. PAULI
Ein Fender Rhodes E-Piano thront im Schaufenster, unter einer orangefarbenen Neonleuchte. Der einzige Verleiher der Stadt ist mit Trödel-Charme und abgelaufenen Dielen der radikale Gegenentwurf zum klimatisierten Laminat-Ambiente großer Musikhäuser. »Ich verkaufe ja keine iPhones!«, sagt Chef Christian Smukal. Rückkopplung bietet zwei Rhodes an, ein MK1- und MK2-Modell. Die Klientel? »Unser Markt ist die konservative Old-School-Fraktion«, meint sein Kollege Martin Boeters. Ihre Handvoll alter Vox AC30-Amps »… klingen alle anders«. Das sei etwas für den Kenner, der sein Schätzchen finden kann. Boeters erinnert an eine Recording-Session von Mando Diao. Die Band bekam ein 70er Jahre Ludwig Big-Beat-Schlagzeug, einen alten Vox AC30 und Fender Twin. Smukals Beobachtung der Szene? Deutsche Produzenten würden angelieferte Gitarren-Sounds selten hinterfragen und Alternativen aufzeigen. Das fehlende Bedürfnis komme auch von Musikern selbst: »Viele junge Musiker sind unsicher, interessieren sich nicht für Equipment.« Unter Profi-Musikern beobachtet er zwei Herangehensweisen: »Die einen wollen nur irgendwie abliefern. Die anderen meinen, der Klang wirkt sich auf das Spiel und die Musik aus.«
TOTAL BAND SERVICE
Anke und Ulrich Schwartau betreiben den Verleih in Berlin gemeinsam. Besonderheiten von TBS sind etwa ein blauer Rickenbacker 4003-Bass oder ein Schlagzeug des amerikanischen Herstellers Spaun. Sonst? »Ein paar Oldtimer, eine Hammond B3, verschiedene Rhodes«, meint Ulrich Schwartau. Er erinnert auch an Yamaha CP-70B und CP-80 – elektrifizierte kompakte Flügel, die von Genesis oder ABBA verwendet wurden. »Das Thema Schlagzeug hat sich verlagert, heute werden gerne ›Vintage-Marken‹ wie Gretsch und Ludwig genommen.«
Die Kunden? Sie haben bereits Prince oder Charlie Watts bedient. Bruce Springsteen brauchte mal eine E-Gitarre. »Die haben wir aufgrund des Alters aus dem Programm genommen.« Ein Schild zeugt von der illustren Kundschaft: »Lou Reed hat sie sich auch mal ausgesucht.« TBS, so Anke Schwartau, sei bekannt dafür, Newcomern gelegentlich günstige Konditionen einzuräumen.
Damit die Session »klingt«. Amp-Modeling-Plug-ins oder ein Übungs-Amp funktionieren zwar, für wirklich professionelle Ergebnisse braucht es mitunter mehr, damit die Performance Spaß macht und das Ergebnis im Mix klingt. Manchmal helfen Kleinigkeiten: Eine spezielle Giatrre oder ein amtlicher Amp, ein Rhodes oder zusätzliche Snares bieten neue Klangfarben für einzelne Songs.
Bild: Uwe Boek
Bild: Uwe Boek
Bild: Uwe Boek
GATE TO HELL, LÜNEN
In Lünen, im Ruhrpott nahe Dortmund, geht man zu GateToHell. Chef Robert Dietrich, ehemaliger Punk-Rocker, legt Wert auf Sauberkeit und achtet darauf, dass die Sachen gut funktionieren.
Der Verleih hat einen der größten Lagerbestände in Deutschland. Seine Rolle für die Musiker? »Wir machen deren Traum wahr«, sagt er, das sei der Qualitätsanspruch. »Praktisch so, dass ein Schlagzeuger, der eine Snare Drum in die Hand nimmt, die am liebsten haben will. Wenn der Musiker das Gefühl hat, ein Instrument zu spielen, das er schon immer spielen wollte, und alle Musiker sagen ›das ist genau mein Sound!‹, spielt jeder besser.«
Der Bestand zeigt, dass Dietrich Ernst macht mit dem Idealismus: »Wir haben die Marshalls chronologisch nach Baujahren aufgereiht.« Bei Fender-Verstärkern sieht es ähnlich aus. Zu den Seltenheiten zählen Gitarrenverstärker von Ampeg und Music Man, auch Vintage-Schlagzeuge. Das größte Kit? Ein Ludwig mit 32×16-Zoll-Bassdrum.
SERVICE UNLIMITED, DREI GLEICHEN
Bei Erfurt, in dem kleinen Ort Drei Gleichen hat Rajko Lienert seinen Verleihservice eingerichtet − der einzige große Verleih in den neuen Bundesländern. Stichwort Osten: Bei den Instrumenten spielen alte DDR-Marken keine Rolle, erzählt Lienert: »Einige Vermona-Geräte waren in Ordnung, aber die Ost-Verstärker konnte man nicht mit denen vom ›Klassenfeind‹ vergleichen. Handgebaute klassische Gitarren, Celli und Kontrabässe waren dagegen sehr gut.« Der Verleih besitzt drei Kontrabässe einer lokalen Meisterbauerin. Ein Schwerpunkt liegt im DJ-Bereich.
Elektronische Raritäten: »Die alten Roland-Geräte, TR-707, TR-808, TR-909, SH-101, alte Junos oder Korg MS-10.« Weitere Besonderheiten: Lienerts 1963er Fender »Bassman«-Amp und alte Gitarren-Effekte.
>> Recording-Kult und Prince Special <<
Für das Thema Recording-Kult haben wir Studio-Legende Al Schmitt getroffen und waren in den Abbey Road Studios, um uns ein paar edle Teile des dortigen Mikrofonparks anzuschauen. Engineers aus deutschen Studios zeigen, wie man heute mit echtem Vintage-Gear aufnimmt! In unserem Prince-Special widmen wir uns dem Sound, der Musik und der Person Prince, derdie Musikwelt weit über Minneapolis hinaus geprägt hat!
Weitere Themen:
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BACKLINE & MORE, SCHEESSEL
»Vom Volumen und Warenbestand haben wir das größte Lager in Deutschland.« sagt Hans »Ossy« Ostendorf. Nach einer Führung kommt man nicht umhin, das zu glauben. Scheeßel in Niedersachsen? Das Hurricane-Festival ist 500 Meter entfernt, natürlich liefern sie dorthin.
Im Verleih hat er insgesamt über 100 Drumkits. Gitarreneffekte sind kistenweise vorhanden, auch Exoten wie ein altes Roland Space bzw. Chorus Echo. Die Keyboard-Auswahl nimmt einen eigenen Raum ein. Ansonsten? Vor Ort befindet sich ein Liebhaber, der alte Ludwig-Schlagzeuge sammelt. Auf die hat Ostendorf Zugriff. BLUE LINES, FRANKFURT Wer beim Thema Schlagzeug moderne Sonderwünsche hat: Blue Lines in Frankfurt bietet neben »herkömmlichen« Instrumenten speziell die Schlagzeugmarke DW, darunter über 80 DW-Snares in allen Facetten. Ansonsten stehen auch Yamaha, Sonor sowie Gretsch USA Custom Kits zur Verfügung.
Besonderheiten unter den anderen Instrumenten: ein Wurlitzer E-Piano, Rhodes − auch in der Suitcase-Version samt eingebautem Verstärker.
CRYSTAL SOUND, KARLSRUHE
Schlagzeuge und Verstärker stapeln sich in weitläufigen Regalen. An Instrumenten könnten sie fast alles bekommen, erzählt Chef Gerd Gruß, Antiquitäten notfalls über frühere Kunden. Für den Verleih haben sie Instrumente aus den 60ern aufgekauft, darunter mehrere Rhodes, zwei Hammond B3- Orgeln und ein Hohner D6-Clavinet. Alte Marshall- und Fender-Verstärker finden sich ebenfalls im Programm.
MIETE
Die Kosten können je nach Modell und lokalen Gegebenheiten stark variieren. Ein grober Richtwert: Gitarrenverstärker-Combos sind rund ab 30 Euro pro Tag zu haben, Snares kosten zwischen 15 und 40 Euro, Schlagzeuge liegen je nach Umfang und Ausstattung zwischen 75 und 200 Euro, und ein Rhodes E-Piano veranschlagt grob 120 bis 180 Euro. Generell: Röhrenverstärker sind aufgrund des Verschleißes meist teurer als Transistormodelle.
Viele Verleiher bieten auch Wochenpreise bzw. Wochenendpauschalen an, Versand ist größtenteils möglich.