Clavia Nord Wave 2 – Performance Synthesizer im Test
von Redaktion,
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Die Hoffnung, dass es jemals eine Mark-II-Version des legendären Nord Wave geben würde, hatten viele sicher bereits aufgegeben. Nun ist sie da, und es scheint, als ob das ursprüngliche Konzept mit einer wahren Flut von dezimalen Nachkommastellen in einer gut abgeschirmten Paralleldimension weiterentwickelt wurde. Shit-damn-howdy!
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Der nordische Wellenbrecher mit der Nummer 2 auf dem Bug ist also offiziell vom Stapel gelaufen! War eines der Hauptdesignelemente des ursprünglichen Nord Wave noch das vom Nord Lead geerbte, nach links aus dem Blickfeld gerückte Bedienpanel, präsentiert sich das neue rote Synthschlachtschiff, trotz einer Verlängerung um eine ganze Tastaturoktave auf der Oberfläche, auffällig gut gefüllt. Wird es dadurch beim Nord Wave 2 jetzt plötzlich konzeptabweichend komplizierter? Keineswegs! »Vielschichtiger« dürfte es eher treffen …
Wann ist ein Synth ein Synth?
Die Wahl des Synthesizers ist nicht selten mit der Präferenz einer bestimmten Syntheseart und einem damit einhergehender Soundcharakter verbunden. Rümpften Puristen noch vor einigen Jahren beim Thema virtuell-analoger Subtraktion verächtlich die Nase, ist dieses Synthesekonzept mittlerweile klanglich mindestens genauso anerkannt wie sein analoges Vorbild. Zudem spielte Clavia exakt in dieser Disziplin bereits recht früh eine nicht unbedeutende Vorreiterrolle. Im Falle des Nord Wave 2 gesellen sich zu dieser auf digital-analoge Wellenformen zurückgreifende Synthese noch eine Wavetable-Engine, eine Operatoren-basierte FM-Einheit sowie ein integrierter Sampleplayer. Ergänzt wird dieses »Best of all worlds«-Quartett außerdem noch durch die Möglichkeit, mithilfe der »Nord Sample Editor 3«-Software für macOS und Windows eigene Samples zu integrieren. Schauen wir uns einmal näher an, wie dieses waghalsige Unterfangen, welches dazu noch eine unverschämt satte 48-stimmige Polyphonie verspricht, umgesetzt wurde.
First Contact
Der Nord Wave 2 erscheint bereits bei oberflächlicher Betrachtung nicht nur gut durchdacht, sondern im Familienverbund der Nord-Instrumente auch eine unbestreitbare Sonderrolle einzunehmen. Anstatt der bekannten Holzseitenteile kommen beim schwedenroten Synth massive, 3 mm dicke und grau lackierte Metallplatten zum Einsatz, womit der optische Brückenschlag zwischen den eigenen Stagepianos und den blechern abfallenden Seiten der Nord Lead sowie dem ersten Nord Wave gelingt. Die exzellent spielbare, halbgewichtete 61er-Waterfalltastatur wurde im Übrigen vom Electro 6D »geklaut« und im vorliegenden Fall sogar noch um eine Aftertouch-Funktionalität ergänzt.
Die Genialität der Einfachheit
Das im wahrsten Sinne des Wortes zentrale Element des Nord Wave 2 befindet sich in Form von vier mit LED-Ketten bestückten Fadern unmittelbar unter der Nase des Keyboarders. Was sich schlicht »Layer Control« nennt, ist ein Mixer für bis zu vier Parts (Voices) unterschiedlicher Synthesequellen, über welchen diese sich auch per Button aktivieren und deaktivieren lassen. Ein enorm cleverer Schachzug sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben: Layer lassen sich über das Control-Panel mittels Shift-Taste nämlich auch in einer gemeinsam mittels Parameter steuerbaren Gruppe zusammenfassen. Bei der Verwendung unterschiedlicher Synthesequellen lassen sich so von der gemeinen Wunderhallzuweisung (durch Gruppenselektion in der entsprechenden Sektion) bis zur Oszillatorsteuerung interessante Makro-Steuerungseffekte umsetzen. Wenn man in diesem Zusammenhang von Layern spricht, ist dies allerdings, wie bereits eingangs erwähnt, deutlich zu tief gestapelt, denn im Idealfall hat man es beim Nord Wave mit vier unabhängigen Synthesizern zu tun, die sich selbstverständlich auch noch jeweils individuell bearbeiten und effektieren lassen.
Let’s talk Oscillators!
Die Oszillator-Rubrik bietet zunächst einmal eine Handvoll klassischer Wellenformen wie Sinus, Dreieck, Sägezahn, Rechteck sowie 10 %-Puls und 33 %-Puls nach analogem Vorbild. In weiteren, mit dem Zusatz »Shape« versehenen Kategorien stehen zudem zwölf verschiedene Wave-Varianten bereit, die sich mittels dem OSC CTRL-Regler zehnstufig in ihrer Form modulieren lassen. Darüber hinaus bietet der Virtuelle zahlreiche Multi-Oszillator-Kombinationen, die sich angenehm gegeneinander verstimmen lassen, sowie einen Oszillator-Sync-Modus (Sync). Abgerundet wird das Analog-Paket mit einer Bell-Amplituden-Modulation und drei Arten Krach in Form von White Noise, Pink Noise und Red Noise.
Wo die Fähigkeiten analoger Synthese aufhören, fangen die Qualitäten der Wavetable-Synthese an. Die Wavetable-Abteilung des Nord Wave 2 stützt sich auf ein reichhaltiges Angebot digitaler und aus gesampelten Instrumenten generierter Wellenformen mit teils reichhaltigen Obertönen.
Die Frequenz-Modulation aka FM-Synthese hält bis heute den Schlüssel für eine ganz eigene Klangästhetik in Händen und erfreut sich seit den 80ern über wellenartig wiederkehrende Beliebtheit. Clavia spendiert seinem Synth-Flaggschiff in diesem Ressort ein gut sortiertes Algorithmen-Paket mit wahlweise zwei, drei oder vier Operatoren, welches im Unison-Mode sogar auf maximal acht mögliche FM-Oszillatoren gleichzeitig anwächst. Während sich bei den fünf harmonischen Varianten mittels Partial-Parameter über den Waveform-Regler die gute Beziehung zwischen Modulator und Carrier pflegen lässt, sorgt im Bereich der Unharmonischen der über den gleichen Regler halbtonstufig anfahrbare Pitch-Parameter für reizvolle Atonalität.
Die Sample-Rubrik ist Clavia-typisch bereits von Haus aus ein echtes Highlight und lässt sich zudem bis zur Erschöpfung des 1 GB großen Speichers mit den hochwertigen Sounds der Nord Sample Library 3 oder wahlweise auch selbst kreierten Samples (via Nord Sample Editor 3) füllen.
Filtered, Modulated & Amplified
Im Rahmen der klanglichen Weiterbearbeitung stehen dem Nord Wave 2 insgesamt drei justierbare Envelope-Stufen zur Seite. So lässt sich die Oszillator-Einheit wahlweise über den integrierten monofonen LFO mit einer von fünf Wellenformen mittels OSC PITCH/CTRL oder direkt über die vorgeschaltete MOD-Envelope modulieren. Weitergehend verfügt das Instrument über eine klassische ADSR-Verstärker-Hüllkurve mit zuschaltbarem Transient-Mode für eine impulsbetontere Einschwingphase sowie eine Filter-Hüllkurve samt Inversfunktion.
Die Filtereinheit bietet ein wunschlos glücklich machendes Klassiker-Sixpack aus 12 und 24 dB Tiefpass, einem Highpass, einer Highpass-Lowpass-Kombi, einem Bandpassfilter sowie einer authentischen Simulationsumsetzung des wohl weltweit berühmtesten Ladder-Filters.
Ein Großteil der zur Verfügung stehenden Parameter lässt sich außerdem über eine Morphing-Funktion mittels der Controller Velocity, Wheel, Pedal und Aftertouch fernsteuern. Zur Aktivierung dieses Features muss lediglich der entsprechende Morph-Button gehalten und parallel ein entsprechender Parameterregelweg ausgeführt werden, welcher dann in Folge über den entsprechenden Controller (z. B. Aftertouch) abgerufen werden kann. Für abrupte Parameterwechsel ohne Verlauf lässt sich eine Klangvariante auch über den »Impulse Morph«-Button abrufen. Die variablen Soundmöglichkeiten, die sich daraus im Handumdrehen selbst in Livesituationen umsetzen lassen, sind nahezu unerschöpflich.
Licks, Strukturen und Patterns
Der integrierte Arpeggiator des Nord Wave 2 übersteigt souverän die von diesem Feature für gewöhnlich erwarteten Eigenschaften. Neben den üblichen monofon bis polyfon umsetzbaren Tonfolgen stehen nämlich bei Clavias Jüngstem bei Bedarf auch Masterclock-synchrone Patterns, rhythmische Gates und Richtungssteuerung (samt einem interessanten hin und her springenden Zig-Zag-Mode) auf dem Menü. Die zugrunde gelegten Patterns speisen sich dabei zum einen aus mitgelieferten Presets oder aber aus per integriertem Editor selbstkreierten User-Setups. Endlich mal ein Arpeggiator, der über das Gewöhnliche hinaus geht und dabei auch noch richtig viel Spaß macht.
Praxis
Die WYSIWYG-Bedienung nach traditionsreicher Nord-Philosophie wurde im Falle des Nord Wave 2 wieder einmal vorbildlich umgesetzt – und das, ohne an pragmatisch einsetzbarer Vielfalt zu sparen. Wer bereits Erfahrung mit anderen Nord-Instrumenten auf der Bühne oder im Studio sammeln durfte, wird sich auf der Oberfläche des Synths in Lichtgeschwindigkeit heimisch fühlen. Auch wenn das klar strukturierte und einladend gestaltete »Hardware«-User-Manual aus dem Lieferumfang einen Blick in jedem Fall wert ist, dürften sich die meisten Features und Funktionen des Nord Wave 2 bereits während der Aufwärmphase am Gerät und je nach eigenem Bedarf von selbst erklären.
Neben der klanglichen Spitzenleistung, die sich in keiner der vier gebotenen Synthesespielarten irgendwelche nennenswerten Schwächen oder Ausreißer leistet, überzeugt auch die im Vergleich zu früheren Nord-Modellen deutlich aufgebohrte Effektsektion, welche neben opulenten neuen Programmen wie dem Cathedral Reverb, einer Hallmodulations-Option und einer leistungsfähigen Delay-Einheit noch mit Analog-Klassikern wie Ringmodulator, Chorus, Tremolo und Vibe auftrumpft.
Die integrierten OLED-Displays sorgen dabei übrigens in jeder Situation für die notwendige Übersicht – garantiert ohne versteckte Menüabgründe und kryptische Parameterangaben!
Fazit
Auch der neuste Spross der Nord-Familie ist wieder einmal Clavia-typisch straight und intuitiv geraten, auch wenn dies die Designer während der Entwicklungsphase im Hinblick auf die letztendliche Funktionsfülle gut und gerne vor die eine oder andere haushohe Herausforderung gestellt haben dürfte. Das Ergebnis kann sich auf jeden Fall sehen und hören lassen und verteidigt im Bereich der Live-Synthesizer konzeptuell wie auch in puncto Vielseitigkeit erneut gewichtige Alleinstellungsmerkmale. Zum aufgerufenen Kurs von knapp 2.500 Euro wird sich zumindest aktuell kein vergleichbarer Synth finden, der es mit dem Nord Wave 2 aufnehmen kann. Chapeau!