Mit zwei Dutzend Top-Ten-Hits, drei Nummer-1-Alben seit seinem internationalen Durchbruch im Jahr 2009 und 40 Millionen verkauften Platten kann David Guetta eine unfassbare Erfolgsgeschichte vorweisen. Er wurde schon als »Godfather of EDM« eingestuft, und tatsächlich hat er eine entscheidende Rolle gespielt für das bemerkenswerte Wachstum von EDM — von einer eher uncoolen, großraumig angelegten Techno/Electro/Dubstep-Mixtur zu einem der wesentlichen Musikindustrie-Goldesel. Die Verschmelzung von Pop, Hip-Hop, R’n’B und EDM, die heute weite Teile der Charts mit EDM-/Dubstep-artigen Drops füllt, die den Refrain als Main-Hook ersetzen, ist zu keinem geringen Teil seinem Einfluss geschuldet. Wie Guetta mal treffend in einem Interview bemerkte: »Nicht nur ich bin ein Teil des Mainstreams geworden, sondern meine ganze Szene.«
Unüblicherweise kam der ganz große Erfolg, als Guetta schon 20 Jahre im Geschäft war, und so sollte er die weltweite Jugendkultur prägen, während er selbst schon in seinen 40ern war. 1967 geboren, verbrachte der Franzose die ersten Jahre seiner musikalischen Laufbahn als DJ in Pariser Clubs. Über das Auflegen hinaus war er während der 90er wenig musikalisch aktiv, lediglich veröffentlichte er zwei Singles, von denen keine viel Aufmerksamkeit erregte. Das Blatt wendete sich 2001, als er mit Just A Little More Love (featuring Chris Willis) einen Hit in französischsprachigen Ländern hatte, im folgenden Jahr auch mit dem Album gleichen Namens. Im Laufe von 15 Singles und zwei Alben internationalisierte sich Guettas Reichweite, und aus der Welle wurde ein Tsunami mit seinem 2009er-Megahit When Love Takes Over (featuring Kelly Rowland, co-komponiert mit Fred Rister). Zu dem Zeitpunkt war Guetta schon 42.
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Seine drei letzten Alben One Love (2009), Nothing but the Beat (2011) und Listen (2014) waren Multi-Millionen-Seller, zusätzlich kamen bislang neun Ausgaben der von Guetta zusammengestellten Dance-Compilation-Reihe Fuck Me I’m Famous heraus, ebenso wie unzählige Gastauftritte, Produktionen für Tracks anderer Acts und Remixe. Das alles führte zu Awards und Nominierungen, wie sie auf keine Kuhhaut gehen, inklusive Grammy, American Music, Billboard, DJ und MTV Europe Music Awards.
Als echter A-Promi ist er natürlich nicht leicht für ein Interview zu bekommen. Die zwei Gespräche, die diesem Artikel zugrunde liegen, sind neun Monate zuvor anberaumt worden und waren nicht zuletzt deshalb überhaupt möglich, weil Guetta ein Thema hatte, zu dem er sich äußern wollte: ein neues Album namens 7. Das Interview lief schließlich per Telefon und per Skype, während der Franzose in seiner Sommerresidenz auf Ibiza weilte. Um das neue Album zu promoten, hatte Guettas Plattenfirma Warner Ibizas wichtigstes Aufnahmestudio Sonic Vista angemietet. Betrieben von Engineer, Mixer und Producer Henry Sarmiento, ist Sonic Vista auf der Insel der Hotspot für hochwertige Aufnahmen.
Wahrscheinlich gerade mitten in einer Phase mit nennenswertem Promo-Stress, erläuterte Guetta das eher ungewöhnliche zweigeteilte Albumkonzept, das dem seines Albums Nothing but the Beat ähnelt. 7 besteht aus kolossalen 27 Stücken und ist aufgeteilt in ein »Pop Album« und ein »Electric Album«. So legt das Album eine kurvenreiche Strecke durch die Genres zurück, von EDM-/Pop-Songs inklusive der bereits veröffentlichten Singles Don’t Leave Me Alone (featuring Anne-Marie), Flames, 2U und Like I Do (mit Martin Garrix and Brooks) zu eigenwilligeren Vocal-Stücken wie I’m That Bitch (featuring Saweetie) und Motto (featuring Lil Uzi Vert, G-Easy und Mally Mall, hörbar inspiriert von Atlanta-Trap). Bevor das Electronic Album dann weitgehend aus unverfälschtem, instrumentalem House besteht, veröffentlicht unter dem Namen Jack Back.
»Das Album heißt 7, weil es mein siebtes Album ist, und mit der 7 schließt sich für mich ein Kreis: Ich habe die ursprüngliche Energie von damals wiedergewonnen und will einfach nur Spaß haben und experimentieren«, setzt Guetta an. »Es gibt ja verschiedene Phasen im Dasein als Künstler. Meistens ist der Anfang die spannendste, weil die Motivation aus der Liebe zur Musik und aus einer positiven Leidenschaft heraus kommt. Man erwartet nichts, deshalb probiert man verschiedene Dinge aus und geht experimenteller heran. Danach kommt die zweite Phase, in der man auf der Höhe seiner Popularität ist, und dann bekommt man Angst. Wenn vorher Leidenschaft die treibende Kraft war, wird es nun Angst, und die ist ganz sicher kein guter Ratgeber, wenn es um Kreativität geht. Ich habe das Gefühl, jetzt in der dritten Phase zu sein, und deren Motto ist: ›Ich gebe einen Scheiß auf alles, ich will einfach Spaß haben.‹ Deshalb mache ich so viele verschiedene Sachen auf dem Album. Ich liebe Musik im Allgemeinen, und ich liebe es, verschiedene Sachen zu machen. Also habe ich das einfach getan.
Ich hatte ein paar Jahre, die wirklich traumhaft gelaufen sind, für mich und alle in meiner Szene. Nach diesen ganzen Platten, die in den Mainstream gecrosst sind, wie Sexy Bitch und I Gotta Feeling, gab es einen Moment, wo diese Art von Musik eine gewisse Allgemeingültigkeit hatte, genauso gut beim Festival wie in einer Bar oder im Radio funktionierte. Aber ich spüre, dass dieser Moment vorbei ist, deshalb versuche ich gar nicht mehr, diese Mitte zu finden. Stattdessen dachte ich mir: ›Okay, wenn es elektronisch und clubby wird, soll es das auch wirklich auf Undergrund-Level sein. Und wenn ich Pop mache, wird es richtig poppig.‹ Ich mache nicht irgendeinen Halbwegs-House. Das ist die Idee des Albums. Ich vermische nicht mehr ein bisschen hiervon und ein bisschen davon. Stattdessen gehe ich mit jedem Track zu 100 % in eine Richtung.«
Kooperation
Don’t Leave Me Alone, der Opener des Albums 7, zudem als Single veröffentlicht, ist ein Beispiel für diese Unterscheidung, denn es klingt wie der Inbegriff der aktuellen Pop- /EDM-Welle. Tatsächlich schrieb Guetta es zusammen mit einigen einschlägigen Baumeistern dieses Musikstils, nämlich mit dem schwedischen Gespann Linus »Lotus IV« Wiklund und Noonie Bao plus der australischen Songwriterin Sarah Aarons. Guetta erläutert, warum das Album mit diesem Track beginnt:
»Ich bin DJ, also liegt es mir, von einem Song zum nächsten eine Geschichte zu erzählen − natürlich ist die Reihenfolge der Stücke wichtig, wenn man ein Album macht. Da ist nichts zufällig. Ich habe entschieden, das Album sehr poppig anfangen zu lassen, mit lockerer Feel-good-Musik: Don’t Leave Me Alone ist eine coole, anspruchsvoll-emotionale Nummer, die ich für ziemlich besonders halte. Anschließend gehe ich anderswo hin. Drive ist ein eher zeitloses Stück. Die Arbeit daran war interessant, weil ich den Track mit Black Coffee gemacht habe [einem südafrikanischen Producer und DJ], der vom Deep House kommt und mehr im Underground verwurzelt ist als ich. Er wollte immer weniger in den Track geben, während ich immer mehr will. Ich neige dazu, große Refrains einzubauen und sie dann noch mehr strahlen zu lassen, und er sagt immer: ›Lieber weniger von allem.‹ Wir haben uns in der Mitte zwischen unseren Welten getroffen. Gesungen wurde das Stück von der superfrischen Newcomerin Delilah Montague.
I’m That Bitch hat einen frischen Sound, der es aufregend macht. Es ist wirklich anders als der ganze Rest. Ich glaube, das Geheimnis eines echten Hits ist die Kombination eines frischen, aufregenden, neuen Sounds mit einer zeitlosen Melodie. Wenn man nur eines dieser Elemente hat, wird es schon super, aber mit beiden zugleich hast du eine Riesennummer. Ich habe das Stück mit Stargate geschrieben, die eine eher Hip-Hop-mäßige Vorstellung von dem Stück hatten. Ich habe dann vorgeschlagen, etwas anderes daraus zu machen. Ein paar Leute von Warner kamen im Studio vorbei und hatten eine Sängerin dabei, Saweetie, die dann die Lead-Vocals des Tracks übernahm.«
DJing vs Songwriting
Guetta hat sich im Laufe seiner Karriere auf ein paar wenige regelmäßige Kollaborateure hinter den Kulissen verlassen, insbesondere − in chronologischer Reihenfolge − Joachim Garraud, Fred Rister und Giorgio Tuinfort. Rister z. B. betont im begleitenden Interview, dass er ganz und gar kein Ghost-Producer sei, denn Guetta sei wesentlich und sehr konkret an Song writing, Programmierung, Arrangement, Produktion und Mix beteiligt. Dies wird übrigens auch durch die Art belegt, wie Guetta selbst seine Studioaktivitäten beschreibt…
»Es fängt damit an«, erklärt Guetta, »dass ich mit Song – writern, die ich selbst ausgewählt habe, im Studio sitze. Das ist essenziell, und ich glaube, das ist etwas, was mir leichtfällt: Ich habe oft eine Idee für einen Song, aber wenn jemand einen bestimmten Stil besser als ich draufhat, habe ich kein Problem damit, diese Person zu fragen, ob sie mit mir arbeiten möchte. Man hört den Unterschied, wenn jemand den Sound eines anderen Producers nur kopiert, daher ziehe ich es vor, direkt zu demjenigen Producer zu gehen und mit ihm zu arbeiten. Das ist es ja, wofür ein Producer da ist. Man umgibt sich mit diesen Leuten, die das können, was man selbst nicht kann, aber sie setzen immer noch meine eigene Vision um. Es kommt darauf an, etwas mitzuteilen, und es ist okay, wenn andere Leute dabei helfen, es auszudrücken.
Auf jeden Fall hasse ich es, allein zu arbeiten. Es ist einfach so viel netter, Ideen auszutauschen und zusammen zu entwickeln. So kommt mehr Begeisterung auf, während ich jedes Mal, wenn ich allein etwas mache, das Gefühl habe, emotional zu sehr daran hängenzubleiben. Es ist gut, jemanden dabei zu haben, der sagen kann ›Das ist supergut‹ oder eben ›Das ist nur okay, vergiss es‹. Ich arbeite oft mit Giorgio [Tuinfort], der als Piano-Wunderkind auf einem komplett anderen Level agiert. Er ist klassisch ausgebildeter Musiker und bringt etwas mit, was ich nicht habe. In seiner Gegenwart berühre ich keine Klaviatur, weil es mir peinlich wäre! Und weil ich zu schüchtern bin, um selbst zu spielen, frage ich ihn ›Kannst du diesen Akkord ändern‹, oder sowas, und konzentriere mich selbst auf die Drums, Beats und Sounds.
Bei der Produktion des neuen Albums war Giorgio aber manchmal nicht da, also musste ich selbst zurück ans Keyboard. Das hat sich aber als positive Herausforderung herausgestellt. Ich hatte das Gefühl, mit dem Rücken an der Wand zu stehen: Ich bin in einer Session mit Songwritern, und irgendjemand muss diese Musik spielen! Also musste ich das übernehmen, und tatsächlich sind dabei einige tolle Dinge entstanden.«
Drop the Drop
Guetta kam in seinen Betrachtungen zum Wesen der Kollaboration auf seine Arbeit mit Fred Rister zu sprechen, nicht ohne dabei ein paar Filetstückchen der Producer-Weisheit herauszurücken: »Bei der Arbeit im Studio ist die Energie entscheidend, die dort entsteht. Manchmal ist es schwer zu sagen, warum eine Platte gut geworden ist. Wenn du positive Energie zwischen den Leuten hast, bekommst du meistens großartige Ergebnisse. Auch das macht die Arbeit mit Fred aus, denn er ist ein wunderbarer Mensch, wir fühlen uns superwohl miteinander. Wir sind enge Freunde, die ein paar großartige Platten zusammen gemacht haben.
Genau wie ich hat Fred als DJ angefangen, auch daher verstehen wir uns. Wir kommen aus ähnlichen kulturellen Zusammenhängen. Er spielt auf seine ganz eigene Art, und ab und zu kommt er mit nie gehörten Akkordfolgen daher. Er hat keine klassische Ausbildung, daher hat er erst gar nicht die Gewohnheit, erstmal I-VI-IV-V zu spielen, die beliebteste Akkordfolge in Dur, sondern probiert einfach Dinge aus. Er kennt die ganzen Formeln erst gar nicht. Er legt einfach seine Finger auf verschiedene Tasten, und manchmal entsteht genau dadurch die Magie. Ich liebe das. Es war magisch vom ersten Moment an, als wir uns zusammen – gesetzt und zusammen gearbeitet haben.«
Rister ist irgendwann ernsthaft erkrankt, mit guten und schlechten Phasen über viele Jahre hinweg, deshalb ist seine Arbeit mit Guetta sporadischer geworden. Allerdings hat er an einem der elektronischeren Tracks auf 7 mitgearbeitet, der House-Nummer Think Think Think. Im Gegensatz dazu ist ausgerechnet der Album-Opener Don’t Leave Me Alone, der wie prototypischer EDM/Pop klingt, auf ziemlich altmodische Art entstanden, indem nämlich alle Songwriter im selben Raum waren, anders als bei den vielen »über’s Internet komponierten« Songs, die die heutige Popwelt bevölkern.
»Wir waren bei Linus und Noonie zu Hause, wo sie auch ein Studio haben«, erzählt Guetta. »Sarah [Aarons] war auch da. Wir haben bei Null angefangen. Linus spielte mir vier verschiedene Akkordfolgen vor, ich suchte eine davon aus, und mit der ging es weiter. Nach meiner Erfahrung ist es einfacher, einen Song nur auf Grundlage der Akkorde zu schreiben als zu einem schon fertigen Instrumental. Darüber lässt sich natürlich diskutieren, und ich habe schon auf viele verschiedene Arten Songs geschrieben, aber für mich ist dies die beste Methode. Denn wenn man schon einen arrangierten Track mit Four-to-the-floor-Kickdrum und einem Tempo von 128 bpm hat, schreibt man erst gar nicht den Text, der einem zu den Akkorden sonst einfiele, weil man automatisch denkt: ›Oh, das ist Clubmusik, da muss ich übers Partymachen schreiben.‹ Ein Produzent versucht immer, das Beste aus den Leuten zu holen, mit denen er arbeitet, und man sollte einen Songschreiber [hier meint Guetta wohl: Texter] nicht in eine Ecke zwingen. Man gibt ihm oder ihr die Freiheit, sich selbst auszudrücken.
Wir haben also mit den Akkorden angefangen und ein paar Arpeggios an den Anfang gesetzt, und dazu haben sie dann den Song geschrieben. Ich habe die Drums programmiert und im Refrain so eine 2-Noten- Kadenz eingebaut, wie sie auch in 2U vorkommt, dem Song, den ich mit Justin Bieber gemacht habe. Das hat dem Song eine gewisse Energie gegeben und auch die weitere Komposition beeinflusst. Als wir dann beim Drop ankamen, hatten wir die Idee, da die verschiedenen Elemente zu kombinieren. Ich wollte nicht nur Vocal-Chops, weil das schon viel gemacht worden ist, also haben wir Vocal-Chops mit SynthSounds kombiniert, was meiner Meinung nach ziemlich cool klingt. Es ist tatsächlich so: Drops sind jetzt Teil der Popmusik. Es ist der neue Standard, und da ich ohnehin von der Dance-Musik komme, liebe ich es, sie einzubauen. Tatsächlich sind sie inzwischen so verbreitet, dass es ein neuer Ansatz wäre, einen Song ohne Drop zu machen!«
Nach dem Songschreiben steht als Nächstes der Produktionsprozess an, der langwierig und aufwendig sein kann. Guetta: »Das Demo aufzunehmen und die Produktion sind zwei unterschiedliche Prozesse beim Musikmachen. Das Demo zu machen ist normalerweise am aufregendsten. Es ist ausschließlich Spaß. Produktion erfordert mehr Geduld, und außerdem zeigt sich dabei manchmal, ob ein Song wirklich gut ist oder nicht. Wenn man das Gefühl hat, einen Track nicht fertig zu bekommen, liegt das Problem oft nicht in der Produktion, sondern darin, dass die ursprüngliche Idee nicht gut genug ist. Das passiert oft.«
In allen Stadien der Produktion arbeitet Guetta mit Ableton, der DAW seiner Wahl. »Ich benutze Ableton jeden Tag, pausenlos«, erläutert Guetta, »sowohl für die Produktion als auch für Live-Sets. Es ist super zum Komponieren und um Edits zu basteln, dafür ist es sogar unglaublich. Und zum DJen gibt es absolut ohne jeden Zweifel nichts Besseres als Ableton. Als DJ versuche ich, den Leuten bei jedem Gig eine einmalige Erfahrung zu bieten, deshalb ist jedes Stück, das ich spiele, ein einmaliger Edit. Ich spiele nicht die regulären Versionen meiner Hits. Stell dir vor, ich müsste nach zehn Jahren immer noch die Original-Version von I Gotta Feeling spielen! Dann würde ich mich umbringen!«
Obwohl er beim Komponieren deutlich die Kollaboration vorzieht, verbringt Guetta seiner Schilderung zufolge anschließend viel Zeit damit, allein die Stücke zu formen und zu mixen, die er mitverfasst hat. Da er den größten Teil seiner Zeit auf Reisen verbringt, tut er dies einfach auf seinem Laptop mit Ableton, also komplett in the box. Nichtsdestotrotz hat er ein kleines In-the-box-Setup in seinem Haus auf Ibiza, aufgebaut vom benachbarten Sonic-Vista-Betreiber Henry Sarmiento, der schildert, Guetta habe »… Genelec 1234-Monitore mit einem Subwoofer, Barefoot Sound MicroMain27-Gen2-Monitore, einen Burl Audio B26 Orca als Monitor-Controller, ein paar MIDI-Keyboards, einen Mikrofonständer und ein AKG-Mikrofon. Er stöpselt sein Laptop direkt in den Burl Audio B26 Orca«.
Guetta führt aus: »Ich bin sehr zufrieden mit den riesigen Genelecs, und ich liebe die Barefoots. Sie sind unglaublich für ihre Größe! Wenn ich hier bin, lade ich manchmal Leute zum Komponieren ein, und dafür baue ich in jedem Raum ein Mini-Studio auf, jeweils mit Barefoots. Sie klingen immer gut, mit wirklich gutem Bass, selbst wenn die Räume nicht akustisch bearbeitet sind. Für mich ist ein gutes Studio ein guter Raum mit ein paar guten Monitoren und einer Soundkarte, und das ist es. Aber manchmal benutze ich eben nicht einmal die Soundkarte, sondern nur meinen Laptop. Früher habe ich Vocals und Instrumente zu Hause aufgenommen, aber inzwischen habe ich die Erfahrung gemacht, dass es für mich besser funktioniert, in ein richtiges Studio zu gehen und für diese Aufgaben einen Engineer anzuheuern.«
Was Software betrifft, hat Guetta seine Ableton DAW mit einigen Software-Synths und Plug-ins eingerichtet. Während er die Software auf seinem Laptop durchforstet, erläutert er: »Als Basis-Synths habe ich hier LennarDigital Sylenth und anderen sehr verbreiteten Kram wie reFX Nexus, wenn es schnell und effizient gehen soll. Dann habe ich hier Native Instruments Massive, wobei ich aber häufiger reFX Serum nutze. Serum liebe ich sehr. Meinem Gefühl nach ist Serum klanglich gleichwertig mit Massive, aber eben viel einfacher in der Handhabung. Und ich bin ein Faulpelz. Ich will leichte Anwendung, und ich muss nicht unbedingt Sounds vom Nullpunkt an kreieren. Wenn ich einen Sound schon habe, der mich anmacht, gebe ich nur noch richtiges EQing, Reverb, Kompression und so weiter dazu, dann ist es gut. Aus demselben Grund habe ich einen Ordner mit Risern [d. h. mit dramatischen Build-Up-Sounds, die gern kurz vor dem Drop eingesetzt werden]. Man baut einmal einen Riser selbst, aber würdest du jedes Mal einen neuen erstellen? Warum solltest du? Ich bin ein praktisch orientierter Typ, und ich habe meine Zeit nicht gestohlen.
Ein weiterer Synth, den ich mag, ist der Vengeance VPS Avenger, der ein bisschen wie der Nexus ist, aber dabei ein echter Synthesizer. Mit Nexus ist man eingeschränkt in den Möglichkeiten, die Sounds zu bearbeiten. Der Avenger hat auch extrem gut produzierte Klänge, also muss man sie nicht wirklich noch irgendwie behandeln. Man kann sie zwar modifizieren, wenn man möchte, aber sie klingen ohnehin schon wahnsinnig.
Ich benutze auch Arturia-Synths. Für die elektronischen Tracks auf 7 habe ich sie viel eingesetzt, sie sind super für klassische, analoge Sounds. Arturias Kram ist sehr gut, auch wenn er die CPU ziemlich in Beschlag nimmt.
Ein weiterer Synth, den ich mag, ist der u-he Diva. Ich benutze nie die Synths in Ableton, da sie nicht anwenderfreundlich sind. Jemand hat mir mal gezeigt, wie sie gespielt werden, also habe ich mal angefangen, sie zu benutzen, bin aber nicht damit warm geworden. Das ist es, was am Sylenth so nett ist: Er ist einfach zu benutzen, auch wenn man bei Null anfängt.«
Im Hinblick auf Samples gibt Guetta zu Protokoll, sie tendenziell einfach auf der Spur zu platzieren, außer im Fall von Drum-Samples, »… für die ich Ableton Sampler nutze, aber nur geladen mit meinen eigenen Sounds«. Anschließend schwärmt er von iZotopes VocalSynth 2: »Den haben wir viel für 7 benutzt. Das hat echt Spaß gemacht. Das Ding hat mich umgehauen. Komplett irre! Das war das Aufregendste für mich bei diesem Album: Vocals bearbeiten zu können und dieser Harmonisierungs-Kram. Man kann diesen harmonisierenden Vocoder-Effekt auch vom Antares Harmony Engine EVO [Plug-in] bekommen, und auch das funktioniert wirklich gut, aber dann habe ich den VocalSynth entdeckt, und der ist kompletter Wahnsinn.
Der VocalSynth ist sehr kreativ und supereinfach zu spielen, was mir sehr wichtig ist. Es bedeutet, dass ich ihn spielen kann, ohne Hilfe von jemandem zu brauchen. Zum Beispiel liebe ich die Talkbox, wie sie Roger Troutman von [der Funk-Band] Zapp in den 80ern benutzt hat − und auch auf Dr. Dres und 2Pacs California Love. Auf meinem neuen Album haben wir sie für 2U benutzt, gespielt von Monsieur George und Giorgio aka The Pianoman. Wir hatten einen Mix aus Talkbox-Samples zusammengestellt, die Giorgio dann gespielt hat, und Monsieur George spielte eine Melodie, die wir ihm gegeben hatten, mit einer echten Talkbox. Wenige Leute sind gut an der Talk Box, denn sie ist sehr schwierig zu spielen. Wenn man Antares Auto-Tune sehr hart ausfährt, kann es ein wenig wie eine Talkbox klingen, und mit dem VocalSynth kann man sich dem Klang auch annähern − deshalb bin ich davon so begeistert, weil ich es eben auch selbst machen konnte, ohne jemanden dafür holen zu müssen.«
Während der Entstehung eines Songs und insbesondere im Produktionsstadium, wenn der Mix ansteht, ist es für Guetta wichtig, anderen Leuten den Song vorzuspielen. »Ich bin da ein bisschen verrückt: Ich bin bereit, alles zu tun, um den Song besser zu machen! Ich habe kein Ego. Ich möchte nur die bestmögliche Platte machen, deshalb spiele ich meine Musik immer anderen vor und höre mir deren Kommentare an. Ich kenne viele Producer, die das nicht gern tun, aber als DJ geht es mir immer ums Teilen. Diese Haltung hat mich dazu gebracht zu tun, was ich tue.
Ego ist der schlimmste Feind eines Producers und eines Künstlers. Wir alle haben es, denn wenn man ein Talent hat, ist man sich dessen normalerweise bewusst, daher ist es verführerisch, zu denken: ›Oh, ich bin so gut, ich brauche niemanden.‹ Ich glaube aber, wir brauchen immer jemanden neben uns.
Zum Beispiel habe ich meine Platten früher meistens selbst gemischt. Aber dann habe ich Mixer getroffen, die sie besser mischen als ich − also warum nicht?« Im Fall von 7 bedeutet das, dass verschiedene professionelle Mixer beteiligt waren, inklusive des No.1-Pop-Mixers Serban Ghenea und seines Engineers John Hanes. Guetta zufolge läuft es so ab, dass er selbst Rough-Mixe erstellt und diese dann den Mixern schickt.
»Ein Haus voller Niederländer …«, die darauf warteten, mit ihm essen zu gehen, war dann der Grund, warum Guetta das Interview abbrach, nicht ohne noch kurz auf seine enge Verbindung zur niederländischen EDM-Szene zu verweisen, die sich auf 7 in Kollaborationen mit Martin Garrix, Brooks, Giorgio Tuinfort, Timofey Reznikov, Albert Harvey oder Marcus van Wattum niederschlägt.
»Ich weiß auch nicht, warum, aber irgendwie habe ich es mit den Niederländern!«, ruft Guetta lachend. Der offensichtliche Grund ist, dass niederländische Producer einen großen Teil des weltweiten EDM-Marktes übernommen haben, den Guetta mit erschaffen hat − und er praktiziert sein Nicht-Ego, indem er wiederum auf sie zugeht.