Vom Punk zum Beat

Die Geschichte von HipHop-Produzent Ben Bazazzian

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(Bild: Archiv)


Ben Bazazzian hat 1991 mit 12 Jahren angefangen, Gitarre zu spielen, und mit Freunden zusammen in Bands gespielt. In einem Musikladen am Ebertplatz in Köln hat er zu dieser Zeit ein Praktikum absolviert und war auf der Suche nach etwas, mit dem er alleine Musik machen kann …

Der Verkäufer in der Synth-Abteilung riet ihm zu einer MPC2000XL, die auch heute noch in seinem Studio steht. Er suchte damals etwas, mit dem er zu Hause Gitarre aufnehmen und Schlagzeug programmieren konnte. Ursprünglich kommt der Kölner nämlich aus dem Hardcore-Punk. Sein Plan war es eigentlich gar nicht, Rap-Musik zu machen und Beats zu schrauben. »Mein bester Kumpel hat damals gerappt, und irgendwann kam er an und wollte, dass ich Beats für ihn baue«, erzählt Ben.

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Durch seine große Schwester wurde er in dieser Zeit von den Beastie Boys inspiriert. »Außerdem gibt es auch Parallelen, weil die Beastie Boys ursprünglich auch eine Punk Band sind. Das hat mich natürlich mit der Musik verbunden. Check Your Head war einfach die Platte überhaupt. Wenn man sich das heute anhört, welchen Sound sie mit dem Equipment und den Möglichkeiten von damals erzielt haben, ist das schon ziemlich cool. Damals hatte man nicht die Möglichkeit, 300 Spuren im Rechner aufzunehmen und dort alles zu produzieren. Effekte, wie einen Drumloop rückwärts laufen zu lassen, ist heute ein Klick, damals musste man eben das Tape drehen. Das nutzt heute natürlich jeder, aber sie haben es damals mit den Möglichkeiten umgesetzt, die ihnen zu Verfügung standen, und waren damit auch Vorreiter dieses Genres.«


In dieser Episode ist Engineer und Producer Paul Mistygatz zu Gast, der die MistyCat Studios in Tübingen betreibt. Paul hat sich auf das Genre HipHop fokussiert und legt in der Produktion besonderen Wert auf die intensive Arbeit mit dem Rapper, um das Beste aus der Stimme rauszuholen. Im Gespräch dokumentiert Paul, wie seine Arbeit mit Künstlern bereits bei der Pre-Production aussieht. Er erklärt, mit welchen Methoden er beim Vocal-Coaching während der Aufnahme arbeitet, wie sein Recording-Setup aussieht und wie er an das Mischen von Vocals für HipHop herangeht. Viel Spaß beim Hören! 

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Der erste Beat

»Die Band eines Kollegen wollte damals ein Feature mit Azad machen, zu dem es bereits einen Kontakt gab. Ich hatte ihnen dann die Beats dazu gebaut, die sie ihm auch zugeschickt haben. Azad wollte daraufhin zwar kein Feature mit der Band des Kollegen, aber einen Beat von mir. Zu der Zeit, im Jahr 2001, war das Album von Azad mit dem Titel Leben schon veröffentlicht, und ich war Fan der Platte. Das war das Erste, was mich DeutschRap-mäßig interessiert hat. Azad rief mich dann an und lud mich nach Frankfurt ein. In seinem Studio lernte ich dann auch Kool Savas kennen. Mein erster Release kam dann auf dem zweiten Album von Azad, welches im Jahr 2003 erschien und ein Feature mit Kool Savas war. Den Beat hatte ich damals mit der MPC programmiert. Die Drum-Sounds habe ich von einer Platte aus der Sammlung meines Vaters gesampelt − damals gab es eben noch keine Libraries. Gemischt wurde das Ganze im Toolhouse Studio in Rotenburg an der Fulda auf einem SSL-Pult. Später habe ich das Arrangement in Logic Gold von Emagic, wie es damals hieß, arrangiert und per MIDI die Sounds der MPC angetriggert.

Dieses Setup habe ich zum ersten Mal bei einem Kölner Rapper namens SD verwendet, mit dem ich auch noch in 2003 die EP Wie es geht produzierte, die dann auf Sa – vas Label Optik Records erschien. Die Single habe ich selbst im Rechner gemischt, auf den ich zuvor die Spuren der MPC überspielt habe. Sound-mäßig war das nicht der Wahnsinn aber wenn man es hört, stimmt der Vibe, und darauf kommt es letztendlich auch an. Gemastert wurde dann in Berlin. 2004 habe ich mir dann einen neuen Mac gekauft, und die MPC ist in der Ecke liegengeblieben. Ich nutzte ab dann den in Logic integrierten EXS-Sampler, den ich auch heute noch verwende. Damals saß ich Tage und Nächte lang im Studio und habe Beats geschraubt. Wenn ich da nicht vor dem NachHause-Gehen eine CD gebrannt habe, war ich down. Es war schon wirklich eine Sucht, eine Sucht nach Beats-Schrauben.

(Bild: Archiv)

Die Produktionen mit Gentleman in 2006 haben mich dann produktionstechnisch einen Schritt weitergebracht, weil wir für seine Produktionen auch mal Streicher oder ein echtes Klavier aufgenommen haben. Wir waren dazu auch im Maarweg-Studio in Köln, um einen Chor aufzunehmen. Auch die Musik war eine etwas andere als das, was ich bis dato davor gemacht habe.

Der Song It No Pretty besteht beispielsweise aus einem 5-Spuren-Loop, den ich in Jamaika, wo wir zum Songwriting waren, im Hotel geschraubt habe. Die SoftwareInstrumente haben wir dann später im Studio durch echte ersetzt. Der Song wäre mit diesem 5-SpurenLoop auch cool gewesen, aber wenn man sich einfach die Zeit nimmt und sich die Arbeit macht, die Sachen richtig aufzunehmen, kann das einen Song weiterbringen. Bei der ersten Platte mit Haftbefehl, die 2010 veröffentlicht wurde, habe ich ihm einfach Beats geschickt, und er hat drauf gerappt. Mehr habe ich da nicht gemacht. Während der Produktion von Russisch Roulette [2014] habe ich nebenbei auch die Produk – tion des MTV-Unplugged von Gentleman begleitet. Dazu gehörten die Proben, die Aufnahmen, die Overdubs, das File-Management und das Mixing. Damit war ich sehr ausgelastet. Parallel habe ich Haftbefehl aber immer Beats geschickt.

Irgendwann war ich dann aber an einem Punkt, an dem es nicht mehr ging. Und da habe ich ihm vorgeschlagen, dass er doch einfach auf irgendeinen Beat rappen soll, der ihm gefällt. Das hat er dann auch getan, er hat mir dann die Vocals geschickt, und ich habe ihm dann dazu einen Beat geschraubt. Bei dem Track Affen Aus Dem Zoo hat er auf einen ganz anderen Beat von mir die Vocals aufgenommen, und ich habe dann zu diesem Song fünf Skizzen angelegt. Wenn man dann die Vocals dazunimmt, hört man schnell, zu welcher Skizze die Vocals am besten passen. Aber manchmal ist es auch der Original-Beat. Da bastelt man dann ewig rum und merkt irgendwann, dass was anderes einfach nicht besser funktioniert. Dann baue ich den Original-Beat auf eine andere Art eben nach. Aber in neun von zehn Fällen passt eine der Skizzen. Das ist die Arbeitsweise, die sich über die letzten Jahre bei uns etabliert hat. Ich arbeite heute immer noch mit dem EXS24.

Ich finde auch viele Plug-ins von Arturia cool, aber ich nutze nicht gerne Sachen, die alle haben. Deshalb habe ich auch kein Native Instruments Komplete. Das nutzen einfach alle. Ich sample immer noch sehr viel von Platte oder auch MP3s, aber ich nehme auch Instrumente auf, und baue mir dann meine eigenen Loops daraus oder cutte die einzelnen Sounds und nutze sie als Element im EXS24. Oft spielt mir mein Studiopartner am Klavier einfach was vor. Das nehme ich dann ganz dirty mit einem Mikrofon auf. Die Sachen habe ich schon in so vielen Produktionen verwendet. Außerdem habe ich hier im Studio viele Instrumente stehen, von denen es mit Sicherheit eine Sample-Library gibt. Aber warum sollte ich die denn benutzen, wenn ich die Instrumente hier stehen habe? Ich habe auch kein vorgefertigtes Template in Logic angelegt, auf dem schon alles geroutet ist und Instrumente angelegt sind. Ich beginne immer bei null!

In Logic bin ich vor Kurzem erst auf von Version 8 auf 9 umgestiegen − Pro X gefällt mir einfach nicht. Aber mit dem Setup, was ich gerade habe, könnte ich Jahrzehnte lang Musik machen. Mir ist es egal, ob das jetzt ein 32- oder 64-Bit-System ist, mit dieser tiefgehenden Technik beschäftige ich mich eigentlich nicht. Zum Mischen gebe ich die Files dann an den Mixing-Engineer weiter. Dann stehen die Lautstärkeverhältnisse aber schon fest. Alle Effekte wie Hall oder Dealy schicke ich eineln mit. Nur die Kompressoren und EQs nehme ich raus. Ich finde trotzdem diese Rollenverteilung innerhalb der Produktionskette sehr wichtig. Das geht heute irgendwie kaputt, weil jeder einfach alles selbst machen will. Es hat schon einen Sinn, warum es Mixing- und Mastering-Engineers gibt und man eben nochmal jemand anderen drüber hören lässt und diese Schritte abgibt.«

Ist heute Alles besser ?

»Nur weil heute jeder die Möglichkeit hat, Musik zu machen, und es auch so viele Musik gibt, heißt das nicht, dass es auch bessere Musik gibt als vor 20 Jahren. Ich finde auch, dass das Genre HipHop sich durch die heutigen technischen Möglichkeiten stark geändert hat. Es ist für Kids einfach geworden, Musik zu machen. Ich bin da nicht dagegen, aber man muss dann auch eben gute Musik machen können. Nur weil man eben heute Sounds in den Libraries besitzt, die nicht rauschen und direkt Druck haben, sagt das noch nichts über die Musik aus, die man produziert, denn die wird dadurch nicht besser.«

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