Tanz den MS-20

Robert Görl über Das ist DAF

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4.2.7 (Bild: KERSTIN GROH, ROBERT GÖRL, GEORGE NICOLAIDIS)

Muskeln, Schweiß und Step-Sequenzer — das ist DAF! Das ist DAF heißt auch eine brandneue Vinyl-Box, mit der Grönland Records den Erfindern der Testosteron-geschwängerten Minimalmusik huldigt. Wir treffen Drummer und Chef-Elektroniker Robert Görl anlässlich einer Recording-Session in den Berliner Hansa Studios.

Zwischen 1980 und 1982 bringen Gabi Delgado und Robert Görl den Maschinen das Tanzen bei: Mit vier in kurzer Folge veröffentlichten Alben definieren DAF auf fulminante Weise die Blaupause für harte, elektronische Tanzmusik: knallige Drums, acht Töne im Kreis − minimale Mittel mit maximaler Wirkung.

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Unter dem Titel Das ist DAF kommt nun eine schicke Vinyl-Box heraus. Sie beinhaltet die vier prägenden DAF-Alben aus den frühen 80ern, reichlich Infomaterial und eine 7″ mit zwei brandneuen Tracks. Aus diesem Anlass treffen wir einen freundlich-entspannten Robert Görl und plaudern über Zeitgeist, DAFs Frühwerk und den coolsten Synthesizer aller Zeiten.

Robert, in den frühen 80ern habt ihr Musik produziert und Konzepte erprobt, die man so noch nicht gehört und gesehen hatte. Kann man auch heute noch wirklich Neues schaffen?

Die Welt war zu dieser Zeit sicher besonders empfänglich für Neues. Es war sehr angesagt, mit kulturellen und gesellschaftlichen Konventionen zu brechen, Altes loszuwerden und Neues einfach auszuprobieren. Zudem tauchten in den späten 70ern und frühen 80ern eine Menge technische Dinge auf, die unser Dasein heute noch bestimmen, etwa PCs, Handys, Sampler, Drummaschinen usw. − eine sehr innovative Zeit. Virtuoser Bombast-Rock war mega-out. Das genaue Gegenteil war spannend: möglichst verrückte Dinge machen um des Experimentierens willens − im Idealfall mit den neuesten Spielzeugen, die die Technik zu bieten hatte.

Es gab eine Art Aufbruchsstimmung in der Gesellschaft, und die spiegelte sich auch in der Musik wider. Die Lust an der Provokation steckte da ganz klar auch mit drin. Dagegen erscheint mir aktuelle Musik vielfach eher wie Produktdesign: Man kombiniert bekannte Elemente so, dass etwas Schickes und gut Konsumierbares entsteht − auch das ist Zeitgeist. Echte Innovation ist selten geworden.

Was treibt euch als ehemalige Innovatoren heute ins Studio?

Wir schreiben einfach die DAF-Geschichte weiter. In den 90ern hat sich die Techno-Musik unserer Soundästhetik bedient, jetzt sorgen nicht enden wollende Retro-Wellen für Aktualität. Warum sollen wir also nicht einfach weitermachen? Ich habe Terrabytes mit geilen MS-20-Loops. Dort bräuchte ich mich nur zu bedienen, und schon gäbe es neue Songs. Das ist so einfach, simpel und effizient − irgendwie auch schon wieder Punk … (lacht)

Vermutlich hat niemand den »kleinen Korg« so ausgereizt wie du …

MS-20 und SQ-10 waren mit die ersten elektronischen Instrumente, die sich Leute wie wir leisten konnten − der Synthie fürs Volk! Wir haben damals drei MS-20/SQ-10- Kombis bestellt − eine für Kurt Dahlke, eine für Chrislo Haas und eine für mich. Zusammen mit Chrislo habe ich mich dann Tag und Nacht in die Teile eingegraben und sie richtig verinnerlicht. Wir haben im total vergammelten Keller des Ratinger Hofs bei Kerzenschein wie besessen damit experimentiert. Dieser Ort hatte zweifellos etwas Magisches. Das Miteinander von besoffenen Punks und verdrogten Hochschulkünstlern war absolut befruchtend. Dabei hatten wir durchaus Ansprüche an uns und unser Schaffen − wir wollten ganz besonders »anders« klingen. Deshalb war Punkmusik eigentlich gar nicht mein Ding. Das waren ja immer noch Drums, Bass und Gitarren. Nein – es musste noch »neuer« sein: ungehört, radikal und auf den Punkt. Rock-Drums, Minimal-Elektronik und Minimal-Vocals, das wurde dann DAF.

Zunächst war DAF ja noch eine Band …

… aus Chrislo, Wolfgang Spelmanns, Michael Kemmner, Gabi und mir. So entstand das erste Album (Ein Produkt der Deutsch Amerikanischen Freundschaft). Wir sind dann Anfang 1980 zu fünft nach England gegangen und nach einem knappen Jahr als Duo zurückgekommen. Während dieser Zeit hat sich das Konzept fokussiert, und Gabi und ich sind übergeblieben. Gabi mit dem Gesang, ich mit der Musik.

Zurück in Düsseldorf waren wir beide nun total überzeugt: Das ist es! Wir hatten einen Masterplan, ein irres Selbstbewusstsein und ohne Ende Energie. Damit sind wir bei Conny Plank im Studio gelandet, und der hat unsere Energie kongenial kanalisiert und in Form gebracht. Die Kleinen und die Bösen war das erste Ergebnis dieser großartigen Zusammenarbeit.



DAF at Home: Robert Görls Homestudio präsentiert sich modern und kompakt. Während die finalen Drums grundsätzlich mit seinem akustischen Set im Studio eingespielt werden, arbeitet Robert bei Vorproduktionen mit MPC-4000, Logic 9 und Acid, die mit Einzel-Samples aus seiner Library gefüttert werden. Die typischen DAF-Sequenzen entstehen noch immer ausschließlich mit Roberts Korg SQ-10.

 

 

 



Conny Plank hatte großen Einfluss auf euren Sound …

Conny hatte eintausend Tricks auf Lager: seine Hallräume, sein irres Mischpult (gebaut von Michael Zähl; Anm.d.Red.), seine Peavey-Gitarrenamps, mit denen er die Synthies gereampt hat, geniale Mikrofonierungen, Raummikros an den verrücktesten Stellen im Studio … Conny hat unseren Sound unglaublich verfeinert und perfektioniert. Und dabei hat auch er niemals an irgendwelchen Konventionen festgehalten. Er hat immer neue Wege und neue Sounds gesucht und gefunden.

Auf Alles ist gut spielst du aber nicht nur MS-20, oder?

Nein, Conny hatte damals schon die richtig »geilen« Teile − also ARP Odyssey und ARP-Sequencer. Der Mussolini ist kompletter ARP-Sound. Der Odyssey hatte viel mehr Wumms als der MS-20. Ich habe aber damit genauso gearbeitet wie mit den Korgs − habe versucht, ebenso eingängige und gleichzeitig total verdrehte Sequenzen zu basteln, Synth-Sound und Step-Sequenzer zu einem homogenen Ding werden zu lassen.

Ich schraube durchaus eine ganze Nacht an einer einzigen 8- oder 16-Step-Sequenz, auch heute noch. Ich lasse die Sequenz endlos lange laufen, korrigiere immer wieder kleinste Details, bis ich die richtige Wirkung spüre. So eine Sequenz muss Hand und Fuß haben, die muss einen richtig packen können.

Hast du jemals Drumcomputer oder Drum-Synthies verwendet?

Nur in meinem Homestudio für Vorproduktionen. Im Studio und vor allem live habe ich Drumcomputer niemals verwendet. Die Dinger haben einfach nicht die Power von live gespielten Drums. Und auf der Bühne macht ein Drumcomputer sowieso nicht viel her. DAF war und ist Live-Schlagzeug. Conny Plank hatte damals ein Simmons SDSV − wie alle Produzenten und Drummer, die was auf sich hielten … Das habe ich für Goldenes Spielzeug verwendet. Ansonsten waren alle Drums immer mein akustisches Set.

Die aktuelle Vinyl-Box beinhaltet zwei neue Songs. Wie arbeitest du heute?

Ich habe zu Hause immer noch das alte Korg MS-20/SQ-10-Gespann − sogar mitsamt Originalkartons. Damit arbeite ich total oldschoolig, d. h., ich schraube noch immer an Sequenzen, die ich in nächtelanger Feinarbeit optimiere und schließlich aufnehme. So hat sich über viele Jahre hinweg eine riesige MS- 20-Library an Sequenzen angesammelt. Dadurch habe ich die Möglichkeit, so manche »geile Nacht« wieder aufleben zu lassen und obendrein in Rekordzeit einen DAF-Song zu machen.

Genau so sind die beiden neuen Songs entstanden. Wir hatten das Hansa Studio mit Alex Silva als Produzenten gebucht und sogar einen ARP 2600 samt Sequencer geliehen, aber leider stand uns nur sehr, sehr wenig Zeit zur Verfügung. Also habe ich mich in meinem Sequence-Archiv bedient, und die beiden Songs standen in wenigen Tagen. Mein Archiv arbeitet nun für mich. (lacht)

Wir planen jedoch auch ein neues Album. Dafür werde ich wohl keine Archiv-Sequenzen verwenden, sondern ganz neue einspielen. Da werden dann auch sicher wieder MS-20 und ARP-Synthie zu hören sein − auf jeden Fall echte Synthies, echte Drums, echte Körper. (lacht)

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