»Ich will den Leuten die Unsicherheit nehmen.«

Studioszene: 24-96 Mastering, Karlsruhe

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(Bild: Mastering Studio 24-96)

Robin Schmidt von 24-96 Mastering hat in den letzten 15 Jahren beeindruckende Credits angesammelt, darunter Placebo, OMD, The Gaslight Anthem, Silbermond, Xavier Naidoo oder Kraftklub. Schmidt erläutert seine Equipment-Auswahl, Tonprobleme bei professionellen Videoclips und unterschiedliche Musikmärkte.

Sein »24-96 Mastering«-Studio in Karlsruhe hat Robin Schmidt 2002 gegründet. Zuvor hat er »Sound Technology« am Liverpool Institute For Performing Arts (LIPA) studiert, der Paul-McCartney-Schule, vorher lange im Bereich Recording und Mixing gearbeitet.

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In den 15 Jahren seit der Gründung hat er laut eigener Aussage eine vierstellige Zahl an Produktionen aller Stilrichtungen gemastert, darunter viel im Indie-Bereich, etwa das gleichnamige Debütalbum von The 1975, sowie Alben von The Gaslight Anthem (Get Hurt) oder Maximo Park (Risk To Exist). Zu den internationalen »Mainstream«-Kunden zählen Placebo (MTV Unplugged, »A Place For Us To Dream«-Compilation), OMD (History Of Modern) oder James Arthur (Back From The Bridge).

Unter deutschen Produktionen finden sich Silbermond (Leichtes Gepäck), Kraftklub (In Schwarz), Joris (Herz über Kopf), Mark Forster (Bauch und Kopf) sowie die kommenden Alben der Beatsteaks, Marteria und Wanda − um nur eine Auswahl zu nennen.

Wie sich das entwickelt hat? »Kunden aus England und Amerika sind durch den Erfolg einzelner Platten auf mich aufmerksam geworden, etwa The 1975 vor vier Jahren. Die Band scheint erstaunlich einflussreich auf Musiker zu sein; der Sound der Band hat viele angesprochen. Das kann man nicht vorhersagen, welche Bands Signalwirkung haben. Bei mir melden sich Leute, die deren Musik mögen − ansonsten geht das meistens über Empfehlungen von Produzenten und Mischern. Letztlich findet alles über Arbeitsbeziehungen statt; es ist nicht so, dass du plötzlich ›angesagt‹ wärst, sondern du arbeitest über Jahre mit Menschen zusammen, die deine Ergebnisse gut finden und dich weiterempfehlen. Für einen neuen Kunden reicht oft, wenn er dich von zwei unterschiedlichen Vertrauten empfohlen bekommen hat.«

Selbstverständnis

Wie er seinen Beitrag sieht? »Sehr simpel: Der Künstler macht ein Album, und ich helfe, das fertig zu machen. Egal, was dazu nötig ist: Manchmal sehr wenig, manchmal greife ich ästhetisch stärker ein. Ich bin dazu da, dem Kunden die Unsicherheit zu nehmen. Der hat seine Produktion fertig, kommt zu mir, und weiß so, dass er am Ende ein toll klingendes, funktionierendes Album hat.« Schmidt spricht von der »Hochzeit aus künstlerischem und technischem Ansatz«, das Album solle so gut und homogen wie möglich klingen sowie die Vision des Künstlers und der Musik vermitteln. »Dazu kommt die technische Abwicklung mit Master-Formaten: DDP-Image fürs Presswerk, Projektdateien für Online-Vertrieb, separates Vinyl-Master oder ›Mastered For iTunes‹.«

Zudem bereitet er gelegentlich passende Master für YouTube-Videos in 48 kHz vor. »Dadurch vermeiden die Kunden eine weitere Sampleraten-Wandlung. Wenn der Kunde fragt, betreue ich gerne den Audioton bei Musikvideos. Oft wird ansonsten der Song im Videoschnitt versehentlich monosummiert. Das kommt in mindestens 10 Prozent der Fälle vor, selbst bei teuren Hochglanz-Produktionen! Da musste ich teilweise Händchen halten und den Vorgang betreuen. Das mach ich gerne, das ist mir irre wichtig, weil das Video als Aushängeschild für den Song dient: Das ist das erste, was die Leute vom neuen Album und dem neuen Sound mitbekommen.«

Andere Videoton-Probleme? »Gelegentlich wird eine alte Mix-›Arbeitsversion‹ oder ein früheres MP3 benutzt statt des endgültigen Masters. Gerade neulich kam ein Video 10 dB zu leise raus, weil der Cutter mit einer ›alten‹ Broadcast-Norm für Fernsehsender gerendert hat. Das war nicht aufgefallen. Bei manchen Kunden ist in der Vergangenheit mit verschiedenen Video-Crews öfter etwas schiefgelaufen, sodass sie mich mittlerweile in die Endabnahme einbinden und mir ein paar Stunden vor der Veröffentlichung einen Video-Link zur Überprüfung schicken.«

Equipment-Auswahl 

Sein Hardware-Setup ist in den letzten Jahren konstant geblieben, erzählt er. »Die Geräte decken alles ab, was ich brauche, mit denen arbeite ich jeden Tag. Klar, ich will auf dem Laufenden bleiben und probiere immer auch gerne Neues aus, muss aber das Rad nicht mehr neu erfinden.« Einer seiner Lieblings-Equalizer ist ein alter Sontec 250C, ein Gerät aus den 1980ern. Er besitze die »weichste, tollste, luftigste High-Shelve der Welt. Wenn ich ihn einschleife, hat er bereits einen leichten Eigenklang«. In dem Fall klinge die Färbung reizvoll. Andernfalls wägt er das Ergebnis ab. »Wenn sich beim Einschleifen etwas verändert, das mich stört, müsste ich erst gegenarbeiten.« Den Equalizer hat er modifizieren lassen: »Unter anderem wurde für die Arbeit im Mastering-Studio die Gain-Range halbiert, sodass die Boost/Cut-Regler 6 statt 12 dB umfassen − dadurch kann ich kleinere Abstufungen einstellen. Die parametrischen Bänder benutze ich selten, eher die Shelves, wegen ihrer Klangfarbe.«

Zu den »Arbeitstier«-Equalizern zählt etwa sein Sontec 462. »Den kann ich in Stereo mit einem Regler bedienen statt zwei Stereokanäle gleichzeitig einstellen zu müssen. Das macht das Arbeiten intuitiver, man kann den EQ mit einer Hand und geschlossenen Augen bedienen.« Zusätzlich befinden sich ein Avalon 2077 im Rack sowie ein alter Focusrite Blue 315 MKII. »Der wurde von Knif Audio mit anderen ICs modifiziert, die etwas weicher klingen. Auch die Pegelsektion wurde aus dem Signalweg genommen, dazu ein ›echter‹ Bypass installiert.« Für andere Geräte ohne Hardware-Bypass hat er sich externe »Umgehungsschalter« ins Rack bauen lassen statt eine separate Mastering-Konsole zu installieren. Als Abhöre dienen ihm Lipinski 707-Lautsprecher sowie JL-Audio-Subwoofer, die er passend abgestimmt hat.

Seinen Rupert Neve Designs Portico II MBP, »Master Buss Processor«, nutzt er etwa für die integrierte »Silk«-Schaltung zur TrafoSättigung. »Je nach Einstellungen kommen Hochmitten und hohe Frequenzen oder alternativ tiefere Frequenzen dazu. Aus dem Eingangsmaterial werden weitere Höhen generiert und hinzugefügt, ähnlich wie bei einem Exciter, aber mit mehr Persönlichkeit und Nuancen. Bei einer Punk-Scheibe, die etwas muffig klingt, könnte ich zwar die Höhen reindrehen, aber das macht nur die muffigen Höhen lauter. Durch die Trafo-Sättigung kommt noch etwas ›Schmatz‹ dazu, das Obertonspektrum wird erweitert.«

Auf Parallelkompression verzichtet er im Mastering meist: »Dabei wirkt für mich die Bass- und Tiefmitten-Energie oft unkontrolliert und unnatürlich angehoben. Dort, wo es sinnvoll ist, wird Parallelkompression für Vibe und Räumlichkeit meist schon im Mix verwendet. Wenn ich im Mastering komprimiere, möchte ich die Kompression meist konkret und gezielt wahrnehmbar nutzen − etwa durch den Beat getriggert, oder Attackund Release-Zeiten, die die Hüllkurve geschmackvoll formen und den Rhythmus unterstützen.« Dafür nutzt er etwa einen Cranesong STC-8 und einen Manley Vari-Mu Röhrenkompressor. Eine Ausnahme: »Parallelkompression nutze ich höchstens, wenn ich auf der Summe etwas mehr Kohärenz möchte.« Dazu setzt er einen Jünger »Accent 2«-Kompressor ein, ein Digital-Gerät, das den Effekt für ihn passend umsetzt. »Ich verwende dann maximal 2 dB Gain-Reduktion, damit das parallelkomprimierte Ergebnis noch natürlich klingt.«

Als Wandler schätzt er seit Jahren seinen Mytek 8×192, bei seinem Exemplar störte ihn lediglich ein leises Trafobrummen in der ansonsten ruhigen Arbeitsumgebung. Den Trafo hat er kurzerhand ausgebaut und ans Ende des Raums verbannt, hinter einen Vorhang. Die Workstation? Schmidt nutzt hauptsächlich Steinbergs Wavelab. »Damit lassen sich in einem hybriden Digital/Analog-Setup Plug-ins sehr gut auf einzelne Songs und abgeteilte Clips anwenden und Clip-basiert automatisieren.«

Unterschiedliche Märkte 

Zurück zum »großen Ganzen«: Wie er die Unterschiede der Musikmärkte einschätzt? »In England wird beispielsweise ein Major-Label-Künstler länger entwickelt: Zwischen Signing und Release liegen dort locker zwei Jahre, wohingegen in Deutschland das Album längst raus ist und der Künstler unter Umständen schon fallengelassen wurde«, schmunzelt er halbironisch. »Ein Trend, den ich in England sehe: Als Band bringst du nicht gleich dein Debütalbum raus, sondern machst erstmal zwei, drei EPs mit dem Label. Das Repertoire baut sich auf, es wird klarer, in welche Richtung die Band künstlerisch geht.« Er erzählt, dass bei The 1975 plangemäß zunächst vier EPs veröffentlicht wurden. Die besten Songs wurden auf dem Debütalbum übernommen. »Ein paar Songs funktionierten bereits, das waren Hits, die wollte man nicht verschenken.« Das Album sei dadurch ein »Statement«.

Platinplatte von The 1975: Üblicherweise bekommen Künstler und Plattenfirma »Original-Awards«. Im vorliegenden Fall war die Plattenfirma vom Erfolg so begeistert, dass sie u. a. für Schmidt ein Exemplar bestellte. (Bild: Nicolay Ketterer)

»Das war geschickt, weil die in dieser Zeit ihren Stil aufgebaut haben − musikalisch, produktionstechnisch, dazu die visuelle Umsetzung. Das klingt seltsam, aber auch die größte Indie-Ikone macht sich Gedanken um ein Image − selbst ein Lou Reed wusste ganz genau, wie er sich gibt. Der ist nicht so geboren worden, sondern ein Produkt seiner Umgebung. Das Image wirkt dann auch nicht aufgesetzt, weil der Künstler langsam herangeführt wird und sein eigenes Ding entwickeln kann, in dem er sich auch sicher fühlt.« Die Musikmärkte in Deutschland und England seien grob vergleichbar groß. »Beim englischen Markt besteht allerdings die Chance, dass ein Künstler auch in Amerika erfolgreich wird, was einen viel größeren Markt eröffnet. Englische Plattenfirmen haben also potenziell ein größeres Interesse daran, Künstler so gut wie möglich aufzubauen statt schnell zu verheizen. Je kleiner der Markt ist, desto mehr musst du darauf bedacht sein, deine Marge mitzunehmen, nicht auf Risiko zu investieren − auch als Künstler, der nicht einfach ein halbes Jahr etwas Neues entwickeln kann, sondern derweil auch Konzerte spielen, davon leben können muss.«

Bugets

Stichwort Kosten-Management: Etablierte Mastering-Studios verlangen oft vierstellige Beträge für ein Album. Ob ein professionelles Mastering in einem teureren Studio dem eigenen Projekt zugute kommt und sich die Ausgaben lohnen, hängt laut Schmidt von mehreren Faktoren ab: »Wichtig ist, dass Mastering-Engineer und Album gut zusammenpassen, sowohl stilistisch gesehen als auch von Produktionsphilosophie und Professionalität her. Es ist natürlich gut, wenn ich davon ausgehen kann, dass die angelieferten Mischungen in sich bereits größtenteils ›fertig‹ sind und für die Künstler funktionieren. Das bedeutet, dass ich das Rad nicht neu erfinden muss, sondern mich auf Feinheiten konzentrieren kann. Das ist meine Stärke, so kann ich dem Album mit meiner Expertise dann auch voll gerecht werden. Es wirkt umgekehrt seltsam, wenn du mit einem ›Shoestring-Budget‹ aufgenommen hast, jemand hat für einen Kasten Bier gemischt, und plötzlich willst du 1.000 Euro ins Mastering stecken − da passt das Ergebnis wahrscheinlich nicht zusammen. Beim Hören bekomme ich womöglich den Eindruck, das Geld wäre weiter vorne in der Kette besser investiert. So oder so helfe ich natürlich gerne, das Beste rauszuholen, auch wenn die Aufnahme etwas ›rougher‹ ist.«

www.24-96.net

 

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