Electric Heavy Metal

Sounddesign für Wolfenstein I & II – Interview mit Sebastian Pohle und Jan Petzold

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Es ist kein Geheimnis mehr, dass der Produktionsaufwand von AAA-Games mittlerweile oftmals den von Kinoblockbustern in den Schatten stellt. Aber nicht nur auf der visuellen Ebene, sondern auch bei der Audioebene und speziell beim Sounddesign von Games gehört dabei inzwischen ebenfalls ein immenser Aufwand zum guten Ton. Wie sehr, verrät ein Blick hinter die Kulissen der Sounddesignproduktion der beiden AAA-Games »Wolfenstein: The New Order« und »Wolfenstein II: The New Colossus«. Sebastian Pohle und Jan Petzold waren hier maßgeblich für einen Großteil des Sounddesigns verantwortlich, das larger-than-life sein sollte und mit einer außergewöhnlichen Sound-ID dem speziellen Setting der beiden Games begegnet.

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Unsere Story beginnt in Köln, wo sich vor einigen Jahren Sebastian Pohle und Jan Petzold im Torus-Studio kennenlernten. Seit seinem SAE-Abschluss war Jan damals dort schon länger festangestellt, während Sebastian frisch nach seiner SAE-Ausbildung dazukam. Nach einem Praktikum, einer weiteren Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton und folgender Festanstellung zog es Sebastian dann allerdings nach Schweden zu Machine-Games, einem Games-Studio, das zu dieser Zeit einen Inhouse-Sounddesigner suchte. Nachdem er dort seinen Job antrat, war die Produktion von »Wolfenstein: The New Order« schon in den Anfängen.

»Als ich dort ankam, ging es darum, wie wir klingen wollen«, erzählt Sebastian. »Das Game spielt in den fiktionalen Sechzigern. Die Geschichte ist, dass das NS-Regime den 2. Weltkrieg durch eine entdeckte Technologie gewonnen haben und dadurch die abgefahrensten Waffen und Roboter haben. Aber es spielt alles in den Sixties mit Tesla und Strom usw. Da war klar, dass sich die ganzen Roboter nicht smooth anhören durften, mit Servos, so wie z. B. bei Transformers. Das wäre viel zu modern. Alles musste immer ein bisschen Reibung haben, Rost. Man musste das Gefühl haben, da ist eine dicke Maschine.«

Aus diesen und weiteren Faktoren entwickelte sich dann letztlich die Sound-ID »Electric Heavy Metal«. Letzteres nicht wegen der Musikrichtung, sondern tatsächlich wegen schwerer Metallsounds − und »electric«, weil die Soundästhetik der ebenfalls benötigten SciFi-Sounds eher in Richtung Strom und nicht modernere Lasersounds gehen sollten.

Soundpool

Aber wie wird die ID von der Theorie dann in die Praxis umgesetzt? Hier wurde aus dem Vollen geschöpft. Für »Wolfenstein: The New Order« wurde zuerst ein eigener Soundpool erstellt, wie Sebastian erklärt: »Ich war zwei Wochen lang mit dem Foley-Artist Wilmont Schulze in der Foleystage, und wir haben nur die großen und schweren Dinger aufgenommen – er war abends immer entsprechend fertig. (lacht) Er hat alles rausgeholt, was geht. Am Ende haben wir 30 GB Sounds gehabt. Das war dann auch wirklich unsere Haupt-Library. Wenn ich Sounds angefangen habe, habe ich zuerst immer da geschaut und die als Basis genommen, weil die Library eben unsere ID hatte.

Bei der Gun-Sampling-Session wurde weder mit Mikrofonen noch …
… mit Waffen gespart. Hier wurden extra großkalibrige Waffen gesampelt, aus denen dann später mit dezidiertem Sounddesign, schneller Schussfolge und Round-Robin kolossale, automatische Waffensalven generiert wurden.

Aber beim First-Person-Shooter sind die Waffensounds fast mit am wichtigsten. Und das war eben das andere große Ding: Waffen. Vor so einem Projekt macht man normalerweise zuerst einmal eine Gunrecording-Session. Aber unser Besitzer ZeniMax hatte schon für ein anderes Spiel eine richtig große Waffensession in den USA gemacht mit Charles Maynes, dem Spezialisten schlechthin, wenn es um Waffenaufnahmen geht. Das waren 15 oder 20 Waffen, 12-kanalig aufgenommen in allen möglichen Entfernungen, und zwar so, dass du nur die Mechanik hast, dann in 2 Meter Entfernung, damit du den »Ooompf« hast usw. Und damit habe ich dann die Waffen gebaut. Dadurch, dass ich total frei war, weil alle Waffen fiktional sind und wir größer sein sollten als die normale Welt, habe ich dann teilweise aus fünf verschiedenen Waffen-Sounds eine Waffe gebaut.

Teilweise kommen im Spiel auch SciFi-Waffen vor, aber die durften sich nicht nach Star Wars anhören, sondern mussten ja auch der Sound-ID entsprechen. Deshalb habe ich hier auch immer mechanische Elemente aus echten Waffen genommen und darauf dann synthetische-Elemente gepackt.

Für ›Wolfenstein II: The New Colossus‹ wollten wir dann frisches Material haben, weil wir mit dem alten schon drei Jahre gearbeitet hatten. Wir wollten so wenig wie möglich kommerzielle Libraries benutzen. Das ist ja der Vorteil von solchen Projekten, dass man das Budget hat, alles selbst aufzunehmen, und dadurch unique klingt.

Mein persönlicher Ansatz ist, dass das Sounddesign schon im Recording anfängt. Bei den neuen Waffensounds z. B. waren wir interessiert an dem Schuss an sich, aber auch wie sich das Environment verhält. Wir wollten eben nicht die Waffe durch einen Faltungshall schicken, sondern spielen tatsächlich Recordings von der Umgebung ab. So wie sich die Umgebung im Spiel ändert, werden dann auch die verschiedenen Sounds getriggert.

Dann brauchten wir aber auch noch Innenaufnahmen. Also sind wir von Frank »The Recordist« Bry aus den USA zu den Pinewood Studios nach London und haben da noch in verschieden großen Räumen Schüsse innen aufgenommen.

In den Pinewood Studios haben wir dann später auch noch Foleys aufgenommen. Die sind momentan sehr heiß auf dem Spielmarkt, dort ist einfach alles möglich. Teilweise hatten wir dann bis zu 16 Kanäle mitlaufen, und weil vieles mit 192 kHz Samplerate aufgenommen wurde, hatten wir diesmal am Ende ca. 60 GB Material. Wir haben da auch Sound-Effects aufgenommen, wie z. B. Trockeneis auf Metall, das dann abgefahren anfängt zu dronen, u.v.m. Die Sound-Effects haben wir alle mit dem Sanken CO-100K aufgenommen, das geht hoch bis 100 kHz. Wenn du damit aufnimmst, kannst du das Material später soweit runterpitchen, dass du nie wirklich den Body verlierst. Und du pitcht dann teilweise ultrahohe Frequenzen mit runter, die sich im unteren Frequenzbereich komplett anders anhören. Man hat dadurch mit dem Mikrofon quasi drei verschiedene Sounds, und du weißt dann teilweise gar nicht, was am Ende rauskommt.«

Cutscenes

Einige Elemente wie Atmos oder die Vertonung der Cutscenes, also die linearen Filmsequenzen im Spiel, wurden ausgesourced. Für Letztere gab es einen europaweiten Pitch, den Torus gewann, und so kreuzten sich die Wege von Jan und Sebastian wieder, denn Jan war von nun an vom Sounddesign bis zum Surround-Mix und Mastering für die Cutscenes verantwortlich.

Wenn man bedenkt, dass für jeden Teil von Wolfenstein ca. drei Stunden Material zusammenkamen, war das ein immenser Aufwand, den Jan beim zweiten Teil sogar als Freelancer bewältigt hat, nachdem er sich selbstständig gemacht hatte. »Ich habe zu der Zeit auch noch mein eigenes Studio gebaut, das war eigentlich ziemlich wild, das noch nebenher zu machen«, erinnert sich Jan. »Dadurch konnte ich mir aber auch mein Equipment zusammensuchen, womit ich für das Projekt arbeiten wollte, was mir sehr gut gefallen hat. Für den zweiten Teil von Wolfenstein sind viele Sounds von meinem Modularsystem eingeflossen, das ich mir zwischenzeitlich angeschafft habe. Hiermit habe ich experimentiert und viele Computer und die alten Devices, die im Spiel rumstehen, vertont. Ein Teil spielt ja auch im Weltall, hierfür habe ich dann viele Dronings, Fly-Bys usw. mit dem Modularsystem generiert. Das habe ich dann später natürlich immer mit Metallimpulsen am Rechner verarztet, damit das Ganze dann mehr nach einem Gerät klingt.«

Jans akustisch optimierte 5.1-Regie (rechts ist sein Modularsynth zu sehen) (Bild: SEBASTIAN POHLE, JAN PETZOLD)

Weil bei einem Modularsystem natürlich kein Total-Recall verfügbar ist, hat Jan hierfür seine eigene Sampling-Session gemacht, um dann mit diesem Soundpool weiterzuarbeiten.

Foley-Aufnahmen sind bei den Cutscenes natürlich auch immens wichtig und fangen schon im frühen Stadium der Spieleproduktion an, wie Jan erklärt: »Das war teilweise recht grob am Anfang, und man hat nicht immer richtig gesehen, was da jetzt passiert. Man arbeitet ja am Anfang mit Motion-Capturing-Aufnahmen, die schwarz-weiß sind, und viele Probs sind noch gar nicht da. Ich wurde teilweise über Rücksprache gebrieft, was da im Sound passieren soll. Der Foley und ich müssen ja wissen, welche Klamotten die später anhaben, welche Fußböden sind da … alles Mögliche.

Dann habe ich beim ersten Durchgang darauf teilweise wirklich Hörspiel gemacht. Die Animation hat sich dann teilweise auch an meinen Rhythmus gehalten, den ich dort angelegt hatte. Das ist natürlich super, weil ich ja vorher schon auf den Sprachrhythmus achte und schaue, wo dafür Lücken im Sounddesign frei sind. Teilweise wird dann aber auch noch mal umgeschnitten, weil man oftmals erst, wenn der Sound dabei ist, feststellt, dass der Schnitt noch nicht wirklich funktioniert, weil der Rhythmus noch nicht so tight ist, wie man das gerne hätte.«

Jans Modularsystem (Bild: SEBASTIAN POHLE, JAN PETZOLD)

Gear

Von den Recording-Sessions abgesehen finden die meisten Sounddesign-Arbeiten auf digitaler Ebene statt. Neben den üblichen Verdächtigen wie dem Waves-Bundle kommen hier auch einige interessante Schätzchen zum Einsatz.

»Für die kreativen Sachen haben wir die GRM-Tools und die Sound-Toys-Sachen am meisten benutzt«, erklärt Sebastian. »Auch sehr gut für unsere Sound-ID ist der iZotope Trash, wenn es um Distortion geht. Die iZotope Denoiser lassen sich auch sehr cool kreativ einsetzen. Wenn du mit diesen bei Explosionen oder Donner bestimmte Frequenzen rausziehst, dann hast du geile moderne Explosionen oder Donner, z. B. ohne das Mitte-Geschrebbel.«

»Wir haben auch noch den Omnisphere benutzt«, ergänzt Jan, »und die ganzen Native-Instruments-Sachen, einmal das Komplete-Paket rauf und runter, auch Reaktor und Massive usw. Im Metasynth gibt es für Pitching und Harmonizing ein Tool, das macht einen unglaublich guten und sehr verständlichen Vocoder-Sound. Den kannst du wiederum runterpitchen, verstehst alles, hast einen richtig satten Sound und kannst das dann wiederum verwurschteln, dass es dann zu einem Roboter wird.«

Sebastian Pohle mit Sound Devices 744+702, gelinkt mit 5.1-Holophone als Input. Im Hintergrund Frank »The Recordist« Bry, der Consultant und Haupt-Recordist vor Ort — und eine Legende unter den Field-Recordists. (Bild: SEBASTIAN POHLE, JAN PETZOLD)

Zu den benutzten Librarys sagt Sebastian: »Du kannst nicht ein ganzes Spiel nur mit eigenen Libraries vertonen. Du musst dann auch auf kommerzielle Libraries zurückgreifen, anders geht es nicht. Boom haben wir super viel benutzt, auch Tonsturm, ein Kölner Independent Label, die machen geiles Zeug. Dann gibt es natürlich noch Frank Bry aus den USA und Charles Maynes.«

»Wir haben viel auf die Independent-Libraries zurückgegriffen«, ergänzt Jan, »weil die wirklich unique und hochaufgelöst aufgenommen sind. Die meisten haben 96 oder 192 kHz, und du kannst sie runterpitchen, bis der Arzt kommt. Die alten Libaries kannst du nicht mehr benutzen, weil man die Sounds mittlerweile erkennt und überall hört.«

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