Recording: E-Gitarre aufnehmen

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Mikrofon vor Amp

Schneller, lauter, fetter: Die E-Gitarre ist der böse Bruder der Akustikgitarre, und kein anständiger Rocksong kommt ohne sie aus. Aber wie bannt man diesen derben Ton auf Band bzw. Festplatte?

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Grundsätzlich gibt’s beim E-Gitarre aufnehmen zwei Methoden: die klassische, bei der man ein Mikrofon vor den Gitarrenverstärker stellt, und die moderne, wo man das Gitarrensignal mit einem Plugin bearbeitet. In der heutigen Folge wollen wir uns der klassischen Methode widmen. Nicht aus Nostalgie, sondern weil auch die modernen Plugins auf diesen altbewährten Herangehensweisen basieren und sie mit digitalen Mitteln nachbilden. Wer die klassische Methode kennt, ist also in jedem Fall im Vorteil.

Amp vor weißer Wand

Bild1: Bewährte Aufstellung: Der Amp steht so in der Ecke, dass sich hinter dem Verstärker ein nicht-gleichschenkliges Dreieck ergibt.

Alles auf Position!

Aufstellen müsst ihr nicht nur ein Mikrofon, sondern zu allererst mal den Gitarrenverstärker. Es ist nämlich nicht egal, wo der steht. Wie ihr vielleicht selber schon im Proberaum festgestellt habt, klingt der Gitarren-Amp nicht überall gleich gut. Beispielsweise treten die Bässe stärker hervor, wenn der Verstärker bzw. die Box direkt an einer Wand steht. Im Allgemeinen hat es sich bewährt, den Verstärker winkelig in eine Ecke zu stellen, wobei das Dreieck, das sich zwischen der Rückwand des Amps bzw. der Box und den beiden Wänden bildet nicht gleichschenklig sein sollte. Dann treffen nämlich die Schallwellen sehr ungleichmäßig auf die gegenüberliegenden Wände und die Reflexionen verteilen sich gut im Raum. So vermeidet ihr das, was der Fachchinese „stehende Wellen“ nennt. Die führen nämlich zu unschönen Resonanzen.

Achtet auch darauf, dass keine Heizkörper in unmittelbarer Nähe der Verstärkerbox stehen. Gleiches gilt für Fensterscheiben und andere Objekte, die bei höheren Lautstärken rascheln, klappern oder scheppern. Versucht immer, solche störenden Nebengeräusche möglichst schon beim Recording auszuschließen.

Der nächste Schritt wäre nun, am Verstärker und ggf. den Effektpedalen einen richtig klasse Gitarrensound einzustellen. Denkt aber immer daran, dass der Sound auch zum jeweiligen Song passen muss. Das eigentliche Geheimnis von geilen E-Gitarrensounds ist nämlich, dass ganz einfach ein hammergeiler Gitarrensound bereits beim Recording eingefangen wurde. E-Gitarren vertragen nämlich beim Mixen nicht viel Rumgeschraube am Equalizer. Nicht umsonst geben Gitarristen Unsummen für Instrumente, Amps oder Tonabnehmer aus, die sich, rein technisch gesehen, nicht wesentlich von viel billigeren Teilen unterscheiden. Gitarrensounds liegen in einem ähnlichen Frequenzbereich wie die menschliche Stimme, deshalb sind wir hier selbst für ganz subtile Unterschiede empfänglich. Und so feine Klangnuancen kann man nicht einfach mit dem Equalizer hervorzaubern. Tja, E-Gitarren sind ein bisschen wie ihre Spieler: Nach außen böse Buben, aber im tiefsten Innern sensible Feingeister!

Gitarrenmikrofone vor weißer Wand

Bild2: Drei Mikros für die berühmten drei Akkorde: das legendäre Sennheiser MD409 Gitarrenbrikett, das t.bone RM-700 Bändchenmikrofon und das Shure SM57

Briketts und Bändchen

Für die E-Gitarrenabnahme gibt es verschiedene Spezialmikros. Eins der bekanntesten ist das Sennheiser e609 bzw. e906. Letzteres hat zusätzlich einen Schalter für Klangvariationen, beide basieren auf dem fast schon legendären MD409, das Sennheiser eigentlich als Busfahrermikro entwickelt hatte. Nun ist es bei Mikros aber wie beim Menschen: Wer seine wahre Aufgabe findet, aus dem kann was werden. Und so wurde aus einem unbeachteten Durchsagemikro das allseits verehrte „Gitarrenbrikett“. Es hat sich live und im Studio als Klassiker vor dem Gitarren-Amp etabliert.

In Profistudios werden für die Verstärkerabnahme auch gerne Bändchenmikros eingesetzt. Die sind normalerweise recht teuer und ziemlich zerbrechlich. Seit ein paar Jahren gibt’s aber einige Modelle aus chinesischer Fabrikation, die nicht nur viel billiger, sondern auch robuster sind. Ehrlich gesagt, sind die China-Bändchen ein bisschen hemdsärmelig konstruiert und klingen auch nicht ganz so fein wie die teureren Modelle, aber für die Gitarrenabnahme sind sie prima. Mein Lieblingsmodell für diese Zwecke ist das t.bone RM-700 von Thomann bzw. das baugleiche „Classic Ribbon“ vom Music Store. Beide kosten wie auch das Sennheiser e609 rund 100 Euro.

Etwas universeller einsetzbar als diese beiden Spezialisten, aber ebenfalls beliebt für die E-Gitarrenabnahme ist das Shure SM57. Wenn ihr schon ein SM58 besitzt, könnt ihr auch das verwenden, es klingt ziemlich ähnlich. Auch andere Gesangsmikrofone könnt ihr durchaus mal ausprobieren.

Wohin damit?

Mindestens so wichtig wie die Auswahl des Mikrofons ist die richtige Aufstellung. Die Spezialmikros sind hier klar im Vorteil, mit ihnen bekommt man relativ schnell einen guten Sound. Alle anderen erfordern ein wenig Zeit, um eine besonders gut klingende Mikrofonposition zu ermitteln.

Mikrofon vor Speaker

Bild 3: Ausgangsposition: Platziert das Mikro auf halbem Weg zwischen Speakerrand und -mitte.

In der Regel bekommt ihr den ausgewogensten Sound, wenn das Mikro auf halbem Weg zwischen Lautsprecherrand und -mitte ausgerichtet ist (also bei einem 30 cm Speaker etwa 7,5 cm vom Rand entfernt). Weiter zum Rand hin wird der Klang weicher und dumpfer, zur Mitte (Kalotte) hin schärfer und höhenreicher. Wie gesagt: Versucht, den aufgenommenen Klang exakt so hinzubekommen wie den, den ihr direkt vom Verstärker hört.

Einen Anhaltspunkt kann euch dabei das Grundrauschen des Verstärkers geben. Setzt den Kopfhörer auf und verrückt das Mikro so lange, bis die Rauschfarbe im Kopfhörer so klingt wie das Rauschen vom Verstärker. Das klingt jetzt möglicherweise kompliziert, ist aber in der Praxis wirklich simpel – versucht es einfach mal. Besonders praktisch ist der „Rauschtrick“, wenn ihr alleine arbeiten müsst. Gitarre spielen, das Mikro verrücken und auch noch simultan den Klang im Kopfhörer beurteilen, ist erfahrungsgemäß ziemlich schwierig unter einen Hut zu bekommen.

Amp STEHT IM rAUM

Bild 4:Das Sennheiser „Gitarrenbrikett“ kommt zur Not auch ohne Mikrofonstativ aus

Wichtig ist auch die richtige Entfernung zum Speaker. Ein Shure SM57 oder ein Gesangsmikro wie das SM58 könnt ihr sehr nah positionieren, 2 bis 10 cm vor dem Lautsprechergitter bzw. der Frontbespannung reichen meistens aus. Wenn ihr euch für die Bändchenmikro-Variante entscheidet, ist ein größerer Abstand ab etwa 20 cm vonnöten, da der Sound sonst zu bassig wirkt. Am einfachsten ist die Positionierung des Sennheiser e609 bzw. e906. Diese „Gitarrenbriketts“ sind für sehr nahe Mikrofonabstände konzipiert. Ihr könnt euch mit diesen Modellen prinzipiell sogar das Stativ sparen und sie, kopfüber vom Kabel baumelnd, vor dem Lautsprecher positionieren. Natürlich muss die Vorderseite des Mikros zum Lautsprecher zeigen, aber ansonsten kann man mit den Teilen nicht viel falsch machen.

Im Kasten

Am besten macht ihr ein paar kurze Probeaufnahmen, bevor ihr so richtig loslegt. Denn wenn ihr sicher seid, dass der Sound stimmt, könnt ihr befreit aufspielen. Denkt immer daran: Es ist die Musik, die zählt! Doofe Riffs bleiben immer doof, egal wie gut man sie aufnimmt; ein tolles Riff wird immer rocken, egal wie schlecht der Sound ist. Und ein sensationelles Riff mit tollem Sound ist das Zeug, mit dem ihr Rockgeschichte schreiben könnt. Aber mindestens!

Zahlreiche weitere Tipps rund um das E-Gitarre aufnehmen erhältst du in unserem E-Special “E-Gitarren Recording”

Fotos: Dr. Andreas Hau

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Präzise und fachkompetente Anleitung zum Aufnehmen, mein Team und Ich werden alles anwenden, großes DANKE !

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  2. Danke, diese Tipps werden meine Flöten Spielkunst aufs nächste level bringen

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  3. Habe mich geirrt, ich werde es nicht nur auf das nächste Level bringen, Ich werde alles komplett Zerstören!!!!! Party Party

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  1. Das richtige Audiointerface › SOUND & RECORDING

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