Hits schreiben: Tipps für den Erfolg am Musikmarkt
von Prof. Dr. Thomas Jendrosch, Artikel aus dem Archiv
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»128 Beats per Minute sind das magische Tempo!« Mit dieser Taktzahl mischt DJ Cole Carter (gespielt von Zac Efron) im Kinofilm »We Are Your Friends« den Dancefloor auf und startet musikalisch durch. Aber funktioniert ein solch einfaches Rezept aus der Filmwelt auch in der rauen künstlerischen Wirklichkeit? Und führt eine einzelne Regel tatsächlich zum Erfolg?
Die Suche nach der Formel für den Hit treibt vermutlich jeden um, der sich in der Produktion von populärer Musik versucht. Wozu hockt man schließlich stundenlang am Computer, schraubt an Sounds, prügelt auf Drumpads ein und schiebt Samples hin und her? Man sucht die geheimen Killer-Grooves, die ultimativen Power-Chords, für die einen Millionen Fans dann feiern − und am besten auch finanzieren sollen.
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Wer ernsthaft am musikalischen Erfolg arbeitet, der merkt schon bald, dass es doch etwas mehr braucht als nur große Ambitionen und eine gute technische Ausstattung. Doch was genau sind Elemente des Erfolgs am Markt?
Faktor Arbeitsteilung
Analysiert man die Methoden anderer Musikproduzenten, so stößt man z. B. auf das Prinzip der Arbeitsteilung. Ende der 80er-Jahre feierte das englische Produzententrio Stock, Aitken & Waterman (SAW) riesige Charterfolge mit seichtem Disco-Pop, geschrieben für Sänger wie Rick Astley, Kylie Minogue und viele mehr. Während Matt Aitken und Mike Stock am Fließband ihrer »Hit Factory« komponierten, texteten und arrangierten, sorgte ihr Partner vornehmlich für die Vermarktung. Die einen »machten« also die Musik, ein anderer »managte« die fertigen Produkte. Begünstigt wurde der kommerzielle Erfolg dieses Vorgehens dadurch, dass Pete Waterman als DJ auch eine eigene Radiosendung moderierte und so die eigenen Songs bekannt – machen und promoten konnte.
Kontakte Knüpfen
Will man daraus einen aktuellen Schluss für die Vermarktung ziehen, so lautet die Empfehlung: Sprich Multiplikatoren an! Suche Influencer und Entscheider, die dir bei der Verbreitung deiner Songs helfen können! Das ist zwar leichter gesagt als getan, aber ohne »Vitamin B« oder Kontakte zu Entscheidern und Meinungsbildnern dürfte es alleine schwer werden, Aufmerksamkeit zu generieren. Selbst Shootingstars wie Felix Jaehn nutzen Anschubhilfen. Und sei es nur die nette Praktikantin beim Radio, die man noch aus der Schulzeit kennt.
Studien zeigen, dass, wenn man es darauf anlegt, jeder um drei Ecken irgendeinen Bekannten hat, der für das eigene Projekt wichtig sein könnte. Hier heißt es also: Nicht schüchtern sein, sondern Kontakte knüpfen bzw. halten!
Die Wichtigkeit einer Präsenz bei Soundcloud, Facebook & Co braucht in diesem Zusammenhang nicht weiter betont zu werden. Impression-Management ist für Musiker, die ein Markenimage aufbauen wollen, ohnehin Pflicht. Professionelle Präsenz in den sozialen Medien ist heute längst kein Erfolgsfaktor mehr, sondern schlicht eine Grundvoraussetzung, um überhaupt musikalische Existenz nachweisen zu können.
Der Aufbau einer Community mit Followern und Likes ist hierbei ein oft gehörter Rat, dürfte in der Praxis aber der schwierigste und langwierigste Part sein. Umso wichtiger ist es, früh jene Multiplikatoren zu finden, die einem helfen, von anderen in der Musikszene überhaupt wahrgenommen zu werden.
Synergie-Effekte
Neben der Sichtbarkeit, die es anzustreben gilt, scheint besonders die professionelle Teamarbeit wichtiger zu werden. John Seabrook analysierte jüngst in seinem Buch »Song Machine: Inside the Hit Factory« die Erfolge von Rihanna, Britney Spears, Katy Perry, Taylor Swift und anderen Stars. Dabei stellte er fest, dass es derzeit vor allem (schwedische) Produktionsteams sind, die einen internationalen Hit nach dem anderen für viele Künstler landen. In diesen Teams gibt es Spezialisten, die sich z. B. nur um die Beats kümmern, und wieder andere, die nur für die Soundentwicklung zuständig sind.
Wer Musik produziert, sollte sich, so die Einsicht aus der Praxis, daher möglichst mit anderen Spezialisten zusammentun. 1 plus 1 (Stichwort: Synergie) ergibt im kreativen Kontext nicht selten 2,5. Für Einzelkämpfer wird das Geschäft dagegen schwieriger.
Mehr Machen
Auch der quantitative Output ist ein weiterer wichtiger Faktor von Erfolgsproduktionen, allein schon aus statistischer Sicht. Denn mit der Menge der produzierten Songs steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich neben vielen mittelprächtigen Tracks auch mal ein Top-Titel findet, der es in die Charts schafft. Ein One-Hit-Wonder, von dem viele träumen, ist besser als nichts. Kreative und Künstler, die sich auf einer Durststrecke wähnen, sind also gut beraten, ihre Output-Rate deutlich zu erhöhen. Quantität und Masse ist manchmal wichtiger als nur einem vorhandenen Song den allerletzten Schliff zu geben. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg prägte hierzu den passenden Merksatz: »Better done than perfect.« Perfektionisten laufen sonst Gefahr, sich zu verzetteln und − im Extremfall − nie auch nur mit einem einzigen Song fertig zu werden.
Hörerorientierung
Vor allem Pop-Musik zielt bekanntlich auf den Geschmack breiter Zielgruppen ab. Wer also in diesem Bereich kommerziell erfolgreich sein möchte, für den ist es sinnvoll, sich an den Erwartungen seiner potenziellen Fans zu orientieren. Madonna hat sich z. B. immer wieder neu erfunden, aber im Kern die Erwartung an populäre, sprich eingängige Musik doch stets bestätigt. Auch Sarah Connor ist mit ihrem Wechsel von englischen zu deutschen Songs zwar Risiken eingegangen, sich aber stilistisch und stimmlich treu geblieben.
Zur Zielgruppenorientierung gehört mithin die Überraschung durch Neuartiges, schließlich darf man seine Hörer niemals langweilen. Aber im Grunde geht es vor allem um die Bestätigung einer musikalischen Erwartung, die an einen Stil oder an ein Genre geknüpft ist. Wer also z. B. Chill-Out-Musik verspricht, sollte genau diese auch liefern. Musikalische Schubladen sind nichts Schlechtes, denn durch klare Vorgaben erleichtern sie die Marktsegmentierung. Gerade Künstler, die sich nach anfänglichen Erfolgen plötzlich selbst verwirklichen wollen, fallen nicht selten auf die Nase, wenn sie die stilistische Schiene verlassen, die ihre Fans bislang gewohnt waren.
Was also bleibt zu tun? Mit dieser Einsicht im Gepäck den eigenen Weg weitergehen − und durchhalten!
Pop-Erfolgsfaktoren
• möglichst im Team produzieren
• kreativen Output erhöhen
• Präsenz und Sichtbarkeit herstellen
• musikalische Segmente besetzen
• Erwartungen der Zielgruppe bedienen
• Multiplikatoren und Meinungsbildner ins Boot holen
Über den Autor
Dr. Thomas Jendrosch ist Professor für Wirtschaftspsychologie an der FH Westküste in Heide, Schleswig-Holstein und beschäftigt sich mit der Wirkung von Musik und Medien. Auch er bastelt privat am baldigen Chart-Erfolg.