Schaut man sich die Produktpalette der Firma sonible aus Österreich an, mag man kaum glauben, dass es das Unternehmen aus Graz erst seit rund vier Jahren gibt. Das Portfolio umfasst sowohl Hardware- als auch Software-Produkte, die allesamt Altbewährtes mit dem neusten Stand der Technik kombinieren. Sie bieten etliche Lösungen für die vielen Probleme im Alltag des Tonschaffenden — angefangen bei der USB-D.I.-Box ml:1 über den Ambisonic Lausprecher IKO bis hin zum aktuellen Produkt-Release smart:EQ-live. Im Interview spreche ich mit Alexander Wankhammer, CoFounder und CTO (Chief Technology Officer) von sonible.
Alex, erzähl mir doch etwas zur Geschichte von sonible. Wie ist in vier Jahren aus einem Drei-Mann-Team eine Firma mit 13 Mitarbeitern und zehn Produkten geworden?
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Alexander Wankhammer: Wir haben sonible zu dritt gegründet, Peter Sciri, Ralf Baumgartner und ich. Wir haben alle drei gemeinsam Elektrotechnik-Toningenieur in Graz studiert, eine einzigartige und einschlägige Ausbildung. Es nennt sich interuniversitäres Studium, d. h., man ist an zwei Unis zeitgleich eingeschrieben, in diesem Falle an der Kunst Uni Graz und an der TU. Zuerst belegt man ein ganz normales Elektrotechnik-Studium, nur dass man von Anfang an auch an der Kunst Uni Fächer wie Gehörbildung, Tonsatz und ein Hauptfach-Instrument belegt, dadurch hat man das technische und künstlerische in einem − eine Kombination, die es so in der Form als Studiengang recht selten gibt.
Schon während des Studiums haben wir drei viel miteinander zu tun gehabt, und da wir alle zum ähnlichen Zeitpunkt dort fertig geworden sind, konnten wir uns gemeinsam überlegen, wie es nach dem Studium weitergeht. Es gab die Optionen, als wissenschaftliche Mitarbeiter an der Uni zu bleiben oder in die Industrie zu gehen. Zweites ist in Graz nicht so einfach, zwar gibt es dort eine sehr starke Automobilszene mit dem Bereich der Fahrzeugakustik, allerdings wollten wir im musikalischen Audiobereich bleiben.
Peter und Ralf haben während des Studiums parallel schon viel im Live-Sektor gearbeitet, daraus ist dann die Idee entstanden, da es im Live-Bereich viele Tools und Lösungen gibt, die man sich wünschen würde. Warum machen wir das nicht einfach selber? Unsere Motivation war also eher die Begeisterung für die Sache an sich und nicht der kommerzielle Gedanke dahinter. Ralf und ich haben dann noch ein Jahr lang weiter an der Uni als wissenschaftliche Mitarbeiter am IEM (Institut für Elektronische Musik und Akustik Graz; Anm. d. Aut.) gearbeitet, das war 2011. Im Jahr 2012 haben wir dann die Uni-Karriere hinter uns gelassen, um uns komplett der Selbstständigkeit zu widmen. Das erste Plug-in, welches wir rausgebracht haben, war dann frei:raum.
Das Plugin ist aus unserer Erfahrung heraus entstanden, aus Aufnahmen, bei denen irgendwas schiefgelaufen ist, z. B. schlechter Raum, eben die typischen Probleme, die da passieren können. Die Grundidee war, ein »Enthallungs-Tool« zu bauen. Im Zuge der Entwicklung sind wir aber darauf gekommen, dass wir noch etwas Flexibleres machen könnten, als »nur« ein »Enthallungs-Tool«, etwas, mit dem harmonisch/inharmonische Obertöne und die spektrale Balance bearbeitet werden können. Dank unserer wissenschaftlichen Arbeit an der Uni hatten wir das Wissen und die Theorie. Wir wollten die Lücke zwischen dem theoretisch Möglichen und den momentan erhältlichen Tools schließen.
Parallel zu frei:raum haben wir damit begonnen, die ml:1 zu entwickeln, auch wieder ein Tool, was aus dem Live-Bedürfnis entstanden ist. Die ml:1 ist eine Kombination aus D.I.-Box, USB-Wiedergabe-Interface und Testtongenerator. Das alles robust verpackt in einem Metallgehäuse, ideal für den Live-Betrieb, um z. B. Line-Checks zu machen. Wir haben uns schließlich dazu entschieden, mit der ml:1 an den Start zu gehen, 2013 haben wir die Firma dann offiziell gegründet.
Zeitgleich haben wir im Hardware-Bereich mit der Realisierung des 24-Kanal-D-Serien-Verstärkers begonnen. Unser Portfolio war von Anfang an durch die Plug-ins und die Hardware direkt sehr breit gefächert.
Aus der Zusammenarbeit mit dem IEM heraus ist auch der IKO entstanden, welchen wir auch in unsere Produktpalette aufgenommen haben. Der ist mehr oder weniger als Auftragsarbeit fürs IEM entwickelt worden, und wir haben ihn dann weiter bis zur Marktreife entwickelt.
2016 haben wir uns von unserem ersten Vertrieb getrennt, weil wir als Startup freier und unabhängiger agieren müssen, weshalb wir beschlossen haben, die gesamte Vermarktung wieder selbst zu übernehmen. Dieser Schritt war recht aufwendig, aber absolut nötig, denn wenn eine Firma nur aus Entwicklern besteht, besteht auch die Gefahr, dass man die Vermarktung aus dem Blick verliert.
Ab dem Herbst 2016 hatten wir die Größe erreicht, die wir jetzt haben. Wir haben also in der Zeit viel dazu gelernt, wie man von der ersten Algorithmus-Idee zum fertigen Produkt kommt. Wir werden in der Zukunft einen noch stärkeren Fokus auf die Software, sprich auf die Plug-ins, setzen, da wir in diesem Bereich das Meiste an Kern-Know-how haben.
Wie lang dauert es von der ersten Idee bis hin zu dem Zeitpunkt, an dem man das Plug-in zum ersten Mal in die DAW laden kann? Führe uns doch einmal durch die einzelnen Schritte.
Am Anfang hat man natürlich die Idee, die auf verschiedene Arten entstehen kann. Im Falle des Live-EQs haben wir im Live-Betrieb gesehen, wo es Probleme gibt, die klassisch bei Auftritten entstehen.
Danach wird meistens ein grobes Konzept erstellt. Ganz klassisch kann das auf dem Papier geschehen in Form eines Signalflussdiagramms, und dann wird geschaut, ob und wie alles zu realisieren ist. Danach wird meistens eine Art Prototyp in MATLAB erstellt, um im Groben zu sehen, ob die Idee funktioniert, und dann fangen wir an, die einzelnen Probleme konkret zu lösen.
Bei unserem ersten Produkt haben wir alles komplett in MATLAB geschrieben und es dann nach C# portiert. Mittlerweile haben wir aber eine viel breitere Engine in C#, wodurch wir schon viel früher auf die Echtzeitsysteme gehen können.
“Wir wollen die Lücke zwischen dem theoretisch möglichen und den momentan erhältlichen Tools schließen.”
In der Entwicklung gibt es also verschiedene Bereiche. Da wäre die ästhetische Seite, also wie etwas klingen soll. Um dorthin zukommen, braucht man das DSP-Know-how, dann benötigt man die Programmierkenntnisse und das GUI-Design. 50 Prozent der Zeit fließen in die Entwicklung der Algorithmen, und die anderen 50 Prozent in die Umsetzung des Plug-ins.
Das Thema KI, also künstliche Intelligenz, wird aktuell heiß diskutiert und betrifft nicht alleine die Audiobranche. Viele eurer Plug-ins bauen auf der eigenen Smart-Engine auf und erledigen viele Arbeitsschritte autark. Wie ist diese Entwicklung aus deiner Sicht einzuordnen, werden die Maschinen den Menschen hinterm Pult letztendlich verdrängen?
Beim Smart EQ live stellen wir dem Live-Techniker neue Möglichkeiten zur Verfügung, mit denen er entspannt zu einem stabilen Ergebnis kommt. Das bedeutet aber nicht, dass man das Plug-in einfach einschaltet und das war’s, sondern man muss natürlich auch wissen, was man da tut. Das, was das Plug-in kann, ist etwas mehr als das, was ein normales EQ Plug-in kann.
Wenn man sich hierzu einmal die Entwicklung in der Fotografie anschaut, gab es so ca. vor 25 Jahren noch kaum den Autofocus. Dann kamen die Digitalkameras, und etwas später konnten die Kameras schon die Tiefenschärfe erkennen und einstellen. D. h., die Kameras sind alle über diesen Zeitraum auch intelligenter geworden, was aber nicht bedeutet, dass plötzlich mehr super Fotografen da waren − wenn man aber ein guter Fotograf ist, kommt man durch diese Hilfsmittel viel schneller zum Ziel.
Wir bieten unterstützende Tools an, die aber nicht dazu gedacht sind, die künstlerische Gestaltung zu übernehmen. Der Mensch entscheidet noch immer selbst, wie etwas zu klingen hat.
In unserem Falle kann man sagen, dass man, wenn man einen der Smart Filter einsetzt, relativ schnell zu einer guten Ausgangsbasis, einem guten Startpunkt, kommt ohne stundenlanges Suchen nach problematischen Frequenzen, die man letztendlich sowieso rausziehen würde. Der Effekt ist, dass man viel schneller mit der eigentlichen kreativen Arbeit beginnen kann. Ohne dass man sich über das Handwerkliche zu viele Gedanken machen muss, kann man viel schneller anfangen, wirklich am Sound zu feilen.
Wir beobachten als Hersteller, dass es, je nachdem aus welcher Generation der jeweilige User ist, verschiedene Ressentiments gegenüber den neuen Lösungen gibt. Ich persönlich verstehe absolut, wenn jemand sagt, dass er lieber auf seinem analogen Pult in einer herkömmlichen Arbeitsweise agiert.
Wie ist dein Resümee nun, nachdem die Firma schon lange nicht mehr ein Startup ist? Wie schätzt ihr den Plug-in-Markt aktuell ein, und was ist eure Meinung zum Thema Kopierschutz und Software-Cracks?
Was uns beschäftigt, ist, dass der Plug-in-Markt aktuell sehr schwierig ist. Durch die ganzen Hersteller und die permanenten Preisaktionen ist das Gefühl für die Wertigkeit von guten Plug-ins abhandengekommen.
Wenn man sich die Bereiche Hardware und Software anschaut, scheinen die Leute zu glauben, dass die Hardware-Entwicklung viel mehr Zeit und Arbeit braucht – vielleicht weil das damit zu tun hat, dass die Hardware nicht gecrackt werden kann.
Es wäre sehr schön, wenn man ein Art Trendwende schaffen könnte, bei der weniger, aber dafür hochwertige Plug-ins auf den Markt kommen, bei denen die potenziellen Käufer wirklich wieder das Gefühl bekommen, dass sie gerne in das Plug-in investieren.
Was speziell das Thema mit den Cracks angeht, stellt sich natürlich immer die Frage, ob man eher auf den wirtschaftlichen Schaden schaut oder ob man das eher als Gratis-Werbung betrachten kann. In diesem Punkt sind sich sogar ältere Plug-in-Hersteller nicht ganz einig. Wir werden in der Zukunft jedenfalls ein noch viel komplexeres System anwenden, was den Kopierschutz angeht. Aktuell haben wir mit unseren Plug-ins den iLok-Schutz, aber selbst da gab es leider Sicherheitslücken.