Das Produzenten-Quartett Beatgees hat mit Namika, Lary, Tim Bendzko, Yvonne Catterfeld, Andreas Bourani oder Sido gearbeitet. Wir haben sie in der gemeinsamen Studioetage in Berlin besucht und über Produktion, Sounds sowie den hart erarbeiteten Aufstieg in den vergangenen zehn Jahren gesprochen.
In einem Gewerbehof im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg steht ein vierstöckiges Gebäude mit Backsteinfassade. Im Erdgeschoss sitzt ein Filmvertonungsstudio mit eigenem Kinosaal. Ganz oben befindet sich eine Studioetage, die sich das Produzenten-Team Beatgees mit anderen teilt. Der lichtdurchflutete Küchen- und Essbereich vermittelt ungezwungenen WG-Charakter.
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David Vogt, Philip Böllhoff, Sipho Sililo und Hannes Büscher sind in der Konstellation seit 2008 zusammen. Damals wurde die Studioetage gegründet, sie hatten einen Raum. »Nach und nach sind Leute gegangen, wir haben uns ›ausgebreitet‹ und konnten uns mit den Jahren jeder einen eigenen Raum leisten«, erzählt David Vogt. Vier weitere Räume sind vorhanden, in denen unter anderem die Produzenten Simon Triebel und Ali Zuckowski arbeiten. Ende des Jahres werden sie alle »rausgentrifiziert«, so Vogt. »Auf das Gebäude kommt eine weitere Etage − dazu wird unsere Decke aufgerissen. Wir könnten nach einem Jahr eventuell wieder rein, allerdings wohl zum doppelten Preis.« Philip Böllhoff: »Eigentlich wollten wir längst etwas haben, aber es gibt wenig Leerstand oder die Angebote sind so teuer, dass sie sich nur große Firmen leisten können.«
Wie wichtig die zentrale Lage für die eigenen Kunden ist? »Das wissen wir nicht so genau«, meint Böllhoff lachend. »Es entstehen spontane Arbeiten, wenn Künstler in der Stadt sind − die würden eher kurz vorbeikommen«, so David Vogt. Sein Kollege Sipho Sililo ergänzt, das Studio solle »… an einem Ort sein, wo man gutes Essen bestellen kann« − das sei für das Arbeiten mit den Künstlern sinnvoll.
Begonnen hat die Zuammenarbeit 2005. »Nach dem Abi kam ich für ein Praktikum im Trixx-Studio nach Berlin und habe dort anschließend ein Jahr freischaffend gearbeitet. Da habe ich viel gelernt«, erzählt David Vogt. »Später sind Sipho und Philip hochgekommen, und wir haben uns überlegt, unsere Hip-Hop-Beats zusammenzuschmeißen.« Zunächst waren noch zwei DJs beteiligt.
Hannes Büscher zog aus Celle nach Berlin, hat eine Ausbildung bei der SAE begonnen. »Dort habe ich Philip kennengelernt.« Die Ausbildung war für beide nichts, sie brachen schnell ab, beschlossen dafür, gemeinsam Musik zu machen − so stieß Büscher 2008 dazu. »Unsere Beats haben wir wahllos an alle möglichen Leute rausgeschickt«, meint Vogt. »Wir haben über Myspace Leute angeschrieben, dass sie mal reinhören sollen. Mit der Zeit wurden die Beats verwendet. Das hat viel gebracht, wir waren allerdings zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Damals wurden noch CDs an Plattenfirmen verschickt. Für den Versand an Künstler fehlte dir die Adresse. Myspace bot direkten Zugang. Wir sind auch viel auf Hip-Hop-Partys gegangen und haben CDs mit Beats an die Künstler verteilt. Die ersten größeren Sachen, die wir gemacht haben, waren Culcha Candela, Rapsoul und die Spezializtz.« Die eigene Besonderheit? »Wir haben immer versucht, die krassesten Beats zu machen − sodass ein Beat von uns auffällt«, erklärt Hannes Büscher. »In einzelnen Fällen ist uns das gelungen − keine Hits, sondern Beats, die in der Hip-Hop-Szene gefeiert wurden. Die waren ballernd, sozusagen amerikanischer und moderner als deutscher Hip-Hop damals − freche Synthie-Beats mit verrückten Elementen. Im Endeffekt haben wir mit elektronischen Sounds gearbeitet, als die Branche noch sehr Sample-lastig war. Wir haben uns über Hip-Hop hochgeangelt, wussten aber schon, dass wir gerne Pop machen. Da hatten wir zunächst keinen Fuß in der Tür.« Durch Sido kam der Kontakt zum Label Universal Music, über die Jahre kamen Pop-Acts wie Namika, Tim Bendzko, Lary oder Lena Meyer-Landrut. Zu weiteren Highlights zählen Yvonne Catterfeld, Andreas Bourani, Johannes Oerding, im Hip-Hop etwa MoTrip, Curse und Cro.
Lieblingsmensch
Sichtbaren Chart-Erfolg erlangten die Produzenten, als 2015 Namika, MoTrip feat. Lary und Lena Meyer-Landrut mit Beatgees-Produktionen gleichzeitig in den Single-Top-Ten vertreten waren. Namikas Lieblingsmensch war die erste Nummer 1 des Teams, sie haben auch am aktuellen Album gearbeitet. »Wir sind nach wie vor sehr fleißig. Früher haben wir uns immer gesagt, wir müssen mehr arbeiten als alle anderen, dann könnten wir uns eher durchsetzen«, so David Vogt. Ob man mit der Einstellung nicht Gefahr läuft, mit einem Fuß im Burn-Out zu stehen? »Tatsächlich kam eine Phase, in der wir ziemlich fertig waren. Dann haben wir beschlossen, dass jeder nacheinander eine dreimonatige Auszeit nehmen darf. Seitdem sind wir wieder erholt. Am Anfang haben wir auch die Wochenenden durchgearbeitet − die gehören jetzt uns und unseren Familien. Es gab immer wieder Phasen, in denen viel Aufmerksamkeit kam − das wechselte sich mit ruhigeren Phasen ab. In der Selbständigkeit macht man sich zu Beginn Sorgen. Momentan müssten wir zwar selbst keine Aufträge suchen − wir haben aber trotzdem den Eindruck, wir müssen hinterher sein, damit langfristig das Studio finanziert werden kann. Manche Produzenten verlangen nach einzelnen Hits absurde Beträge − bei uns war das ein recht gesundes Wachstum. Durch das Team halten wir uns gegenseitig auf dem Teppich, und es entsteht nicht die falsche Erwartung, am nächsten Tag wieder einen Hit liefern zu müssen.« Es gehe darum, ein gelungenes Fundament zu schaffen, auch an Künstlern, die immer wieder kommen.
Für einzelne Projekte gibt es Haupt-Ansprechpartner, aber viele Künstler produzieren sie gemeinsam. »Namika haben wir alle gemacht, bei Tim Bendzko hat Sipho recht viel fürs erste Album geschrieben«, erzählt David. »Bei Yvonne Catterfeld saßen wir auch alle zusammen. Normalerweise sind der Künstler, der Songwriter und wir als Produzenten im Raum. Wir versuchen, im Studio eine Ego-befreite Zone entstehen zu lassen. Keiner sollte sich in seinen Vorstellungen verrennen. Es geht darum, die Produktion als Gemeinschaftsprojekt zu steuern und Ideen auszuprobieren. Gleichzeitig wollen wir dem Künstler Sicherheit vermitteln: ›Wenn du zu mir kommst, kann ich dir versprechen, das Ergebnis wird gut − auch wenn es zehn Wochen dauert.‹ Meist sind es Liebhaberprojekte, die länger dauern und wo kein Hit entsteht − das liegt nicht unbedingt an den Künstlern, sondern an dem Anspruch, etwas Spezielles machen zu wollen. Bei anderen Künstlern kommt man schnell auf einen Zweig. Bei den ›Liebhaberprojekten‹ will man als Produzent mehr experimentieren. Die sind uns auch wichtig, weil dadurch neue Ideen entstehen, die andere Künstler wiederum in etwas poppigerem Gewand gut finden.«
Songwriting
»Die Musik ihrer Produktionen haben sie bis zu 90 Prozent selbst geschrieben«, meint David Vogt, »bis auf kleine ›Ausflüge‹: Bei Yvonne Catterfeld und Alexa Feser kam recht viel Material von anderen.« Fremdmaterial zu produzieren habe mehr »Dienstleistungs-Charakter«. »Bei eigenen Songs können wir sicherstellen, dass uns die Stimmung der Stücke gefällt, und gemeinsam mit dem Künstler nach der passenden Richtung suchen − das ist leichter fertigzustellen. Neben der Musik geben wir auch Feedback zum Text und streuen Ideen ein, was das Konzept eines Songs angeht.« Das Writing mache 40 bis 50 Prozent ihrer Einnahmen aus. »Wir unternehmen regelmäßig Writing-Reisen − mit Namika waren wir alle vier in Griechenland für zehn Tage in den Black Rock Studios.«
Der größte Fehler beim Produzieren aus seiner Sicht? »Die Angst davor, Projekte abzuschließen. Darauf zu warten, bis das Ergebnis in den eigenen Ohren perfekt klingt. Daran scheitern viele Künstler, die Angst haben, etwas rauszubringen. Wir haben ein paar Beats gemacht und rausgehauen. Meistens kamen die, die wir am geilsten fanden, nicht unter − stattdessen andere. Das hat uns gezeigt, dass wir alles rausschicken sollten. Ein großer Fehler besteht in der Angst davor, die Musik Leuten vorzuspielen. Wie in vielen Berufen hat das mit der Einstellung zu tun, hinter dem zu stehen, was man macht. Vielleicht findet es jemand überkrass! Wenn einem Rapper, auch wenn er unbekannt war, ein Beat gefallen hat, stieg unser Selbstbewusstsein.«
Dazu komme die Notwendigkeit, den Geschäftssinn zu entwickeln. Teilweise werden Produzenten an Albumverkäufen beteiligt, erzählt Vogt. »Ganz am Anfang haben wir die Beats umsonst rausgehauen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Schritt für Schritt zogen wir dann die Preise an. Wir hatten auch bald einen Manager, der uns geholfen hat, die geschäftliche Seite zu betreuen.«
Der nachhaltige Erfolg sei vermutlich durch den eigenen Antrieb entstanden, resümiert Hannes Büscher. »Wir verstehen uns gut, sind gemeinsam durch alle Täler gegangen und haben nicht aufgegeben. Durchhaltevermögen ist wichtiger als Talent. Es geht darum, seine Idee nicht aus dem Blick zu verlieren. Keiner hatte einen Plan B, das war auch eine Triebfeder.«
Studioräume
Am Arbeitsplatz von Philip Böllhoff dringt viel Tageslicht ein, an der Wand hängen große Akustikpanele mit schlitzförmigen Öffnungen. »Die habe ich mir von einem Berliner Akustiker fertigen lassen. Die Akustik klingt ganz angenehm, den Raum werde ich vermissen.« Als Hauptmonitore dienen ihm Adam S3X-V, als zweites Paar Yamaha NS10. »Davon bin ich nicht der allergrößte Fan. Die NS10 hatten wir noch rumstehen, daher habe ich sie mir aufgestellt.«
An einer Wand stehen mehrere Synthesizer. »Die habe ich über die Jahre angehäuft. Wenn ich flexibel bleiben und die Sounds später eventuell austauschen muss, bleibe ich bei Software. Bei eigenen Liebhaberprojekten benutze ich sie häufig.« Der Musiker Chilly Gonzales hat kürzlich in der Süddeutschen Zeitung formuliert, der größte Feind der Kreativität sei das Gefühl, alles tun zu können. Demnach bewahrten Einschränkungen vor lähmenden existenziellen Fragen, warum man etwas mache. Böllhoff sieht das ähnlich, erklärt er. »Das empfinde ich am Computer als Problem, weil du alles öffnen könntest − theoretisch hast du jeden Sound jederzeit verfügbar. Manchmal brauchst du ein Gerät, das dich zu einem Ergebnis hinführt. Ich habe mir viele Geräte gekauft, um ein bisschen rumdaddeln zu können, weil daraus manchmal coole Sachen entstehen.« Im Raum findet sich beispielsweise ein Vermona-Rhythmusautomat sowie ein früheres japanisches Pendant aus den 1960er-Jahren. »Wie bei einer alten Heimorgel!«
Ein kompakter Yamaha CP-70 steht in einer Ecke des Raums − das »elektrifizierte« Flügelmodell aus den 1970er-Jahren. »Das finde ich toll, weil ich einerseits akustisch spielen kann mit leisem Klang, gleichzeitig auch die Tonabnehmer per DI aufnehmen kann. Zusätzlich kann ich den Flügel bei Bedarf mit Mikrofonen abnehmen.« Zur Effektbearbeitung nutzt er ein modulares System analoger Korg-Gitarrenpedale, das PME40X von 1983. »Die Pedale lassen sich in dem großen Gehäuse in der Signalkette verschieben, wie Hardware-Plug-ins.« Die Klangqualität empfindet er als gut brauchbar.
Für Gesangsaufnahmen zieht er bei Bedarf seinen beigefarbenen Akustikvorhang aus Bühnenmolton vor das Fenster, den er sich hat schneidern lassen, »um Reflexionen des Glases zu bedämpfen. Eigentlich ist es nicht optimal, neben der Abhöre ein Fenster zu haben, da hilft der Vorhang ebenfalls.« Für die Aufnahmen dient ihm ein Schöpf MC251- Großmembran-Röhrenmikrofon, das einen modifizierten, offeneren Klang des altes Telefunken ELA M 251 Mikrofons liefern soll. »Wir haben eine wirklich gute Vocal-Chain gesucht. David hatte damit Aufnahmen gemacht. Davon waren wir begeistert und haben uns entschlossen, für uns alle welche zu kaufen.« Sie verwenden drei MC251- sowie zwei MC800-Exemplare, Schöpfs Optimierung eines Sony C800-Mikrofons.
»Stimmen sind unsere Priorität, die Mikrofone waren ein großer Schritt nach vorne für uns«, meint Vogt. Hannes Büscher: »Viele Mikrofone klingen scheinbar erstmal gut, weil beeindruckende Frequenzen geboten werden. Das klangliche Fundament beim Schöpf-Mikrofon hat mich beeindruckt. Das Signal muss ich im Zweifelsfall nicht bearbeiten. Manchmal klingt es sehr präsent, aber die Höhen sind angenehm, nicht schreiend!« Als Vorverstärker nutzen sie Heritage Audio Neve-Nachbauten, sowie Black Lion Neveund API-Klone.
Sipho Sililo verwendet Universal Audio Solo 610- und −110-Preamps. »Mein Raum war ursprünglich der Aufnahmeraum eines alten Studios. Die Dämmungsmaßnahmen habe ich übernommen«, erzählt Sililo, dessen Raum schräg gegenüber liegt. An der Wand steht ein Klavier, ohne Abdeckung mit einem Stereo-AB-Kleinmembran-Setup fertig mikrofoniert. »Jeder Raum hat ein eigenes Klavier. David hat ein Sauter-Klavier, bei Aufnahmen gefiel mir der klare Klang.« Er kaufte sich ein gebrauchtes Exemplar und ließ es aufarbeiten. »Außer Gitarren und Klavier mache ich alles im Computer. Das ist meine Arbeitsweise seit jeher, vom HipHop kommend. Ich würde nie einen Synthesizer aufnehmen, nur für etwas analogeren Klang. Das ›fake‹ ich mir lieber hin. Ich habe meist eine Idee im Kopf, bevor ich mich hinsetze. Dann möchte ich nicht erst zehn Minuten einen Sound ausarbeiten, sondern kreativ loslegen und passe mir lieber ein Preset an.« Externe analoge Effekte nutzt er keine. Technik sei nicht sein Bereich, gibt er schmunzelnd zu, er konzentriere sich auf die Produktion. »Ich gebe beim Mischen Stems ab, sodass beim Mastering noch Korrekturen möglich sind.«
David Vogt sitzt mit seinem Raum in der Regie des ehemaligen Studios, er ist der einzige mit einem analogen Mischpult, ein altes Studer-Modell. »Wir haben den Raum mit dem Pult übernommen und konnten uns noch nicht davon trennen.« Das Mischpult sei »eine Heizung«, er nutze es praktisch nur als »sehr stromfressenden Monitor-Controller«. Dahinter stehen Trommeln eines Schlagzeugs. »Das haben wir auch schon hier aufgenommen, lagern aber viel aus: Drums mit vielen Mikrofonen und Phasen-Problematik sind nicht unser Ding. Wir haben Schlagzeuger an der Hand, die einen eigenen Raum mit guten Recording-Möglichkeiten haben. Die schicken uns ihre Aufnahmen bereits editiert zurück. Wir nehmen allerdings viele Kleinigkeiten auf − Klavier oder zusätzliche Trommeln. Damit versuchen wir, die Produktionen lebendiger zu gestalten.«
Neben dem Bildschirm befinden sich Yamaha NS10, sowie kleine PC-Speaker, als »Smartphone-Referenz«. »Die hat mir ein Künstler geschenkt. Sie sind sinnvoll, um sicherzustellen, dass die relevanten Bässe nicht zu tief sitzen. Bei ganz tiefen Bässen − zum Beispiel einem 808-Sound − lege ich oft noch leise eine Oktave mit einem anderen Sound darüber, damit man die Bässe auf Handy und Laptop noch wahrnimmt.« Die großen Genelec-Monitore in der Wand − ebenfalls Überbleibsel des Vorgänger-Studios − nutzt er kaum, »nur einmal am Tag höre ich dort gegen. Die muss man allerdings aufdrehen, dass sie Spaß machen, das wird auf die Dauer unangenehm.«
Direkt neben der Tür von Hannes Büschers Raum steht ein altes schwarzes Baldur-Klavier, zu dem er ein ambivalentes Verhältnis pflegt: »Eine Woche funktioniert es perfekt, danach entsteht normalerweise irgendein Problem. Aber es klingt wunderschön!« Daneben steht ein Fender Rhodes E-Piano. »Wenn ich in Cubase mit einem Synthie-Sound arbeite und auf eine Idee stoße, kommt immer der Punkt, an dem ich mich ans Klavier setze und das musikalisch ›wasserdicht‹ mache. Danach gehe ich wieder ans MIDI-Keyboard und spiele es ein. Final bestätigt, ob eine Idee geil ist, wird es erst durch ein echtes Instrument.« Ein akustisches Instrument löse bei ihm mehr Emotionen aus. »Am Ende nehme ich meist einen glatten Sound aus dem Rechner, weil es die Produktion verlangt, dann stört es mich auch nicht. Aber um die Entscheidungen zu treffen, brauche ich das akustische Instrument.«
Unter dem Fenster steht ein altes Harmonium, für 25 Euro gebraucht erstanden. »Das haben wir auch schon ein paar Mal aufgenommen.« Er fängt an, mit den Fußpedalen den internen Balg aufzupumpen, spielt Akkordfolgen, die ähnlich eines dunklen, zurückhaltenden Akkordeons klingen. »Das kann man auch sehr modern klingen lassen − zum Beispiel mit einer Sidechain rhythmisch weggeduckt. Es klingt manchmal fast wie ein Saw-Pad.«
Seine Mixing-Vorlieben? »Gerade beim Arbeiten mache ich die Vocals sehr laut, damit sich das Arrangement den Vocals fügt. Ich mute ihn auch selten, höchstens beim Feintuning von Verhältnissen. Am Ende bleibt der Gesang auch recht laut. Darum geht’s, alles andere ist Untermalung. Ich möchte mich als Hörer auch nicht anstrengen müssen, um den Gesang zu verstehen.«
Und wenn sie nochmal anfangen müssten? Die Vorgehensweise, Musikern Beats zu schicken, bliebe gleich, meint Vogt − heute allerdings über Instagram, Twitter oder Soundcloud statt Myspace. Auch Previews auf YouTube seien sinnvoll, ergänzt Sipho Sililo. »Bei Instagram verwalten die Künstler ihr Profil meistens selbst. Man hat theoretisch die Möglichkeit, jeden anzuschreiben.« Die eigene Social-Media-Präsenz müssten sie eigentlich ebenfalls ausbauen, betont Philip Böllhoff, »wir vermeiden es bislang nur!« Stattdessen ergebe sich viel über die Etage, »das ist quasi unser soziales Netzwerk«, meint er lachend.
Ein Vorteil, der sich in den letzten Jahren in der Branche entwickelt hat? »Früher musste man sich für Pop oder HipHop entscheiden. Heute ist alles eins. Das finde ich sehr gut − so muss niemand mehr eine Musikrichtung produzieren, um Geld zu verdienen, obwohl er lieber etwas anderes machen würde.«