Schon lange gehört Nuendo zu den absoluten Boliden, wenn es um Postproduktion für Rundfunk, Film und Games geht. Inzwischen startet der »Alleskönner« in die achte Runde. Die Hamburger Software-Schmiede legt den Fokus dabei auf die Verbesserung des Workflows und möchte somit Sounddesignern, Mixing-Engineers und Komponisten die Arbeit erleichtern.
Wie so oft schon diente Cubase erneut als Versuchskaninchen. Einige der Features, die bereits in Cubase 9 vorgestellt wurden, sind nun auch in Nuendo verfügbar. Dazu gehört auch das neue Fensterdesign, besonders die sogenannte »Lower Zone«. Ähnlich dem Inspector auf der linken oder dem Browser auf der rechten Seite, lässt sich nun eine weitere Zone am unteren Fensterrand ausklappen. Diese Zone verwaltet auf mehreren Tabs verschiedene Bereiche.
Zum einen ist hier die MixConsole vorhanden. Um diese möglichst platzsparend darzustellen, ist von Haus aus nur die Fader-Sektion zu sehen. Möchte man auf Insert-Slots oder Sends zugreifen, lässt sich diese einzeln mit dedizierten Schaltflächen einblenden. Das ist sehr praktisch, möchte man zwischendurch auf einem Laptop arbeiten, ohne ständig die Arbeitsbereiche zu wechseln.
Das zweite Tab beinhaltet den altbekannten »Editor«, welcher je nach ausgewähltem Event das entsprechende Audio- oder MIDI-Material darstellt.
Ein brandneues Feature versteckt sich hingegen auf dem dritten Tab: der »Sampler Track«. Vorerst handelt es sich hier um eine leere Ablagefläche. Wird dort Audiomaterial per Drag&Drop abgelegt, kommt ein Sampler zum Vorschein, der sofort über die MIDI-Tastatur spielbar ist. Klassische Hüllkurven zum Ändern von Pitch, Filter oder Amplitude sind i
ntegriert − die Grundlagen sind also vorhanden. Möchte man tiefer ins Sounddesign eintauchen oder mehrere Layer erzeugen, kann man das aktuelle Sample auch in andere Steinberg-Instrumente wie Groove Agent, HALion oder Padshop übertragen.
Post-Pro
Besonders im Bereich der Postproduktion sind oft viele Menschen am gleichen Projekt beteiligt und arbeiten zudem häufig in Schichten an der gleichen Workstation. Meistens kommt man sich hier jedoch bei der individuellen Konfiguration von Nuendo in die Quere, denn Shortcuts, Toolbars & Co sind nun mal Geschmackssache. Deshalb hat Steinberg den »Profil-Manager« integriert, welcher die eigenen »Tastaturbefehle«, »Arbeitsbereiche« und weitere Einstellungen als Profil abspeichern kann. Leider ist der Wechsel noch etwas zähflüssig, denn für die Aktivierung eines Profils ist ein Neustart von Nuendo notwendig.
Bereits in Nuendo 7 ermöglichte Steinberg, Audiodateien in die Game-Audio-Middleware Audiokinetic Wwise zu übertragen: »Game Audio Connect« heißt das Zauberwort. In der überarbeiteten Version lassen sich neben dem Audiomaterial ebenso MIDI-Daten sowie Cue- und Cycle-Marker übertragen. Die Schnittstelle bietet zudem eine Integration von »Perforce«, was eine Versionskontrolle für Nuendo-Projekte ermöglicht.
Rename
Steinberg stellte immer wieder neue Funktionen vor, die automatisierte Batch-Exporte von Spuren und Clips erleichterten. Nur für die Anpassung von Dateinamen, besonders im Game-Bereich, waren häufig aufwendige manuelle Arbeiten oder spezialisierte Drittanbieter-Software notwendig. Die Umbenennung lässt sich nun mithilfe einer CSV- oder TXT-Datei direkt in Nuendo konfigurieren. Zuerst werden alle Clips, die um – benannt werden sollen, selektiert, dann wird die Funktion »Rename Events from List« ausgeführt und zuletzt die entsprechende Spalte im Dokument ausgewählt, welche die neuen Namen auflistet.
Hier gibt es noch ein paar grundlegende Optionen, die das Auslesen der Dokumente erleichtern, wie etwa »Erste Zeile als Tabellenüberschrift interpretieren«. Sollte doch mal ein Versatz auftreten, kann man die Benennung im »Mapping-Modus« zeilenweise verschieben bzw. korrigieren, bevor der neue Dateiname geschrieben wird. Top!
Wenige Wochen nach dem Release lieferte Steinberg ein Update nach, das den neuen »Video Decoder for Avid DNxHD« unterstützt. Allerdings ist der Decoder selbst mit knapp 30,− Euro kostenpflichtig.
Editing
Plug-ins und Audioprozesse wie »Normalisieren«, »Gain« oder »Umkehren« direkt auf einen Event anzuwenden, war schon lange in Nuendo möglich. Doch in Version 8 wird dieser Vorgang elegant ausgebaut. Zwar findet man die altbekannten Befehle noch im entsprechenden Kontextmenü, allerdings reicht nun ein Druck auf [F7], um beide Bearbeitungsmöglichkeiten vereint in einem Fenster anzuwenden. Diese sogenannte »Direkte Offline-Bearbeitung« teilt sich in drei Fensterbereiche auf: links eine Spalte, in der man Plug-ins und Steinbergs Audioprozesse in beliebiger Reihenfolge einfügen und nachträglich verschieben kann. Auf der rechten Seite hat man stets die Möglichkeit, Einstellungen der Prozesse und Plug-ins vorzunehmen. Ist die Option »Auto-Anwenden« in der Kopfzeile aktiv, sind alle Änderungen sofort zu sehen und sogar in der Wellenform des Events optisch zu prüfen. Ja, die Bearbeitung findet nur für den ausgewählten Event statt, jedoch kann man den Bearbeitungsbereich in Millisekunden erweitern, falls man den Event nachträglich nach links oder rechts aufziehen möchte. In der Postproduktion eignet sich die Offline-Bearbeitung hervorragend, um etwa den iZotope De-Clicker, Steinberg Post Filter oder Audio Ease Speakerphone selektiv einzusetzen. Leider kann man komplette Ketten noch nicht als Preset speichern. Allerdings kann man per Rechtsklick ausgewählte Prozesse kopieren und an anderer Stelle einfügen.
Der Workflow ist gegenüber der alten Methode weitaus besser, denn der Fensterinhalt wird je nach selektiertem Event sofort aktualisiert. Selbstverständlich erfolgen die Bearbeitungen nicht-destruktiv. Diese Vorgehensweise hält die Insert-Slots in der MixConsole frei und spart zudem wertvolle CPU-Ressourcen. Wird allerdings ein AAF erstellt oder via »Game Audio Connect 2« exportiert, setzt Nuendo alle Offline-Prozesse fest.
Neue Plug-ins und Effekte
Ab sofort unterstützt Nuendo nur noch Plugins mit 64 Bit. Auf ein automatisches »Bridging« von älteren Plug-ins mit 32-Bit-Architektur wird verzichtet. Klanglich ändert sich nichts, der Vorteil des Betriebs mit 64 Bit liegt jedoch klar auf der Hand: Aktuelle Plug-ins können so einen Arbeitsspeicher von mehr als 4 GB adressieren. Das ist gerade für die Arbeit mit großen Sample-Libraries, etwa in Native Instruments »Kontakt«, extrem hilfreich.
Sehr erfreulich ist, dass nun alle Features des Nuendo Expansion Kit (NEK) mitgeliefert werden. Auch ohne zusätzlich knapp 150,− Euro auszugeben hat man nun Zugriff auf eine ausgereifte Notensatz-Funktion, Drumund Listen-Editor sowie etablierte Klangerzeuger wie beispielsweise Retrologue 2 oder HALion Sonic SE 3.
Auch ein neuer Equalizer hat den Weg in die DAW gefunden: Frequency EQ. Alle der acht Bänder können als Peak- und Notch Filter sowie als High- und Low-Shelf agieren. Die beiden äußeren Bänder lassen zusätzlich als Hoch- bzw. Tiefpassfilter mit einer Flankensteilheit zwischen 6 und 96 dB/Oktave konfigurieren. Neben dem normalen Stereo-Modus kann man jedes Band separat auch in den Modus »Left/Right« oder »M/S« umschalten und somit die beiden Signalbestandteile unabhängig voneinander bearbeiten. Zu guter Letzt sind alle Bänder noch mit einem optional zuschaltbaren Modus »Linear Phase« ausgestattet. Bei Frequency EQ handelt es sich also um ein ziemliches Wunderkind, das dem traditionellen, internen Nuendo-EQ bei Weitem überlegen ist. Der Analyzer und der Solo-Modus zum Abhören des aktuell selektierten Bandes setzen dem Tool noch das Sahnehäubchen auf.
Der neue Randomizer soll den sogenannten Maschinengewehr-Effekt reduzieren, falls man nur ein Sample zur Verfügung hat, dass sich häufig in kurzen Intervallen wiederholt. Das Plug-in kann vier Paramater zufällig variieren: Pitch, Impact, Color und Timing. So lassen sich monoton aufeinanderfolgende Sounds mit wechselnder Tonhöhe, Intensität, Helligkeit und Länge wiedergeben. Die Idee ist an sich brillant und das Konzept geht bei kurzen Sounds, beispielsweise Schlägen oder Schüssen, meistens sehr gut auf. Bei längeren Sounds allerdings, wie etwa Impacts oder Swells, erfolgt der automatische Parameterwechsel manchmal, während das Signal noch nicht abgeklungen ist, was sehr unnatürlich wirkt. Hier sollte Steinberg noch etwas an der Transienten-Erkennung bzw. den Schwellwerten nacharbeiten. Wendet man den Randomizer hingegen als Offline-Prozess an, entstehen diese Probleme nicht.
Mixing
Das Mixer-Highlight des letzten Updates war zweifelsohne die Integration von VCA-Fadern. So sind auch Projekte mit einer uferlos hohen Spuranzahl komfortabel zu verwalten.
Eine nicht weniger nützliche Funktion ist nun endlich ab Version 8 mit dabei: Undo für den Mixer. Alle Aktionen, egal ob Fader-Fahrten, Mutes oder Änderungen in Drittanbieter-Plug-ins werden separat in der sogenannten »MixConsole History« aufgelistet − sogar mit Angabe der Uhrzeit. So kann man in der Liste gezielt zu früheren Mixer-Settings zurückspringen und schnell mit dem aktuellen Stand vergleichen. Statt [Strg]+[Z] verwendet das Mixer-Undo den unabhängigen Shortcut [Alt]+[Z].
Der VST Multi-Panner unterstützt neben anderen Mehrkanalformaten nun auch Dolby Atmos und Auro-3D. Ebenso übernimmt MixConvert V6 den Up- und Downmix dieser Formate.
Fazit
Die Verbesserung des Workflows wurde bei diesem Update großgeschrieben. Nuendo 8 wird dem User dank der praktischen Offline-Bearbeitung und des hilfreichen Renaming-Skripts viele Arbeitsstunden ersparen. Auch die Undo-Funktion sowie die aufgebohrten Mehrkanal-Features des Mixers heben die Software auf ein noch höheres Niveau.
Dass Nuendo nur noch Plug-ins mit 64 Bit unterstützt, kann man Steinberg eigentlich nicht übelnehmen, denn im Jahr 2017 sollte diese Diskussion doch langsam mal abgeschlossen sein.
Der Verkaufspreis von knapp 1.900,− Euro ist hoch, jedoch absolut gerechtfertigt, handelt es sich doch um eine extrem vielseitige Produktionsumgebung für jegliche Branchenbereiche − egal ob mit oder ohne Bildbezug. Und bei dieser Version ist obendrauf das sonst kostenpflichtige Nuendo Expansion Kit beigepackt.
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direkte Offline-Bearbeitung
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Verbesserung der MehrkanalFeatures
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NEK inklusive
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Integration von Game Middleware
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Renaming per Skript
Hersteller/Vertrieb: Steinberg
UvP: 1.899,− Euro
www.steinberg.net