Interview mit Björn Schoepke

Sounddesign für Casino-Automaten

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Wenn man an Sounddesign für Casino-Automaten denkt, hat wahrscheinlich jeder ein 8-Bit-Gedudel im Ohr. Das ist allerdings der Standard von vor 20 Jahren. Mittlerweile steckt in diesen Automaten eine große Technik und der Faktor Sound ist gar nicht so unbedeutend. Sounddesigner Björn Schoepke arbeitet für das Unternehmen Bally Wulff, das Geldspielgeräte für gewerbliche Spielhallen, Spielstätten und die Gastronomie herstellt. Im Interview erzählt Björn, wie er beim Sounddesign und den Musikkompositionen vor geht und wo der Unterschied zu PC-Games liegt.

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Erzähl doch mal, wie kamst du zum Sounddesign?

Björn Schoepke: Ich habe seit ich 17 bin immer mit dem Computer, damals mit dem Atari und einer Kette von MIDI-Musikinstrumenten, Musik gemacht. So kam ich dann auch zum Musikwissenschafts-Studium in Osnabrück, wo ich einfach ein bisschen mehr Hintergrundwissen bekommen wollte. Im Anschluss habe ich zusammen mit einem Kommilitonen eine Firma gegründet, die unter anderem den Soundtrack für das Rollenspiel Das Schwarze Auge produziert hat. Irgendwann habe ich dann die Firma Samplepark gegründet, die sich mit verschiedenen Musikstilrichtungen beschäftigt hat und wo wir viel im Auftrag für Firmen gearbeitet haben. Eine dieser Firmen war Bally Wulff, wo ich dann 2010 hin gewechselt und dafür auch nach Berlin gezogen bin.

Wie bist du dann zum Sounddesign für Geldspielgeräte gekommen?

Zum Sounddesign für Geldspielgeräte kam ich ganz einfach, weil einer der Hersteller Kunde von uns war und bei uns Sounddesign und Musik angefragt hatte. Da ich mich auch immer sehr für Computer interessiert habe, war natürlich auch elektronische Klangerzeugung für mich immer ein Thema. Insofern war mir der Anteil bei der Produktion von Orchestermusik für Das Schwarze Auge immer zu wenig und das wollte ich auch ausweiten. Da kam mir das Sounddesign für Geldspielgeräte ganz recht.

Ich hab zwar nie selbst gespielt, aber das Glückspiel hat mir immer sehr gelegen, ich mag einfach diesen Zufallsaspekt. Ich habe als Student auch auf Vernissagen zufallsbasierte Arrangements mit Ableton-Live aufgeführt, deren Ergebnisse für mich auch oft relativ überraschend waren! Deshalb fühle ich mich in dem Bereich auch gut aufgehoben. (lacht)

Sind die Anforderungen für das Sounddesign von Casino-Automaten anders als bei normalen PC-Games?

Ein wesentlicher Unterschied ist, das alles ohne Umschweife direkt mit dem musikalischen Thema oder der Kernidee beginnen muss. Man hat kaum Zeit, musikalisch was vorzubereiten, sowohl was Logo-Sounds als auch Musikstücke selbst angeht. Es muss immer alles gleich am Start sein. Da gibt es keine emotionale Vorbereitung.

Es ist auch ein stückweit Klischee-behafteter. Wenn ich den Leuten sage, was ich beruflich mache, singen die meisten Düd Düdelüdü. (lacht) Ich sage dann: ›Ja genau, das war vor 20 Jahren so!‹ Das ist aber trotzdem immer noch so in den Köpfen drin. Wenn man das jetzt in musikalischer Sprache beschreibt, gibt es natürlich in vielen Musikstücken etwas arpeggiohaftes, was den Spielfluss und das Spielgefühl des Spiels unterstützt.

Björn Schoepke Casion Sounddesign
Björn Schoepke in seinem Studio in Berlin (Bild: Salena Barnes )

Wie muss ich mir so einen Automaten vorstellen, das ist wahrscheinlich weit weg von einem einarmigen Banditen, oder?

Im Prinzip verfügt der Automat über einen Touchscreen, auf dem das Spiel läuft und bedient wird, und einen weiteren Screen, auf dem die Gewinne angezeigt werden. Diese Zweiteilung gibt es sehr häufig. In so einem Automaten sind heute zwischen 20 und 80 Spiele. Die Spiele ähneln sich natürlich, da sie oft den mechanischen Vorbildern nachempfunden sind. Es geht da jetzt aber nicht nur um das Auswürfeln von drei verschiedenen oder gleichen Symbolen. Es ist aber im Kern immer noch so, dass Zufallsergebnisse geliefert werden, die man dann als Spieler bewertet und sagt: ›Das war jetzt ein super Gewinn für mich!‹ Das ist dann auch die Herausforderung, bei der musikalischen Untermalung!

Hier habe ich prinzipiell eine große gestalterische Freiheit, muss allerdings das jeweilige Event emotional zustimmend musikalisch unterstützen. Ein Gewinn muss auch wie ein Gewinn klingen!

Wie sieht es mit der Soundqualität der Automaten aus?

Bis hin zu den Wandlern ist es natürlich handelsübliche PC-Qualität. Als Profi würde man da sagen: ›Ich habe schon mal etwas Besseres gesehen!‹ Das Nadelöhr waren bisher der Verstärker und die Boxen. Das nähert sich aber alles immer mehr einer Qualität an, die auch höheren Ansprüchen gerecht wird. Die Bildschirme haben auch HD-Qualität, was auch noch nicht so lange der Fall ist. So kann man sagen, dass auch die Sound-Hardware nach und nach aufgerüstet wird. Vor 15 Jahren war da noch ein Speaker auf der Rückseite des Automaten verschraubt und der Automat stand an der Wand. Inzwischen sind die Boxen besser positioniert und haben eine bessere Qualität. Aber natürlich wären da aus Hi-Fi-Sicht viele Wünsche offen.

Es kommt natürlich auch darauf an, wo das Gerät hängen soll. In Gaststätten legt man auf den Sound natürlich nicht so viel wert, weil da meistens noch eine andere Beschallung ist.

Spielt die Klangqualität der Automaten während der Produktion eine Rolle?

Ich höre die Musik auf jeden Fall auf den Geräten auch gegen und checke, ob es ungefähr noch das ist, was es sein sollte. Es ist aber nicht so, dass ich einen ganz speziellen Mix machen muss, denn ein guter Mix klingt auch auf den Geräten gut! Das ist so wie bei der alten Motown-Weisheit: Wenn das auf dem Autoradio gut klingt, dann habe ich auch gut gemixt.

Durch den Resonanzraum, den die Automaten haben − das sind ja meistens nur halb volle Geräte mit einem großen Luftvolumen − kann man natürlich versuchen, bestimmte Frequenzen reinzumischen, damit das Ganze voluminöser klingt. Das ist dann aber schon ein Spezialfall, der von Game zu Game unterschiedlich entschieden wird. Auf einer Stereo-Anlage wäre der Mix dann natürlich nicht mehr ganz so optimal.

Ein weiterer Faktor ist der interne Player in den Automaten. Ein Spiel umfasst ungefähr 20 Audiofiles. Dazu zählen Sounds, wie der der den Gewinn anzeigt bis hin zum kompletten Musiktrack. Der Spielablauf bestimmt dann, wann die Files abgespielt werden. Dadurch entstehen Situationen, in denen verschiedene Sounds gleichzeitig abgespielt werden, das ist auch nicht zu vermeiden. Wenn ich die ganzen Spuren im Sequenzer untereinander aufgereiht hätte und sie gemeinsam abspiele, würde man sagen: Ja, das klingt gut. Aber im Gerät tut es das eben nicht. Da muss man dann kreativ werden. Ich weiß auch nicht ganz genau, woran das liegt. Ein Punkt könnten Timing-Probleme und Phasenveränderungen sein und die Software es nicht hinbekommt, die Sachen gleichzeitig und samplegenau zu starten.

Wie gehst du einen neuen Sound für ein Spiel an?

In der Herstellungs-Kette bin ich oft weit hinten, die Spielidee und die einzelnen Situationen liegen oft schon vor. Ich schaue mir dann erst einmal an, was da animiert wird und wie das aussieht. Dabei versuche ich mir das auch klanglich vorzustellen und mache beispielsweise mit dem Mund Geräusche, die dazu passen könnten. Damit bekomme ich schon eine gewisse Fantasie davon, welchen Sound ich an den einzelnen Stellen selbst erwarten würde.

Wenn ich meine Klangvorstellung habe, suche ich entweder nach einem Sound, den ich vielleicht schon als Sample habe oder ich weiß, wie ich das beispielsweise in Reaktor mit einem Instrument erzeugen kann. Das sind meistens 50% von dem, was ich am Ende hören möchte. Dann versuche ich die einzelnen Momente auszuarbeiten. Man beginnt praktisch wie ein Bildhauer mit einem Klumpen, hat die grobe Idee und dann geht es darum, dem Geräusch Kontur zu verleihen. Das mach ich dann additiv, ich arbeite dann nicht an diesem einen Sample herum, sondern nehme das eine Sample als Basis und das nächste dazu. Teilweise nehme ich auch selbst akustische Samples auf, die ich dann verändere und versuche, dazu synthetisch erzeugte Äquivalente zu finden, die unterstützen, was ich an den einzelnen Stellen möchte. Dann kommt vielleicht nochmal was aus Omnisphere dazu und ich addiere das, bis ich zu dem Punkt komme, an dem ich sage: ›Das ist der Klang, den ich mir vorgestellt habe!‹

Mein Ziel ist es, beim Sounddesign einen Klang zu entwickeln, der zu der Animation und der Funktion passt, was familiäres und Eigenes hat und beides kann. Man soll nicht erschrecken aber es soll auch eigen und nicht wie der Sound sein, den man woanders schon mal gehört hat.

Arbeitest du frequenzorientiert und hangelst dich vom Bass über die Mitten zu den Höhen durch?

Sich anhand von Frequenzbändern zu orientieren, ist sicherlich hilfreich. Ich versuche auch oft Geräusche mit einer akustischen und synthetischen Herkunft zu kombinieren. Für mich sind das zwei gleichberechtigte Welten, die nicht dasselbe können. Ich hatte mal ein Blitz-Sample für eine Spielanimation. Das war das erste Mal, dass ich dachte: Ok, das musst du nur noch schneiden und das war’s . Normalerweise bleibt das nicht so und ich versuche die richtigen Frequenzen rauszuarbeiten und dem Sound einen passenden Raum zu geben. Im zweiten Schritt versuche ich noch etwas Synthetisches nachzubauen, was so ähnlich klingt, dem Ganzen aber einen anderen Charakter gibt.

Wie sieht deine Effekt-Bearbeitung aus?

Als erstes mache ich etwas mit Räumen. Mit Modulations-Effekten wie Flanger, Chrous und Co. bin ich sehr sparsam, und wenn ich sie einsetze, dopple ich das Geräusch, lege es mit einem Modulations-Effekt neu an und mische es dazu. Ich weiß, das kann man auch mit dem Mix-Regler im Plugin machen, aber das tue ich nicht, da es für mich so im Kopf übersichtlicher ist.

Bisher arbeite ich auch wenig mit solchen Tools wie Zynaptiq WARP, also Plug-ins mit sehr markanten und komplexen Effekten, das kann sich aber in Zukunft ändern. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass die Branche noch nicht so abgefahren ist. Was da rauskommt finde ich cool, kann ich aber bisher meinen Game-Designern nicht verkaufen, auch wenn ich von Plug-ins wie Wormhole total fasziniert bin. Was ich viel nutze ist Adaptiverb, was für mich auch eher ein Sounddesign-Reverb und Pad-Maker ist, da es nicht realistisch klingt. Verzerrer, Sättigung, Filter und Tools, die künstliche Obertöne erzeugen, nutze ich natürlich auch, um das Ganze in ein bestimmtes Licht zu rücken! Einige Parameter der Plug-ins automatisiere ich auch, weil ich bestimmte Effekte beispielsweise nur am Anfang haben möchte. Das wichtigste sind hier natürlich die Volume-Kurve und der jeweilige primäre Effektparameter. Das ist aber auch viel Try & Error.

Wie gehst du bei der Musikkomposition für das Spiel vor?

Die Grafik gibt so ein bisschen das Thema vor und ist entweder aus dem Fantasie-Bereich, spacig oder eher neutral, was die meisten Möglichkeiten bringt. Oft gibt es auch Agenten-Themen oder Spiele mit einem industrial-oldschool-Look, wo alles sehr maschinell und trotzdem wie im 18. Jahrhundert aussieht.

Ich halte dann ein Meeting mit den Game-Designern, wo wir dann über die Ideen sprechen und verabreden, dass wir zum nächsten Meeting Material zusammensuchen, das klanglich in die Richtung geht und kontextuell passt. Meistens ist es dann so, dass einem aus den verschiedenen Stücken nur bestimmte Parts, Sounds oder sogar nur einzelne Instrumente gefallen. Daraus entsteht dann ein Bild davon, welche Instrumentation, welches Tempo und welche Stilrichtung das Stück haben soll. Erst wenn wir beide wissen, in welche klangliche Richtung es geht − auch wenn wir beide verschiedene Geschmäcker haben − fange ich an und versuche erste Ideen zu entwickeln. Das mache ich erst einmal am Klavier, wo ich rumspiele, um Ideen, Melodien und Harmonien zu finden. Manchmal sind da auch theoretische Überlegungen dahinter, ob ich eher ein typisches Lied-Akkord-Schema aus vier Akkorden nehme, das sich wiederholen lässt. Oder ob ich durchkomponiert rangehe, alles wechselt sich ab und es gibt nie eine Wiederholung. Hier fängt man eher klangmalend eine gewisse Stimmung ein, die sich von Minute zu Minute weiterentwickelt. Das gibt es natürlich seltener, weil man einprägsam sein möchte. Da muss man sich natürlich schon am Anfang festlegen. Für ein orchestrales Stück habe ich ein Template, wo alle wesentlichen Instrumente vorgeladen sind. Meistens setzte ich die Sachen, die ich am Klavier komponiert habe, dann in Logic in einer Streichergruppe um. Bei kleineren Besetzungen habe ich keine Vorlage und fange mit den Instrumenten an, die für mich am wichtigsten sind. Bei etwas jazzigem würde ich erst einmal einen Akustik-Bass oder ein Brush-Schlagzeug nehmen, das hängt natürlich von der Stilrichtung ab.

Das heißt, du arbeitest auch viel mit Software-Instrumenten?

Zum größten Teil ja! Ich habe hier auch noch akustische Instrumente wie ein Flügelhorn, ein Saxofon, ein paar Gitarren, eine einzige Trommel und eben mein Klavier. Aber der Anteil an akustischen Instrumenten war in den vergangenen Produktionen eher geringer. Auch wenn ich mit dem Flügelhorn kein Konzert geben könnte, spiele ich gerne damit verschiedene Phrasen ein. Ich brauche dann vielleicht zwanzig Versuche aber irgendwann klappt es, und das verleiht dem Ganzen auch ein gewisses Flair!

Woher nimmst du die Inspiration für die Musik?

Wenn ich Ideen für Stücke entwickle, höre ich mir ganz viel Musik an. Dafür ist unsere Zeit natürlich grandios, da es so viel zum Anhören gibt. Daraus halte ich dann fest, was ich wo gut fand. Ich habe dann Playlists und halte das auch schriftlich fest. Dann entwickelt sich so langsam ein Bild. Das ist für mich das wichtigste!

 

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Coole Story! Klar, nicht nur die Telekom brauch Jingles für die Werbung. Macht bestimmt viel Spaß so Sounds zu basteln 🙂

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