Nicht selten prägen besondere Instrumente und Effektgeräte den typischen Sound einer Band. Das gilt sogar für die größten unter den Großen: Pink Floyds bahnbrechender Psychedelic-Sound hätte sich ohne das Binson Echorec definitiv anders angehört.
Interessanterweise stammt eines der kultigsten Effektgeräte aus Italien. Die Firma »Binson Amplifier Hi Fi« wurde Mitte der 1940erJahre von Dr. Bonfiglio Bini in Mailand gegründet. Man fertigte zunächst Radios und Fernsehgeräte, wenig später Gitarrenverstärker und schließlich verschiedenstes Zubehör vom Mixer bis zum drahtlosen Mikrofon. Echorec-Prototypen entstanden um 1953/54, das erste Seriengerät kam 1955 in den Handel, 1958 gefolgt vom preisgünstigeren Echorec Baby. In den folgenden 25 Jahren wurden nicht weniger als 40 verschiedene Modelle und Versionen entwickelt. Viele unterscheiden sich nur marginal voneinander, andere deutlich in Technik, Look und Ausstattung.
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Echorec ≠ Echorec
Im Wesentlichen lassen sich sechs verschiedene Bauformen unterscheiden: Die »Urform« − ein goldfarbenes Desktopgerät mit Deckel − wurde bis in die frühen 70er-Jahre gebaut (T-Modelle). Es entstanden wiederum mehrere Versionen mit unterschiedlicher Frontpanel-Farbe (erst golden, dann schwarz), Input-Anzahl (erst einer, später drei) und Klangregelung, äußerlich erkennbar an der Anzahl der Bedienelemente. Die Geräte aus den 60ern verwendeten ausschließlich Röhren. Ab 1971 kam Transistortechnik zum Einsatz (Modell T7E).
Von 1967 bis ’75 entstand die sogenannte »PE«- Serie im silberfarbenem »Kasten« mit knapp 19″-Breite und gut 3,5 HE. Diese Geräte wurden zunächst mit Röhren, später mit Transistorschaltungen gebaut. Ihre Bezeichnungen lassen nicht in allen Fällen auf das Innenleben schließen. So können die Modelle PE-603T (1 Input, Tonwippe) und PE-603TU (3 Inputs, 2-Band-EQ) sowohl mit Röhren als auch mit Transistoren ausgestattet sein. Entscheidende Neuerung: Während bei allen goldenen Modellen zwölf Kombinationen der Playback-Köpfe festgelegt waren und über einen Drehschalter ausgewählt wurden, erlaubten die PE-Modelle ein se – parates An- und Abschalten der einzelnen Köpfe.
Ab 1971 boten einige Modelle sogar die Auswahl der Feedback-Position an; man erkennt sie an einer zweiten Tasterreihe links unten im Bedienfeld. Das PE-603-T(U)-6 war zudem mit sechs statt vier Köpfen ausgestattet und bot damit noch mehr Echo-Varianten. Parallel entstanden ab 1970 Transistor-Geräte mit flacherem Gehäuse und roter Frontblende (»A«-Serie). Ausstattung und Technik entsprachen den PE-Modellen, allerdings ersetzte man das »Magische Auge« durch ein Zeigerinstrument.
Die letzte Inkarnation des Echorec (»EC«- Serie, 1975) kam rundum etwas »moderner« daher − vielleicht ist deshalb ihr Kultfaktor heute am wenigsten ausgeprägt. Immerhin verfügten alle EC-Modelle über frei wählbare Playback-/Feedback-Positionen und besaßen sogar bis zu zehn Köpfe (EC-10). 1980 wurde mit dem E4T ein endgültig letztes und kompaktes Gerät angeboten. Unbedingt erwähnenswert sind auch diverse Binson Mixer-Modelle mit eingebautem Transistor-Echorec. In den frühen 80ern ging Binson leider in Konkurs, 1986 wurde die Produktion eingestellt. Danach sorgten der frühere britische Vertrieb sowie Echorec-Guru Eric Snowball lange Zeit für den Service der Geräte. Aktuell finden sich in Europa und den USA mehrere Spezialisten, die Service und Modifikationen anbieten.
Floyd und das Echorec
Pink Floyd sind sicher die berühmtesten und innovativsten Echorec-User. Man denke nur an die bizarren, drogenvernebelten Klangwolken von A Saucer Full Of
Secrets und Piper At The Gates Of Dawn, die »Unterwasser-Atmo« des Echoes-Intro oder an die düster treibende Bassline von One Of These Days − Pink
Floyd und Echorec-Sound in Bestform. Im Mai 1966 soll Syd Barret das Gerät bei Auftritten des britischen Improvisations-Ensembles AMM entdeckt haben. Zutiefst beeindruckt erwarb Barret zunächst ein Echorec Baby und ein Model 1. Beide wurden ab Herbst 1966 regelmäßig bei Auftritten verwendet und im Januar 1967 für die Aufnahmen von Intersteller Overdrive erstmals auch im Studio eingesetzt − der Pink-Floyd-Sound für viele Jahre war geboren. Bis zu den Aufnahmen von Animals (1977) blieben die vier Briten Hardcore-User und verwendeten mehrere Modelle gleichzeitig live und im Studio. Unbedingt sehenswert: der Film Pink Floyd in Pompeii von 1972.
Instant Psychodelia
Klanglich einem Tape-Echo sehr ähnlich, liefert das Echorec dennoch einen besonderen Sound. Einerseits prägen die Filter die Höhenbedämpfung und die vergleichsweise aufwendige Verstärkerschaltung − Röhre wie Transistor − den Klang. Der besondere Echorec Sound entsteht vermutlich aus der Kombination dieser Faktoren mit den Gleichlaufschwankungen sowie den magnetischen und damit klanglichen Eigenschaften der Scheibenoberfläche, die sich von denen eines Magnetbandes hörbar unterscheiden.
Nicht zu vergessen sind die diversen Nebengeräusche, die den Sound zwangsläufig mitprägen. Das Echorec besitzt eine gewisse »flirrende« und leicht »verwischte« Komponente, die sehr reizvoll klingen kann. Besonders die Modelle mit frei wählbaren Signal – abgriffen erlauben neben sauberen Slapbacks und rhythmisch interessanten Delays auch zahllose Klangvarianten mit unvergleichlicher Lebendigkeit.
Sehr spannend ist zudem der sogenannte Swell-Modus: Hier werden sämtliche Feedback-Wege parallel geschaltet. So entsteht eine Art »rauschige Echo-Klangwolke«, mit viel Fantasie auch »Hall« zu nennen − ein wirklich großartiger und spezieller Effekt. In den Echo- und Swell-Modi lässt sich das Feedback sehr feinfühlig bis zur Selbst oszillation regeln und erzeugt dann den typischen »Psychedelic-Sound« par excellence. Wie zahlreiche Pink-Floyd-Songs beweisen, funktioniert das Echorec hervorragend mit unterschiedlichsten Instrumenten und Sounds.
Hands On Echorec
Die Bedienelemente des goldenen Echorec sind weitestgehend selbsterklärend: Die oberen Drucktaster (falls vorhanden) wählen den gewünschten Eingang. Von links nach rechts folgen Regler für Eingangspegel, Feedback, Ausgangslautstärke und Klang. Der erste Drehschalter wählt zwischen Slapback (einzelner Rückwurf ohne Feedback), Echo und dem Swell-Effekt (s. o.).
Der zweite Drehschalter wählt die Kopf-Kombinationen und bestimmt somit Delay-Zeiten bzw. Rhythmik der Rückwürfe. Die PE- und EC-Modelle besitzen Drucktaster zur Auswahl der einzelnen Tonköpfe. Die Fertigungsqualität aller Echorec- Modelle ist ausnehmend hochwertig. Nahezu alle Komponenten (ausgenommen Motoren und Tonköpfe) wurden direkt bei Binson gefertigt. Das Scheibenecho blieb immer ein Exot. Neben dem Echorec findet man nur das vergleichsweise einfach gestrickte Univox/Melos Disk-Echo (um 1980) und das seinerzeit super teure, als High-End-Gerät angepriesene Dynacord Echocord Studio aus den frühen 60ern.
Aktuell werden zahlreiche Echorec Nachbauten angeboten − sowohl mit authentischem Innenleben als auch in Form von digitalen Simulationen. Angesichts exorbitanter Gebrauchtpreise und aufwendiger Service-Situation ist das eine nicht uninteressante Alternative. Hardliner sind sich jedoch einig: Nichts klingt wie das echte Echorec!04