In Produzentenkreisen muss Spectrasonics’ Omnisphere eigentlich nicht mehr vorgestellt werden. Zu lange schon ist der Software-Synth auf dem Markt und spielt seitdem ganz vorne mit, als dass man an ihm vorbeigekommen wäre. Dass Omnisphere durch die Kombination mit vorhandenen Hardware-Synths allerdings seit geraumer Zeit auch ein ernstzunehmender Kandidat für die Bühne sein kann, dürfte wiederum der Aufmerksamkeit vieler Livemusiker entgangen sein.
Um die Bühnentauglichkeit von Omnisphere weiter auszubauen, hat sich Spectrasonics beliebte Hardware-Synths ausgesucht und deren Bedienelemente, wie Potis, Fader, Taster usw., den entsprechenden Parametern in Omnisphere zugeordnet, wodurch sich diese Hardware-Synths nun in hochspezialisierte Controller des Softwaresynthesizers verwandeln. Das macht im Live-Setup natürlich einen schlankeren Fuß, weil hier kein Extra-Controller mehr nötig ist, sondern einfach der sowieso vorhandene Synth genutzt werden kann. Unter den momentan unterstützten Hardware-Vertretern sind Klassiker, wie auch aktuelle Synths, teilweise mit klangvollen Namen wie Moog, Dave Smith, Clavia, Access, Roland, Korg uvm. Die komplette Liste mit den aktuell 65 unterstützen Instrumenten ist auf der Spectrasonics-Website einsehbar und wird wohl, wie bisher bereits geschehen, auch weiterhin erweitert werden.
Das dazugehörige Omnisphere-Update hatte Spectrasonics in den Versionen v2.5 bzw. v2.6 veröffentlicht. Außer der Hardware-Synth-Integration gab es mit beiden Updates mal eben ca. 1.600 neue Sounds in Form einer neuen Hardware-Synth-Library und darüber hinaus zahlreiche Änderungen unter der Haube, wie z. B. mehr Layers, Hüllkurven und LFOs pro Patch, zusätzliche Filter und Wavetables sowie ein stark aufgebohrter Arpeggiator – um nur einige zu nennen. Und das Beste daran: all das als kostenfreie Updates und als purer Quell der Freude für alle Omnisphere-2-Besitzer.
Integrationshelfer. Aber wie funktioniert das Ganze jetzt genau? Nun, Spectrasonics hat schlicht und ergreifend für jeden unterstützten Hardware-Synth ein individuelles Mapping von dessen Bedienoberfläche vorgenommen und in Form eines eigenen Profils angelegt. Letzteres kann dann in Omnisphere einfach und komfortabel per Drop-Down-Menü zur passenden Hardware ausgewählt werden. Jedes Profil ist also auf die individuelle Hardwareausstattung des jeweiligen Synths angepasst und weist die vorhandenen Hardware-Bedienelemente möglichst sinnvoll Omnispheres Softwareparametern zu. So regelt z. B. der Filter-Poti am Synth immer den Cutoff von Omnisphere, oder ein Dreh am Attack-Poti der Lautstärkehüllkurve bei der Hardware bedient genau diesen Parameter im Softsynth usw. Die Profile lassen sich erfreulicherweise auch individualisieren. Falls also einige vordefinierte Zuweisungen nicht ins eigene Setup passen sollten, können die jeweiligen Parameter auch wie bisher »unlearned« und danach neu verknüpft werden. Selbstverständlich lässt sich das geänderte Profil dann noch unter anderem Namen abspeichern.
Es gibt bei all den unterschiedlichen Konzepten der verschiedenen Hardware-Synth-Modelle und -Hersteller zwangsläufig natürlich auch Unterschiede in deren Ausstattung und damit in der fernsteuerbaren Parameterzahl. Allerdings wurden mit den unterstützen Synths Instrumente ausgewählt, die auch eine ordentliche Anzahl an Hardware-Controllern zu bieten haben und so auf eine sinnvolle Weise an Omnisphere andocken können. Es werden aber zwangsläufig immer wieder Lücken bleiben, denn bei Omnisphere stehen insgesamt über 20.000 Parameter zur Verfügung – diese komplett zu adressieren schafft selbst ein raumschiffkommandobrückenähnlicher Synthesizerbolide nicht.
Wählt man nun in Omnisphere einen Synth für die Hardwareintergration aus, erscheint ein Dialog, der Hilfe beim Setup anbietet, was für eine Ersteinrichtung sinnvoll sein kann. Denn je nach gewähltem Hardware-Synthesizer müssen bei diesem nämlich einige Einstellungen vorgenommen werden, um alles zum Laufen zu bekommen – wenn nicht sowieso schon alles passend eingestellt ist. Nimmt man diese Hilfe an, wird man direkt auf die vorbildliche Hilfeseite des gewählten Modells geleitet und ausführlich durch den Prozess geführt, der beim jeweiligen Synth nötig ist. Einfacher geht’s nun wirklich nicht. Losgeschraubt: Widmen wir uns der praktischen Seite. Als Hardware dürfen meine beiden betagteren Schätzchen Nord Lead 1 sowie der Virus C Rack herhalten. Die Einrichtung war bei beiden Synths problemlos. Da ich sie sowieso ins Studio eingebunden habe, war alles schon wie erforderlich konfiguriert und funktionierte auf Anhieb, ohne etwas an den Einstellungen ändern zu müssen. Nach dem Auswählen des Hardware Synth-Profils wechselt Omnispheres Patch-Browser automatisch in das Verzeichnis der Hardware-Synth-Library und springt dort zum ersten der passenden Patches der gewählten Hardware, sodass man sofort mit den richtigen Sounds für das gewählte Modell loslegen kann. Bäm!
Und was soll ich sagen – es funktioniert hervorragend und macht wirklich großen Spaß! Bei meinen beiden Synths sind keine ungewöhnlichen Latenzen feststellbar, und die Hardware-Integration ist wirklich gelungen. Sobald man einen Poti bewegt, springt Omnisphere automatisch zum passenden Bereich des GUI, in welchem der entsprechende Parameter beheimatet ist. So kann visuell direkt nachvollzogen werden, was momentan haptisch passiert. Das ist sehr praktisch und schön gelöst.
Je nach Instrument fallen mangels sinnvoller Zuweisungsmöglichkeit aber auch öfters wenige Hardware- lemente durchs Raster, die dann bei Omnisphere keine Funktion haben. Diese können aber selbstverständlich nach eigenen Vorstellungen zugewiesen werden.
Einziger Wehrmutstropfen ist allerdings die unidirektionale Anbindung. Soll heißen: Die Kommunikation geht nur in eine Richtung und zwar von der Hardware zur Software. Wählt man nun also einen anderen Sound in Omnisphere, wird das dann nicht am Synth mit aktualisierten LEDs oder gar Poti/Encoder-Werten des neuen Omnisphere-Presets quittiert. Hier sind dementsprechend Parametersprünge vorprogrammiert, wenn man nicht die Hardware manuell minutiös auf die Werte des jeweiligen Sounds voreinstellt. Das ist in einer Live-Situation natürlich nur bedingt möglich, aber ohne motorisierte Potis oder Encoder, die bei den meisten Hardwaresynths sowieso nicht vorhanden sind, lässt sich das Dilemma ohnehin nicht lösen. Ich persönlich finde es kein allzu großes Problem, denn die positiven Effekte der Anbindung überwiegen definitiv. Ob eine bidirektionale Kommunikation in Zukunft integriert werden wird, konnte man bei Spectrasonics zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, da das von Anfang an auch gar nicht geplant war.
Davon abgesehen liefert das Bedienen der Potis und Taster des Nord Leads beim Editieren der Hardware-Synth-Library-Sounds die erwarteten Klangergebnisse, wenn man den Nord Lead kennt. Bei Letzterem ist eher eine auf das Nötigste der Subtraktiven Synthese reduzierte, klassische Oberfläche eines Synths vorhanden, mit wenig Exotischem. Das üppiger bestückte Bedienfeld des Virus C hält da etwas mehr Kontrollmöglichkeiten vor und gleichzeitig die Überraschung parat, dass sich vordefinierte Parameter der Omnisphere-Effekte ebenfalls ganz selbstverständlich und direkt über die Effekt-Potis des Virus steuern lassen. Sehr praktisch.
Und das Erstaunliche dabei ist: Man vergisst irgendwann tatsächlich des Öfteren, dass man hier an einem Softsynth schraubt und die Sounds nicht aus der Hardware selbst kommen. Der Eindruck entsteht dabei natürlich auch ein wenig durch die passende Soundästhetik der Hardware-Synth-Library, aber viel mehr durch das Erlebnis, einen Softsynth mit den Annehmlichkeiten des direkten Parameterzugriffs eines vertrauten Hardwaresynths zu spielen. Dabei sollte man jetzt nicht erwarten, dass die Sounds der Hardware-Synth-Library auf Augenhöhe mit den Hardware-Vorbildern wären. Ich denke, das wollen sie auch gar nicht sein, denn dafür ist die Hardware ja unmittelbar vorhanden. Die Sounds sind aber eine schöne Ergänzung und wenn man so will, eine Tribute-Library für die jeweiligen Synths, die sich sehr gut spielen und bis ins Extreme verbiegen lassen. Mit diesen Sounds spielt Omnisphere die Stärken seiner internen Synthesemöglichkeiten, vom Klangcharakter her zugeschnitten auf das ausgewählte Hardwarependant, aus und stimmt die Modulationsmöglichkeiten perfekt auf dessen Hardwaresituation
ab – und das Ergebnis ist teilweise sehr beindruckend.
Aber wie funktioniert die Hardware-Synth-Integration bei den normalen Sounds aus der Standard-Library von Omnisphere, also allen Sounds außerhalb der neuen Hardware-Synth-Library? Die richtige Antwort kann nur lauten: Es kommt darauf an. Nämlich darauf, welche Hardware man unter den Fingern und welche Parameter der aktuell geladene Omnisphere-Sound zu bieten hat, die auf das gewählte Hardware-Profil passen. Aber die gute Nachricht ist, dass die Hardware-Integration unverändert bestehen bleibt und somit prinzipiell weiter genutzt werden kann. Wenn der momentan gewählte Sound z. B. kein FM benutzt, wird beim Drehen des FM-Potis kurzerhand Omnispheres FM eingeschaltet und der Wert dann gefahren. Gibt es aber z. B. nur einen Oszillator im Patch, ist natürlich das Drehen am OSC2-Poti wirkungslos.
Der Clou ist, dass sich über einen Umweg auch Trilian und Keyscape der Harware-Integration unterwerfen lassen. Werden diese nämlich als Satellite in Omnisphere geladen, schaltet eine Reglerbewegung der Hardware sofort die Oberfläche des Satellites auf die von Omnisphere um. Somit entsteht dieselbe Situation wie für alle anderen Standard Library Sounds in Omnisphere, und es kann nach Lust und Laune auch an diesen Sounds geschraubt werden. Herrlich!
Fazit
Mit der Hardware-Synth-Integration hat Spectrasonics den richtigen Weg eingeschlagen, um ihren ohnehin schon großartig klingenden Softwaresynth nun auch großartig spielen zu können. Dabei ist die Hardware-Synth-Library ein schönes Goodie, das eindrucksvoll demonstriert, wie eine perfekte Verzahnung von Software und Hardware aussehen kann. Allerdings geht es meiner Meinung nach hier um mehr. Einen Hardware-Controller zu nutzen, um einen Softsynth zu steuern, ist schon eine feine Sache, wenn auch nicht wirklich neu. Aber es ist tatsächlich nochmal ein erstaunlich großer Schritt nach vorne, wenn eine echte und vor allem vertraute Hardware-Synthesizeroberfläche zur Verfügung steht, um damit einen Software-Synthesizer zu steuern. Die Parameter sind dann nämlich intuitiv und komfortabel zu steuern, und auf einmal fühlt es sich tatsächlich wie ein echtes Hardware-Instrument an, das man spielt.
Ob man nun sein Notebook mit auf die Bühne nehmen und den Gefahren von Systemabstürzen, Roadies oder bisweilen nicht nüchternen Bandkollegen aussetzen möchte, bleibt der Risikobereitschaft eines jeden Keyboarders überlassen. Meiner Meinung nach würde sich das Abenteuer lohnen. Definitiv lohnt es sich aber im Studio, und man fragt sich schon fast, wieso erst jetzt jemand auf die Idee gekommen ist, Softsynths mit bekannten Hardware-Synthesizern zu verzahnen. So einfach die Idee ist, so wahnsinnig effektiv ist das Ergebnis, das ich ab jetzt nicht mehr missen möchte.
Hersteller: Spectrasonics
Preise: Vollversion: 399,– Euro Upgrade: 199,– Euro
Internet: www.spectrasonics.net
Unsere Meinung:
+++detaillierte und individuelle Integration von über 60 Hardware-Synth-Oberflächen
+++direkter Zugriff auf die wichtigsten Omnisphere-Parameter
++ Hardware-Synth-Library mit ca. 1.600 Sounds
++ Keyscape und Trilian als Satellites ebenfalls eingeschränkt steuerbar
– – unidirektionale Kommunikation
Ich frage mich echt immer wieder, wenn ich solche Mengenangaben, wie “…ca. 1.600 neue Sounds…” lese, welches menschliche Hirn in der Lage ist sich diese Überflutung zu merken, um damit sinnvoll kreativ zu arbeiten? Es ist egal ob man Synthies oder Effektgeräte einsetzt – überall wird man platt gemacht mit eine Auswahlmenge, die, meiner Erfahrung nach, nicht “verwaltbar” ist.
Ich weiß nicht, wie es anderen Musikern geht, aber wenn ich eine Soundidee hab und anfange nach was passendem zu suchen, nach kurzer Zeit des Hineinhörens ist bei mir ein akustisches Overload im Hirn und Gehör. Ich komme immer wieder zur Erkenntnis – weniger ist mehr:-) Meistens ist selber was erschaffen die bessere und einfachere Lösung.
Dein Kommentar erinnerte mich sofort an meine XV5080-Zeit, in der ich neben Samplern immer unter Hochdruck Sounds für Theatermusik finden musste. Die meiste Zeit verbrachte ich Immer mit Suchen und verwerfen bis tief in die Nacht hinein. Danach kam oft noch das Rumärgern, weil das XV einzelne Sounds i. V. mit aufwändigen Mehrspurprojekten durch Midi immer wieder mal komisch und unreparabel veränderte. Da war irgendwie ein (seltener aber ärgerlicher) Bug im Gerät, der nicht behoben werden konnte.
Andererseits dauert das Basteln seines eigenen Sounds auch fast gleich so lang, man hat also auch nicht viel Zeit gewonnen.
Die Suche nach dem richtigen Klang bleibt also wohl auch noch in Zukunft schwierig, vor allem wenn man unter Zeitdruck steht. Das Konzept von NI i. Verbindung mit der Hardware kommt mir persönlich aber schon mal sehr entgegen.
Das ist eine gesunde Ansicht und geht mir auch so.