von Peter Walsh, Übersetzung: Martin Mercer, Artikel aus dem Archiv
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Thomas Edison und Emil Berliner − zwei Namen, die auf ewig mit der Erfindung der Tonaufnahme und ihrer Reproduktionstechnik verbunden sind. Ewig stritten beide auch um die jeweiligen Patentrechte. Der Streit sorgte für große Verwirrung, und man könnte meinen, dass die beiden vielleicht dieselbe Stammkneipe besuchten, damals anno 1877: Phon-O-Graph? Gramm-O-Phon? Mir scheint, die beiden hatten hier und da eventuell das ein oder andere Bier zu viel …
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Letztendlich war es Emil Berliner, der sich im Jahre 1895 das U.S.-Patent No.382.790 für sein »Tonaufnahmeverfahren« und wenig später für sein Grammophon sichern konnte. Zeitgleich sicherte sich Edison das U.S.-Patent No.0.200.521 für seinen Phonographen.
Seit jenen Tagen wurden Aufnahme- und Wiedergabeverfahren stetig weiterentwickelt. Doch trotz aller Vorteile, welche die Digitaltechnik mit sich brachte, feiern Schallplatte und Plattenspieler ein unglaubliches Comeback. Laut der Zahlen, welche die BPI (British Phonographic Industry) jährlich veröffentlichen, wurden letztes Jahr 4,1 Millionen Vinyl-Alben verkauft − der meistgekaufte Künstler auf Vinyl im letzten Jahr war Ed Sheeran. Marc Wood, Marketing Manager bei Universal Music London, kommentiert dies wie folgt: »Offensichtlich eignen sich Musik-Streaming und Download-Dienste hervorragend für den mobilen Markt, jedoch gibt es eine große und stetig wachsende Gruppe an Musikfans, die die Musik einfach physisch besitzen und sammeln will.«
Vinyl betrachtet Marc Wood als ein weiteres Werkzeug in seiner Produktpalette, das ihm ermöglicht, verschiedene Kampagnen noch gezielter auf die unterschiedlichen Käuferschaften abstimmen zu können. Hierzu ein Beispiel: Anlässlich des zehnten Record-Store-Days im April und dem zeitgleich 70. Geburtstag von Elton John veröffentlichte Universal eine limitierte und umfangreichere Neupressung seines Live-Klassikers 17.11.79 auf 180- Gramm-Vinyl. Ohne Zweifel ein wunderschönes Sammlerobjekt, welches obendrein auch noch wunderbar klingt. Die Debatte, ob Vinyl nun wärmer klänge als Digital, wird sicherlich noch eine Weile andauern. Vinylfans argumentieren damit, dass der Sound einer Schallplatte schlicht stimmiger und kohärenter sei. Trotz des limitierten Frequenzspektrums sei der Genuss einer Schallplatte unterm Strich emotional befriedigender.
Die physikalischen Grenzen und technischen Einschränkungen einer LP bedingen eine breitere Bearbeitung mit dem EQ und ergeben somit einen weicheren und wärmeren Mix, und damit eine stimmigere musikalische Balance. Kritisch wird’s im Low-End-Bereich, denn die fragile Nadel toleriert keine Phasenprobleme unterhalb von 300 Hz. Vocals klingen weniger überbetont und präsent, da Zischlaute Verzerrungen verursachen. Abgesehen von der Klangqualität gibt es eine ganze Reihe an Gründen für die wiederkehrende Popularität der Schallplatte.
Der erste Grund ist der »Inhalt«
Vinyl fungiert als musikalischer Filter − dank der Qualitätseinschränkungen erfordert das Medium eine überlegtere Herangehensweise bei Aufnahme und Produktion. Künstler, Produzenten und Plattenfirmen müssen kritischer auswählen, was gepresst wird. Die Spiellänge einer Schallplatte bestimmt immer ihre Qualität und die Lautstärke des Programms. Nur die besten Tracks schaffen es aufs Endprodukt; »Survival of the fittest«, wenn man so will.
Um 1 dB mehr Headroom auf der VinylScheibe zu erlangen, musste ich die Nummer New Gold Dream von den Simple Minds um ganze 2 Minuten kürzen. Durch diesen Edit profitierte das Arrangement ungemein, da der Song viel kompakter wurde und sich somit auch die Dynamik-Range verbesserte. Die Möglichkeiten der Schallplatte geben in gewisser Weise die Reihenfolge der einzelnen Titel vor. Beispielsweise die Platzierung eines Instrumental-Titels. Im Fall Simple Minds war dies der Track Somebody Up There Loves You, welcher der letzte Titel auf der ersten Seite wurde. Der Maintrack des Albums folgte auf Seite 2, Track 1 − hier hat die Schallrille etwas mehr Platz und somit ein breiteres Frequenzspektrum.
Masse und Mechanik …
… sind zwei weitere Gründe, die meiner Meinung nach schuld am Comeback der Schallplatte sind. Wer sich in aller Ruhe hinsetzen möchte, um der Schallplatte zu lauschen, muss zuerst einen geeigneten Ort und eine kontrollierte Umgebung hierfür finden. Ohne äußere Ablenkung und gut geschützt vor dem alltäglichen Chaos, das uns umgibt. Heut zutage eine ganz schöne Leistung. Der Konsument von heute schätzt diese kleinen Raum-Zeit-Oasen immer mehr und mehr.
Vinyl-Fans lieben den Umgang mit den großen Tonträgern sowie das Ritual des Plattenauflegens. Alan Gibb von der Firma Chord Cables dazu: »Musik von Vinyl bewusst zu konsumieren hat den Charakter einer Listening-Session. Die Schallplatte überrascht den Hörer durch musikalische Qualitäten, und manche Hörer fragen sich, wie sie das Optimum an Qualität aus der Platte holen können.«
Alan konnte einen enormen Anstieg der Verkaufszahlen seiner »Chordmusik«-Speaker-Kabel beobachten, welche sich unter anderem durch ihre »State-of-the-Art-Anti-Noise«- Isolierung auszeichnen und für einen Ladenpreis von rund 1.100,− Euro (!) pro Meter gehandelt werden. »Es geht darum, dem Hörer die feinsten Nuancen und Details der Performance wirklich erlebbar zu machen, um im Endeffekt den Hörgenuss zu maximieren.«
Steve Hitch von der Firma Sonority Design hat eine ähnliche Philosphie: »Während sich die Qualität von Plattenproduktionen nicht wirklich verbessert hat, hat die Wiedergabetechnik einen unglaublichen Schritt nach vorne gemacht, was das Design und die Herstellung betrifft.« Im Englischen Birmingham betreibt Steve zwei Studios, welche auf dem neusten Stand der Technik stehen und ihm als Demonstrationsraum dienen. Steve ist High-End-Vinyl-Setup-Connaisseur. In seinen Studios demonstriert Steve seine unglaublich umfangreiche Produktpallette, angefangen von Sim Audio Moon Verstärker und VPI-Plattenspielen über Dynavector-Systeme bis hin zu Typhoon Vinyl-Reinigungsmaschinen. Die Liste geht ewig so weiter, und auch die Preise scheinen kein Limit nach oben zu kennen. Sein teuerster Plattenspieler kostet lächerliche 31.000,− Euro … Ich schätze, in so einer Preisklasse muss man dann auch die Chordmusic-Kabel verwenden.
Der Plattenspieler hat unser Leben verändert: Durch ihn ist der heimische Musikgenuss erst möglich geworden. Jeder Künstler träumt vom Plattenvertrag bei einem »Label« − was eigentlich die Bezeichnung für das runde Stück Papier in der Mitte der Vinylscheibe ist.
Es ist ein äußerst positives Signal für die Musikindustrie und für Musikliebhaber, dass die LP-Verkäufe wieder ansteigen. Ich freue mich sehr darüber, dass es wieder Labels gibt, die Vinyl verkaufen wollen. Experten wie Alan und Steve helfen einem dabei, dies mit einem Maximum an Qualität zu bewerkstelligen, was die Wiedergabe angeht − das beflügelt und spornt uns auf der Performance- und Produktions-Seite ungemein an.
Vor Kurzem ist das neue Album der Simple Minds mit dem Titel Walk Between Worlds erschienen. Passend zum Albumnamen und zum Thema dieser Kolumne ist das Album digital und auch auf Vinyl zu haben − ich empfehle allen Musikliebhabern sehr, hier einmal reinzuhören.
Die älteren Vinyl Fans bleiben stets emotional an das Format gebunden, während eine ganze neue Genration von Hörern dabei ist, das Vergnügen der Vinyl-Scheibe erst neu zu entdecken.