Der Berliner Musikproduzent Patrik Majer bezeichnet seinen Werdegang selber als „nur zu klassisch“: im Alter von 15 Jahren Schulpraktikum im Berliner Hansastudio, Ausbildung bei der SAE, Assistent im Vielklang Studio und in den Audio Tonstudios. 2001 gründete er die Freudenhaus Studios Berlin und den gleichnamigen Musikverlag. Zu seinen Credits zählen u. a. Lemonbabies, Wir sind Helden, Nina Hagen, No Angels, Nick Cave und The Bad Seeds.
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„Bei der Zeit im Hansa hat mich vor allem diese Atmosphäre interessiert, wo man täglich mit Künstlern wie z. B. Depeche Mode zu tun bekommt, die dort damals aufgenommen haben. Und natürlich war ich fasziniert von der Studiotechnik. Am Ende meines Praktikums aber sagte der damalige Studiomanager und Produzent, Tom Müller, zu mir: ›Vergiss alles, was du hier an Studiotechnik gesehen hast, denn 99 Prozent der Studioarbeit sind Psychologie.‹
Ich habe damals erst mal nicht verstanden, was er damit gemeint hatte. Das lernt man ja erst mit Zeit, wenn man selber jeden Tag im Studio arbeitet und Wochen oder sogar Monate lang mit den Künstlern zusammenhängt. Das war für mich auch immer der Reiz — natürlich bin ich technikversessen und detailverliebt, kaufe mir sehr viel analoges Zeug und arbeite halt immer noch analog — ich nehme sogar mit einer Bandmaschine auf, weil mir das einen bestimmten Sound und eine bestimmte Atmosphäre gibt.
Aber ganz ehrlich: Diese Sachen werden immer unwichtiger, wenn ich dem Künstler nicht das Gefühl gebe, dass er musikalisch das Beste geben kann. Bei der Zusammenarbeit im Studio ist das 100 Mal wichtiger als irgendein bestimmtes Mikrofon oder ein toller Vorverstärker. Es geht in erster Linie darum, einen guten Sound zu machen, mit dem sich der Künstler wohlfühlt. Die Unterschiede der ganzen analogen Geräte und die daraus resultierenden klanglichen Feinheiten habe ich mit 20 auch nicht hören können. Solche Erfahrungswerte kommen erst mit der Zeit.
Bezogen auf die Technik ist es viel wichtiger zu wissen, wie man mit den Geräten umgeht, die man hat. Aber wie gesagt — alles das muss man verinnerlichen, um es in dem Moment, wenn man mit dem Künstler arbeitet, zu vergessen. Ein Beispiel macht das klar: Du kannst das teuerste Mikrofon vor dem Sänger im Studio aufgebaut haben, und trotzdem reicht nach dem ersten Take nur ein Satz, um die ganze Atmosphäre kaputt zu machen, z. B.: ›Das war gerade Scheiße …‹ Ein kleiner, unüberlegter Satz, und die gesamte Freiheit und Kreativität, die ein Sänger bei der Aufnahmesession braucht, sind hinüber. Dein tolles Mikrofon kannst du dann gleich wieder abbauen.“
Christoph Stickel begann als Tontechniker, entdeckte aber schon frühzeitig den Mastering-Bereich für sich. Er ist seit Anfang der 90er als Senior Mastering Engineer in den Münchener MSM-Studios tätig.
„Wenn ich die Aufnahmen, die ich heute auf den Tisch bekomme, mit denen von vor 10 bis 15 Jahren vergleiche, habe ich das Gefühl, dass die Musikalität etwas leidet, während die technische Perfektion nach oben gegangen ist. Die Technik kann auch im Prinzip jeder bedienen, und ein Musiker bekommt jetzt auch allein schon eine ordentliche Mischung hin — das fällt mir immer wieder auf. Dennoch wirkt die Musik heute etwas überquantisiert — ich vermisse oft den Gänsehaut-Faktor.
Mein Eindruck ist hier, dass sich viele durch die technischen Möglichkeiten absichern. Zum Beispiel: Du kannst ja recallen, bis der Arzt kommt. Ich kenne Leute, die arbeiten manchmal sogar Monate an einem Track. Durch diese technische Perfektionierung wird schnell der musikalische Gedanke verlassen. Hinzu kommt, dass heute alles bei einer Person zusammenfließt und es keine Instanz gibt, die einem zur Seite steht, wie zum Beispiel ein Tonmeister oder Tontechniker, den im Prinzip nur das Technische interessiert, während man sich als Musiker allein auf das Musikalische konzentriert. Das einzige, was man dann retten kann, ist die technische Perfektion. Das geht mir ja selber so: Wenn ich beim Mastern länger als eine Stunde alleine an einem Titel arbeite, dann wird’s immer sauberer — und immer langweiliger.“