Neil Dorfsman hat mit den Dire Straits, Bruce Springsteen, Bob Dylan, Paul McCartney und Sting gearbeitet. Seit Mitte der 1980er gilt er als »Digital-Pionier«: Mit dem Dire-Straits-Album Brothers In Arms hat er eines der ersten digital aufgenommenen Alben produziert, kurze Zeit später Stings Nothing Like The Sun. Dorfsman erzählt von den »Umbrüchen«, von schwierigen Entscheidungen, Musiker zu ersetzen … und der Balance zwischen Sound-Suche und Künstlerbetreuung Bei den Sessions zum Dire-Straits-Album Brothers In Arms wurde der Schlagzeuger durch einen Studiomusiker ersetzt, und auch der Bassist musste sein Instrument für einzelne Songs abgeben. Was war passiert? Und wie bringt man einem Bandmitglied die Entscheidung bei, dass er kurzfristig ersetzt wird? Keine angenehme Aufgabe − Dorfsman gibt Einblicke in seine Arbeit als Produzent und Tontechniker. In den 1970er-Jahren hat er zunächst im Electric-Lady-Studio in New York angefangen, arbeitete später im Power Station-Studio. Als Engineer hat ihn der frühe Umstieg auf die Digitaltechnik geprägt − ein Blick auf die Ausgangslage.
Du zählst zu den »Digital-Pionieren« für Aufnahmen mit Rock-Bands. Die Idee entstand 1982 während deinem ersten Dire-Straits-Album, Love Over Gold. Es soll eine Situation gegeben haben, bei der CoProduzent und Frontmann Mark Knopfler und du entschieden habt, künftig digital aufzunehmen …
Anzeige
Ich erinnere mich, dass wir einen Flügel für den Song Private Investigations aufgenommen haben und viel Zeit auf die Suche nach dem passenden Sound verwendeten: Wir ließen drei Steinway-Flügel ins Power-Station Studio bringen. Wir wollten keinen perfekten Klang, sondern einen großen, klassischen Piano-Sound, der aber gleichzeitig über mehr Biss im Mittenbereich und Attack verfügen sollte. Ich werde das nie vergessen: Nach ein paar Tagen des Experimentierens schauten Mark und ich uns an und wussten, wir hatten etwas Besonderes gefunden. Wir nahmen es auf und baten Alan Clark, den Pianisten, in den Regieraum zu kommen, um das Playback zu hören.
Beim Abspielen sah mich Mark mit entgleisten Gesichtszügen an, als wolle er fragen: »Was ist passiert?« Ich spulte zurück und spielte es nochmal ab, und jedes Mal wurde der Sound etwas dunkler, mit weniger »Luftigkeit«. Das war deutlich wahrnehmbar. Wir haben die Techniker gerufen, um sicherzustellen, dass Einmessung und Andruck der Bandmaschine stimmten. Es war eine der ISO-Loop 3M M79-Maschinen mit hohem Band-Andruck. Vielleicht war das ein Teil des Problems, dass der Andruck den Höhenanteil beeinflusst hat. Auf jeden Fall störte es Mark sehr, dass mit jedem Abspielen unser hart erarbeiteter Klang buchstäblich verschwand. Ich denke, das war der Moment, als er sich innerlich entschieden hatte, das nächste Album [Brothers In Arms] komplett digital aufzunehmen.
Stichwort analoges Arbeiten: Das Album Love Over Gold fängt mit dem fast 15-minütigen Telegraph Road an, mit verschiedenen Sektionen und unzähligen Gitarren- und Synthesizer-Spuren. Das dürfte − vor den Zeiten von Software-Sequenzern − eine Herausforderung gewesen sein?
Telegraph Road war sozusagen ein Monstrum − dazu wurden viele Takes zusammengeschnitten. Wir haben viele Overdubs aufgenommen und zwei M79-Maschinen synchronisiert. Ich meine, mich zu erinnern, dass wir damals das Q-Lock-System verwendet haben, seinerzeit das Beste. Trotzdem dauerte es nach dem Anlaufen des Bandes zwischen vier und sechs Sekunden, bis die Synchronisation stand. Bei Punch-Ins musste ich immer entsprechenden Vorlauf einkalkulieren − das war auf die Dauer für die Musiker und mich ziemlich anstrengend. Letztlich mischten wir schlicht einen Stereo-Mix auf ein zweites Mehrspur-Band ab, um dazu weitere Overdubs aufzunehmen. Das dauerte mehrere Wochen.
Beim letzten Song, It Never Rains, taucht gegen Ende ein Flanger-Effekt auf der Summe auf. Den hattest du mit manuellem Tape-Flanging der Bandmaschinen erzielt?
Wir führten das Tape-Flanging sozusagen »Oldschool« aus − das einzige Mal, dass ich das gemacht habe: Der Stereo-Mix wird auf zwei Viertelzoll-Studer-Bandmaschinen verteilt, die auf »Record/Repro« geschaltet waren. Eine der beiden Maschinen wird kontinuierlich mit dem Vari-Speed-Regler in der Geschwindigkeit verändert, bis man den passenden Sweet-Spot von intensiven Kammfilter-Effekten erhält. Eine Qual, da die Maschinen etwas langsam auf meinen Vari-Speed-Controller reagieren. Das Ergebnis richtig hinzukriegen, ist fast reine Glückssache. Wenn es klappte, versuchst du, die »Flanger-Welle zu reiten«, als Echtzeit-Performance. Wenn’s nicht geklappt hat, stoppe ich die Mehrspur-Maschine, spule ein gutes Stück zurück und fange bei der Sektion wieder von vorne an. Das Ergebnis wurde auf eine Halbzoll-Studer A80-Mastermaschine aufgenommen.
Anschließend verbrachte ich reichlich Zeit damit, die verschiedenen Durchläufe zu einem durchgängigen Ganzen zusammenzuschneiden, bei der Übergänge nicht mehr auffallen. Ich bin immer noch nicht überzeugt, ob wir so den klassischen »Itchy-koo Park«- Sound [Small Faces] hinbekommen haben, den wir uns vorgestellt hatten. Meiner Meinung nach kommen die kleinen vertikalen MXR Rack-Mount Flanger-Effekte echtem Tape-Flanging am nächsten. Die klingen fantastisch und wurden zur Geheimwaffe in der Power Station.
Das nächste Album, Brothers In Arms, galt 1985 als eines der ersten digital aufgenommenen Alben, zwei Jahre später hast du an Stings Nothing Like The Sun gearbeitet, ebenfalls digital. Damals wurden CDs mit Bezeichnungen versehen, etwa »DDD« für ein angeblich volldigital produziertes Album. Das impliziert, dass keine Wandlung mehr stattfand. Die beiden Platten entstanden auf großen analogen Pulten, und wurden später auch darauf gemischt, weil noch keine Digitalpulte erhältlich waren?
Ja, die wurden zwar auf digitalen Bandmaschinen aufgenommen, aber dankbarerweise über ein analoges Pult aufgenommen und gemischt. Ich denke, das war mit ein Grund, warum den Leuten der Klang von Brothers In Arms so gefiel. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie das durch ein digitales Board geklungen hätte! Wir haben in den AIR Studios auf Montserrat gearbeitet, und das Album wurde auf deren unglaublicher Neve 8078-Konsole aufgenommen, die sofort alles toll klingen ließ. Meiner Meinung nach das beste Pult aller Zeiten.
Als ich Stings Platte im gleichen Studio aufnahm, war das Pult ausgetauscht! Zu meiner Bestürzung stand da nun ein SSL mit ein paar Focusrite-Kanälen. Es klang immer noch gut, war aber ein komplett anderer Sound. Es gibt inzwischen auch gute digitale Pulte, aber wenn ich auf einem analogen Neve-Pult arbeiten kann, dann gibt’s nichts Besseres für mich!
Du hast mal gesagt, viel vom Klang des AIR Montserrat-Studios lag an dem Neve-Pult − der Aufnahmeraum selbst war in Ordnung, aber nichts Besonderes …
Der Aufnahmeraum war klein und hatte keinen wirklichen eigenen Sound. Als wir die Sting-Platte aufnahmen, mussten wir im Raum kleine Isolationskabinen für die Musiker basteln, weil wir live aufnehmen wollten. Das war eine ziemliche Herausforderung, weil es eben nicht viel Platz gab. Das Beste an Montserrat war die 8078-Konsole − und die Inselatmosphäre!
Wie hast du in dem kleinen Raum, den »großen« Schlagzeug-Sound bei Englishman In New York hinbekommen, bei dem Break gegen Ende, der fast nach einem Industrial-Part klingt? Wurde das woanders aufgenommen?
Das ist in Wirklichkeit ein Sample! (lacht) Tut mir leid! Wir haben es von Stings Synclavier übernommen. Sting macht extrem gute Demos, und die sind schwer zu übertrumpfen. Wenn wir etwas probiert haben und es nicht an das Demo rankam, dann haben wir einfach den Sound vom Demo benutzt.
Hast du beim Wechsel auf die digitalen Bandmaschinen die Signale eigentlich auch mit einer EQ-Höhenanhebung versehen, so wie früher mit einer analogen Bandmaschine?
Ja, immer. Ich wurde im Electric-Lady und dem Power-Station-Studio angelernt. Dort wurde mir das Pre-EQ’ing − das Anheben der Höhen, bevor das Signal aufgezeichnet wird − beigebracht. Mir wurde erst später klar, dass das dazu diente, um bei analogem Band nicht nach der Aufnahme die Höhen und damit auch Bandrauschen mit anzuheben. Mir wurde beigebracht, den gewünschten Sound direkt einzustellen und das »Produktions-Tool« zu nutzen. Ich versuche immer, eine Band so nah wie möglich am endgültigen Sound aufzunehmen, den ich mir vorstelle. Ich setze reichlich EQ und Kompression beim Aufnehmen ein.
Was hast du bei einem Album wie Brothers In Arms bei der Aufnahme bereits an EQ eingesetzt?
Meine Lieblingsfrequenzen waren bei dem Neve-Pult 10 kHz, was sehr breit angelegt war, es hob den oberen Mittenbereich und die Höhen bei der Aufnahme an. Dann 80, 100 oder 120 Hz für die tiefen Anteile und ein bisschen obere Mitten um 4, 5 oder 6 kHz. Das Pult klang sehr »gütig« und gutmütig, wie die Klangregler einer Hi-Fi-Anlage. Man hörte nicht wirklich die Anhebung von Frequenzen, nur größeren, vollen Sound.
Denkst du, das war einer der Gründe für die ausgestellte Klarheit der Digital-Aufnahmen − die Anhebung der Höhen?
Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Wenn Leute mich nach Equipment fragen, sage ich immer: It’s not the Gear, it’s how you hear. Das Equipment ist natürlich wichtig, aber es geht eigentlich darum, wie dein eigenes Gehirn das Audiosignal verarbeitet und was es hören möchte. Ich mag zum Beispiel 300 Hz nicht. Das scheint mir eine Frequenz, die ich generell versuche rauszudrehen − außer, wenn ich etwas Spezielles, Matschiges kreieren will.
Das liegt daran, wie mein Gehirn Sound verarbeitet. Ein Teil des Klangs hat also mit dem Pult zu tun, der andere Teil damit, wo du hin willst. Viele würden wahrscheinlich weniger Höhen als ich hinzufügen, aber ich hebe auch den Bass mit an, verbiege den Sound praktisch, »verstecke« den Mittenbereich dadurch und betone die Extreme des Spektrums. Wenn ich am Ende aus künstlerischen Gründen etwas weniger klar hören will, kann ich es später immer noch ein bisschen »zerstören«.
Mark Knopfler hat rund zehn Jahre später mit Chuck Ainlay seit dem Album Golden Heart gerne auch wieder analoge Bandmaschinen verwendet [siehe S&R 11/2016]. Du selbst bist nie zurückgegangen?
Nein, aus zweierlei Gründen: Erstens wegen des Budgets − Bandmaterial ist teuer, und die meisten Bands haben dafür kein Geld − nicht mal, wenn man die gleiche Rolle für jeden Song wiederverwendet und die Aufnahmen gleich in Pro Tools überspielt. Der andere Grund: Es mag seltsam klingen, aber ich schätze die Art nicht, wie Tape den Sound verändert. Mir gefiel nie, dass das Ergebnis nach der Aufnahme sozusagen »halb-zufällig« anders klang als das, was ich in die Maschine reingeschickt hatte. Ob eine kleine Anhebung im Bassbereich oder die leichte Kompression der Transienten − mir ging es immer so, dass ich eigentlich sehr hart an einem bestimmten Sound gearbeitet hatte, und davon blieb etwas auf der Strecke, als es aufgenommen war. Ich ertappte mich immer wieder bei dem Gedanken, anschließend darüber nachzudenken, wie ich die verlorenen Aspekte »wiederbeleben« könnte.
Ehrlich gesagt, vermisse ich Tape nicht. Ich kenne viele großartige Engineers, die Tape verwenden und tolle Sounds damit hinbekommen − die lieben die Klangveränderung, die Band mit einbringt. Mir geht es da anders. Ich möchte mir auch keine Gedanken über die Einmessung machen müssen oder dass Bänder in anderen Studios unterschiedlich klingen können, auf anderen Maschinen. Ich kann mich noch an Sessions aus den 1980ern erinnern, bei denen ein Master-Take am nächsten Tag komplett anders klang. Das hat mich wahnsinnig gemacht!
Viele Tontechniker und Produzenten schätzen Bandsättigung, weil es den Klang »größer« wirken lässt. Hast du die positiven Elemente auf digitaler Ebene nie vermisst?
Ich habe früh mit paralleler Kompression angefangen, in den späten 80ern oder frühen 90ern. Ich bearbeite zum Beispiel eine Stereosumme der Drums gerne parallel mit einem analogen Kompressor, etwa einem Smart oder SSL, und mische das mit dem unbearbeiteten Signal. Für meinen Geschmack gibt mir das die Einheitlichkeit und die Sättigung, die ich brauche. Ich bearbeite fast alle Signale mit Parallelkompression, wenn die Größe der Konsole es erlaubt: verzerrte Gitarren, Akustikgitarren, Gesang, Keyboards und eben Schlagzeug. Das hilft mir auch, die Sättigung eines Neve-Pults nicht so sehr zu vermissen.
Die vielen gleichrangigen Details einer digitalen Aufnahme empfinde ich etwa bei Schlagzeug für längeres Anhören als unangenehm, eine Tape-Aufnahme scheint hingegen im ersten Moment unspektakulärer, aber auch fülliger und über ein ganzes Album hinweg als »einfacher« zum Zuhören …
Das ist sehr interessant. Ich glaube, Sting hatte tatsächlich genauso empfunden, als wir Nothing Like The Sun aufgenommen haben. Er mochte den digitalen Sound überhaupt nicht. Er meinte, er könne zu viel Information hören.
Er empfand es als ablenkend?
Ja. Ich erinnere mich, dass Sting − im Gegensatz zu Mark Knopfler − mit dem digitalen Klang überhaupt nicht warm wurde. Als wir Nothing Like The Sun aufgenommen haben, meinte er, er könne zu viel Information hören. Er sagte: »Ich will gar nicht so viel Detailreichtum hören. Das hat gar nicht die Relevanz.« Er hat danach immer noch digital aufgenommen, aber anfangs war es ein unangenehmer Prozess für ihn.
Als ich Brothers In Arms aufgenommen habe, da habe ich meine Aufnahmetechniken überhaupt nicht angepasst. Die Leute fragen mich, ob ich die Mikrofone weiter weg von den Quellen positioniert oder die Art und Intensität meiner Equalizer- und Kompressionseinstellungen verändert hätte. Darüber habe ich mir nie wirklich Gedanken gemacht − für mich war das schlicht ein alternatives Aufnahmemedium, und ich habe nie darüber nachgedacht, bis die Leute anfingen, sich über den Sound von digitaler Technik zu beschweren. Mir schien: Wenn es gut klingt vor dem Aufnehmen, wäre es eine exakte Wiedergabe dessen auf digitalem Band.
Was deine Produzententätigkeit bei Brothers In Arms angeht: Ich erinnere mich an eine Geschichte zum Song Walk Of Life. Du warst dagegen, dass der Song auf die Platte kommt, und wurdest von der Band überstimmt …
(lacht) Mann, das ist mir so oft passiert! Ein Song, von dem ich denke, dass er nicht mal auf die Platte sollte, endet als Hit-Single! Ich lag schon so oft falsch. Aber ja, es ist tatsächlich seltsam −je mehr sich etwas für mich nach »Pop« anhört, desto weniger glaube ich daran. (lacht) Das »Brothers In Arms«-Album schien mir mehr in eine »künstlerische« Richtung zu gehen, mit mehr Tiefe, und ich dachte, Walk Of Life wäre in dem Konzept eher eine B-Seite.
Deren Manager Ed Bicknell soll zufällig beim Abmischen vorbeigekommen sein und war angetan …
Das stimmt wahrscheinlich. Ich bin sicher, er hat das Radiopotenzial erkannt, und das war’s dann! Das ist ziemlich genau das Gleiche, was beim Sting-Album Nothing Like The Sun passierte, ein Song namens We’ll Be Together. Den wollte ich nicht wirklich auf der Platte. Ich habe mit Sting ein bisschen darüber geredet, aber dann kam das Management zur Session und hörte den Song. Die meinten: »Das ist die erste Single!« (lacht) Ich hab nichts gesagt, aber es fühlte sich schmerzhaft an!
Abgesehen von der »Walk Of Life«-Single-Auswahl: Zwischenmenschlich war Brothers In Arms ebenfalls schwierig: Du warst als Produzent von Beginn an mit dem Spiel von Drummer Terry Williams unzufrieden. Am Ende blieb von seinen Aufnahmen lediglich das Intro zu Money For Nothing erhalten …
Ich liebe Terry, und ich denke, er ist ein klasse Schlagzeuger. Aber ich war nicht in die Vorproduktion involviert, sondern bin erst zu Beginn der Aufnahmen auf Montserrat dazu gestoßen. Mir fiel auf, dass die Musik, die Mark machen wollte, abwechslungsreicher und etwas »orchestraler« war. Wie gesagt, Terry ist fantastisch, aber die Musik, die Mark im Sinn hatte, war nicht gerade seine Stärke. Ich wollte es nicht so rüberkommen lassen, als dass ich Terry nicht mochte, aber mir schien, das Tracking lief nicht so gut, wie es sollte, wir kamen nicht wirklich voran. Es klang, als ob Terry beim Spielen nachdachte − ich war mir sicher, dass er sich mit dem Stil nicht wohlfühlte.
Nach ein paar Wochen habe ich Mark darauf angesprochen, meinte, wir sollten uns vielleicht einen anderen Plan überlegen. Zu dem Zeitpunkt wollte er noch nichts ändern, erst nach einer Pause über Weihnachten − als alle wiederkamen, hat er sich entschieden, eine Alternative zu probieren. Wir ließen den Session-Schlagzeuger Omar Hakim einfliegen, und in zwei, drei Tagen hat er die Spuren neu eingespielt, über bereits fertige Songs.
Das war eine sehr schwierige, aber gute Entscheidung zu dem Zeitpunkt. Ich glaube, die Platte hätte weniger aus einem Guss geklungen, wenn wir nicht das rhythmische Fundament ausgetauscht hätten. Ich war erleichtert − und gleichzeitig traurig, weil ich Terry sehr respektierte.
Das ist vermutlich eine der unangenehmsten Entscheidungen als Produzent. Wie hast du das kommuniziert, damit die Stimmung nicht für die restliche Zeit in den Keller ging?
So gesehen hatte ich Glück, weil es das Management ihm sagte. Wäre es nicht Marks, sondern meine Entscheidung gewesen, wäre die Situation eine ganz andere gewesen. Aber Mark kam zu der Einschätzung, dass es notwendig wäre. Es war alles andere als angenehm! Terry flog direkt zurück nach England. Du bist buchstäblich auf einer Insel mit den Jungs! Und das ist keine Reality-Show. Du bist ein Team. Wenn also jemand von der Insel geworfen wird, ist das für jeden schmerzhaft.
Mir wurde bewusst, dass das Teil des Produzierens ist. Manchmal muss man der Bad Guy sein, so unangenehm das ist. Und leider war ich mehr als einmal der Feind! (lacht) Wie gesagt, mir schien früher, ein Teil des Jobs bestand darin, der Boss zu sein. Aber es gibt unterschiedliche Arten, das umzusetzen, ohne wie ein Idiot zu wirken. Ich habe eine Weile gebraucht, um das rauszufinden. Solche Situationen sind nie angenehm oder einfach. Gleichzeitig kann das entscheidend sein, weil die Platte für immer bestehen bleibt.
Auch Bassist John Illsley hat nicht auf allen Songs gespielt, etwa One World und den Fretless-Part von Why Worry, die später in New York aufgenommen wurden, richtig?
Auf One World − einer Disco-artigen Nummer mit Slap-Parts − hat er nicht gespielt, sondern Neil Jason. Das war insofern komisch, weil es zwei Gründe dafür gab: Zum einen entsprach das nicht wirklich seinem Stil. Mark sagte mir, dass es mein Job sei, ihm das beizubringen. (lacht) In einer seltsamen Wendung des Schicksals brach John sein Handgelenk beim Joggen im Central Park, und ich wurde sozusagen etwas »vom Haken gelassen«: Jetzt gab’s einen Grund, warum wir einen anderen Bassisten brauchten, ohne Johns Gefühle zu verletzen. Was Why Worry angeht, erinnere ich mich ehrlich gesagt nicht mehr. Das könnte Tony Levin gewesen sein, der auch für einen Overdub vorbeikam.
Jetzt, wo du die Geschichte erzählst, klingt das so, als hätte es Mark Knopfler sich leicht gemacht, indem er das Management und dich die Botschaft überbringen ließ …
Niemand mag Konfrontation, richtig? Ich vermute, er dachte: »Hey, du bist der Co-Produzent, weißt du was, du machst das!« Es gehört letztlich zum Job, Druck vom Künstler zu nehmen, auf jede erdenkliche Art. Und es macht niemals Spaß. Ich hab es bei anderen Bands auch gemacht, und die hassen dich anschließend. Aber da musst du durch, besonders, wenn du etwas in deinem Kopf hörst, das die Platte viel besser macht. Fast jedes Mal, wenn ich jemanden ersetzen musste, hat das das Album stark verbessert, aber ich weiß auch: »OK, jetzt hassen sie mich …«
Andererseits habe ich bei einer Band einen Schlagzeuger eingebracht, und ich bedaure bis heute, dass ich deren Schlagzeuger gefeuert habe. Auch wenn der nicht der beste der Welt war, hätte er wahrscheinlich besser zu ihrer Platte gepasst. Auch wenn der Studio-Drummer professioneller war und meine Arbeit vereinfacht hat − er war wirklich nicht der richtige für den Job. Es ist also eine ambivalente Geschichte: Du musst wirklich wissen, was du tust, und du musst richtig liegen. Wenn du falsch liegst, treten sie dir in den Hintern. In dem Fall fiel es mir während der Aufnahmen nicht auf, aber danach wurde es mir schlagartig klar.
Wie gehst du die Suche nach dem idealen Sound an, gerade, wenn dir auffällt, dass der Künstler keine Geduld dafür hat? Wo liegt für dich der Kompromiss zwischen Sound und Performance?
Bei dem Album Love Over Gold habe ich den Fehler gemacht, zu lange nach dem perfekten Sound zu suchen. Während des Prozesses wurde mir letztlich klar, dass das ein Tabu ist. Seit damals versuche ich, so schnell wie möglich aufzunehmen: schnell einen wirklich guten Sound hinzubekommen und nie den Künstler warten lassen. Das ist unglaublich wichtig. Wir haben einen guten halben Tag am Gitarren-Sound für das »Love Over Gold«-Album gearbeitet und nicht das gefunden, was ich in meinem Kopf hörte. Mark machte das nichts aus. Der fand das gut, weil er der Typ war, der in die Tiefe gehen wollte, aber am Ende nimmt das der Session die Leichtigkeit.
Im Power-Station-Studio hatte ich zum Glück schnelles Arbeiten gelernt: Anfangs habe ich Radio-Spots aufgenommen und Platten mit fünf oder sechs Songs pro Tag. Ich habe nie mehr als eineinhalb Stunden für den Drum-Sound gebraucht. Es ist hilfreich, wenn man gelernt hat, schnell zu arbeiten. Und auch wenn etwas nicht so perfekt ist, wie du es gerne hättest: Lass den Künstler nicht warten. Sting ist sehr ungeduldig, was das angeht, er mag keine Zeit auf Sound-Suche verwenden − das ist kein Problem. Es muss dir einfach möglich sein, im Tempo des Künstlers zu arbeiten − auch wenn du etwas hörst, dass du später korrigieren musst. Dadurch kannst du dich auf den »echten« Teil konzentrieren, nämlich an Parts und Performances zu arbeiten.
Du hast mal gesagt, dass Produzieren bei der Vorproduktion beginnt, was am meisten unterschätzt werde …
Absolut. Wenn ich mit Bands arbeite, wollte ich immer am liebsten mindestens zwei Wochen Vorproduktion machen und sie dann nach Möglichkeit auf die Bühne schicken, damit sie ein paar Gigs spielen! Mir scheint, wenn du vor Leuten spielst, weißt du sofort, was funktioniert und was nicht. Das konnte ich noch nie so umsetzen, weil die Terminkalender normalerweise sehr eng sind, aber das war immer ein Traum von mir: an allen Songs arbeiten, die Band »vorproduzieren« und dann das Material live spielen lassen.
Vorproduktion ist für eine »echte« Band unglaublich wichtig. Man kann richtig in die Tiefe gehen, an den Songs arbeiten und die Schlüsselelemente der Band erkennen, wo ihre Stärken liegen. Das nimmt ein bisschen von dem Druck, wenn man später im Studio steht und aufnimmt. Wenn deine Band aus einem Laptop und Keyboard besteht, ist das natürlich was ganz anderes.
Einige Alben, an denen Neil Dorfsman beteiligt war, zählen heutzutage zu den Klassikern der Rock/Pop Geschichte