DAWs sind extrem vielseitig und leistungsfähig. Wenn es aber um reines Audio-Editing geht, ist spezielle Software gefragt. Wavelab gehört schon seit vielen Jahren zu den Spitzenreitern, wenn es um professionelles Audio-Editing und Mastering geht. Man fragt sich also vielleicht, was einem derartig ausgereiften System überhaupt noch fehlt.
Wavelab ist dabei weit mehr als ein Programm zum Schneiden von Podcasts − wer so etwas braucht, sollte sich woanders umschauen, denn Wavelab ist da schon deutlich professioneller unterwegs. Dank vielseitiger Ausstattung wie zum Beispiel mit dem Spektral Editor erlaubt die Software geradezu chirurgische Eingriffe ins Audiomaterial.
Das Highlight zu Version 7 war ohne Frage die Mac-Kompatibilität. Den Zeitpunkt wählte Steinberg damals auch sehr passend, denn seit der direkte Konkurrent “Bias Peak” 2012 das Handtuch warf, ist das Profi-Segment auf diesem Betriebssystem sonst recht dünn besiedelt. Wir sind also gespannt, wie Steinberg dieses neu gewonnene Territorium nutzt.
GUI und Workflow
Bevor es in die Vollen geht, werfen wir kurz einen Blick auf die “kleineren” Neuigkeiten. Die grafische Oberfläche ist weiterhin als makelloses Einfenster-Design ausgelegt, welches durch die individuell anpassbaren Bereiche und Tabs besticht. Leider stört in Version 8.5 immer noch, dass beim Vorhören von Dateien keine Vorschau der Wellenformanzeige erscheint, wodurch ein direktes Anspringen von bestimmten Parts unmöglich ist. Vielleicht sollten die Hamburger nicht nur die Plugins aus Cubase/Nuendo portieren, sondern auch mal die MediaBay?
Die automatische Transienten-Analyse, welche kürzlich in Cubase 7.5 Einzug hielt, wäre sicherlich auch in Wavelab sehr praktisch gewesen − zur schnellen Navigation während Schnittarbeiten. Wir warten ab! Dafür hat der Hersteller bei der Handhabung von Effekten nachgerüstet. Auf Clipund Spurebene ist unter dem Tab “Effekte” ein Bypass-Schalter hinzugekommen, der alle Plugins temporär abschaltet. Außerdem kann Wavelab nun Informationen aus XML-Dateien importieren und unterstützt das Format “WavPack” zur verlustfreien PCM-Datenkompression.
Multiformat
Musik und sonstige Programme werden heute zu großen Teilen in datenreduzierten Formaten angeliefert. Meist ist das Erstellen der Dateien mit erheblichem Zeitaufwand verbunden, denn zur Beurteilung der resultierenden Klangqualität musste zuerst ein entsprechender Export vorangehen.
Insofern kommt der neue “Encoder Checker” sehr gelegen. Dieser ermöglicht es, ein unkomprimiertes PCM-Signal mit bis zu drei verschiedenen, datenreduzierten Formaten zu konvertieren und in (nahezu) Echtzeit abzuhören. Ein derartiges Werkzeug ruft natürlich sofort das Plugin “Pro-Codec”, welches die Firma Sonnox zusammen mit dem Fraunhofer Institut entwickelte, ins Gedächtnis − zu Recht, denn das Prinzip ist im Grunde identisch. Allerdings ist es mit Wavelabs Neuzugang nicht nötig, ein weiteres Plugin in die Master-Kette zu laden, denn der Encoder Checker ist direkt über das Menü “Post-Processing”, also nach dem Dithering, verfügbar. Das Werkzeug ist mit diversen Presets, etwa “iTunes standard (AAC)”, “MP3 192k” oder “Ogg” bestückt. Selbstverständlich lassen sich weitere Presets mit anderen Encodern, Sampleraten und Kanalkonfigurationen nachträglich hinzufügen.
Durch Klicken der Encoder-Schaltflächen “1” bis “3” kann man komfortabel Qualitätsunterschiede der Audiokomprimierung aufspüren. Ein Analyzer zeigt währenddessen zwei verschiedenfarbige Frequenzkurven für den Original-Sound sowie den aktuell gewählten Encoder an, um auch eine optische Kontrolle durchzuführen. Die Handhabung ist wirklich sehr gut, lediglich nach dem Umschalten tritt eine minimale Verzögerung auf, die durch die unterschiedliche Intensität der Audiokomprimierung entsteht. Dieser Faktor wird übrigens in einer eigenen Anzeige dargestellt. Ein Wert von »10« beispielsweise sagt aus, dass die Komprimierung in etwa 10 Mal kleiner als die entsprechende 16-Bit-PCM-Datei ist. Interessant wäre noch die sofortige Anzeige der resultierenden Dateigröße, um gerade für den Online-Bereich die Datenpakete zu optimieren. Zudem wird noch eine Funktion zum Abhören des Differenzsignals vermisst, um auch kleinste Nuancen besser zu analysieren.
Möchte man sich lieber nur auf die Ohren verlassen, ist mit dem Encoder Checker sogar ein waschechter Blindtest möglich. In diesem Modus werden die Nummerierungen der Encoder durch Fragezeichen ausgetauscht. Umschalten kann man mit den Pfeiltasten der Tastatur − eine grüne LED leuchtet kurz nach jedem Encoder-Wechsel. Aber was ist ein Blindtest schon wert ohne eine vernünftige Statistik? Mit den Plusund Minus-Tasten lässt sich der aktuelle Encoder bewerten. Sobald man den Blind-Modus verlässt, zeigt der Checker die Gesamtpunktzahl neben jedem der drei Slots an. Feine Sache! Ist der passende Encoder gefunden, bietet das Fenster auch gleich eine Schaltfläche zum “Rendern” an.
Unter dem Strich richtet sich der Encoder Checker primär an Mastering-Engineers, die für bestimmte Online-Formate abliefern möchten. Hier gibt es den Komfort, Auswirkungen von Equalizern oder Dynamikwerkzeugen während der Einstellung zu beurteilen − direkt durch den Encoder. Das Format “Advanced Audio Coding”, kurz “AAC” ist nicht nur im Encoder Checker, sondern nun auch in Wavelabs Export-Optionen verfügbar. Neben FLAC, WAV, WMA und vielen anderen Dateiformaten darf man sich also auch über die nahtlose Integration dieses Apple-Standards freuen. So ist eine direkte Einspeisung in den iTunes-Store ohne weitere Konvertierung möglich.
Der Dialog “Rendern” verfügt nun auch über eine Funktion namens “Multi-Audiodateiformat”. Hier lassen sich unterschiedliche Formate hinzufügen, sodass Wavelab beim Export gleichzeitig alle benötigten Dateien berechnet. Auch das spart unglaublich viel Zeit!
An unterstützten Formaten fehlt es in Wavelab nicht. Vor allem das Batch-Editing wird durch die neuen Watchfolder übersichtlicher.
Watch Out!
Brandneu in Version 8.5 sind ebenfalls die sogenannten “Watchfolders”. In erster Linie erleichtert dieses Feature die Planung und Umsetzung von Stapelbearbeitungsaufgaben, etwa einer automatischen MP3-Konvertierung oder Lautheitsnormalisierung. Jeder Ordner auf Explorer- bzw. Finder-Ebene lässt sich als Watchfolder definieren. Im zweiten Schritt kann man für diese Ordner dedizierte Prozesse festlegen, die wie gewohnt im Stapelbearbeitungs-Fenster zu finden sind. Ist bei der Option »Abgelegte Dateien automatisch umwandeln« ein Häkchen gesetzt, steht einem reibungslosen Ablauf nichts mehr im Weg, und Wavelab kümmert sich um jegliches Material, sobald es per Drag&Drop oder nach manuellem Speichern im Ordner landet. Beispielsweise kann man so eine Mischung direkt aus einer DAW herausrechnen und in den Ordner zur sofortigen MP3-Kodierung speichern. Apple Logic beherrscht den gleichzeitigen Export von mehreren Formaten bereits, die User von anderen DAWs werden dieses Feature jedoch schätzen.
Währenddessen muss Wavelab nicht unbedingt laufen, denn die Watchfolder können auch als Hintergrundprozess wachsam sein. Alternativ lässt sich die Bearbeitung auf bestimmte Uhrzeiten verschieben, sodass aufwendige, längere Bearbeitungen nicht die CPU-Leistung während des Tagesgeschäfts beeinträchtigen. Nach getaner Arbeit löscht Wavelab die Originaldateien oder legt sie auf Wunsch im Unterordner “Quellen” ab. Die bearbeiteten Dateien finden sich unter “Ausgabe” wieder − sehr ordentlich! Falls ein Prozess nicht vollständig abgeschlossen werden konnte, wird die betroffene Datei in den Ordner “Fehler” verschoben.
Fazit
Obwohl es sich um kein Major-Update handelt, hat Steinberg einige sehr nützliche Schmankerl nachgelegt. Als ein echter Zeitsparer entpuppen sich die “Watchfolder”, die das Thema Stapelverarbeitung durch gut gelöste Ordnerverwaltung auf Betriebssystemebene zum Kinderspiel machen. Auch die AAC-Kompatibilität und Exportmöglichkeiten im Multi-Audiodateiformat verbessern den Workflow deutlich.
Der “Encoder Checker” ist funktional noch nicht ganz auf der Höhe des »Pro-Codec« von Sonnox, dennoch sollte man im Hinterkopf haben, dass ein derartiges Tool zum blitzschnellen Echtzeitvergleich von Encodern alleine schon mit ein paar Hundert Euro zu Buche schlagen würde. Insofern ist das kostenpflichtige “Punkt 5er”-Update absolut gerechtfertigt. Wer nur mal eben schnell einen Podcast zusammenschneiden will, sollte sich anderweitig umsehen, denn der riesige Funktionsumfang und die anfangs etwas erschlagende GUI von Wavelab richten sich eher an den Profi. Für aufwendigere Schnittarbeiten, Mastering, CD-Erstellung und Dateiverwaltung hat Wavelab jedoch alles an Bord, was das Herz begehrt.
Oben drauf kommt dann noch das große Angebot von Plugins, inklusive Restaurations Tools von Sonnox oder dem “Mbit+Dither” von iZotope.
Pro und Contra
++ komfortables Batch-Editing durch Watchfolder
++ Encoder Checker integriert
+ AAC-Kompatibilität
+ großzügiges Angebot von Plugins
–– keine MediaBay
Produkt- und Herstellerinfos
Wavelab 8.5 Hersteller/Vertrieb Steinberg
UvP / Straßenpreis 549,— Euro / ca. 470,— Euro
www.steinberg.net