Der Schöne und das Biest

VSL Yamaha CFX und Synchron Concert D-274 – Virtueller Flügel im Test

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Nachdem der Yamaha CFX als erster in der Synchron Stage gesampelter Flügel seinen Einstand gab, wurde kurz vor dem Jahreswechsel der ebenfalls hauseigene Steinway D als virtuelles Instrument veröffentlicht. Ein eigener Player, zahlreiche Mikrofonpositionen und nicht zuletzt der besondere Raum, in dem die Flügel gesampelt wurden, sind Grund genug, sich die beiden einmal näher anzuschauen.

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Wie bei allen Instrumenten, die VSL in der Synchron Stage sampelt, ist auch diesen beiden Flügeln gemein, dass der Raumklang der Stage prägend für den Gesamtsound ist und quasi als Erweiterung des Instruments gesehen werden darf. Das heißt allerdings nicht, dass eine dicke, den Sound überlagernde Hallfahne des Raums alles zuschmiert. Im Gegenteil, denn einerseits wurde die 540 m2 große Synchron Stage von ihren Erbauern, damals in den Anfangsjahren des Tonfilms, ja nicht als Konzertsaal geplant, sondern eher dafür, einen möglichst transparenten Sound zu liefern, wenn ein Filmorchester direkt synchron zum Film aufgenommen werden soll. Das lässt in Bezug auf den Grundsound der Stage natürlich schon mal aufhorchen und setzt die darin gemachten Sampling-Aufnahmen in das entsprechende akustische Licht.

Andererseits haben die Techniker der VSL ihre Flügel beim Sampling mit mehreren Mikrofonen in unterschiedlichen Distanzen abgenommen, welche im Mixer der Playersoftware einzeln zur Verfügung stehen − von ganz nah bis unter die Decke der Aufnahmehalle. Somit kann der aufgenommene Anteil des Raumes der Flügel stufenlos und in verschiedenen Varianten von direkt, mit sehr wenig Raum, bis hin zu indirekt und sehr räumlich gefahren werden.

Player

Der Player präsentiert sich mit einem schlichten und aufgeräumten Interface, das für beide Flügel identisch ist. Hier hat man bereits in der Hauptebene direkten Zugriff auf die wichtigsten Parameter. Über der virtuellen Klaviatur prangen außerdem besonders prominent die Namen von sechs Presets, die auf die Schnelle einen schönen Einstieg in das Klangspektrum des Instruments geben. So lassen sich schon einmal die unterschiedlichsten Klangperspektiven für die jeweils gewählte Verwendung einfach auswählen. Sehr schön. Wer tiefer in die Materie einsteigen möchte, sollte sich unbedingt mit dem Mixer beschäftigen, wo die unterschiedlichen Mikrofonpositionen in Gestalt eines separaten Kanalzugs parat stehen. Jeder Kanal besitzt u. a. einen vollparametrischen 5-Band-EQ inklusive 6 Filtertypen, einen Reverb-Send, (Power-)Panning sowie eine Kanalverzögerung in Millisekunden, um den Sound grundlegend den eigenen Bedürfnissen anpassen zu können.

Die Hauptansicht mit den wichtigsten Parametern im Zugriff und eingeblendetem Preset-Folder

Richtig ins Detail geht es dann auf der Edit-Page. Hier stehen jeder einzelnen (!) Taste oder einer Mehrfachauswahl beliebiger Tasten unterschiedliche Parameter, wie z. B. ein vollparametrischer 3-Band-EQ, Tuning, Lautstärke, Dynamik und vieles mehr zur Verfügung. Gleichzeitig können hier globale Parameter, die sich auf alle Tasten gleichzeitig auswirken, zugeordnet werden.

Die detaillierten Konfigurationsmöglichkeiten der Edit-Page sind zwar grandios, vermisst habe ich dort allerdings eine flexible Velocity-Kurve, die sich über die komplette Tastatur legen lässt. Sicherlich lässt sich das mit viel Zeit auch über die Konfiguration jeder einzelnen Taste realisieren, aber eine frei veränderbare Linie über die komplette Klaviatur, mit diversen Knotenpunkten oder logarithmischen Eigenschaften wäre sicherlich nochmal ein Benefit − besonders, wenn diese dann per Drop-Down-Menü verschiedenen Parametern zur Verfügung stehen könnte. Eventuell wäre das etwas für ein Update?

Wie im Mixer sind auch sonst beim Player die meisten Parameter automatisierbar. Das Schöne dran ist, dass außer CC-Daten auch Speed, Velocity oder
Aftertouch als Quelle verwendet werden können.

Sound

Der Sound ist bei beiden Flügeln insgesamt eher als brillant und fein aufgelöst zu bezeichnen. Dabei klingen beide sehr elegant, ohne dick aufzutragen. Es scheint, als habe man sich bemüht, ein ideales virtuelles Abbild des vorliegenden Instruments in seinem Raum zu erstellen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Selbstverständlich sind deutliche Unterschiede zwischen beiden Modellen zu vernehmen. Der Steinway ist eher der Schöngeist, glockenklar, definiert, transparent, schlicht und edel, auf dem perlende Läufe wunderbar klingen und in jedwedem Tempo noch als Einzeltöne zu vernehmen sind. Auch Akkorde in tiefen Lagen klingen hier wohl definiert und schmieren nicht. Das Klangbild ist ausgewogen und eignet sich perfekt für klassische Literatur.

Der Yamaha präsentiert sich im Gesamtsound etwas weniger brillant und gleichzeitig ein wenig facettenreicher als sein Kollege, was in mittleren und tieferen Lagen mehr Fülle und Wärme mit sich bringt und sich in sehr hohen Lagen in Form einer wunderschönen Seidigkeit ausdrückt. Vor allem leise Passagen im Diskant klingen geradezu traumhaft. Auch beim CFX gilt, dass der Gesamtsound sehr ausgewogen und definiert, aber auch definitiv mehr gefärbt ist. Klassische Literatur ist sicherlich kein Problem auf dem Yamaha, aber meiner Meinung nach sind modernere Stilrichtungen wie Pop, Jazz, usw. hier richtig gut aufgehoben.

In der Edit-Page kann das Feintuning für jede beliebige Taste vorgenommen werden.

Bei beiden Flügeln beschleicht einen selbst bei der Close-Mikrofonierung das Gefühl, dass der Sound »atmet« und nicht direkt vorne an den Boxen klebt, was sicherlich mit dem omnipräsenten Raum der Synchron Stage zu erklären ist. Gleichzeitig hat man dadurch etwas weniger des kompakten, direkten inyour-face-Sounds, den man von zahlreichen virtuellen Flügeln her kennt. Das ist sicherlich eine Geschmacksfrage, die jeder für sich selbst beantworten muss. Ich empfinde den insgesamt räumlicheren Grundsound als sehr angenehm, weil dieser eher dem natürlichen Klangverhalten eines Flügels in einem realen Raum entspricht. Möchte ich mehr Punch, kann ich diesen immer noch über Dynamikprozessoren realisieren − umgekehrt wird’s da schon schwieriger.

Neben der nahen und mittleren Mikrofonierung ist es durch den transparenten Sound der Synchron Stage ebenfalls möglich, auch noch weit entfernte Mikrofone zu nutzen, was einen authentischen und sehr plastischen Raumklang in ordentlicher Größe ermöglicht. Die stattliche Auswahl verschiedener Mikrofonperspektiven in dem großen, mal mehr oder weniger hörbaren Raum ist definitiv der große Vorteil am Konzept der Synchron Pianos. Denn dadurch lassen sich die Flügel nahtlos und glaubhaft in nahezu jedes beliebige Playback integrieren, weil sich die räumliche Tiefe über die entsprechende Mischung der Mikrofone perfekt generieren lässt.

Ein echtes Highlight sind übrigens die Surroundaufnahmen, die den Raum richtig gut zur Geltung bringen und dem Flügel eine große Soundbühne bereiten. Gerade für Filmmusik ist das Format relevant, da hier meist in 5.1 produziert wird. Ein echter Surround-Flügel ist dafür natürlich ganz großes Kino. Mit den Surround-Flügeln macht übrigens nicht nur das Spielen großen Spaß, sondern sogar die Pausen, in denen dann zu hören ist, wie der Sound im Saal um einen herum verklingt. Herrlich!

Die Mikrofonpositionen sowie die Positionen der Flügel im Raum beim Sampling.
Die Lücke auf der linken Seite lässt auch Raum für Spekulationen …

Praxis

In der Praxis erweisen sich beide Flügel als echte Arbeitstiere. Einmal geladen verrichten sie ohne Murren und Knurren ihren Dienst, vorausgesetzt man hat eine SSD verbaut, was definitiv empfehlenswert ist. Denn wenn mehrere Mikrofonkanäle aktiviert sind, kommen je nach Spielweise und Pedaleinsatz schnell mehrere hundert Voices und damit enorme Datenmengen zusammen, die in Echtzeit und ohne Dropouts gestreamt werden wollen.

Die Arbeit im Mixer geht schnell von der Hand, denn er ist durchdacht und recht flexibel. Davon abgesehen, dass sich viele Parameter automatisieren lassen, besteht auch die Möglichkeit, komplette Kanaleinstellungen auf einen anderen Kanal zu kopieren. Somit lassen sich im Handumdrehen die zur Verfügung stehenden Alternativmikrofone unter denselben Bedingungen vergleichen. Ein weiteres, schönes Feature ist, dass die Kanalzüge im Mixer über Einzelausgänge verfügen. So lassen sich alle Mikrofone und sogar der Hall einzeln auf das (virtuelle) Mischpult der Wahl routen und somit auch extern bearbeiten.

Fazit

Mit den beiden Flügeln hat VSL zwei Instrumente auf den Markt gebracht, die zwar schon öfter gesampelt, aber in dieser Form definitiv noch nicht veröffentlicht wurden. Sicherlich gibt es andere Library-Hersteller, die eine Werkzeugkiste voller Effekte und eine größere Preset-Auswahl mitbringen, um den Sound mittels Studiotechnik ordentlich zu verbiegen. Hier beschränkt sich die VSL eher auf konventionelle Gestaltungsmittel, die dem natürlichen Klangcharakter nicht zu sehr entgegenstehen, und lotet aus, was das Instrument und der Raum an Gestaltungsmöglichkeiten bieten. Und das ist schonmal eine ganze Menge. Für extremere Soundkapriolen ist dann eben Handarbeit mit externen Effekten angesagt.

Auch muss jeder für sich entscheiden, ob der mal mehr, mal weniger offensichtliche, aber omnipräsente Raumklang der Synchron Stage den eigenen ästhetischen Vorstellungen entspricht, aber gerade die dadurch vorhandene Lebendigkeit macht meiner Meinung nach den besonderen Reiz aus. Der Gesamtsound, die Detailtreue und Authentizität der beiden Flügel sowohl in Stereo als auch in Surround spielen in einer sehr hohen Liga. Dabei ist der Steinway eher der klassische Vertreter, während der Yamaha mehr Farbe ins Spiel bringt. Beide haben ihre Berechtigung und sind großartige Instrumente, die mit Sicherheit viele Pianisten begeistern werden.

Hersteller/Vertrieb: VSL/Best Service
Internet: www.vsl.co.at
 www.best-service.eu

Unsere Meinung:
+ Sound
+ große Auswahl an Mikrofonpositionen
+ zusätzliche Surround-Aufnahmen
+ Mixer

− keine globale Velocity-Kurve

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