AKG C 314 − Multipattern-Großmembranmikrofon im Test
von Dr. Andreas Hau, Artikel aus dem Archiv
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Mit dem C 314 erweitert der Wiener Traditionshersteller AKG sein Portfolio um ein Großmembran-Kondensatormikrofon, das zwischen dem Projektstudio- Mikrofon C 214 und dem bewährten Studioklassiker C 414 positioniert ist. Profi-Mikro zum kleinen Preis oder »aufgebohrtes« Einsteiger- Mikro? Wir haben uns das C 314 ganz genau angeschaut!
Über AKG-Großmembranmikros wird im Netz und auch im Kollegenkreis vergleichsweise wenig philosophiert − so zumindest mein Eindruck. Gleichwohl findet man das C 414 in praktisch jedem kommerziellen Studio, meist sogar in mehrfacher Ausfertigung. Es gilt eben als klassisches Arbeitspferd: nicht lange reden, aufstellen, aufnehmen. Zudem bietet das C 414 seit jeher ein gutes Preis/Leistungs- Verhältnis.
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Fürs Homestudio bzw. kleinere Projektstudios brachte AKG vor einigen Jahren eine abgespeckte Version auf den Markt, das C 214, das mit fester Nierencharakteristik arbeitet. Das neue C 314 bringt die umschaltbaren Richtcharakteristiken zurück. Trotzdem unterscheidet es sich von den aktuellen C-414- Modellen.
Im Einzelnen
Optisch ist das C 314 kaum vom C 214 zu unterscheiden. Das modern gestaltete Gehäuse hat einen großen Mikrofonkorb, in dem die Großmembrankapsel elastisch aufgehängt ist. Der vordere Teil des Korbs ist champagnerfarben, die Rückseite schwarz − damit ist die Orientierung klar gekennzeichnet. Der von einem Ring abgesetzte Elektronikteil nimmt nur knapp ein Drittel des Gehäuses ein. Auf der linken Flanke befinden sich ein Pad-Schalter (−20 dB) und eine LED, die im Normalzustand grün leuchtet und bei Übersteuerungen zu Rot wechselt. Auf der rechten Gehäuseflanke befindet sich ein Bassabsenkungsschalter (Hochpass, 12 dB/Oct bei 100 Hz). Die Richtcharakteristik wird auf der Rückseite eingestellt. Und zwar über einen Schiebeschalter mit vier Positionen: Kugel, Niere, Superniere und Acht − ganz wie bei den älteren C 414- Modellen. Zum Vergleich: Die aktuellen Modelle C 414 XLS und XL II verfügen über neun Richtcharakteristiken, die über Tipptaster eingestellt werden.
Typisch AKG ist der Haltestiel am unteren Ende des Mikrofongehäuses. Mitgeliefert werden sowohl eine einfache Gelenkhalterung als auch eine hochwertige Spinne. Zum Lieferumfang gehören außerdem ein Schaumstoff- Windschutz und ein gepolsterter Transportkoffer.
Technisch
Ist das C 314 etwa eine Rückkehr zur Technik der klassischen C-414-Modelle? Anders als manch andere Hersteller, die ihre klassische Rezeptur beibehielten, hat AKG das C 414 nämlich stets dem Stand der Technik angepasst. Dabei wurde nicht nur die Elektronik immer komplexer, rauschärmer und übersteuerungsfester, auch die Klang-entscheidende Kapsel wurde verändert. Hatten die frühesten Versionen noch die höhenreich klingende Kapsel des legendären C 12-Röhrenmikrofons, so wurde Ende der 1970er eine neue Kapsel entwickelt, die deutlich linearer agierte. Da dies vielen Engineers im Pop- Bereich missfiel, wurde in den 90ern eine weitere Variante geschaffen, die wieder etwas höhenreicher klang, im Aufbau jedoch weitgehend der linearen Variante entsprach. Seitdem gibt es das C 414 in zwei Varianten, aktuell das lineare C 414 XLS und das C 414 XL II mit Höhenanhebung (s. S&R 10.2010)
Welche der beiden Kapselvarianten kommt nun im C 314 zum Einsatz? Keine, es handelt sich um eine Neuentwicklung! Während alle Kapselvarianten des C 414 mit extern zugeführter Polarisationsspannung arbeiten, handelt es sich bei der Kapsel im C 314 (wie bei der im C 214) um eine dauerpolarisierte Elektret-Kapsel. AKG nennt dies »Backplate Technologie«. Das muss nicht schlechter sein. Bei meinem Besuch im AKG-Werk vor ein paar Jahren (s. S&R 04.2013) zeigte man mir eine interessante Weiterentwicklung der Elektret-Technik: Durch das Aufbringen verschieden hoher Polarisationsspannungen in verschiedenen Zonen des Elektret-Films lässt sich in gewissem Umfang das Schwingungsverhalten der Membran optimieren, denn die Polarisationsspannung verursacht ja auch eine elektrostatische Anziehung zwischen Membran und Gegenelektrode. Mit einer üblichen extern polarisierten Kondensatorkapsel wäre das unmöglich, denn hier erhält die gesamte Gegenelektrode dieselbe Vorspannung. Aber genug theoretisiert, hören wir uns das C 314 mal an!
Klang & Praxis
Das AKG C 314 hat schon einen ganz eigenen Sound, der weder mit den aktuellen noch mit älteren Varianten des C 414 direkt vergleichbar ist. Der Klang des C 314 wirkt stärker vorgeformt und orientiert sich eindeutig in Richtung Charts-Pop. Die Höhen sind breitbandig angehoben; laut meiner Messungen in Nierenstellung um etwa 4 dB. Da gleichzeitig die Mitten bei 2 kHz etwas zurückgenommen sind, entsteht eine typische »Badewannenkurve«. In Stellung Superniere ist der On-Axis-Frequenzgang praktisch identisch, während sich bei Anwahl der Richtcharakteristik Acht die Mittensenke merklich verstärkt. Bei Anwahl der Kugelcharakteristik ergibt sich dagegen ein weitgehend ebener Frequenzgang bis etwa 7 kHz, während die Höhen bei 11 kHz eine markante Anhebung um 6 dB erfahren. Der Klang aber ist indes mehr als nur in Frequenzgängen zu erkennen. Also habe ich zur subjektiven Verkostung mein altes C 414 EB P48 herangezogen. Im direkten Vergleich wirkt das C 314 viel sauberer und in den Bässen schlanker. Das alte C 414 EB P48 fällt dagegen vor allem durch seine charmanten, leicht rauchigen Mitten auf. Sein Klang ist weniger transparent, hat aber eine schöne Textur und unangestrengte, milde Höhen. Ein Sound, so entspannt wie ein Nachmittag in einem Wiener Café.
Das C 314 wirkt im direkten Vergleich viel moderner, von Vintage-Anwandlungen keine Spur. Es steht ganz im Hier-und-Jetzt. Wenn man philosophieren wollte, könnte man sagen, seine Klangästhetik reflektiert die heutige (Medien-)Welt: Das AKG C 314 wirkt strahlend und präsent − aber auch ein bisschen künstlich. Seine spritzigen Höhen scheinen ein wenig aufgesetzt, wie nachträglich per EQ angehoben; die Mitten könnten für meinen Geschmack etwas fleischiger klingen. Insofern wäre das C 314 nicht für jeden Vokalisten die beste Wahl. Für ohnehin präsente Stimmen ist der etwas kantige Sound des C 314 vielleicht »too much«. Besser eignet es sich für tonstarke Sänger oder auch Stimmen mit leicht nasalem Charakter. Ihnen verhilft das C 314 zu erhöhter Durchsetzungskraft. Natürlich lässt sich das C 314 auch für Instrumentenaufnahmen einsetzen. AKGs (Transistor-)Großmembranmikros gelten seit jeher als Universaltalente. An der Akustikgitarre macht das C 314 einen gefälligen Poporientierten Sound mit deutlich herausgestelltem Picking bzw. Plektrum-Anschlag.
Percussion-Instrumente fängt das C 314 sauber und transientenreich ein. Da sein Eigenrauschen mit nur 8 dB-A sensationell niedrig ist, eignet sich das C 314 auch bestens für leise Schallquellen wie sanft gezupfte Klassikgitarren. Weite Mikrofonabstände sind ebenfalls kein Problem, zumal das Mikrofon mit 20 mV/Pa einen satten Ausgangspegel liefert. Den Pad-Schalter wird man nur sehr selten betätigen müssen, denn mit 135 dB SPL liegt der Grenzschalldruckpegel bereits ohne Vordämpfung sehr hoch. Lauter wird’s allenfalls am Schlagzeug, etwa in der Kick oder in der Nähe der Becken.
Alles in allem ist das C 314 ein recht vielseitig einsetzbares Mikrofon, wenngleich nicht ganz im selben Umfang wie das C 414 XLS, welches etwas natürlicher klingt und sein ausgewogenes Klangbild beim Wechsel der Richtcharakteristik weitgehend beibehält.
Die Großmembrankapsel…
…mit einem Membrandurchmesser von 1 Zoll (2,54 cm) arbeitet randkontaktiert und basiert auf dem Design der CK12-Kapsel in den aktuellen C 414-Studiomikros. Es handelt sich jedoch um eine Neuentwicklung in Elektret-Technik mit etwas »modernerem« Klangcharakter.
Bild: Dr. Andreas Hau
Bild: Dr. Andreas Hau
Bild: Dr. Andreas Hau
Bild: Dr. Andreas Hau
Fazit
Das C 314 ist ein modernes, technisch hochwertiges Großmembranmikrofon mit ausgezeichneten technischen Werten. Neutralität ist nicht sein Metier. Das C 314 liefert einen vorgeformten, Pop-orientierten Sound mit straffen Bässen, präsenten Höhen und etwas zurückgenommenen Mitten. Feingeister und Soundtüftler sollten weiterhin zu den etwas höherpreisigen C-414-Modellen greifen, die mehr »Fleisch« zur individuellen Soundgestaltung bieten. Das C 314 wendet sich eher an Anwender, die nicht lange schrauben, sondern einen »fertigen« Sound abrufen möchten. Ein Lob verdient die umfangreiche Ausstattung mit Stativklemme, Spinne, Windschutz und Transportkoffer.
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extrem rauscharm
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sehr pegelfest
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umfangreiches Zubehör
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gefälliger »vorgeformter« Pop-Sound
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Mittenabsenkung im Achter-Modus