Avantone CV-12BLA – Großmembran-Röhrenkondensatormikrofon im Test
von Dr. Andreas Hau,
Anzeige
Unter den preisgünstigen Röhrenmikrofonen gilt das Avantone CV-12 als etablierter Standard. Für eine Special Edition hat sich der Hersteller nun mit Black Lion Audio zusammengetan, denn dieses Unternehmen aus Chicago, das inzwischen eigene Geräte entwickelt, hatte sich in seinen Anfangsjahren einen Namen mit Gerätemodifikationen erarbeitet, die preisgünstigem Equipment zu teurem Sound verhelfen. Herausgekommen ist das CV-12BLA – modifiziert ab Werk!
Wenn das mal kein glücklicher Zufall ist: Sowohl Avantone als auch Black Lion Audio werden hierzulande von Audiowerk repräsentiert. Die Frage, welcher Vertrieb für das gemeinsame Produkt zuständig ist, ist also schnell beantwortet. Verwunderung löst bei mir die Größe des Versandkartons aus: Hat Audiowerk mir etwa zwei Mikros geschickt? Nein, es ist tatsächlich nur eines, das samt Zubehör in einem sehr großen Koffer liegt!
Anzeige
Inspektion
Im Innern des Koffers schlummert das Mikrofon sicher in einer Holzschatulle. Wie bei Röhrenmikros üblich liegt einiges an Zubehör bei. Da Röhren in aller Regel mehr Energie verschlingen, als die P48-Phantomspeisung zu liefern vermag, wird das CV-12BLA an dem beiliegenden Netzteil betrieben. An diesem befindet sich auch ein Drehschalter zur Wahl der Richtcharakteristik: Kugel, Niere und Acht sowie sechs Zwischenstufen sind verfügbar. Verbunden werden Mikrofon und Netzteil über ein ebenfalls beigepacktes siebenpoliges XLR-Kabel. Zur mechanischen Entkopplung des Mikrofons dient eine aufwendig konstruierte elastische Aufhängung. Dieser »Jetsun shockmount«, wie der Hersteller diese Mikrofonspinne nennt, wurde zusammen mit Black Lion Audio entwickelt und ist auch als Zubehörteil erhältlich. Zu den Besonderheiten dieser Jetsun-Aufhängung gehört, dass sie ohne die üblichen elastischen Bänder auskommt, die gerne mal zum unpassenden Zeitpunkt aus ihrer Halterung rutschen. Außerdem ist die Vorderseite offen, sodass man das Mikrofon bei Bedarf sehr nahe an der Schallquelle positionieren kann.
Das CV-12BLA ist zylinderförmig mit einer Höhe von 237 mm und einem Durchmesser von 46 mm. Der ebenfalls zylindrische Mikrofonkorb sowie das Endstück sind glänzend vernickelt; der Tubus mit der Mikrofonelektronik ist in einem nobel abgetönten Metallic-Rot abgesetzt – »Metallic Cabernet Red« nennt der Hersteller diesen Farbton. Auf diesem Tubus befindet sich oben der Avantone-Schriftzug; weiter unten ist eine Plakette mit dem Black-Lion-Audio-Logo angebracht. Am Übergang zwischen Korb und Body befinden sich zwei Schalter für Tiefenabsenkung (80 Hz, 6 dB/oct) und Vordämpfung (–10 dB). Die Richtcharakteristik wird, wie angesprochen, am Netzteil eingestellt. Auch das Netzteil wurde von Black Lion Audio überarbeitet, was keine schlechte Idee ist, denn eine solide Spannungsversorgung ist Grundvoraussetzung für eine gute Audio-Performance.
Unter der Haube präsentiert sich das CV-12BLA als waschechtes Röhrenmikrofon ohne Halbleiter im Signalweg. Angetrieben wird die Mikrofonelektronik von einer 6072A Doppeltriode – der gleiche Röhrentyp, der seinerzeit im legendären AKG C 12 zum Einsatz kam. Die Schaltung ist jedoch anders konstruiert. Während beim C 12 nur eins der beiden Triodensysteme tatsächlich genutzt wurde, sind beim CV-12BLA beide im Signalweg. Das erste verstärkt das Kapselsignal; das dahinter angeordnete zweite Triodensystem ist als Kathodenfolger geschaltet, d. h., es dient als reiner Impedanzwandler ohne weitere Pegelverstärkung. Diese zweite Röhrenstufe ermöglicht den Einsatz eines Ausgangsübertragers mit einem geringeren Übersetzungsverhältnis (schätzungsweise 5:1 statt 10:1), was wiederum den Pegelverlust minimiert. Doppelstufige Röhrenschaltungen dieser Art findet man in vielen heutigen Röhrenmikrofonen, vor allem solchen aus Fernost. Auch das CV-12BLA lässt Avantone in China fertigen; die Endkontrolle wird jedoch bei Avantone in den USA vorgenommen.
Soweit ich feststellen konnte, unterscheidet sich die Schaltung des CV-12BLA grundsätzlich nur wenig von der des regulären CV-12. Es wurden jedoch einige Bauteile gegen höherwertige Komponenten ausgetauscht; das betrifft insbesondere die Kondensatoren. Die Verbindung zwischen Kapsel und Röhre stellt ein Styroflex-Kondensator her, wie man ihn in vielen Vintage-Kondensatormikrofonen findet. Für die Röhrenelektronik und den Ausgangsübertrager hat Black Lion Audio einen audiophilen Sollen FastCap ausgesucht. Ansonsten findet man auf den Platinen auch einige Folienkondensatoren vom deutschen Hersteller WIMA. Die verwendete Röhre ist übrigens die gleiche wie beim regulären CV-12, eine 6072A aus russischer Produktion von Electro-Harmonix.
Die größte Veränderung gegenüber dem »normalen« CV-12 ist die Kapsel. Statt einer K67-Kopie kommt beim CV-12BLA eine »CK12 styled capsule« zum Einsatz. Dabei handelt es sich um eine Kapsel aus fernöstlicher Produktion, die äußerlich der alten CK12-Kapsel von AKG gleicht, wie sie im C 12 und frühen C 414 zum Einsatz kam. Wie diese ist die Fernost-CK12 randpolarisiert, d. h., es gibt keine Schraube in der Membranmitte wie bei klassischen Neumann-Kapseln. Im inneren Aufbau unterscheidet sich die Fernost-CK12 jedoch stark vom AKG-Original. Während das historische Vorbild aus sehr vielen Teilen aufgebaut war und Resonanzkammern im Innern hatte, bestehen die Gegenelektroden der Fernost-CK12 aus massivem Messing. Es handelt sich demnach um eine Mischung aus AKG- und Neumann-typischen Elementen. Das äußert sich auch im Frequenzverhalten.
Messen und Lauschen
Wie immer habe ich eigene Messungen angefertigt, denn die im Manual abgedruckten Frequenzgänge sind (wie so oft) recht weit von der Realität entfernt. In der Nierenstellung wirkt die Frequenzdarstellung recht ausgeglichen. Bis 2 kHz ist der Frequenzgang weitgehend linear; bei 4 kHz folgt eine sehr moderate Präsenzanhebung, und nach einer leichten Senke bei 7 kHz kommt es bei 10 kHz zu einer ebenfalls moderaten Höhenanhebung. Darüber fällt der Frequenzgang sanft ab; der Übertragungsbereich (–6-dB-Punkt) reicht bis etwa 17 kHz. Das ist für eine Großmembrankapsel recht ordentlich.
Schaltet man auf Achtercharakteristik, verstärkt sich die Präsenzanhebung deutlich, während der Höhenbereich über 7 kHz um gut 3 dB abfällt. Die Bassübertragung wird etwas welliger und fällt unterhalb 40 Hz stark ab. Auch der Wechsel zur Kugel ändert nicht nur das Richtverhalten, sondern auch den On-Axis-Frequenzgang. Im Kernbereich zwischen 50 Hz und 4 kHz agiert das CV-12BLA nun sehr linear. Im Tiefbass kommt es zu einem leichten Pegelanstieg, den man bei vielen umschaltbaren Großmembranmikros in der Kugelstellung beobachtet. Die Höhen erfahren eine kräftige Anhebung bei 10 kHz um fast 6 dB. Das Eigenrauschen ist mit 17 dB-A spezifiziert; das ist ein recht guter Wert für ein Röhrenmikrofon, zumal für ein umschaltbares (die Umschaltung kostet etwa 2–3 dB Rauschabstand gegenüber einer festen Niere). Das Testexemplar rauschte jedoch gut 3 dB mehr als angegeben – vielleicht hätte der Hersteller die Röhre besser selektieren müssen. Der Grenzschalldruckpegel (max. 0,5 % THD) ist mit 136 dB SPL angegeben bzw. sogar 146 dB SPL bei aktiviertem Pad. Das scheint mir sehr optimistisch, zumal eine Röhrenschaltung schon im »Standgas« oft einen gewissen Klirrfaktor mitbringt. So auch hier.
In Nierenstellung ist der Frequenzgang recht linear bis auf eine minimale Präsenzanhebung
in den oberen Mitten und eine moderate Höhenanhebung bei 10 kHz.
In Achterstellung verstärkt sich die Präsenzanhebung, während die Höhen zurückgenommen
werden.
Beim Wechsel der Richtcharakteristik ändert sich auch der On-Axis-Frequenzgang. In Kugelstellung
erfahren die Höhen einen kräftigen Boost. Der schaltbare Low-Cut greift bei etwa
120 Hz – etwas höher als angegeben.
Der Röhrencharakter ist deutlich hörbar – mehr als bei den meisten Vintage-Originalen der 50er und 60er. Das CV-12BLA hat eine markante Präsenz in den oberen Mitten, die Stimmen im Mix nach vorne holt. Auch die Höhen zeigen ein deutliches Röhrenfunkeln, wirken aber keineswegs überbetont oder zischelig. Die Tiefmitten und Bässe scheinen indes nicht ganz so füllig wie bei der deutlich teureren Konkurrenz – meine Referenz für Großmembran-Kondensatormikrofone bleibt das Neumann U 87 Ai. Insgesamt wirkt das CV-12BLA in seiner Frequenzdarstellung jedoch recht ausgeglichen, jedenfalls in der Nierenstellung, sodass es zu vielen Stimmen passen sollte. Die Pattern-Umschaltung lässt sich, wie die Messungen zeigen, als EQ zweckentfremden: Matten Stimmen kann man zu mehr Luftigkeit verhelfen, indem man Richtcharakteristiken links der Nierenstellung in Richtung Breitniere und Kugel wählt. Scharfen Zischlauten kann man entgegenwirken, indem man den Pattern-Schalter weiter nach rechts dreht in Richtung Hyperniere und Acht.
Auch wenn man das CV-12BLA primär als Gesangsmikrofon einsetzen wird, eignet es sich durchaus auch für Instrumente – vorzugsweise aber solche, die im Mix gefeaturet werden und einen gewissen Platz einnehmen dürfen. Es ist also ein klassisches »Solistenmikrofon «. Beachten sollte man, dass das CV-12BLA inklusive seiner aufwendigen Spinnenhalterung recht schwer ist und so manches Stativ ins Wanken bringt, sobald man den Mikrofonarm zu weit ausfährt. Wenig geeignet erscheint mir das CV-12BLA für sehr laute Schallquellen. Ein Schellenkranz aus nächster Nähe treibt die Röhrenschaltung bereits unschön in die Sättigung, während das zum Vergleich herangezogene U 87 Ai verzerrungsfrei blieb, obwohl dessen Grenzschalldruckpegel laut Datenblatt fast 20 dB niedriger ist. Recht gut gefallen hat mir der kernige Klang des CV-12BLA an der Akustikgitarre, auch weil es die unteren Mitten etwas konturierter darstellt als viele andere Großmembranmikrofone.
Fazit
Das Avantone CV-12BLA ist ein angenehm klingendes Röhrenmikrofon mit einem markanten Klangcharakter. Dieser resultiert weniger aus seiner Frequenzdarstellung, die tatsächlich schön austariert ist, sondern in seinem dynamischen Verhalten, das von der Röhrenschaltung geprägt wird. Bereits bei leisen Schallquellen reichert das CV-12BLA das Signal subtil mit künstlichen Harmonischen an. Avantone und Black Lion Audio haben ein Mikrofon geschaffen, das gar nicht erst versucht, ein neutraler Schallwandler zu sein, sondern ganz offensiv und unumwunden an der Sound-Gestaltung teilhaben möchte. Die Wirkung ist durchaus klangschmeichlerisch. Das CV-12BLA ist ein charakterstarkes Gesangsmikrofon, das aufgrund seiner Ausgewogenheit und der umschaltbaren Richtcharakteristik aber kein One-Trick-Pony ist, sondern sehr wohl einen gewissen Aktionsradius mitbringt. Lediglich der begrenzte Headroom der Röhrenschaltung schränkt das CV-12BLA in Bezug auf sehr laute Schallquellen ein. Gut macht es sich dagegen an Saiteninstrumenten.
Inwieweit die von Black Lion Audio modifizierte Version der Standardvariante überlegen ist, konnte ich mangels einer direkten Vergleichsmöglichkeit nicht eruieren. Die von Black Lion gewählten Komponenten-Upgrades sind aber definitiv hochwertig; gleiches gilt für die aufwendig gestaltete Spinne. Der Preis von 828 Euro scheint angemessen; vergleichbare Mikrofone mit Röhrenelektronik und ähnlicher Kapsel wie das Sontronics Aria oder das Mojave Audio MA-1000 kosten in der Regel mehr.