Zeitreise

Microtech Gefell CMV 563/M7S Reissue Großmembran-Röhrenmikrofon

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(Bild: Dr. Andreas Hau)

Beinahe monatlich drängen neue Firmen mit Vintage- und Retro-Mikrofonen auf den Markt, die — nicht immer erfolgreich — versuchen, legendäre Röhrenklassiker nachzubilden. Dass ein 85-jähriges Traditionsunternehmen einen eigenen Produktklassiker gut 40 Jahre nach Produktionsende neu aufleben lässt, ist dagegen eine echte Seltenheit.

Es ist der Klassiker des Mikrofonbaus in der ehemaligen DDR: Das CMV 563 kam 1956 auf den Markt und wurde bis 1972 in großen Stückzahlen produziert, denn im gesamten Ostblock galten die Produkte der thüringischen Mikrofonmanufaktur als Studiostandard.

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Ein Massenprodukt ist die zum 85. Firmenjubiläum erschienene CMV-563-Reissue freilich nicht. Das Set kommt im edlen Holzkoffer mit Mahagoni-Optik und goldenem »Vintage Line«-Schriftzug. Schon der Preis von 5.355 Euro macht klar, dass es sich nicht um einen bloßen Gebrauchsgegenstand handelt, sondern um ein handgearbeitetes Liebhaberstück. Auch technisch ist die Reissue mehr als nur eine Neuauflage; in einigen Punkten wurde das CMV 563 verfeinert und aktualisiert − ohne aber das klassische Konzept zu verwässern. Dazu später mehr.

Übrigens: Wer auf Liebhaberwert und Retro-Optik verzichten kann, sollte sich das reguläre Serienmodell M92.1S bzw. dessen Multipattern-Version UM92.1S anschauen, Diese Mikros sind dem hier vorgestellten Mikrofon technisch ähnlich, kosten aber deutlich weniger.

Lieferumfang 

Die CMV-563-Reissue wird als komplettes Set geliefert. Denn eigentlich bezeichnet das Kürzel CMV = Condensator-Mikrofon-Verstärker nur den Impedanzwandler, d. h. die Mikrofonflasche mit der Röhrenelektronik. Zum Mikrofon wird das CMV 563 erst durch Aufsetzen einer Mikrofonkapsel. Die bekannteste, die legendäre M7-Nierenkapsel, ist mit im Set enthalten, und zwar in der beliebten S-Version mit kürzerem Schaft und Schraubbefestigung. Zusätzlich beigelegt ist ein Adapter, um auch die älteren »langhalsigen« Kapseln mit Bajonetthalterung vom Typ M7 (Niere), M8 (Acht) und M9 (Kugel) verwenden zu können, von denen noch überraschend viele in Umlauf sind.

Seine Betriebsspannungen erhält das CMV 563 über das beiliegende N61-Netzteil, das mit seiner Hammerschlagoptik perfekt zur Mikrofonflasche passt. Die mechanische Konstruktion ist den historischen Netzteilen exakt nachempfunden; das deutlich reduzierte Gewicht verrät indes, dass im Innern modernere Technik zum Einsatz kommt. Und das ist gut so, denn die seinerzeit zur Spannungsstabilisierung verwendeten Spezialröhren sind als Ersatzteil kaum noch aufzutreiben.

Neu sind auch die Steckverbinder. Beim originalen CMV-563-System kamen sechspolige Stecker und Buchsen aus Plaste (!) zum Einsatz, die optisch und haptisch kaum zu einem hochwertigen Studiomikrofon passen und − zumindest in meiner Erfahrung − häufig Probleme bereiten. Das Mikrofonkabel der CMV-563-Reissue verwendet hochqualitative Steckverbinder aus Leichtmetall; der Ausgang am Netzteil ist, wie heute üblich, als dreipolige XLR-Buchse ausgeführt, sodass sich Adapter erübrigen. Prima!

Während das originale CMV 563 üblicherweise über eine einfache Gelenkhalterung befestigt wurde, kommt die Reissue inklusive einer eleganten, dreibeinigen Mikrofonspinne, die mit dem Body verschraubt wird und somit auch eine sichere Kopfüber-Positionierung erlaubt.

(Bild: Dr. Andreas Hau)

En Detail 

In praktisch allen Details ist die CMV-563- Reissue genauer und sorgfältiger gearbeitet als die Originale der 50er und 60er. Die Chromteile sind blitzblank, die Hammerschlaglackierung ist makellos und hat eine schöne Tiefe. Im Innern ein ähnliches Bild: Die originale Schaltung wurde beibehalten, jedoch in etlichen Punkten verbessert. Da die ursprünglich verwendete Röhre, die EC92 Triode, nicht mehr hergestellt wird und nur noch selten in wirklich Mikrofon-tauglicher Qualität zu finden ist, entschied man sich, auf eine andere Röhrentype zu wechseln. Ein naheliegender Ersatz wäre die Doppeltriode ECC81 (= 12AT7) gewesen, die bis heute für Gitarrenverstärker hergestellt wird, denn die EC92 ist nichts anderes als eine halbe ECC81 mit nur einem Triodensystem. Stattdessen entschied man sich für die EF86, eigentlich eine Pentode, die hier aber als Triode genutzt wird. Man kann durchaus von einem Upgrade sprechen, denn die EF86 gilt als eine etwas feinsinnigere Röhre, die gerade auch unter Hi-Fi-Enthusiasten sehr beliebt ist. Ihre Qualitäten als rauscharme Mikrofonröhre konnte sie u. a. im legendären Neumann U67 unter Beweis stellen.

Anstelle der alten Kohleschichtwiderstände kommen in der Reissue moderne Metallfilmwiderstände zum Einsatz, die zwar nicht so kultig aus – sehen, aber weniger Rauschen produzieren. Dankenswerterweise wurde auch der Koppelkondensator zwischen Röhre und Übertrager ausgetauscht. In den alten Originalen kam hier ein simpler Elko zum Einsatz, der nach so vielen Jahren meist ausgetrocknet ist und nur noch einen Bruchteil seiner Kapazität besitzt. Die Folge ist Bassverlust. Für die Reissue hat man einen hochwertigen Folienkondensator gewählt, der nicht nur besser klingt, sondern auch viel haltbarer ist.

Das wichtigste Upgrade aber ist der Ausgangsübertrager. Bei den Originalen variiert dessen Qualität extrem, da infolge der DDR-Mangelwirtschaft nicht immer die optimalen Transformatorbleche verfügbar waren. Infolgedessen klingen manche der alten CMV 563 aus den 50ern und 60ern ein wenig blechern. Solche Engpässe sind heute natürlich passé. Der Übertrager der Reissue ist aus besten Materialien gefertigt und liefert Induktivitätswerte (wichtig für satten Bass) weit jenseits der Originalübertrager.


Hochwertige Technik. Der Aufbau der CMV-563-Reissue ist klassisch, jedoch mit besseren Komponenten als beim historischen Original.

Praxis

Ein altes CMV 563 fehlt leider in meiner Sammlung, trotzdem konnte ich die Reissue »artgerecht« vergleichen, nämlich mit meinem UM 57 aus den 1950ern, das nichts anderes als die MultipatternVersion des CMV 563 darstellt und zeitgleich angeboten wurde. Als zusätzliche Referenz stand mir ein UM 92S aus den frühen 90ern zur Verfügung, das ebenfalls auf der gleichen Schaltung basiert und mit einer M7-Kapsel arbeitet.

Es ist schon erstaunlich, die aktuelle CMV-563-Reissue neben dem steinalten UM 57 zu sehen − kaum zu glauben, dass zwischen diesen beiden Mikros über 50 Jahre liegen! Obwohl der Reissue naturgemäß die über Jahrzehnte angesammelten Gebrauchsspuren und die Patina fehlen, versprüht es dank der Hammerschlaglackierung einen ganz ähnlichen Vintage-Vibe. Soll heißen, es wirkt nicht neu und steril, sondern wie ein extrem gut erhaltenes Original. Klingt es auch so? Aber ja! Obwohl, eigentlich nein … besser!

Was alle Mikrofone mit M7-Kapsel auszeichnet, ist eine bemerkenswerte, sehr natürliche Klangbalance, die gleichwohl alles andere als farblos wirkt. Alle drei Mikros, die ich zu diesem Test aufgebaut hatte, klingen wunderbar ausgewogen mit weichen Höhen, charakterstarken Mitten und wohlproportioniertem Bass. Dazu kommt eine leicht harzige Vintage-Note, die am stärksten bei meinem 50er-Jahre UM 57 zutage tritt, gefolgt von der CMV-563-Reissue. Mein inzwischen gut 20 Jahre altes UM 92S klingt paradoxerweise »jünger« als das brandneue CMV 563. Vielen M7-Nachahmungen fehlt diese subtil harzige Note, vermutlich weil sie mit dem heute üblichen Mylar-Material bespannt sind, statt mit dem historisch korrekten PVC, das (fast) nur noch Microtech Gefell verwendet. Es gibt Rezepturen, die kann man nicht verbessern!

Die Klangunterschiede zwischen meinen drei Probanden liegen in Nuancen. Das 1950er UM 57 klingt ein wenig präsenter, vielleicht auch blecherner, das 1990er UM 92S wirkt einen kleinen Tick runder, während das neue CMV 563 in der goldenen Mitte liegt. Es zeigt auch die geringste Zischelneigung; der Bereich zwischen 8 und 10 Kilohertz wirkt auf angenehme Weise verrundet. Gleichzeitig klingt es subjektiv ein wenig filigraner und kultivierter als die beiden anderen Mikros, was mit der EF86-Röhre zu tun haben könnte, vielleicht aber auch mit der besonderen Sorgfalt, die Microtech Gefell in der Vintage-Line walten lässt.

Seine Klasse beweist das CMV 563 nicht zuletzt auch in der überlegenen technischen Performance. Es ist 5 bis 6 dB rauschärmer als die beiden anderen Mikros und liegt damit noch etwas unter dem spezifizierten Eigenrauschen von 16 dB-A − ein guter Wert für ein Röhrenmikro. Der Grenzschalldruckpegel ist mit 115 dB SPL (bei 0,5 % THD) deutlich niedriger, als man es von modernen Mikros gewohnt ist. Tatsächlich kann man das CMV 563 aber auch für deutlich lautere Quellen verwenden, denn diese simplen, aber durchaus raffiniert aufgebauten Röhrenelektroniken clippen nicht so abrupt wie moderne Transistorschaltungen mit hoher Gegenkopplung.

Drei Generationen aus Gefell: Die CMV-563/M7s-Reissue (rechts) tritt an gegen ein UM 57 aus den 50ern (Mitte) und ein UM 92S aus den frühen 90ern (links). Alle drei arbeiten mit einer M7-Kapsel und einer klassischen Röhrenschaltung. (Bild: Dr. Andreas Hau)

Oberhalb des mit 0,5 % Klirrfaktor spezifizierten Grenzschalldruckpegels existiert eine breite Grauzone, in der die Röhrenschaltung allmählich in die Sättigung geht − und genau dieser zarte Crunch ist doch das, was viele Toningenieure und Musiker heute suchen. Insofern gar nicht so schlecht, dass man das Mikro nicht ultralaut beschallen muss, um diesen Grenzbereich ergründen zu können.

Primär sehe ich das CMV 563/M7s als Gesangsmikrofon. Seine ausgewogene Klangbalance macht es zwar auch für Instrumentalaufnahmen tauglich, aber seine wahre Stärke liegt darin, Sänger und Sängerinnen sowie den Toningenieur glücklich zu machen. Die Stimme kommt angenehm weich, sonor und souverän rüber, eine ausgezeichnete Basis für den Performer, sein Bestes zu geben. Gleichzeitig erhält der Toningenieur ein sattes, gut formbares Signal mit viel Fleisch. Stilistisch deckt das Klangbild einen weiten Bereich ab, der von kernigem Rock über filigranen Jazz und Folk bis hin zu schmachtenden Balladen reicht. Für Dance und effekthaschenden Charts-Pop würde man meist ein höhenlastigeres Mikrofon bevorzugen. Punkten kann das CMV 563 überall dort, wo ungekünstelte Natürlichkeit und Charakterstärke zusammenfinden.

Fazit

Ist die CMV-563/M7s-Reissue so gut wie das Original? Wer bis hierher gelesen hat, kennt bereits die Antwort: Nein, sie ist deutlich besser! Während die Modelle der 50er und 60er in großen Mengen produziert und als reiner Gebrauchsgegenstand gedacht waren, sind die heutigen Reissues liebevoll in Handarbeit gearbeitete Einzelstücke. Technisch ist das neue CMV 563 in etlichen Punkten verbessert, dennoch bleibt es ein klassisches, siliziumfreies Röhrenmikrofon reinsten Wassers mit einem wunderbar weichen, runden Klang. Aber eben etwas feingliedriger und rauschärmer als das historische Vorbild.

Klar, beim Preis zuckt man schon ein bisschen zusammen. Aber man darf diese Reissue nicht mit steinalten »Dachbodenfund«-Mikros in zweifelhaftem Zustand vergleichen. Im Grunde ist die CMV-563/M7sReissue eine Art Raum-Zeit-Paradoxon: Ein DDR-Klassiker der 50er aus den besten (West-)Materialien der Neuzeit. Was hätte man seinerzeit zu einem so tollen Mikro gesagt? Weltniveau!


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klassisches Klangbild
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besser als das Original
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hohe Fertigungsqualität
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hochwertige Ausstattung
– –
hoher Preis

Hersteller/Vertrieb: Microtech Gefell

UvP: 5.355,— Euro

www.gefell-m7.com

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