Spectral Audio gehört zu den Hardware-Herstellern, die schon viele Jahre existieren, ist aber trotzdem eher ein Geheimtipp. Dabei hat der Schweizer Hersteller interessante Klangerzeuger und Tools zu bieten.
Synthesizer aus der Schweiz waren in den 90er-Jahren eher die Ausnahme, aber 1995 wurde im schönen Ort Meierskappel am Zugersee im Kreis Luzern die Firma Spectral Audio gegründet. Mastermind und Firmenchef ist der Elektroingenieur Markus Meier. Er liebt die klassischen Roland-Synthesizer und baute den ersten Prototyp des monofonen Synth-Expanders ProTone. Dies führte schließlich zur Gründung von Spectral Audio (www.spectralaudio.ch).
ProTone
Der ProTone kam 1995 heraus und kostete umgerechnet ca. 300 Euro. Er ist ein echter Hingucker im Rack, und das nicht nur wegen seines knallroten Finishs, das sowohl vom Schweizer Taschenmesser inspiriert sein kann, aber auch Ferrari-Fans begeistert, sondern auch wegen der ungewöhnlich gestalteten Potiknöpfe. Die Fertigungsqualität der frühen Geräte bot allerdings Anlass zur Kritik, da z. B. die Potikappen nicht ganz fest saßen. Der Rack-Synth besitzt neben der MIDI-Schnittstelle auch CV/Gate-Ein- und -Ausgänge und kann auch als MIDI/CV/Gate-Interface eingesetzt werden.
Alpen-Roland?
Die monofone Klangerzeugung des ProTone arbeitet mit der klassischen subtraktiven Synthese mit zwei spannungsgesteuerten Oszillatoren. Diese generieren die Wellenformen Sägezahn und Puls. VCO 1 liefert darüber hinaus auch noch alternativ White Noise und bietet eine modulierbare Pulsbreite; der zweite Oszillator lässt sich zum ersten synchronisieren und kann durch ein externes Audiosignal, das rückseitig zugeführt wird, ersetzt werden. Die Oszillatoren lassen sich ringmodulieren, eine Slide-Funktion steht auch zur Verfügung.
Als Filter kommt ein Multimode-Filter mit Resonanz zum Einsatz, das wahlweise mit 12 oder 24 dB Absenkung pro Oktave agieren kann. Ein spezielles Feature, das typisch für die technoverliebten 90er-Jahre ist, ist die von der Roland TB-303 inspirierte Akzentfunktion, die per MIDI-Controller-Befehl ausgelöst werden kann und die Decay-Phase der Filterhüllkurve öffnet. Dafür gibt es aber auch nur eine ADSR-Hüllkurve. Der LFO bietet eine gute Auswahl an Wellenformen (Rechteck, Impuls, Dreieck, Sägezahn, Sinus, Noise und Random) und lässt sich auf die Modulationsziele VCO 1, VCO 2, Pulsweite und Cutoff routen. Auch die Panorama-Position kann moduliert werden, denn der ProTone besitzt einen Stereoausgang. Klasse ist die große Bandbreite der LFO-Geschwindigkeit: sie reicht von 0,005 Hz für ultralangsame Modulationen bis zu 3.800 Hz für FM-artige Klänge.
Sound
Der ProTone liefert einen eleganten, organischen Klang, der äußerst durchsetzungsfähig ist und sich gut für klassische Sequenzersounds und schöne Leads eignet. Manchmal erinnert er ein wenig an frühe Roland-Klassiker wie etwa den SH-2, hat aber insgesamt einen eigenen Sound. Das Filter ist deutlich von den typischen State-Variable-Filtern, die in vielen Roland-Klassikern verbaut wurden, inspiriert und macht einen guten Eindruck, kann allerdings nicht ganz in die Selbstresonanz gefahren werden. Der Synth ist trotz fehlendem Suboszillator in der Lage, gute Bass-Sounds zu liefern. Ringmodulation und der schnelle Oszillator ermöglichen auch geräuschhafte Klänge, wenn auch ein zweiter LFO mitunter schmerzlich vermisst wird.
Syntrack: Der Wolf im Hellblauen Pelz
Der ProTone wurde bis 1998 gefertigt; im gleichen Jahr brachte Spectral Audio den Syntrack heraus, einen monofonen Synth-Expander in einem hellblauen 19″-Gehäuse. Er besitzt eine hybride Klangerzeugung mit digitalem Oszillator und einem analogen Signalpfad. Bis zu 100 digitale Wellenformen stehen zur Auswahl, 200 weitere lassen sich durch den Einbau eines Chips nachrüsten. Beim Filterdesign wurde diesmal ein Moog-typisches 4-Pol-Kaskadenfilter verbaut. Klanglich wirkt der Syntrack aggressiver, aber auch etwas harscher als der ProTone. Dieser Klangcharakter wird durch einen eingebauten Distortion-Effekt noch unterstrichen. Der Syntrack ist noch lieferbar und kostet 300 Euro.
Neptune
Beim in einem tiefseeblauen Rack hausenden Nachfolger Neptune, der 1999 herauskam, orientierten sich die Schweizer Entwickler wieder mehr am ProTone, aber es wurde noch eine fette Schippe draufgelegt. Der Neptune arbeitet wieder mit spannungsgesteuerten Oszillatoren, aber nun stehen drei Stück zur Verfügung, wobei einer auch als zusätzlicher LFO oder als Suboszillator agieren kann. Beim Filter wurde hier wieder auf die Moog-Kaskade gesetzt.
Ein weiterer Unterschied zum ProTone ist die zweite ADSR-Hüllkurve für die Filtersteuerung. Klanglich ergeben sich hier noch mehr Möglichkeiten als beim ProTone, und der Neptune kann im Bassbereich deutlich mehr Gewicht auf die Waage bringen. Das Filter lässt sich hier bis zur Eigenresonanz bringen. Allerdings muss man auf den Stereoausgang und den wählbaren 12-db-Mode des ProTone verzichten. Dafür verfügt der Neptune über einen Distortion/Fuzz-Effekt.
Meeresgott, die Zweite
Wiederaufgelegt werden soll übrigens die zweite Version des Neptune (Neptune II); diese wurde erstmals 2003 angeboten. Er ähnelt optisch und technisch dem Vorgänger und besitzt verbesserte und stimmstabilere VCOs sowie einen Netzschalter, den man beim Vorgänger misst. Er wird voraussichtlich 590 Euro kosten.
Sequenzer mit Subtracks: Tight wie Sau …
Im Programm von Spectral Audio ist immer noch der Hardware-Sequenzer Cyclus3, der 2004 erstmals vorgestellt wurde und sich durch ein sehr tightes und stabiles Timing auszeichnet. Er hat eine MIDI-Schnittstelle mit acht Spuren. Mit maximal 112 Patterns lassen sich bis zu 30 Songs erstellen.
Das Gerät bietet einige nicht alltägliche Features. So verfügt jede Spur über acht Subtracks zur Steuerung diverser Parameter (Pitch, Xtranote, Step Length, Note Off-Time, Velocity, Ctrl Value, Ctrl Length, Ctrl Glide on/off). Darüber hinaus kann jedem der Subtracks eine individuelle Loop-Länge zugewiesen werden; dadurch lassen sich ziemlich einfach komplexe Patterns programmieren, die sich erst nach sehr langer Laufzeit wiederholen. Ein Track kann sogar den Pitch-Parameter eines anderen Tracks modulieren. Der Cyclus3 ist für 300 Euro immer noch erhältlich.
Der Spectral Audio ProTone wurde uns freundlicherweise von Jürgen Bialjahn zur Verfügung gestellt.
Interview mit Markus Meier
Spectral Audio-Chef Markus Meier (www.spectralaudio.ch) hat uns ein paar Fragen beantwortet:
Wie kamst du dazu, Synthesizer zu bauen? Hast du früher in Bands gespielt?
Nein, ich spiele eigentlich Gitarre … ein kleines Studio hatte ich auch mal, Keyboard spielen habe ich mir dabei selber beigebracht. Band gab es keine. Ich habe Elektroniker gelernt, und mich hat elektronische Musik fasziniert. So kam ich auf die Idee, selbst einen Synthesizer zu bauen, den ProTone. Freunde sagten dann, sie wollten auch so einen, und so begann alles.
Was waren die Vorbilder für eure Synthesizer, welche Geräte haben dich inspiriert?
Vor allem Roland TB-303 und Jupiter-8.
Wird die Neuauflage des Neptune neue Features bieten?
Es wird eine Neuauflage vom Neptune II, da er nach wie vor nachgefragt wird. Den kann man nicht mehr besser machen
Wie kam es zur Konzeption des Cyclus 3? Wird es einen Nachfolger geben?
Ich hatte irgendwann die Idee, einen Hardwaresequenzer mit acht Tracks, Patterns und Songs zu bauen. Heraus kam der Cyclus3, welcher sich vom Timing her als hochpräzise herausstellte. Ein Nachfolger ist im Moment nicht geplant.
Welche Neuheiten sind von Spectral Audio zu erwarten?
Mal schauen, es gibt schon gewisse Ideen. Mehr verrate ich hier jetzt aber nicht.
Vielen Dank für den Bericht! Ich wusste nicht, dass die Firma noch existiert. Ich war einer der besagten Freunde, die einen ProTone wollten 🙂
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, ein paar interessante Dinge aus den Anfängen erzählen:
Die ersten 20 Exemplare dieses Synthesizers wurden mit einer goldenen Frontplatte ausgestattet. Diese hatte einen Schreibfehler – statt “Release” wurde der vierte ADSR-Drehregler mit “Relaise” beschriftet. Hier ein Foto:
https://www.von-wartburg.de/spectral-protone/
Das Foto zeigt das Gerät mit der Seriennummer 00008. Es wurde 1995 gebaut. Ab Exemplar 21 wurden die Geräte mit einer roten Frontplatte gefertigt und der Schreibfehler korrigiert. Wie viele der ersten 20 Geräte noch existieren, ist nicht bekannt. Interessant ist auch die Herstellerangabe: Die goldenen Exemplare wurden gebaut, bevor der Hersteller (genauer gesagt der Erfinder) sein Unternehmen Spectral Audio gegründet hatte. Die ersten 20 Geräte wurden daher nur mit “Spectral” beschriftet. Später, nach der Gründung des Unternehmens, wurde “Spectral Audio” verwendet.
Hallo Philipp,
das sind wirklich interessante Infos, die auch uns so nicht bekannt waren. Vielen Dank für die Vervollständigung.
Lieben Gruß aus der Redaktion.