Saro Sahihi ist Sounddesigner und erstellt Klangbibliotheken sowohl für seinen eigenen Shop auf www.soundbits.de wie auch als Auftragsarbeiten für andere Plattformen und Anbieter, u. a. für Pro Sound Effects, A Sound Effect, Sonniss oder Samplephonics. Im Interview erzählt uns Saro, mit welchem Equipment und welcher Vorstellung er an neue Sounds herangeht, und erläutert, warum der Sound-Markt noch lange nicht gesättigt ist.
Aktuell arbeite ich an der Fertigstellung der Sound- Library Tiny Transitions 2, die ich über meine eigene Plattform und ausgewählte internationale Distributoren online vertreiben werde. Da geht es um Sounds für Motion Graphics, kleine Übergänge, wenn was durch das Bild huscht oder eine Schrift eingeblendet wird, und solche Sachen − eben kleine »Mini-Wooshes«! Der erste Teil war sehr erfolgreich, deshalb wurde ich oft nach einem Nachfolger gefragt, und da bin ich gerade dran.
Das Ganze läuft aber natürlich auch parallel zu anderen Sachen. Gerade war ich auf einem Schrottplatz unterwegs, wo ich alles Mögliche an Metallzeug durch die Gegend geschmissen und aufgenommen habe. Die Sounds dieser Aufnahmen werden exklusiv über einen Partner veröffentlicht.
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Daneben laufen aber momentan auch noch Aufnahmen für die nächste Sound-Bibliothek in Antiquitäten-Läden, die ich durchstöbere, um beispielsweise das Quietschen der Türen von alten Schätzen zu finden.
Ab und zu bin ich aber auch bei Jobs, wo ich einfach nur die Tonangel halten muss. Das ist dann nichts Aufregendes, aber gerade diese wechselnden Aufgaben sorgen dafür, dass es nie langweilig wird. Auch meine gelegentliche Dozententätigkeit am SAE Institute Stuttgart, das Erstellen von Tutorial-Videos, Support, Beta-Testing verschiedener Audio-Software und Plug-ins sorgen für willkommene Abwechslung. Das bringt einen selbst weiter und erweitert das eigene Netzwerk mit tollen Menschen.
Wie sieht dein Setup aus, wenn du beispielsweise auf den Schrottplatz gehst und Aufnahmen machst?
Mein Haupt-Field-Recorder ist ein Sonosax SX-R4+, ein Schweizer Top-Gerät mit sehr hochwertigen Preamps und umfangreichen Funktionen. Davor habe ich noch einen extra Sounddevices MixPre-D-Preamp, damit ich auch die Line-Ins verwenden kann. So habe ich immer sechs Top-Mikrofon-Vorverstärker dabei. Mein Zweit-Recorder ist ein Sounddevices MixPre-6 aus der neueren Serie, den habe ich fast immer im Rucksack dabei. Und für die ganz spontanen Sachen einen Sony PCM-D100. Als Mikrofone nutze ich meistens MS-Kits, fast ausschließlich aus der Sennheiser MKH-8000er Serie. Zum Beispiel ein MKH-805 plus MK30. Für Stereo-Ambiences nehme ich gerne zwei MKH8040 im Rycote ORTF Blimp. Ich hab aber auch oft und gerne die Rode NT4, NT55 oder auch mal zwei NT1-A in einem ORTF-Aufbau für sehr leise Ambiences dabei.
Auf einem Schrottplatz gibt es ja sehr viele Möglichkeiten, Sounds zu erzeugen. Überlegst du dir schon im Voraus, welche Sounds du haben möchtest, oder machst du das spontan vor Ort?
Ich plane meist nur sehr grob im Voraus. Bei der Schrottplatzgeschichte standen Metall-Sounds im Fokus. Das war’s auch schon mit der Planung! Ich war da hauptsächlich in Metall-Containern unterwegs und habe gekuckt, welche Gegenstände aus Metall da rumliegen. Diese werden dann gegeneinandergeschlagen, über den Boden gezogen, auf verschiedene andere Gegenstände geworfen, aneinander gerieben usw. Was genau alles möglich ist, hängt stark davon ab, was ich in den Schrott-Containern vorfinde. Manchmal ist es nicht sehr ergiebig. Manchmal ist der Container voll mit Metallrohren, Leitern, oder da ist auch mal ein alter, klappriger Herd dabei. Da lasse ich mich oft vor Ort inspirieren und gehe nur mit einer Grundidee hin. Ich nehme dann so lange auf, bis ich nicht mehr kann. (lacht)
Anschließend nehme ich die Sachen mit ins Studio und editiere, bis ich alle Aufnahmen durchhabe. Meistens habe ich eine reine Aufnahmezeit von 20 bis 60 Minuten. Zuerst markiere ich mir die Sounds, die ich für brauchbar halte, mache sie sauber, cleane und denoise sie so, damit, wenn ich sie verkaufen kann, andere Sounddesigner direkt damit arbeiten können.
In welcher DAW arbeitest du?
Ich bin da ein »Mutli-DAWlist«! Ich habe festgestellt, dass alle DAWs irgendwie toll sind, aber eine allein bietet selten alle Funktionen, die man braucht. Das hilft auch, motiviert zu bleiben, liefert neue Inspiration durch unterschiedliche Workflows. Pro Tools kommt auch manchmal zum Einsatz, aber eigentlich nur, wenn es für eine Produktion gefordert ist. Ich finde es für meinen Workflow zu langsam, sperrig und irgendwie veraltet. Deshalb würde ich für kreative Zwecke nie auf Pro Tools zurückgreifen. Wenn ich Filme, Werbung oder Image-Filme vertone, nutze ich Steinbergs Nuendo. Das ist meiner Meinung nach für den Fall am besten ausgestattet. Man kann zum Beispiel mit dem integrierten Direct-Offline-Processing und Automations-Features sehr effizient und schnell bei Mixing und Design arbeiten.
Für den wirklich kreativen Sounddesign-Workflow, wenn man sich inspirieren lassen und schnell viele Dinge ausprobieren möchte und mit Effekten und Automationen arbeiten will, nehme ich gerne Studio One. Gerade durch den superschnellen Drag&Drop-Workflow, Event FX, ARA2-Integration, Scratch Pads, Sampler One und intuitive Controller-Einbindung können viele Versionen und Variationen an Sounds schnell ausprobiert und erstellt werden, wobei man nicht ständig in Menüs rumklicken muss. Meiner Meinung nach eine der intuitivsten DAWs.
Für die Zukunft würde ich mir aber noch einige weitere Funktionen wünschen, damit es besser für Ton-zu-Bild-Produktionen eingesetzt werden kann.
Wie startest du beim Editing, und wie sieht da der Workflow aus?
Oft ist es auch so, dass gar keine klassische DAW zum Einsatz kommt. Beispielsweise dann, wenn die Sounds nicht weiter durch Layering und viel Effekt-Automationen designt werden, sondern nur der Sound selbst editiert und mit EQ und Dynamics gemastert wird. Dann arbeite ich eigentlich ausschließlich mit Audio-Editoren.
Meistens komme ich mit meinen Aufnahmen zurück, die mindestens in 96 kHz, meistens aber in 192 kHz aufgenommen wurden, was durchaus Sinn macht, wenn sie stark gepitcht werden sollen und mit entsprechenden Mikrofonen aufgenommen wurden. Ich lade mir die Files dann auf meinen Rechner und erstelle einen Backup-Ordner. Das heißt, ich kann wild drauflos editieren und hab im Notfall doch noch mein Backup.
Dann landen die Files meistens im RX 6 Advanced von iZotope. Der hat einfach diese dreidimensionale Ansicht, und ich sehe direkt, wo Probleme sind. Pegel in Frequenzbereichen, die man nicht gut oder gar nicht hören kann, kann ich so direkt visuell erfassen. Da mache ich dann einen ersten Denoising-Prozess für das gesamte File, filtere einzelne Störgeräusche raus, mache das ganze etwas cleaner und lege mit den Region-Markern schon mal Sound-Bereiche fest, die ich später auch als einzelne Sounds haben möchte. Wenn ich bei einer Datei fertig bin, kann ich die Region-Marker mit einem Shortcut exportieren − bei einer Datei können das schon mal an die 100 sein −, und ich habe dann jeden einzelnen Sound als separate WAV-Datei. Die kommen anschließend einzeln in Wavelab oder den Audio Editor Twisted-Wave, wo genau geschnitten, Fade-In und Fade-Out gesetzt und der Sound mit Kompressor, Limiter, EQ und mit einem Multiband-Transient-Designer bearbeitet wird! Das mache ich destruktiv und überschreibe immer die Ursprungs-Version.
Aus Selbstschutz gehe ich nicht in Versions-Schritten weiter, sondern sage: »So gefällt mir der Sound«, und überschreibe die Roh-Datei. Sonst springt man immer wieder zurück und probiert nochmal hier und da rum. Ich habe für mich selbst gesagt, dass ich eine Entscheidung treffe, die steht und unumstößlich ist, damit ich auch vorankomme. Wenn es reine, unbearbeitete Sounds werden sollen für Sounddesigner, die damit selbst was bauen, bin ich an dieser Stelle schon fast fertig. Manchmal lasse ich sie noch etwas ruhen, hör alle Sounds nochmal durch und checke, ob ich damit zufrieden bin und man das wirklich rausgeben kann. Falls mir dann auffällt, dass ich doch etwas überhört habe, nach dem ich stundenlang fiese Metall-Sounds bearbeitet habe, kommt der Sound zur finalen Schönheitskorrektur noch ins RX.
Wenn die Sounds dann aber noch designt und bearbeitet werden, würde ich sie dazu jetzt in Studio One oder Nuendo laden. Dort wird durch Editing wie Layering, Reversing, Pitch-Shifting, Time-Stretching und verschiedenste Effekte wie Filter, Delay, Reverb, Doppler, Modulation, Vocoder und unzählige Automationen für Volume, Panorama und etliche Effektparameter daraus etwas Neues geschaffen. Zum Beispiel wuchtige Cinematic-Impacts und Transitions für Trailer oder futuristische Waffen, pulsierende Raumschiff-Triebwerke, zauberhafte Magie-Effekte, verstörende Horror-Ambiences und vieles mehr.
Dann kommt der eher trockene Teil: die Dateien sauber benennen, ggf. in Unterordner sortieren und Metadaten eintragen. Damit werden die Files dann zu einem verkaufbaren Produkt. Das lasse ich mittlerweile extern machen!
Wenn das Soundpack dann fertig ist, wird es in den SoundBits-Online-Shop und die Plattformen der Vertriebspartner eingepflegt. Mittlerweile gibt es einige Menge tolle Plattformen für Independent Sound Effects.
Was sind Metadaten, wo gebe ich sie ein, und welche Begriffe sind wichtig?
Metadaten bei Soundfiles sind ähnlich wie das ID3-Tag einer MP3, wo Künstler, Songname, Produktionsjahr, Albumtitel usw. eingetragen werden können. Auch bei (BWF) WAV-Dateien ist es möglich, unzählige Metadaten einzutragen. Da kann man alles Mögliche eintragen und auch selbst Tags generieren, es sind keine Grenzen gesetzt.
Das Wichtigste ist allerdings das BWF-Description-Feld. Hier kommen Begriffe rein, die den Sound genauer beschreiben. Alles in den Dateinamen zu schreiben, würde diesen nur endlos lang und die Handhabung unkomfortabel machen. Im Dateinamen steht dann meist nur eine rudimentäre Beschreibung. Bei Ambience-Aufnahmen könnte das z. B. so aussehen: Ambience_Forest_Day.wav. Dann kann man im Dateinamen schon erkennen, um was es geht. In das BWF-Desciption-Feld würde man dann mehr ins Detail gehen. Dort könnte z. B. zusätzlich festgehalten werden, dass sich die Bäume etwas im Wind wiegen und knarzen, dass evtl. Vögel zwitschern, ein paar Insekten zu hören sind etc. Das hilft später sehr, den Sound gezielt wiederzufinden.
Dazu ist es sehr empfehlenswert, eine Sound-Effekt-Datenbank-Verwaltungssoftware zu verwenden. Gängige Tools sind zum Beispiel Soundminer, Basehead, Nuendos Media Bay und Soundly.
Du arbeitest ja viel mit Studio One. Was sind für dich die Vorteile dieser DAW?
Das intuitive Arbeiten! Alles, was man beim Sounddesign machen möchte, also die klassischen Edit-Sachen wie Time-Stretching, Rückwärts abspielen und mal schnell einen Effekt auf nur ein Audio-Event anwenden, geht in Studio One sehr schnell und ohne Umwege! Wo ich in anderen DAWs erst einmal das Insert-Effekte-Menü aufrufen und mich durch zwei weitere Drop-Down-Menüs durchklicken muss, um mir den gewünschten Effekt auszusuchen, gehe ich in Studio One rechts ins Menü, gebe über die Suchfunktion den Effekt ein, den ich benötige, ziehe den per Drag&Drop auf den Clip drauf und fertig!
Du hast ja bereits erwähnt, dass es mittlerweile unzählige Sound-Libraries gibt. Wie viele neue Sounds braucht der Markt noch? Ist er nicht längst gesättigt?
Ein Sounddesigner, der fähig ist, Sounds selbst zu bauen, wird dies sicherlich auch oft tun. Häufig ist aber nicht die Zeit dafür, das ist das Hauptproblem! Ein Sound-Editor oder Sounddesigner, der sich nur mit der Vertonung von Filmen beschäftigt, kommt oft nicht dazu, selbst Sounds aufzunehmen, zu cleanen, zu bearbeiten und ggf. zu designen. Die sind dankbar, dass sie auf bestehende Sounds zurückgreifen können.
Diese können natürlich auch wieder gelayert und gemischt werden, um perfekt zum Bildmaterial zu passen. Je mehr, je abwechslungsreicher und je besser das Ausgangsmaterial ist, desto effizienter kann der Sounddesigner arbeiten.
Oft ist auch nicht das Budget da, um von der Aufnahme über Sounddesign alles selbst zu machen. Es sei denn, es ist eine AAA-Spiele- oder Hollywood-Produktion. Und selbst da wird auch aus Zeitdruck extrem viel mit fertigen Sound-Libraries gearbeitet. Vor allem bei Waffen, Whooshes und Türen werden teils immer noch Sounds aus über 20 Jahre alten Sound-Bibliotheken verwendet. Es ist stets ein Bedarf an neuem Sound-Material und Klangvariationen vorhanden, der gedeckt werden will. Der Markt ist also vorerst nicht gesättigt!