Projectsam – Symphobia 4: Pandora – Sample-Library für Horror, Sci-Fi im Test
von Frank Schreiber,
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Nach mehr als einer Dekade seit der ersten Symphobia-Veröffentlichung erblickt der vierte Teil der erfolgreichen Sample-Library das Licht der Welt. Dabei widmet sich »Symphobia 4: Pandora« diesmal ganz den düsteren Soundwelten. Öffnet man die Büchse, schlägt einem bestes Klangfutter für Horror, Sci-Fi und alle anderen Genres, bei denen nur selten die Sonne scheint, entgegen.
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Mehr als 10 Jahre sind in der Welt der Sample-Libraries eine halbe Ewigkeit, und so hat sich bei Pandora im Vergleich zu den ersten Symphobia-Releases auch einiges unter der Haube getan. Insgesamt widmet sich ProjectSAM hier wieder dem Orchester als Klangkörper, allerdings haben wir es bei Pandora mit einer Orchester-Library zu tun, die auf genretypische, oftmals dynamische Sounds setzt, die im Zusammenspiel dann z. B. Unbehagen bescheren, nervenzerreißende Spannung aufbauen, Schlimmes akzentuieren oder schlichtweg die just über die Welt hereinbrechende Katastrophe kommentieren. Neben einer ausgedehnten Effektsektion und dem Sound-Design-Mode ist auch »Adaptive Sync« neu an Board, um bestimmte Sounds wie z. B. Crescendi, Rolls, uvm. zum jeweiligen Hosttempo synchronisieren zu können. Solche Sounds sind nämlich sehr Timing-sensibel, und wer weiß, wie lange es dauern kann, bis Riser, Rolls und Konsorten richtig sitzen – und vor allem, wie nervtötend es sein kann, immer und immer wieder denselben Sound nach dem Verschieben von vorne bis hinten durchhören zu müssen, um beurteilen zu können, ob dessen Ende richtig sitzt –, wird sich über das neue Feature besonders freuen:
Adaptive Sync garantiert, dass der dynamische Höhepunkt am Ende des jeweiligen Sounds immer automatisch auf eine musikalisch sinnvolle Position fällt. Das kann die nächste 1 des folgenden Taktes sein, lässt sich aber auch beliebig in Viertel- oder oftmals auch Achtelschritten auf andere Zählzeiten einstellen. Das Ganze ist allerdings mehr als nur simples Timestretching, denn die Adaptive Sync-Sounds wurden schon im Vorfeld direkt in unterschiedlichen Tempi aufgenommen. Abhängig vom eingestellten Tempo des Sequenzers wird dann automatisch die Variante des jeweiligen Sounds ausgewählt, die am ehesten zum Tempo passt und somit am wenigsten gestreched werden muss. Auch wählt Pandora selbstständig aus, ob dafür der Start evtl. verzögert oder besser doch ein wenig in den Anfang des Samples gesprungen wird, um am Ende synchron zu sein – oder ob eben eine Kombination aus alledem zum bestmöglichen Ergebnis führt. Bei extremen Einstellungen zeigt ein allmählich orange eingefärbter Slider an, dass die Länge des längsten Samples überschritten wurde, und ein roter Slider bedeutet, dass jetzt ordentlich gestreched wird, was Artefakte hörbar machen könnte. Sehr praktisch.
Als ebenfalls sehr nützliches Feature ist es außerdem möglich, den dynamischen Höhepunkt mittels »Downbeat«-Einstellung auf die nächste 1 festzunageln: Auch wenn der Startpunkt der MIDI-Note geändert wird, bleibt der Schluss trotzdem immer auf der nächsten 1 des Taktes. Sehr schön!
Effekte
Als erste Library der Symphobia Reihe wurde »Pandora« nun eine Effektsektion spendiert. Neben den üblichen Verdächtigen wie EQ, Hall, Delay, Limiter etc. finden sich hier aber auch exotischere Vertreter, die es erlauben, den Sound etwas stärker zu verbiegen, wie z. B. ein cooler, durch LFOs realisierter Stutter-Effekt mit zuschaltbarem Accelerando, oder auch eine einfache aber sehr nützliche Pitch-Hüllkurve.
Insgesamt sind die Effekte eine echte Bereicherung, allerdings sollte man jetzt keine wilden und abgefahrenen Sounddesign-Tools erwarten. Meiner Meinung nach hätte es hier und da Sinn gemacht, stärker in den Klang eingreifen zu können, um bei Bedarf Hybridsounds zu erzeugen, die jenseits des natürlichen Orchesterklangs liegen. Die meisten Samples jedenfalls hätten es definitiv hergegeben, und zumindest eine ausgedehntere Filtersektion mit Resonanz oder diverse Modulationseffekte ständen der Library bestimmt gut zu Gesicht.
Manchmal gibt es sie dann aber doch, einige willkommene Soundbereicherungen aus der synthetischen Fraktion. So kann den Tonal Pulses ein filterbarer, aber leider nicht transponierbarer Synthsound beigemischt werden, der das gleiche Pattern wie die Orchesterinstrumente spielt und somit mehr Fülle gibt. Bei den Drums wiederum steht manchmal ein Subbassgenerator zur Verfügung, um dem Low-End nochmal ordentlich Tiefe zu verleihen, was hervorragend funktioniert.
Ebenfalls ein sehr schönes Feature ist der Sound-Design-Mode, den ProjectSAM bei Pandora erstmalig implementiert. Dieser ist zwar nicht bei allen, aber doch bei sehr vielen Sounds verfügbar. Wo er sich aktivieren lässt, wird das Sample komplett in den RAM geladen, um es danach in die Mangel nehmen zu können. Jetzt ist es möglich, den Sound rückwärts abzuspielen, den Samplestart zu verändern und das Sample timezustretchen. Ein toller Effekt dabei ist, dass die Reverse-Sounds bei Bedarf auch per Knopfdruck auf den nächsten Downbeat synchronisiert werden können. Das funktioniert wirklich sehr gut, und endlich sind Reverse-Cymbals oder Reverse-Hits ruckzuck synchron! Einziger Wehrmutstropfen ist hier allerdings, dass die Synchronisation nicht so vorbildlich wie bei Adaptive Sync auf weitere Zählzeiten möglich ist. So müssen Crescendi mit Reverse-Sounds, die länger als einen Takt dauern sollen, dann doch wieder per Hand verschoben werden, weil immer nur auf die nächste 1 synchronisiert wird. Auch wäre es toll, wenn per »All«-Button, der dieselben Bearbeitungsschritte für alle geladenen Samples erzwingt, auch der Sample-Start für alle geladenen Samples gleichzeitig geändert werden könnte. Das würde bei Reverse-Sounds, mit ursprünglich sehr langer Ausklingphase enorm Zeit sparen. Eventuell wären das zwei Punkte für das nächste Update?
Praxis und Sound
Von den oben genannten Kleinigkeiten abgesehen, lässt es sich sehr gut und zügig mit Pandora arbeiten. Alles ist auf effektives Arbeiten ausgelegt, was besonders dann ein Segen ist, wenn mal wieder die Deadline enorm drängt. Bei manchen Parametern hätte ich mir noch ein wenig mehr Auswahl gewünscht, so würde es z. B. Sinn machen, aus mehreren Impusle-Responses wählen zu können oder auch eine Transponierung in Halbtönen und in beide Richtungen wäre schön gewesen, anstatt ausschließlich in Oktaven und nach unten. Das sind allerdings keine Umstände, die einem das Leben schwer machen.
Der Sound von Pandora trifft Mitten ins Schwarze – und das darf man gerne wörtlich nehmen: Es gibt jede Menge verstörender Cluster, wabernder Texturen, schräger Runs oder abgefahrener Instrumental-Effekte, aber auch eine Vielzahl hervorragender, dynamischer Sounds, wie Crescendi, Rips, Growls, Swells usw., die geradezu dafür prädestiniert sind, perfide den nächsten Schockmoment vorzubereiten und dann das Blut in den Adern gefrieren zu lassen. Dabei wurde die typische Ästhetik oftmals so gut getroffen, dass man beim Spielen nicht selten den Eindruck hat, Auszüge aus einem tatsächlichen Score unter den Fingern zu haben.
Wer schon einige Symphobia-Libraries besitzt, muss nicht befürchten, bei Pandora dieselben Samples verdeckt untergeschoben zu bekommen, nur weil ähnliche Soundgattungen in vorherigen Libraries vorkamen. Im Gegenteil, Pandora ist eine sehr gute Erweiterung zu den vorherigen Releases. Weil wieder hauptsächlich in Gruppen gesampelt wurde, ergibt sich für die hier verwendeten Motive, Instrumentierungen und Spielweisen ein sehr authentischer und lebendiger Sound. Manchmal sind auch Nebengeräusche zu hören, die aber meist eher zur Authentizität und Lebendigkeit beitragen. Meiner Meinung nach wurde beim Sound im Vergleich zu den ersten Libraries nochmal eine Schippe draufgelegt. Sie klingen oftmals sehr dynamisch, und auch der Raum ist auf eine angenehme Weise präsenter, was sehr gut zur angestrebten Größe und Ästhetik passt. Dies wurde durch die zusätzlichen Far- und Wide-Mikros realisiert, die sich, ebenso wie die altbekannten Close- und Stage-Mikrofone, separat regeln und somit an die eigenen Bedürfnisse anpassen lassen.
Fazit
Während bei Filmen ja oftmals der vierte Teil in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden droht, ist es meiner Meinung nach bei der Symphobia-Reihe umgekehrt, und Teil 4 ist mit Pandora am stärksten. Dafür sorgen nicht nur eine immense Auswahl genrespezifischer Sounds, Spielweisen und Instrumentierungen sowie ein erstklassiger Gesamtsound, sondern auch die hervorragende Einbindung Timingsensibler Sounds in das jeweilige Tempo und Metrum. Pandora schafft es dabei, trotz des überwiegenden Gruppensamplings einerseits flexibel genug zu bleiben, um individuelle Ergebnisse zu ermöglichen, andererseits aber auch Bausteine bereitzustellen, um recht schnell einen satten Orchesterklang zu erzeugen.
Als erste und einzige Orchester-Library ist Pandora nur denjenigen zu empfehlen, die ausschließlich in den genannten Genres arbeiten oder unter schwerwiegenden Depressionen leiden. Allen anderen, auch Besitzern der vorherigen Symphobia Libraries, sei Pandora als wunderbare Ergänzung im orchestralen Farbmalkasten empfohlen, um hervorragende Werkzeuge zur Hand zu haben, wenn wirklich dunkle Stimmung aufgetragen werden muss.