Kinderspielzeug & Dämonen

Sounddesign: Gruselige Sounds mit Spieluhr nachbauen

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Weihnachten ist vorbei, das neue Jahr hat begonnen, und ich hoffe, ihr hattet eine schöne Zeit und seid gut gestartet. Noch stehen viele Tannenbäume und hängen die vielen Lichter, und hier und da liegen auch noch die Spieluhren herum. Zwar ist die Spieluhr an sich kein Weihnachts-exklusiver Gegenstand, dennoch trifft man bzw. hört man sie zum Jahresende überdurchschnittlich häufig. So gibt es sich bewegende Figuren, die dabei kleine festliche Melodien klimpern, oder auch metallene Keksdosen mit einer kleinen, eingebauten Mechanik. Eine Sache haben all diese Instrumente gemeinsam − ihr Klang hat eine Aura von Gemütlichkeit und Ruhe, man könnte beinahe von einer Art kindlichen Unschuld sprechen − kein Wunder, die Spieluhr war früher auch mal ein Kinderspielzeug und ist es heute auch noch. Und jetzt erinnern wir uns bitte daran zu zurück, dass wir dieses Jahr kein passendes Halloween-Thema in unserer Sounddesign-Reihe hatten …

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Es wird Gruselig

Kinder in Horrorfilmen oder -spielen sind eigentlich ein Gruselgarant − sehr vielen Menschen ist diese Kombination äußerst unheimlich. Vermutlich spielt hier der starke Kontrast die Hauptrolle − ein Kind passt nun mal eigentlich nicht in eine solch finstere Szenerie hinein. Das Gleiche gilt dann auch für kindliche Geräusche, beispielsweise das oft genutzte, geisterhafte Kinderlachen. Die Spieluhr schlägt hier in eine ähnliche Kerbe − ihren friedlichen Klang würde man kaum in einer Gruselwelt vermuten, und daher ist ihr Effekt hier umso extremer.

Doch zurück zum Anfang: Was wir zunächst benötigen, ist natürlich die Aufnahme einer Spieluhr. Ich wusste, dass sich irgendwo in unserer Weihnachtsdeko noch eine Blechdose befindet, die »Stille Nacht« klimpert. Also flugs auf den Speicher, in Kisten gewühlt und siehe da − sie funktioniert noch tadellos, auch wenn sie nur recht kurz spielt, bevor man sie neu aufziehen muss. Der Klang ist jedoch leider sehr blechern, die Mechanik ist recht laut und neigt außerdem zum Schnarren. Für unsere Experimente soll uns das aber egal sein, denn wer sagt denn, dass die geisterhafte Spieluhr, die da spielt, ein perfekt gepflegtes, technisches Wunderwerk sein muss? Ich habe also einen Spieldurchgang mit meinem Rode NT3 aufgenommen und anschließend in iZotope RX7 denoised. Dadurch wurde bereits der Großteil der brummenden Mechanik entfernt. Anschließend habe ich das Material in Cubase geladen, dort geschnitten und dann mehrfach hintereinander kopiert, um ein entsprechend langes Playback vorliegen zu haben.

Was aber lässt sich nun mit solch einer Aufnahme anfangen? Nun, generell eigentlich so ziemlich alles − daher möchte ich im Folgenden drei einfache Beispiele aus den Bereichen Pitching, Synthese und Verzerrung geben. Es darf natürlich ganz nach Belieben experimentiert werden.

Mittels Little AlterBoy lassen sich sehr interessante Pitcheffekte und Formantverschiebungen erzeugen.
Granularsynthesizer sind wahre Sounddesignwaffen, und Steinbergs Padshop Pro liegt praktischerweise Cubase direkt bei.
Der FilterFreak 2 ist ein extrem flexibles Filter mit vielfältigen Klangcharakteristika.

Pitching

Für diesen Sound wollte ich einen recht natürlichen Klang als Grundlage haben. Daher habe ich mit dem Steinberg Frequency EQ zunächst alles unterhalb von 150 Hz steilflankig mit einem linearphasigen Band weggecuttet, was weitere Anteile der rumpelnden kleinen Mechanik abschwächte. Um den Höhen ein wenig an Schärfe zu nehmen, habe ich ein High-Shelf-Band bei 15 kHz mit einem Q-Faktor von 0,5 verwendet und dieses Band um 13 dB abgesenkt.

Abschließend wurden noch die unteren Mitten bei ca. 450 Hz leicht abgeschwächt. Somit ergab sich ein runderes und natürlicheres Klangbild. Für den anschließenden Pitch-Effekt habe ich den Little AlterBoy von Soundtoys zu Rate gezogen, dort Pitch und Formant verlinkt und beides um −6 abgesenkt. Mithilfe des Mix-Reglers konnte ich nun den heruntergepitchten Signalanteil zum normalen Signal hinzumischen, was eine wunderbar schräge und schiefe Melodie ergeben hat. Alternativ zum Little AlterBoy könnte man auch die Spur duplizieren, das Duplikat zeitkorrigiert herunterpitchen und dann zum Original hinzumischen.

Um das Ganze noch in den richtigen Kontext zu bringen, wurde dann noch ein recht plakativer Reverb mit dem Steinberg Revelation erzeugt.

Synthese

Für diesen Sound habe ich Steinbergs Granularsynthesizer Padshop Pro herangezogen und das Spieluhren-Sample hineingeladen. Die Anzahl der Grain-Stränge habe ich auf vier erhöht, ihnen einen leichten Position-Channel-Offset von 14 % sowie einen Position Spread von 28 % gegeben. Duration Spread stand auf 45 %, während die Grund-Duration auf 4,29 eingestellt war. Außerdem habe ich Pitch Random auf 2.22 st gestellt. Die generelle Playback Speed ist mit 52 % nur halb so schnell wie das Original. Mit zwei recht langsamen LFOs habe ich einerseits die Grain-Speed leicht moduliert, sodass es zu Beschleunigungen und Stoppern kommt, sowie eine Filtermodulation vorgenommen.

Je nachdem, in welcher Lage dieser Sound gespielt wird, erhält man entweder eine Textur, die an ein entferntes, leicht fauchendes Insekt erinnert oder an ein geisterhaftes Flirren mit einem tieferen Grundton darunter.

Verzerrung

Im letzten Beispiel habe ich das Spieluhren-Signal auf zwei verschiedene Arten verzerrt: zunächst auf der zeitlichen Ebene und dann via Distortion. Der erste Schritt war ein Herunterpitchen um zwei Oktaven ohne Zeitkorrektur. Das Sample war anschließend nicht nur tiefer, sondern auch viermal so lang. Dieses Material habe ich dann noch um 400 % getimestretched, wodurch sich sehr lange, knarzige Töne ergaben und die eigentliche Melodie kaum noch erkennbar war.

Die Effektkette begann mit einem Soundtoys FilterFreak 2 mit zwei seriellen Bandpassfiltern, die via Envelope Follower dem Originalsignal folgen. Das gefilterte Signal wurde mit einem Mischverhältnis von ca. 75 % mit dem Originalsignal gemischt. Außerdem wurden mit einem anschließenden Frequency-EQ die Bässe weggecuttet, die Tiefmitten um 380 Hz angehoben und die Höhen wieder leicht abgesenkt. Der anschließende Vintage Compressor hat mit einer 20:1 Ratio das Signal extrem verdichtet und weitere Verzerrungen hinzugefügt. Mit einem Ping-Pong-Delay und dem Steinberg Revelation Hall wurde das Signal dann noch richtig schön groß. Das Ergebnis ist ein metallisches Sägen und Jammern, das so gar nichts mehr mit den ursprünglichen Spieluhren gemeinsam hat.

Diese drei Beispiele zeigen, mit wie wenig Aufwand man ganz banalen Klängen völlig neue Seiten entlocken kann.

Viel Spaß beim Experimentieren!

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