Genau wie bei der angestrebten Verkehrswende macht es bisweilen Sinn, wenn nicht jedes Audiosignal im Individualverkehr zum Ziel fährt, sondern auf einem gemeinsamen Bus anliegt. Das rettet dann natürlich nicht das Weltklima, aber es kann dir helfen, deutlich schneller und effektiver zu mischen.
Anzeige
Im Frühjahr hatte ich angefangen, mal in meinen alten Aufnahmesessions zu wühlen. Zum Teil, um ein paar unfertige Dinge ordentlich aufs Netzlaufwerk zu archivieren, aber vor allem auch, um alte Sounds und Presets durchzuhören und per SysEx-Dump mal wieder zum Leben zu erwecken.
Nostalgie
Beispielsweise hatte ich wohl noch mit SoundDiver 2 auf meinem Mac mit System 7 komplette Instrumenten-Performances für Rolands JV-Serie erstellt, die dadurch per MIDI einen ähnlich schnellen Workflow ermöglichten wie heute ein normales Instrumenten-Template aus Software-Instrumenten in der DAW. Mit dem Laden der Performance ist der Synthesizer dann quasi auf 16 Kanälen vorbefüllt mit all den Sounds, die dann in einem Song verwendet wurden oder die als möglicher Kandidat eben auf Abruf zur Verfügung stehen sollten. Aber während es für uns heute völlig normal ist, dass jeder Sound in der DAW seinen eigenen Kanal und seine individuellen Bearbeitungen mitbringt, quetschten sich die Klänge dieser 16 Kanäle am Ende doch größtenteils über eine Stereosumme und wenige gemeinsame Effektblöcke. Vielleicht gab es mal für den Bass und den Haupt-Lead-Sound einen Einzelausgang, der Rest kam aber gemeinsam am Mixer an.
Nicht zuletzt hatte so ein analoger Mixer eben auch nicht unbegrenzt viele Eingänge. Auch wenn es damals wie heute jede Menge Audiospuren gab, so gelangten viele davon doch irgendwie gemeinsam auf das analoge Mischpult. Beispielsweise gab es am D/A-Wandler eben zwei Einzelausgänge für den Stereochor, der die ganzen Stimmendopplungen enthielt, ein weiterer Ausgang war dann für die Lead-Stimme − und mehr Vocal-Kanäle waren es dann oft gar nicht.
Natürlich bestand der Chor im Rechner aus mehreren Einzelspuren, im Mix selbst war aber nur die Stereosumme am Mischpult angelegt. Erstaunlicherweise ging das Mischen mit diesen vorgemischten Signalen dann relativ fix.
Fertiggerichte für den Mix
Synthesizer-Sounds, die eher im Hintergrund liefen, habe ich häufig mit einem Synthesizer realisiert, der dann insgesamt einen hohen Hall-Anteil zugemischt bekam. Da waren dann die Bässe allesamt weg und irgendwas in den Mitten abgesenkt.
War nun ein ähnlicher Sound im Laufe des Stücks gefragt, dann erstellte oder wählte ich den am gleichen Gerät, schaltete ihn auf die gleiche Stereospur, und er bekam dadurch auch wieder die gleichen Bearbeitungen. Lautstärke und Filtereinstellungen wurden dann im Klangerzeuger so angepasst, dass es im Gesamtmix mit diesen gemeinsamen Einstellungen gut klang. Viele weitere Möglichkeiten zur Variation im Mix gab es ja eh nicht.
Was nützt uns das Heute?
Der neue Mac Pro wird ja aktuell damit beworben, dass er im Rahmen von Musikproduktionen mit entsprechender Konfiguration kaum in die Knie zu zwängen ist. 1.000 Spuren und mehr seien da möglich … Was für manche von euch vielleicht ein Segen sein mag, wäre allerdings mein persönlicher Albtraum! Mich nervt es bisweilen schon, wenn ich auf einem 32-Kanal-Mischpult zwischen zwei 16-Kanal-Ebenen umschalten muss.
Ein hilfreicher Trick bei etwas größeren Spur-Templates ist aber die konsequente Verwendung von Bussen und Gruppierungen. Und eigentlich ist das auch eine oftmals vergessene Option für wesentlich kleinere Setups. Denn die Anzahl an Audio- oder Instrumentenspuren ist im Mix ja gar nicht so schlimm, wenn wir sie nur ähnlich bündeln wie damals im analogen Hardware-Studio. Vielleicht verbirgt sich da auch schon ein kleiner Teil des analogen Sounds, den wir ja bisweilen mit viel Aufwand erst digital simulieren möchten.
Manchmal geht es noch einfacher
In Reaper geht das Ganze noch einfacher, denn du brauchst hier gar keine manuellen Bus-Zuweisungen oder komplexen Routings. Erstelle einfach eine leere Spur oberhalb der Spuren, die du im Mix zusammenfassen möchtest. Markiere nun die gewünschten Spuren in der Track-Ansicht und ziehe diese einfach auf die neu angelegt Spur. Reaper wandelt diese Spur dann in einen Foldertrack um. Je nachdem, wie dein bisheriges Audio-Routing eingestellt war, musst du dann noch die Option »Parent Send« je Spur aktivieren, falls das Audiosignal nicht direkt auf dem Foldertrack ankommt. In Logic Pro X erzeugst du einfach aus mehreren Einzelspuren einen Spurstapel und wählst dort als Typ den Summenstapel.
Im Grunde nur ein paar Mausklicks − und dennoch bleibt da der Beigeschmack, ob man so wirklich mischen darf? Für große Orchesterstrukturen mit einem Track-Layout jenseits von weit über 100 Tracks kennt man solche Dinge auch heute, aber wozu die Mühe bei einer Band-Aufnahme?
Live-Einsatz
Im Live-Einsatz habe ich generell neben den üblichen Instrumentengruppen, die je nach Pult auch gerne als VCA-Tracks gesteuert werden können, einen Bus für alle Effektsignale sowie einmal getrennt einen Bus für Bass und Bassdrum sowie gesammelt die restlichen Signale ohne Bass und Bassdrum. Anpassungen müssen schließlich schnell gehen.
Das führt dazu, dass ich in den dichten Passagen eines Songs mit einem einzelnen Fader mehr Effektanteil in den Mix geben und den Songaufbau zusätzlich befeuern kann. Je nach Song kann man mit so einem Konstrukt auch das Bass-Verhältnis schnell nachregeln. In der DAW können wir solche zusammengefassten Signale ebenfalls einfacher automatisieren oder sie mit weiteren Plug-ins gemeinsam bearbeiten. Es geht darum, schnell zu mischen und sich nicht in tausend Details zu verfrickeln.
Simulier den Analogmix!
Solche Busse bilden zudem die ideale Ausgangsbasis für eine Simulation mit entsprechenden Sättigungs-Plug-ins im Rechner. Einfach mal den Mix in wenige gemeinsame Signale einteilen − je nachdem, was bei deinem Song einen Sinn ergeben könnte −, und dann auf jedem Bus mal dein Lieblings-Bandmaschinen-Plug-in einsetzen.
Richtig genial wird diese Arbeitsweise im Rechner übrigens mit Waves CLA MixHub. Wenn du mit acht Bussen hinkommst, präsentiert dir das Plug-in diese acht Busse dann ohne weiteres Umschalten auf einer Bildschirmseite. Was sich vielleicht zuerst wie ein lahmes Feature anhört, führt am Ende häufig zu einem schnelleren Mix und einem besseren Klangbild, da dieses von den schnellen Anpassungen insgesamt profitiert. Dadurch, dass du die wichtigen Parameter immer gemeinsam siehst, ist das Anpassen einzelner Busse im Gesamtkontext ohne viel Geklicke möglich. Und das führt eben dazu, dass du genau diese Anpassungen überhaupt findest und vornimmst. Wer schaltet schon gerne durch zig Tracks und öffnet alle möglichen Plug-ins, wenn es eigentlich auch so passt? MixHub präsentiert dir dagegen immer eine Gesamtsicht auf deine Busse − zumindest, wenn du das Plug-in dort einsetzt.
Fazit
Die Angst, sich bestimmte Möglichkeiten durch Busse zu nehmen und an Flexibilität einzubüßen, ist heute völlig unbegründet. Schließlich gibt es in der DAW ja alle Bearbeitungen nach wie vor auch auf den Einzelspuren. Und wenn man dann wirklich ein Signal mehr von irgendwas braucht, dann haben wir sicher auch dafür eine Antwort parat. Kaum ein Signal quetscht sich schließlich heute mehr über eine Handvoll Effektblöcke und vier Einzelausgänge!
Im analogen Zeitalter habe ich mir genau das Gegenteil gewünscht, da war die Bearbeitung individuell pro Kanal, ein hohes Gut und beinahe unerreichbar. Heute verzettele ich mich ab und an in sinnlosem Gefrickel, weil es eben in so einer Computer-DAW unendliche Optionen auf jedem Kanal gibt.
Vielleicht ist das erneute Entdecken von Bussen auch für dich ein Schlüssel zu einem schnelleren Mix, bei dem du die wichtigen Bereiche immer im Blick behältst. Ich wünsche dir viel Spaß beim Experimentieren!