Klangsucher

Interview mit Dieter Schöpf vom DS-audioservice

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Dieter Schöpf stellt mit seiner Firma DS-audioservice Mikrofone, Vorverstärker, Hallplatten, Studio-Monitore und mechanische »Problemlöser« her. Seit unserem letzten Besuch 2012 hat sich einiges getan — unter anderem die Entwicklung dynamischer Mikrofone für den Bühneneinsatz. Zeit für ein Update und die Frage, was guten Klang bei Bühnenmikrofonen ausmacht. Ein Blick in eine Werkstatt, in der die Sonderanfertigung den Normalfall darstellt.

Dieter Schöpf

Dieter Schöpf bietet mit seiner Anfang der 1990er-Jahre gegründeten Firma DS-audioservice individuelle Lösungen im professionellen Audiobereich. Im schwäbischen Rottenburg am Neckar fertigt er Studiomikrofone in Kleinserie von Hand, baut Preamps, Monitore, Stative und Popschutz-Eigenentwicklungen − zu seinen Kunden zählen etwa Sarah Brightman, Blind Guardian oder Studiogitarrist Peter Weihe. Für das nötige Hintergrundwissen hat er sich lange mit der Geschichte von Mikrofonen beschäftigt, eine umfangreiche Sammlung mit ungewöhnlichen und teuren Raritäten auf- gebaut und eine CD-ROM zur Mikrofongeschichte veröffentlicht.

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Um die Motivation des Mikrofonbauers nachzuvollziehen, hilft ein Ereignis, das sich vor ein paar Jahren in der Küche abgespielt hat: Seine italienische Kaffeemaschine aus Edelstahl hatte den Geist aufgegeben. »So etwas bekommt man fast nicht mehr abseits der großen Maschinen für den Gastronomie-Bedarf«, konstatiert Schöpf. Was tun? Ein günstiges Tchibo-Modell absolvierte seitdem seinen Dienst. Es sei billig und funktioniere besser als die meisten anderen, meint Schöpf. Das übliche Problem, die nötigen 15 Bar Druck aufzubauen, wurde anders gelöst: mit einer Zentrifuge, die durch die Zentrifugalkraft das Wasser durchdrückt. Das erfreut das Bastler- und Erfinderherz von Schöpf. Wenn das gewünschte Ergebnis auf einfache, unkonventionelle Weise erreicht werden kann, beeindruckt ihn das besonders, wie er sagt.

Mit seinem Equipment bedient er eine Nische abseits von Massenmarkt, maximaler Profitrate und dem reinen Diktat von Angebot und Nachfrage. Er entwickelt praktisch alles, was in seinen Ohren die Möglichkeit eröffnet, die Klangwelt zu verbessern. Dabei gilt für ihn: Weniger ist mehr, und je weniger an fragwürdigen Bauteilen dem eigentlichen Audiosignal im Wege steht, umso besser. Er erinnert sich an ein »Klangerlebnis« vor Jahrzehnten: Ein Musiker spielte einen Vox AC30-Verstärker, »englische Einstellung«, also alle Regler auf Anschlag. Das lebendige Obertonverhalten und der unmittelbare Klangeindruck faszinierten ihn. Schöpf selbst kommt musikalisch aus dem Jazz-Bereich, beschäftigt sich zudem mit Songwriter-Musik. Er kann sich für Musik vieler Stilrichtungen begeistern, »… solange sie konsequent gemacht ist.«

Bühnenmikrofon ADDY

Sein neuestes Projekt: »Ich wurde durch Nachfrage von Kunden sozusagen ›gezwungen‹, ein Mikrofon für die Bühne zu entwickeln.« Sie wollten eine Variante der Studiomikrofone für Live-Einsätze. Die Problematik mancher Bühnenmikrofone? »Nicht alle funktionieren gleich gut für zwei Aufgaben: Beschallung und Konzertmitschnitt«, erklärt Schöpf. »Und eine Sache, die mich bei Gesangs-Bühnenmikrofonen immer gestört hat, liegt in den extremen Artefakten begründet, wenn ein Sänger nahe an der Kapsel dran ist. Dazu werden Atem- und Spuckgeräusche unangenehm herausgestellt. Ich dachte mir nach der Erfahrung mit meinem eigenen Studio-Popschutz, dass sich das doch besser in den Griff kriegen lassen müsste.« Ein Bühnenmikrofon live über eine laute PA zu verstärken, funktioniere immer irgendwie. Der »nüchterne« Mitschnitt als objektive zweite Beurteilungsbasis offenbare allerdings Signalverfälschungen durch die verwendeten Mikrofonkörbe, die teilweise dicht und mehrlagig konstruiert sind, um als integrierter Popschutz Plosivlaute abzufangen. Dabei klängen Konsonanten mitunter unangenehm verformt, im Vergleich zu offener konstruierten Studiomikrofonen, so Schöpf.

Parallel bekam er ein Neumann KMS105 zur Reparatur, das ihn im Vergleich zu dynamischen Gesangsmikrofonen enttäuschte. Dazu sein Eindruck als Vergleichsbasis: »Das SM58 ist kein besonders tolles Mikrofon, aber es funktioniert − mit jeder Anlage, mit praktisch jeder Stimme. Ein beyerdynamic M88 klingt viel differenzierter, funktioniert für manche Stimmen gut, geht aber im Mix schneller unter.«

Mit einem ersten Kondensator-Kleinmembran-Aufbau sei er recht nah am Neumann-Mikrofon gewesen, erklärt Schöpf, »… mit allen Vor- und Nachteilen. So kam ich auf die Idee, stattdessen ein dynamisches Mikrofon aufzubauen, und habe rumexperimentiert. Am Ende kam ich zu einem Mikrofon, das sauber abbildet, und wo auch bei Aufnahmen der Eindruck entsteht, dass es sich um ein Kondensatormikrofon handeln könnte.« Er hat sein Modell ADDY getauft, was für »adjustable dynamic« steht. »Zunächst habe ich die Signale nur aufgenommen, weil ich für Live-Mitschnitte eine Verbesserung wollte. Am Ende war ich überrascht, wie positiv das Ergebnis auch über die Anlage funktioniert hat.«

Schöpfs ADDY(Adjustable Dynamic Microphone)- Bühnenmikrofon in Silber.
Schöpfs ADDY(Adjustable Dynamic Microphone)- Bühnenmikrofon in schwarzer Ausführung mit Clip am Stativ montiert.

Nahbesprechungseffekt

Gerade bei lauten Sängern − etwa im Heavy-Bereich − überzeuge oft das dynamische SM7 von Shure, erläutert Schöpf. »Das liegt am festen Abstand zur Kapsel von 5 Zentimetern. Dadurch wird ›Wummern‹ aufgrund eines zu ausgeprägten Nahbesprechungseffekts verhindert. Das brachte mich darauf, eine Einstellbarkeit zu realisieren, bei der jeder festlegen kann, wieviel Unterstützung der Sänger durch den Nahbesprechungseffekt braucht.« Der Effekt sei erstaunlich, auch bedingt durch die Hypernieren-Charakteristik des Mikrofons. »Durch den individuellen Mindestabstand kommt der Sänger nicht zu nah an die Kapsel, und der FoH-Techniker muss nicht nach Frequenzen suchen, um unnötiges ›Gewummer‹ zu entfernen.« Das Signal klinge bei vielen Anwendungen bereits fett und »fertig im Mix einsetzbar«, verglichen mit einem Shure SM58 oder SM57, so der Eindruck von Schöpf.

Auch das Gewicht sei ein interessanter Punkt für angenehmes Handling, manche Nutzer bevorzugten leichte, andere schwerere Mikrofone: »Zunächst wollte ich Edelstahl verwenden, wie bei meinen Großmembran-Mikrofonen. Viele großen Firmen verwenden ein Zinkgussgehäuse, um Masse zu haben − was Handling-Geräusche reduziert. Da hatte ich bei meinem eher leichten Gehäuse zunächst zu kämpfen«, so Schöpf. Das Mikrofon sei nun »in einem guten Bereich« und wiege lediglich 215 Gramm. Pop-Geräusche stellten im Gegensatz zu anderen Mikrofonen kein Problem dar.

Den Mikrofonkorb selbst hat er − wie bei seinen Großmembranmikrofonen − möglichst durchlässig gestaltet, um Kammfilter-Effekte zu reduzieren und die Impulswiedergabe zu erhalten. Das ADDY-Mikrofon ist in mattsilberner Aluminium-Ausführung und in Schwarz erhältlich, für je 475 Euro.

»Covert«-Wechsel-System

Beim MC251 Röhren-Großmembran-Mikrofone handelt es sich um Schöpfs Variante eines Telefunken ELA-M-251- Mikrofons, dazu bietet er ein MC800, seine Interpretation eines Sony C800. Vor einiger Zeit entwarf Schöpf ein Wechselkapsel-System als Sonderanfertigung für Blind-Guardian-Produzent Charlie Bauerfeind − vom Konzept her ähnlich den Wechselkapsel-Systemen, wie sie bislang auch die Hersteller Korby oder Lawson anboten. »Mir wurde klar, dass ich das Wechselkapsel-Thema generell aufgreifen sollte. Neben der Möglichkeit, bei der gleichen Elektronik die Kapseln wechseln zu können, war für mich auch ausschlaggebend, die Elektronik − den Body − zu wechseln. So sind mit verschiedenen Elektroniken unterschiedliche Charakteristiken in Kombination mit einer Kapsel zu realisieren.« Als Beispiel erwähnt er seine Röhren- und FET-Schaltungen. »Mit zwei Bodys unterschiedlicher Technologien und drei Köpfen habe ich als Anwender jede Menge klangliche Möglichkeiten. Er bietet bislang sechs Kapseln − darunter seine Interpretationen von U47, Sony C800 und Telefunken ELA-M 251 − sowie zwei unterschiedliche FET-Body-Varianten und drei Röhren-Bodys an. Dazu können Mikrofone individuell angepasst werden. Ein FET-Body kostet 1.190 Euro, die Röhrenvarianten je 2.320 Euro. Pro Kapsel fallen jeweils 952 Euro an.

Convert-»Familie«: Mikrofon-Body und verschiedene Kapseln
Links Schöpfs Variante der Sony C800-Kapsel, daneben ein U47-Kapseltyp
Schöpfs Bändchenmikrofon, mit eingebautem Preamp; alternativ bietet er eine Version mit »Pre-Preamp« an.

Bändchenmikrofon

Der Mikrofonbauer schätzt generell das Spektrum feindynamischer Details, die seiner Meinung nach bei etablierten Mikrofonen oft verschluckt werden. Passend zu diesem Thema hat Schöpf ein eigenes Bändchenmikrofon im Programm, das die Vorteile des Bändchenmikrofons − schnelle Impulswiedergabe aufgrund geringer Masse des Bändchen-Elements −, gepaart mit natürlicher Wiedergabe des Obertonspektrums bieten soll. Mehrere Kunden nutzen es beispielsweise für Kontrabass, »… weil es das Signal eins zu eins gut reproduziert und die Acht-Charakteristik des Bändchens ideal funktioniert, um in einer Live-Anwendung bei passender Positionierung umliegende Schallereignisse auszublenden.« Im Bändchenmikrofon hat er einen eigenen regelbaren Preamp verbaut, mit dem direkt ein Wandler mit Line-Pegel angesteuert werden kann.

Alternativ hat er für den Sender RBB (Radio Berlin-Brandenburg) eine Variante mit sogenanntem »Pre-Preamp« verbaut, der mit Phantomspeisung betrieben wird. Dieser dient dazu, das Signal zu vorverstärken, um problemlos jeden normalen Preamp ansteuern zu können − ein bekanntes Problem des eher »pegelarmen« Mikrofontyps, der einen passenden Vorverstärker benötigt. Einen Pre-Preamp bietet er auch als kompaktes separates Modul für andere Bändchenmikrofone an. Ein interessanter Nebeneffekt: »Dynamische Mikrofone wie ein Shure SM57 blühen über diesen Pre-Preamp regelrecht auf und klingen deutlich sauberer. Ein weiterer Vorteil: Der Pre-Preamp hat, scharf angefahren, intern eine sanft arbeitende Limitierungs-Funktion, was laut Kundenerfahrung für Bassdrum- und Snare-Signale gut funktioniert. Manchmal war die Sättigung ein bisschen kräftig, deswegen habe ich inzwischen ein schaltbares Pad eingebaut.« Das Bändchenmikrofon kostet gut 1.700 Euro mit komplettem Preamp, die Variante mit Pre-Preamp für Phantomspeisung 1.500 Euro. Ein separater Pre-Preamp liegt bei 140 Euro.

Impedanz-Matching

Schöpf bietet ein kleines Kästchen, den sogenannten Hi-Z, mit einer Anpassung, um ein hochohmig ausgeführtes Mikrofon wie etwa das dynamische AKG D19Hi-Mikrofon (im Gegensatz zur »normalen« D19-Version) ohne zusätzlichen Zwischenübertrager mit einem herkömmlichen niederohmigen Preamp nutzen zu können. »Diese hochohmige Mikrofonvariante hat an alten Tonbandgeräten funktioniert, bei denen hochohmige Eingänge vorhanden waren. Mit einem modernen Vorverstärker mit niederohmigem Eingang funktionieren diese Mikrofone hingegen nicht. Richtig angepasst, klingt das Mikrofon überraschend gut.« Das Hi-Z-Modul agiert bei Bedarf auch im Sinne einer herkömmlichen DI-Box, um ein hochohmiges Gitarrensignal auf den Mikrofoneingang im Pult zu schicken − eine Konstellation, die er selbst auf der Bühne verwendet. Der Preis liegt bei 119 Euro.

Regelbarer »Pre-Preamp« als externes Modell, um etwa Impulsverhalten und Verstärkung von dynamischen Mikrofonen zu optimieren: Schöpf zeigt sich vom Effekt beispielsweise beim Shure SM57 begeistert.
Kleines Helferlein: hochohmige An- passung etwa für Mikrofone wie das AKG D19Hi auf einen herkömmlichen Mikrofoneingang

Hallplatte

Vor rund acht Jahren begann er, sich dem Aufbau analoger Hallplatten zu widmen. Verglichen mit dem Vintage-Modell EMT140 wollte er den Effekt kompakter und leichter bauen sowie im klanglichen Ergebnis die Höhenwiedergabe optimieren.

Die erste Hallplatte ging an einen Musikhörer, der seine Lieblingsmusik beim Hören damit anreichern wollte. »Zum Glück gibt’s noch genug verrückte Menschen, wie ich es auch bin«, meint Schöpf schmunzelnd. Kurz darauf kauften der RBB und auch Daniel Dettwiler vom Schweizer Studio Idee und Klang größere Exemplare. Das sei vom Raumeffekt in etwa der Schritt »von der ›Kirche‹ zum ›Dom‹ «, habe ein Kunde die gefühlte Hallraumgröße beschrieben.

Mittlerweile hat er die Dämpfungskonzeption für ein natürlicher klingendes Ergebnis überarbeitet. Statt der bisherigen Größe (120 x 75 x 15 cm) fällt das »Standard-Modell« dadurch mittlerweile mit 120 x 80 x 30 cm etwas größer aus als vorher, das Gewicht liegt bei grob 30 Kilogramm.

Drei Hallplatten-Größen werden im Portfolio angeboten: links »The Dome«, daneben die Standard-Größe, rechts die »Plate To Go«.

Neben der großen »Dome«-Variante − rund 140 x 130 x 30 cm − bietet er auch kleinere, sogenannte »Plate To Go«- Modelle für resonanzreichere Hallfahnen abseits natürlicher Klänge, die sich beispielsweise für Gitarrensignale und Snare gut eignen.

Das normale Modell kostet 2.500 Euro, die »Dome«- Version 3.332 Euro, die Plate-To-Go ist − je nach Größe − ab 833 Euro erhältlich.

Und die Geschichte mit der Kaffemaschine? Mittlerweile ist es doch wieder ein italienisches Modell geworden, das im Ergebnis nahezu ideal funktioniert, wie der Besuch zeigt. Das wiederum gibt viel über Dieter Schöpf preis, seinen suchenden, undogmatischen Optimierungsgeist: Am Ende zählt das Ergebnis, möglichst nahe Richtung Perfektion.

www.ds-audioservice.de

»Gesamtprogramm«: Arbeitsplatz »einer bekannten Sängerin«, so Dieter Schöpf, ausgestattet mit Schöpfs Mikrofonstativ, Popschutz, Mikrofon, Preamp, Monitor-Controller und Monitoren, noch ohne raumakustische Maßnahmen (Bild: Nicolay Ketterer)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Danke – nett, wenn jemand das eigene Herzblut lebt und frei (er)schaffen kann, was in einem ist. Mir hätten auch ein paar Messdiagramme gefallen, denn solche übermitteln einen gewissen technischen “Überblick”. Natürlich muss man ein Mikro gehört haben. Dennoch, wenn ich hier vor dem Monitor solche Berichte lese, ist es hilfreich sich ein wenig an die Messdiagramme und Messwerte zu orientieren. Ein paar technische Angaben wären auch hilfreich gewesen. Mit Bezug darauf gibt ein Blick auf der HP auch nichts her. Schade.

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