Klang der Wüste

Mojave MA-50 und MA-1000 – Großmembran-Kondensatormikrofone im Test

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Beim Namen Royer denkt man spontan an die Bändchenmikrofone des gleichnamigen Herstellers. David Royer hat aber noch eine weitere Firma gegründet, Mojave Audio, die sich seiner zweiten Leidenschaft annimmt: Kondensatormikrofone. Wir haben das günstigste und das teuerste Modell zum Test geordert.

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(Bild: Dr. Andreas Hau)

Mitunter gewinnt man bei Großmembranmikrofonen den Eindruck, ihr Preis richte sich nach Größe und Gewicht: Während das preisgünstige Mojave MA-50 in einem zierlichen Köfferchen geliefert wird, in dem Außenstehende Schminkutensilien vermuten könnten, kommt das mehr als fünfmal so teure MA-1000 in einem mehr als fünfmal so großen, äußerst robusten Kunststoff-Case, wie es wahre Männer auf Polarexpeditionen oder zum Dynamitfischen mitnehmen. Aber natürlich ist der monströs voluminöse Koffer nicht bloß Show! Das MA-1000 ist ein Röhrenmikrofon mit variabler Richtcharakteristik. Im Koffer liegen daher ein Netzteil mit stufenlosem Pattern-Regler, ein Multipin-Mikrofonkabel sowie eine Mikrofonspinne; außerdem ist das Mikrofon durch Unterbringung in einer Holzschatulle doppelt geschützt.

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Das MA-50 arbeitet dagegen mit Transistortechnik; es wird also ohne separates Netzteil mit Phantomspeisung betrieben. Als einziges Zubehör liegt eine elastische Halterung im Koffer, die etwas kompakter ausfällt als die des MA-1000.

Trotz aller Gegensätze in Preis und Lieferumfang wirken die »nackigen« Mikrofone fast wie Zwillinge: Beide kommen mit einer schwarzen, zylindrischen Gehäuseröhre mit rotem Mojave-Emblem auf der Front und einem chromglänzenden Mikrofonkorb, dessen Vorder- und Rückseite ähnlich abgeschrägt sind wie bei den Produkten eines bekannten Berliner Herstellers. Am unteren Ende des Gehäuses befindet sich ein Chromring, in den die Modellbezeichnung und die Seriennummer sowie »Designed and Engineered in the USA, Made in China« eingelasert wurden. Das Design ist deutlich hübscher als das der älteren Mojave-Modelle, die Verarbeitung wirkt jedoch weiterhin eher robust als edel.

Das MA-50 hat keinerlei Bedienelemente, während das MA-1000 mit Schaltern für Pad (−15 dB) und Low-Cut ausgestattet ist. Außerdem ist der Gehäusetubus des MA-1000 etwa einen Zentimeter länger als der des MA- 50 und mit drei Schlitzen links und rechts des Logos versehen, die − très chic − mit verchromten Lochblechen hinterlegt sind. Dass diese Schlitze zur Belüftung der Röhre dienen, darf bezweifelt werden, da alle klassischen Röhrenmikros der 50er und 60er ohne Lüftungsschlitze auskamen. Sieht aber hübsch aus, zumal im Innern ein leichtes orange-rotes Funkeln zu bewundern ist.

Reingeschaut

Folgen wir dem Licht: Der aufmerksame Beobachter wird feststellen, dass das Funkeln im Innern des MA-1000 nur zum Teil von der Röhre verursacht wird, sondern in mindestens gleichem Maß von einer Leuchtdiode. Fake? Nicht unbedingt. Ohne einen Schaltplan ist es schwer, Genaues zu sagen, aber möglicherweise ist das Licht nur ein willkommenes Abfallprodukt. Vermutlich wird die LED genutzt, um einen konstanten Arbeitspunkt für die Röhre zu generieren, auch bekannt als Dioden-Bias. Dieser steht im Ruf, besonders sauber und artefaktfrei zu klingen, da man ohne einen »schäbigen« Bypass-Elko auskommt − und tatsächlich gibt es im MA- 1000 keinen einzigen Elko. Man findet solche Schaltungsvarianten daher häufig in edlen Hi-Fi-Röhrenverstärkern neuerer Bauart, nicht aber in den klassischen Mikrofonschaltungen der »goldenen« Röhrenära − aus einem simplen Grund: Als sie entwickelt wurden, gab’s noch gar keine Siliziumdioden, geschweige denn LEDs!

Als Röhre kommt im MA-1000 eine nach Militärspezifikationen gebaute, daher langlebige 5480-Pentode zum Einsatz. Dabei handelt es sich um eine rauscharme Subminiaturröhre, die ohne Sockel direkt mit der Platine verlötet wird. David Royer gehörte zu den ersten, die diese Röhre für den Mikrofonbau entdeckten: Noch bevor er eigene Röhrenmikrofone herstellte, bot er einen DIY-Bausatz mit eben dieser Röhre an, um chinesische Mikros umzurüsten. Inzwischen findet man diesen Röhrentyp in etlichen modernen Röhrenmikrofonen.

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Der Pattern-Regler des Mojave MA-1000 arbeitet stufenlos und kann selbst während der Aufnahme geräuschlos betätigt werden. (Bild: Dr. Andreas Hau)

Ungewöhnlich ist der Ausgangsübertrager, denn es handelt sich nicht um einen konventionellen quaderförmigen Trafo, sondern um einen kreisrunden Ringkernübertrager. Ringkerntrafos bieten gleich mehrere Vorteile: Sie haben besonders geringe ohmsche Verluste, weil weniger Draht benötigt wird, um auf die gewünschte Induktivität zu kommen, und sie sind weniger anfällig für Störfelder. Einziger Nachteil: Ringkerntrafos sind teuer, weil kompliziert zu wickeln.

Insgesamt wirkt die Schaltung des MA- 1000 recht übersichtlich, aber die wenigen Komponenten sind von hoher Güte. Ähnliches könnte man auch über das MA-50 sagen: Selten habe ich eine Mikrofonplatine mit so wenigen Bauteilen gesehen! Das MA- 50 arbeitet mit einer übertragerlosen FET-Schaltung, aber auch hier sind alle kritischen Komponenten von hoher Qualität. So kommen − wie auch beim MA-1000 − feiste Wima Polypropylen-Folienkondensatoren zum Einsatz. Vor allem aber arbeitet das MA-50 mit einem cleveren Schaltungsdesign, das ich so noch in keinem anderen Mikrofon gesehen habe: Die Kondensatorkapsel hängt symmetrisch zwischen zwei FETs, d. h., die Schaltung arbeitet von Anfang an symmetrisch. Das scheint so gut zu funktionieren, dass David Royer darauf verzichtet hat, einen Spannungswandler einzubauen, wie man ihn in den meisten modernen Kondensatormikros findet, um eine höhere Polarisationsspannung für die Kapsel und somit einen besseren Rauschabstand zu erzielen.160906_soundrecording_1024x768_finales_template_ak_12

Für das Klangverhalten noch wichtiger als die Schaltung ist das Kapseldesign. Das MA-50 arbeitet mit einer üblichen 1-Zoll-Doppelmembrankapsel nach Vorbild von Neumanns K67-Kapsel (die wohl meistkopierte Kapsel überhaupt!). Da das MA-50 mit fester Nierencharakteristik arbeitet, ist nur die vordere Membran mit Gold beschichtet; die hintere Membran ist elektrisch inaktiv, wohl aber Teil des akustischen Designs.

Die Doppelmembrankapsel des MA-1000 ist völlig anders aufgebaut. Sie arbeitet randkontaktiert, d. h., es gibt keine Mittenelektrode, wodurch die Membran freier schwingen kann. Der Hersteller spricht von einer »251- Style Capsule«. Gemeint ist das von AKG für Telefunken hergestellte ELA M251, eines der gesuchtesten und teuersten Vintage-Mikrofone. Der darin verbauten, sehr höhrenreichen Kapsel sagt man fast schon magische Qualitäten nach; es handelte sich im Übrigen um dieselbe CK-12 »Brass«-Kapsel, die auch in AKGs legendärem C12-Röhrenmikrofon zum Einsatz kam. Die Kapsel des Mojave MA-1000 ist indes mit satten 28 mm Membrandurchmesser knapp 3 mm größer als ihr Vorbild (ich besitze eine originalgetreue Replica von Tim Campbell). Im akustischen Aufbau und im gemessenen Frequenzgang scheint die Mojave-Kapsel eher mit der modernen CK-12 (mit Nylonring) verwandt zu sein, welche AKG im C414 XL II und C12 VR verbaut. Im Grunde ist die Kapsel des MA-1000 aber keine 1:1-Kopie, sondern ein eigenständiges Design mit klassischen Anleihen.

Performance 

Die technischen Daten lassen wenig zu wünschen übrig: Das Eigenrauschen des MA-50 liegt laut Hersteller unter 16 dB-A; die Empfindlichkeit bei −40 dB re 1V/Pa, was in europäischer Darstellungsweise 10 mV/Pa entspricht. Das Testmikrofon war mit ca. 17 mV/Pa deutlich »lauter« − der Wert entspricht auch eher dieser Bauweise, sodass man von einem Fehler im Datenblatt ausgehen darf. Auch das tatsächliche Rauschverhalten des Testexemplars war um einige Dezibel besser als spezifiziert. Der Grenzschalldruckpegel ist mit 125 dB SPL angegeben. Diese technischen Werte sind für ein modernes Großmembran-Kondensatormikrofon nicht überragend, aber für die Aufnahmepraxis vollkommen ausreichend. Kritisch anmerken möchte ich, dass dem Mikrofon weder ein Datenblatt noch ein Manual beiliegt; Informationen findet man ausschließlich im Internet. Gleiches gilt für das MA-1000, und spätestens auf diesem Preisniveau sollte eine gedruckte Dokumentation selbstverständlich sein − denn nicht wenige Studiomikrofone werden älter als ihre Hersteller.

Das Eigenrauschen des MA-1000 ist gleich doppelt spezifiziert. Es soll 16 dB-A nicht übersteigen und nominell bei 14 dB-A liegen. Das Testexemplar kommt auf etwa 15 dB-A in Nierenstellung − ein ordentlicher Wert für ein Röhrenmikrofon. Die Empfindlichkeit liegt mit −37 dB re 1V/Pa (14 mV/Pa) im mittleren Bereich. Beim Grenzschalldruckpegel gibt es widersprüchliche Angaben: Einerseits ist er mit 120 dB SPL (bzw. 135 dB SPL mit aktiviertem Pad) spezifiziert, andererseits wird ein Verzerrungswert von 1 % THD bei 117 dB SPL angegeben. Doch das würde bedeuten, dass der Grenzschalldruckpegel, der üblicherweise mit dem Erreichen von 0,5 % THD gemessen wird, bereits einige Dezibel früher erreicht wurde. Hmm … Nun darf ein Röhrenmikrofon ja gerne ein bisschen mehr zerren als ein Transistormikrofon, insofern muss man das nicht an die große Glocke hängen. Dennoch sollte der Hersteller sein Datenblatt überarbeiten.


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(Bild: Dr. Andreas Hau)

+++ eigenständiger Sound (besonders MA-1000)

++ gute technische Werte

++ innovative Schaltungen

+ elastische Halterung im Lieferumfang

– Datenblatt z. T. widersprüchlich

MA-50

Hersteller/Vertrieb Mojave / S.E.A

UvP/Straßenpreis 594,− Euro / ca. 480,− Euro

www.sea-vertrieb.de

MA-1000

Hersteller/Vertrieb Mojave / S.E.A

UvP/Straßenpreis 3.331,− Euro / ca. 2.800,− Euro

www.sea-vertrieb.de


Klang & Praxis

Die beiden Mojave-Mikros präsentieren sich recht unterschiedlich. Das günstige MA-50 klingt sehr klar mit einem leicht offensiven Charakter. Es wirkt sehr offen und unverstellt, mit einem trockenen Bass, der nicht zu dick aufträgt. Die Mitten werden weitgehend linear abgebildet; bis 6 kHz weicht das MA- 50 laut unserer Messungen kaum von der 0-dB-Linie. Eine Höhenanhebung um 4 bis 5 dB bei 12 kHz lässt das Klangbild hell und brillant erscheinen; dennoch wirkt das MA- 50 nicht unangenehm scharf. Einen DeEsser wird man nur für Sänger und Sängerinnen mit Hang zu harten Konsonanten benötigen. An der Akustikgitarre überzeugt das MA-50 mit einem gefälligen, luftigen Sound. Der natürliche Klang des Instruments wird weitgehend unverfälscht eingefangen, während die Höhenanhebung dafür sorgt, dass sich die Gitarre im Mix gut durchsetzt, indem die Anschlags- bzw. Picking-Geräusche dezent betont werden.

Der Sound des MA-1000 ist (in Nierenstellung) deutlich weicher und voller. Nicht nur, weil das Mikrofon mit Röhrenelektronik arbeitet, sondern schon aufgrund seiner Klangbalance. Die randkontaktierte Kapsel des MA-1000 bildet die Bässe unterhalb 200 Hz hörbar satter, runder und fülliger ab. In den Höhen agiert das MA-1000 deutlich sanfter und samtiger als das MA-50; S-Laute werden angenehm weich abgebildet. Wie unsere Messungen zeigen, beträgt die Höhenanhebung nur knapp 2 dB; überhaupt ist der Frequenzgang des MA-1000 überraschend eben für ein Großmembranmikrofon. Neutral klingt es deshalb noch lange nicht! Das zeigt sich insbesondere in den Mitten. Diese werden über einen sehr weiten Bereich linear übertragen; dennoch sorgt die Röhrenelektronik für Farbe und Funkeln, eine Textur, die dem Klang einen charmanten, »abgehangenen« Vintage-Charakter verleiht.

Im Gegensatz zum MA-50, das mit fester Nierencharakteristik arbeitet, ist das MA- 1000 ein Multipattern-Mikrofon. Wie bei vielen Röhrenmikrofonen wird die Richtcharakteristik nicht am Mikrofon selbst eingestellt, sondern am Netzteil. Und zwar stufenlos über ein Poti von Kugel (Linksanschlag) über Niere (Mittelstellung) bis zur Achtercharakteristik (Rechtsanschlag). Viele andere Röhrenmikrofone verwenden einen Stufenschalter, damit sich Settings präzise reproduzieren lassen. Im vorliegenden Fall hat mir die Poti- Regelung jedoch ganz ausgezeichnet gefallen.

Denn bei Großmembran-Kondensatormikrofonen ändert sich mit der Richtcharakteristik auch immer das Frequenzverhalten − mal mehr, mal weniger. Beim MA-1000 lagen die Veränderungen im Frequenzgang in einem Bereich, der sich sehr gut zur Klangabstimmung nutzen lässt − auch während der Aufnahme, denn das Poti arbeitet im Gegensatz zu einem Schalter geräuschlos.

In Kugelstellung wird das Klangbild deutlich höhenreicher; es kommt zu einer breitbandigen Anhebung um 6 dB, während gleichzeitig die Präsenzen bei 4 bis 5 kHz leicht reduziert werden. In Achterstellung wird der Sound dagegen noch weicher; die Höhenanhebung verschwindet gänzlich, und es bildet sich eine milde Präsenzbetonung in den oberen Mitten, die den Vintage-Charakter weiter intensiviert.

Interessant für die Aufnahmepraxis sind nicht zuletzt die Zwischenstellungen. Für Akustikgitarren bietet sich der Bereich links der Mittelstellung an, wo sich die Nierencharakteristik weitet, sodass das komplexe Abstrahlverhalten des Instruments besser erfasst wird. Gleichzeitig reduziert sich der Nahbesprechungseffekt, der bei Akustikgitarren häufig für Basswummern sorgt. Die etwas stärkere Höhenanhebung im Bereich Breitniere lässt das Klangbild frisch und luftig erscheinen.

Auch für Gesangsaufnahmen lässt sich die stufenlose Pattern-Regelung sinnvoll nutzen. Etwa eine Vierteldrehung links und rechts der Mittelstellung (d. h. von Breitniere über Niere bis Hyperniere) wirkt das Pattern-Poti wie ein natürlicher EQ, mit dem sich der Sound an den jeweiligen Sänger bzw. die jeweilige Sängerin anpassen lässt.

Fazit

Mit dem Mojave MA-50 und MA-1000 hat David Royer zwei attraktive Großmembran-Kondensatormikrofone geschaffen. Das MA-50 punktet mit einem offenen, unverstellten Sound mit spritzigen Höhen. Klanglich ist es billigen No-Name-Mikrofonen deutlich überlegen, denn es produziert keine unerwünschten Artefakte. Das MA-1000 setzt noch einen drauf. Es klingt sehr ausgewogen, und die Röhrenelektronik verleiht dem Klangbild Charakter und Farbe, ohne aber zu dick aufzutragen. Einziger Wermutstropfen ist der Preis von 3.331,− Euro (UvP). Dafür bekommt man auch schon das eine oder andere Röhrenmikrofon Made in Germany von Microtech Gefell, Brauner oder Neumann. Die Gehäuseverarbeitung ist beim bundesdeutschen Mikrofonadel sichtlich edler, dagegen wirkt das Mojave etwas hemdsärmelig − mehr Jeep als Porsche. Für das MA-1000 spricht die variable Richtcharakteristik, und es verfügt durchaus über eine eigene Stimme!

Dusty Wakeman, President of Mojave Audio ,präsentierte die Großmembranmikrofone MA 50 & MA 1000 auf der NAMM Show 2016:

 

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