Studioreport Kanada – Auf den Spuren der Stones und der Country Music
von Marc Bohn,
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Ich bin ein großer Fan von Kanada, der atemberaubenden Landschaften mit ihren Wäldern, Flüssen, schneebedeckten Bergen, eben genau so, wie man das zweisprachige Land aus TV-Dokumentationen kennt. Als ich jetzt im Januar 2020 im Vorfeld der NAMM Show die Chance hatte, einen Stopp in Kanada zu machen, dachte ich: Da kann ich doch ein paar Studios besuchen! Also recherchierte ich, wo es auf meinem Weg von Calgary nach Edmonton Studios gibt, schrieb diese an, machte einen Termin und fuhr hin. Auf meinem Weg treffe ich Jason, Megan, Josh, Ben, Trevor, Brad und Randor, mit denen ich über die Musikkultur, die Entwicklung der Musikindustrie und Klischees wie Ahornsirup, Kälte und Eishockey in Kanada spreche! Viel Spaß beim Hören!
Meine Reise startet in Calgary im Studio Bell, das zum National Music Centre gehört! Das Studio Bell ist ein Museum, in dem Musikinstrumente, die vor allem die kanadische Musikkultur geprägt haben, ausgestellt sind. Was mich aber eigentlich hier hintreibt, ist das integrierte Studio, die drei Regien mit einer unglaublichen und historischen Ausstattung und mehreren Aufnahmeräumen. Doch dazu kommen wir später!
Das sehr moderne Bauwerk mit zwei Türmen und einer Brücke ragt wie ein großes Tor über eine Straße und das ehemalige King Edward Hotel, einen legendären Bluesclub der Stadt den man als „Whiskey Row“ kennt, der damit auch revitalisiert wurde und jetzt als Event-Location dient.
Ein absoluter Hingucker: das Studio Bell von außen. Die Studios kann man ganz normal buchen und auf
alle Instrumente zurückgreifen, die dort bereitstehen. Studio Bell bekommt aber auch Fördergelder für
junge Künstler. Zwölf Mal im Jahr wird ein Award an Künstler verleihen, die hier als Gewinn an fünf oder
mehr Tagen ihre Musik aufnehmen können. Das ist ein Förderprogramm der Stadt Calgary.
Die gesamte Architektur, das geschwungene Desgin und die Terrakotta-Fliesen an der Fassade machen das Gebäude zu einem absoluten Hingucker. Bei meiner Ankunft im Foyer schallt Neil Young mit Heart Of Gold – mein Lieblingslied des kanadischen Singer/Songwriters – über die Lautsprecher im Inneren, der hier eine wichtige Rolle spielt!
Die Helios-Konsole im mobilen Recording-Truck der Stones
Das Röhrenmikrofon Telefunken U47 wurde 1946 entwickelt
Das Neumann CMV3 bzw. Telefunken ELA M302/2 von 1938.
Die Trident A-Range
Das RCA-44. Ein Bändchenmikrofon aus dem Jahr 1940
Die Konsole im Olympic Studio stammt aus dem gleichnamigen und legendären Studio in London, auf dem in den 70er Jahren Größen wie Motörhead, Eric Clapton und Elvis Costelle aufnahmen.
Originale LA-2A, UA-Stuff, Pye Kompressoren, 500er Stuff aus den 70ern, Eventide Harmonizer, Neil Youngs AMS Digital Delay, EMT 140 Plate
Beim Blick nach oben fällt auf, dass das siebenstöckige Gebäude einen offenen Flur besitzt und hier ebenfalls die Fliesen angebracht sind, die man von der Außenfassade kennt. Hier dienen sie allerdings für eine besondere Akustik, die speziell an dieses Gebäude angepasst wurde. Jede Fliese wurde dafür einzeln angebracht und speziell ausgerichtet, erzählt mir Lead Engineer Jason Tawkin vom NMC, der mich durch die Ausstellungsfläche von 15.000 Quadratmetern führt und mir einen Einblick in die Studios gibt.
Aus diesem Mellotron stammt der Sound zu Strawberry Fields Forever von
The Beatles!
Der Synthi 100
EMS VCS3, der erste, der jemals gebaut wurde – Prototyp!
Dieser ARP 2500 wurde in dem amerikanischen SciFi-Movie von 1977 „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ zur Kommunikation zwischen Menschen und Alien genutzt.
Es ist immer noch bitterkalt, das Thermometer im Auto zeigt -30 Grad an. Nachdem ich den Highway und die Landstraße verlassen hatte, ging es auf nicht geräumten Straßen weiter. Mir kommen nur SUVs entgegen, die zwei Meter höher sind als mein Leihwagen aus der Mittelklasse. Die OCL Studios liegen weit ab vom Schuss, kein Haus weit und breit, nur schneebedeckte Felder. Ich dachte schon, ich hätte mich verfahren, bevor ich dann plötzlich vor einem riesen Anwesen stand, wo weder das Logo noch irgendein Hinweis zu den OCL Studios zu sehen war. Ich dachte, ich bin falsch.
Die Regie mit einer Neve 88RS
Der Aufnahmeraum
Die OCL Studios!
Instrumenten-Arsenal
Ein Überbleibsel aus dem Hard Rock Café in Calgary
Dann wurde ich aber freundlich von Megan McKay, der Studiomanagerin und Tochter des Eigentümers Dan Owen, und Josh Rob Gwilliam, einem der Engineers, begrüßt. Wir starteten direkt mit einer Studiotour!
Auf dem Weg zu Country Singer/Songwriter und Producer Ben Crane und sein Jinglebob Music Studio von Calgary nach Eckville, das in der Nähe von Red Deer und zwischen Edmonton und Calgary liegt, fahre ich durch den Banff Nationalpark. Die Fahrt wird durch die beeindruckende Landschaft, meterhohem Schnee, der die Straße flankiert, und den unglaublich schönen Bildern die die Natur einem hier durch Wälder, Berge, zugefrorenen Seen und Flüssen bei -30 Grad bietet zu einem unglaublichen Erlebnis, das ich nie vergessen werden. Ich drehe die Heizung voll auf, fahre die Fenster runter, schmeiße die Musik an und genieße die Zeit mitten im Nirgendwo, ohne Gegenverkehr, ohne Handy- oder Radio-Empfang! Letzteres wurde mir Gottseidank erst nach meiner Ankunft bei Ben klar …
Natürlich fahre ich auch hier wieder ewig über verlassene Straßen, bis ich dann endlich auf der Ranche von Ben und seiner Frau Shermon ankomme. Bei der Ankunft kehrt sie vor dem Haus den Schnee weg, Ben steht auf der Terrasse. Die beiden haben schon auf mich gewartet.
Die beiden leben auf dem Land in einem kleinen Haus, gegenüber steht eine kleine Block-Hütte, in dem Bens Studio und eine kleine Ferienwohnung untergebracht sind. „Die Ferienwohnung können die Musiker auch mieten und über Nacht bleiben. Aber auch Urlauber oder Leute, die auf der Durchreise sind, machen bei uns Halt! Hauptsächlich produziere ich Country Musiker bzw. Singer/Songwriter, die hier in der Nähe leben“, erzählt Ben. Hier in der Nähe leben klingt gut: Wir stellen fest, dass hier auf einem Quadratkilometer nur 4 Personen leben. Durchschnittlich leben in Kanada ca. 3,9 Menschen auf einem Quadratkilometer, in Deutschland sind es 244. Ich bleibe über Nacht, damit sind es dann 5.
Es ist kalt in Edmonton! Die Stadt ist auch in gewisser Maßen Namensgeber des Studios, das ich als nächstes besuche: das Edmontone Studio! Dort öffnet mir Miteigentümer Trevor Rockwell die Tür, der das Studio zusammen mit seinem Freund Adam Stark und der Unterstützung seiner Frau Jennifer Jenkins führt, die aus dem Musikbusiness kommt und Administration übernimmt.
Dick eingepackt mit mehreren Schichten, traue mich wieder auf die Straße und mache mich auf den Weg zum Velveteen-Studio. Draußen bekomme ich eine Nachricht von Randor Linn, meinem Ansprechpartner: „Hey Marc, ruf an, wenn du da bist, ich mach dir dann die Tür auf! Die Fronttür ist zugefroren!“ Mein erster Gedanke: Wirklich? Ich muss bei -37 Grad meine Handschuhe ausziehen, um mein iPhone bedienen zu können? 🙂 Was wie ein Witz klingt war eigentlich auch ernst gemeint. Denn nachher hatte ich wirklich eine kleine Kälteverbrennung, da ich das ein oder andere Bild unterwegs mit meine iPhone gemacht habe. Aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt.
Die Regie
Ein U87 dient meistens als Vocal-Mikrofon
In der Regie steht eine SSL Matrix2
Das Sony ECM-999PR Stereomikrofon wird oft an der Akustik-Gitarre eingesetzt
Am nächsten Tag fliege ich von Edmonton nach Los Angeles zur NAMM Show und erlebe einen Temperatur-Unterschied von fast 60 Grad Celsius! Ich kann es kaum glauben, dass die Reise, die ich so lange und intensiv geplant habe, vorbei ist. Am Flughafen in L.A. fühlt es sich komische an, als ich im Pullover den Flughafen verlasse und nach draußen komme, ohne Angst zu haben, erfrieren zu müssen. Ich hatte mich bereits an die extreme Kälte gewöhnt!
Die Kanada-Reise war für mich persönlich ein unglaubliches Erlebnis, das ich nie vergessen werde und an das ich noch sehr lange mit etwas Wehmut zurückdenken werde. Das Land bei dieser extremen Kälte zu erleben, war schon etwas Außergewöhnliches und hoffentlich Einmaliges! Neben der Kraft und der Schönheit der Natur bleiben aber die Menschen in meiner Erinnerung, die mich, den „Crazy German“, so herzlich aufgenommen und während meiner Reise unterstützt haben. Ich hoffe auf ein Wiedersehen! „A great trip, eh?!“
Podcast-Mikrofon – Einsatz bei bis zu -37 Grad
Mein treuer Begleiter: Das iXm Podcast ist ein hochwertiges Handmikrofon mit integriertem Digitalrecorder für Aufzeichnungen von Interviews. Straßenpreis: 999 Euro! Weitere Infos findet ihr unter www.yellowtec.de!
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