Großer Midfield-Monitor

Neumann KH420 – Studiomonitor im Test

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Der KH420 ist nach dem KH310 und KH120 der dritte Monitor unter der Regie von Neumann und sticht mit seiner Klangqualität und seinen Einsatzmöglichkeiten heraus!

KH420: Mittelfeldstürmer

Größe und Bestückung klassifizieren den KH420 als Midfield- oder Main-Monitor für größere Abhörentfernungen oder auch für den Einsatz im Mastering. Wie auch schon beim KH310 setzt man auf ein 3-Wege-Design mit einer großen 3″-Mitteltonkalotte, die zu den höheren Frequenzen hin bei 2 kHz an eine 1″-Hochtonkalotte übergibt. Beide Kalotten sind Eigenentwicklungen aus dem Hause Neumann und werden exklusiv für die Firma gefertigt. Rein äußerlich ist der KH420 eine massive, schwere Box, bei der die überragende Verarbeitung und Detailversessenheit gut zu sehen und auch zu fühlen ist.neumann_kh420Reichlich Zubehör
Wie es sich für ein professionelles Gerät gehört, gibt es reichlich Zubehör für den KH420 für Wand- und Deckenmontage sowie Stativeinsätze, ein Transport-Case und ein Schutzgitter für den Betrieb unter unsicheren Bedingungen.

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Für die Elektronik gibt es noch ein Montage-Set, um die Elektronik abgesetzt von der Box unterzubringen, z. B. wenn der Monitor von der Rückseite unzugänglich in einer Wand eingebaut wird. Falls erforderlich, z. B. für Surround-Sound-Abhören mit separatem Subwoofer-Kanal oder für große Räume, bietet man bei Neumann auch noch den 2×10″ KH870-Subwoofer mit integriertem 7.1-Bassmanager als Ergänzung an.

Lautsprecher-Konstruktion

Die Membran der Mitteltonkalotte ist aus einem besonders leichten und resonanzarmen Gewebe gefertigt. Der Hochtöner arbeitet mit einer Metallgewebemembran. Beide Kalotten sind mit jeweils eigenen, großzügig gestalteten Waveguides ausgestattet. Für den Mitteltöner, der bereits ab 500 Hz ein kontrolliertes Abstrahlverhalten benötigt, bedarf es dabei einer gewissen Größe, sodass die Mittel-/ Hochton-Einheit mit ihrer imposanten Erscheinung die Hälfte der Frontfläche einnimmt.

Effizient gelöst
Entwickelt werden die Waveguides bei Neumann nach dem “Mathematically Modeled Dispersion”-Verfahren (MMD). Der Verlauf des Waveguides wird dazu zunächst in einer Computersimulation optimiert, dann als Prototyp hergestellt sowie gemessen und anschließend im Hörtest erprobt. Der Vorzug dieser Vorgehensweise ist der schnelle Weg zum Ziel, da das mühselige Bauen vieler Prototypen in der Optimierungsphase entfällt und man die Ergebnisse schon vorher in der Simulation betrachten kann.

Quer oder hochkant?
Die komplette Mittelhochtoneinheit kann als Ganzes mit vier Schrauben gelöst und um 90° gedreht werden, falls der Monitor quer liegend betrieben werden muss. Damit kann dann zumindest die Mittel-Hochton-Einheit in der günstigeren Anordnung mit den beiden Wegen übereinander betrieben werden. Für den Übergang vom Tieftöner zum Mitteltöner stellt sich die Lage aufgrund der größeren Wellenlänge bei der Trennfrequenz bereits weniger kritisch dar.

Studiomonitor Yamaha HS8

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Auch beim Tieftöner − einem 10″-Konus-Chassis französischer Provenienz − haben wir es mit einer für Neumann exklusiven Entwicklung zu tun. Dank der ELFF (extremly linear force factor)-Technologie mit einem speziellen Schwingspulen-Design erreicht der Tieftöner eine sehr große lineare Auslenkung. Damit diese auch an anderen Stellen keine ungewollten Störgeräusche verursacht, ist der Gusskorb des Chassis strömungsgünstig geformt, ebenso wie die Bassreflextunnel. Letztere sind zudem noch mit einem Dämpfungssystem gegen Tunnelresonanzen ausgestattet.

Da bei Neumann nichts dem Zufall überlassen wird, wurde das gesamte Gehäuse auch noch mittels Modalanalyse optimiert. Die Frontplatte ist zudem möglichst glatt ohne Kanten und Sprungstellen gestaltet, und alle Gehäusekanten wurden großzügig gerundet.

Aus dem Messlabor unter reflexionsfreien Bedingungen stammen die folgenden Messungen zum Frequenzgang, zum Abstrahlverhalten und zu den Verzerrungswerten. Der Klasse-1-Messraum erlaubt Messentfernung bis zu 8m und bietet Freifeldbedingungen ab 100Hz aufwärts. Alle Messungen erfolgen mit einem B&K 1/4″-4939-Messmikrofon bei 96kHz Abtastrate und 24Bit Auflösung mit dem Monkey-Forest Audio-Messsystem. Messungen unterhalb von 100Hz erfolgen als kombinierte Nahfeld-Fernfeldmessungen

Frequenzgang auf Achse gemessen in 4m Entfernung. Oben die Filterkurven für Bass-, Mid- und Treble-Filter (orange, blau und grün). Die beiden grauen Linien kennzeichnen den Frequenzbereich von 100Hz bis 10kHz für die Auswertung der Welligkeiten von 2,7dB vom Min. zum Max. Die orange Linie zeigt den Übertragungsbereich (-6 dB) von 25Hz bis 22kHz. Ein weiteres voll parametrisches Bell-Filter (hellblau) kann zur Unterdrückung der stärksten Raummode eingestellt werden.
Phasengang auf Achse gemessen in 4m Entfernung. Bei den Trennfrequenzen von 570Hz und 2kHz gibt es je 360° Phasendrehung und am unteren Ende des Übertragungsbereiches nochmals 270° plus 360° durch das elektrische (3.Ordnung) und akustische (4.Ordnung) Hochpassfilter.
Maximalpegel bezogen auf 1m Entfernung bei höchsten 3% Verzerrungen (rote Kurve) und bei höchstens 10% Verzerrung (blaue Kurve) für den Tieftonbereich bis 300Hz.
Im Spektrogramm zeigt der KH420, dass jeder Treiber genau in seinem optimalen Frequenzbereich arbeitet. Resonanzen sind hier selbst mit sehr kritischem Auge nicht auszumachen.
Horizontales Abstrahlverhalten in der Isobarendarstellung. Der Pegel ist beim Übergang von Gelb auf Hellgrün um 6dB gegenüber der Mittelachse abgefallen. Die Isobarenkurven verlaufen vorbildlich gleichmäßig mit einem mittleren Öffnungswinkel (-6dB) von 110°.
Vertikales Abstrahlverhalten mit einem deutlich kleineren Öffnungswinkel von mittleren 77°. Bei den Trennfrequenzen sind leichte Einschnürungen zu erkennen.
Messung der Intermodulationsverzerrungen mit einem Multisinussignal mit EIA-426B Spektrum (grüne Kurve) und 12dB Crestfaktor bei 85dBA Leq in 4m Abstand (rote Kurve). Der Spitzenpegel Lpk betrug dabei 101dB ebenfalls in 4m. Die Verzerrungsanteile summieren sich zu geringen 2% auf.
Gemittelte Frequenzgangmessung über je 30 Position für den linken und rechten Lautsprecher um den Hörplatz (blau). Unterhalb von 150Hz sind die Raummoden gut zu erkennen. Aus den Messungen wurde ein EQ (grün) zur Raumkorrektur abgeleitet. Unten die gemittelte Kurve mit EQ (rot) und die angestrebte Zielfunktion (orange).

Elektronik

Wer so viel Aufwand um Treiber und Gehäuse betreibt, setzt dieses natürlich bei der Elektronik konsequent fort. Im Innern gibt es drei Endstufen nach dem klassischen Class-AB-Schaltungsprinzip. Hoch- und Mitteltöner werden von je einem Pärchen gebrückter Endstufen mit 140 W angetrieben und der Tieftöner von einer speziellen Brücken-Parallel-Schaltung aus vier Endstufen, die so 330 W bereitstellen können. Zwei moderne HF-Schaltnetzteile, eines für den Tieftöner und eines für die Mittelhochton-Endstufen, sorgen für eine optimale Versorgung ohne Rückwirkungen.

Auf der Rückseite…
…finden wir den analogen Eingang, symmetrisch auf XLR mit Ground-Lift, und einen optionalen digitalen Eingang (DIM 1) im AES3-Format mit XLR- und BNC Anschluss sowie einer Link-Buchse. Welchen Kanal im digitalen Datenstrom oder auch die Summe von beiden sich der Monitor abgreift, kann über einen Drehschalter ausgewählt werden. Angenommen werden alle Signale bis 192 kHz. Das Modul bietet außerdem die Möglichkeit, sowohl das digitale als auch das analoge Eingangssignal um bis zu 400 ms zu verzögern, um die Synchronität zu digitalen Bildwiedergabegeräten zu gewährleisten oder auch durch die Aufstellung bedingte Laufzeitunterschiede zu kompensieren. Die interne Signalverarbeitung im KH420 ist allen Trends und den Möglichkeiten der modernen Digitaltechnik zum Trotz vollständig analog.

Schaltbare Filter
Es stehen drei schaltbare Filter (“Acoustical Controls”) für Bass, Mid und High zur Verfügung sowie ein parametrischer EQ zur Unterdrückung einer möglicherweise störenden Raummode. Einstellbereiche und Wirkung der Filter sind oben in Abbildung 1 dargestellt. Im Handbuch, das diesen Namen auch wirklich verdient, gibt es ausführlich Hinweise dazu, wie die Filter je nach Aufstellung des Monitors anzuwenden sind. Ein Schalter ermöglicht eine präzise Einstellung des Ausgangspegels für 0 dBu Eingangssignal. Zur Auswahl stehen Werte von 94 bis 114 dB, bezogen auf 1 m Entfernung.

Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass die Filter und Pegelsteller auch tatsächlich genau das machen, was ihnen zugeschrieben wird. Bei vielen anderen Monitoren handelt es sich dagegen eher um Tendenzwerte.

Hörtest

Entsprechend der typischen Anwendung für den KH420 wurde für den Hörtest auch ein größerer Abstand von ca. 3 m zum Hörerplatz gewählt. Die Einmessung am Hörplatz ergab die in Abbildung 8 dargestellten Kurven, aus denen ein externer EQ zur Korrektur der Raumeinflüsse abgeleitet wurde.

Gut zu erkennen sind die Raummoden unterhalb von 150 Hz und eine leichte Pegelüberhöhung zwischen 150 Hz und 1 kHz, die auf die raumakustischen Gegebenheiten zurückgehen. Unabhängig davon liefert der KH420 unter diesen nicht ganz optimalen Bedingungen einen sehr schön ausgeglichenen Verlauf am Hörplatz.

Der Höreindruck
Verlassen wir die Messtechnik und kommen zum Höreindruck. Perfekt und quasi ohne Limits in irgendeine Richtung, könnte man kurz und knapp sagen. Durch den bis tief nach unten hin ausgedehnten Bass kommt auch bei elektronischer Musik niemals das Gefühl aus, dass hier etwas fehlen könnte. Die Mitten und Höhen spielen dazu in höchster Perfektion, ohne auch nur einen Hauch von Verfärbungen oder Verzerrungen zu erzeugen.

Bei manchen Aufnahmen ging tatsächlich mit den KH420 der sonst in der High-End-Szene gerne zitierte Vorhang auf, und man entdeckte bisher verborgene Qualitäten in der Musik. Das betrifft die Detailabbildung ebenso wie Räumlichkeit in den Aufnahmen. Auch wenn das vielleicht nicht direkt der anvisierte Kundenkreis ist, der KH420 ist echtes, ernsthaftes High-End.

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Fazit

In der Mikrofon-Sparte steht der Name Neumann für höchste Perfektion und eine herausragende audiophile Qualität. Mit dem dritten Studiomonitor aus der Neumann KH-Line verfestigt man jetzt nicht mehr übersehbar diesen Anspruch auch auf der anderen Seite der Schallwandlung bei den Lautsprechern. Der KH420 bietet alles, was man von einem großen Studiomonitor erwartet, und das völlig lückenlos.

Großer Lautsprecher für große Räume
Hier stimmt alles von den herausragenden Treibern über perfekt gearbeitete Gehäuse und Elektronik, über die Messwerte in allen Lagen bis zum Höreindruck. Mit einem zu erwartenden Straßenpreis 
um die 8.000 Euro für das Paar bedeutet der KH420 eine durchaus nennenswerte Investition. Man darf dabei aber auch nicht vergessen, dass es nicht mehr nur um einen kleinen Nearfield-Monitor geht, sondern um einen großen Lautsprecher für große Räume, womit sich der Preis wieder relativiert.

Unabhängig davon gibt einem der KH420 das gute Gefühl, jeden Euro bestens angelegt zu haben und ganz nebenbei für viele Jahre Freude bei der Arbeit im Studio zu sorgen. Wer seine hohen Ansprüche auch gerne im Privaten auslebt, sollte auch hier einmal über den KH420 nachdenken. Ein Hörvergleich mit manchen vielfach teureren Lautsprechern könnte einem die Augen bzw. Ohren öffnen. Vorsicht ist jedoch geboten, da sich so auch Mythen und Illusionen unerwartet im Nichts auflösen könnten. Der Autor spricht hier aus Erfahrung!

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