Erst seit einigen Wochen auf dem Markt, ist es bereits jetzt schwer, den ATEM Mini Pro von Blackmagic Design in die Finger zu bekommen. Als stabile Standalone-Option ist er der perfekte Einstieg ins Online-Streaming in Zeiten von Corona – und dementsprechend heiß begehrt.
Der ATEM Mini Pro von Blackmagic Design erweitert seit Anfang April 2020 den ebenfalls noch relativ neuen ATEM Mini um einige spannende Funktionen für direktes Live-Streaming auf den gängigen Plattformen YouTube, Twitch und Facebook. Wir haben uns den kompakten Bildmischer und seine Features in unserem Testbericht genauer angesehen.
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Kompakter Auftritt
Der ATEM Mini Pro kommt mit vier HDMI-Inputs, einem HDMI-Output sowie zwei Mikrofoneingängen für 3,5-mm-Klinkenstecker, USB-C und Ethernet-Anbindung. Untergebracht wird alles in einem stabilen Gehäuse mit den Maßen 237,5 × 103,5 × 35 mm. Als Stromversorgung liegt ein 12-VDC-Netzteil mit verriegelbarem Hohlstecker und Adaptern für alle Länder bei. Weiteres Zubehör ist nicht enthalten, das Handbuch sowie die Steuer- und Konfigurationssoftware ATEM Software Control muss bei Blackmagic Design heruntergeladen werden.
Videonormen: konservativ, aber passend
Die HDMI-Inputs können mit den Normen 720p50/59,94/60, 1080p23, 98/24/25/29,97/30/50/59,94/60 und 1080i50/59,94/60 bedient werden, die Ausgabe läuft grundsätzlich auf 1080p bei 23,98/24/25/29,97/30/50/59,94/60 Hz. Die Farbabtastung liegt bei 10 Bit 4:2:2 im Farbraum Rec.709. Ambitionen in Sachen Scaling oder ungewöhnlichen Bildformaten sucht man hier natürlich vergeblich, man vermisst sie allerdings auch nicht; der ATEM Mini Pro ist ganz klar auf den Betrieb an Computern und Kameras mit 16:9-Format und die Ausgabe an YouTube u. ä. ausgelegt. Neben der Bildausgabe über den HDMI-Out ist eines der Hauptargumente für den ATEM Mini Pro die Option, ihn über den USBC-Anschluss als Webcam zu betreiben und so in größere Streaming-Vorhaben über beispielsweise Open Broadcaster Software (OBS) einzubinden.
Grundlegende Funktionen
Der ATEM Mini Pro verfügt über alle grundlegenden Funktionen eines kompakten Bildmischers. Über die Taster lassen sich die vier Eingänge entweder im Cut-Bus, also direkt über Auswahl des jeweiligen Inputs, oder über den gängigen und leistungsfähigeren Programm/Vorschau-Mischmodus schalten. Neben den HDMI-Inputs stehen ein zuschaltbares Still sowie natürlich Black zur Verfügung. Als mögliche Übergänge gibt es neben dem simplen Cut und Fade-to-Black noch Mix, Dip-to-Colour, horizontaler und vertikaler Wipe sowie vertikalen Slide und Push zur direkten
Auswahl über Taster. Die Dauer des Bildwechsels lässt sich in vier Schritten zwischen 0,5 und 2 Sekunden festlegen.
Die meisten Funktionen des ATEM Mini Pro lassen sich über ATEM Software Control wesentlich erweitern, so stehen dort beispielsweise seltener genutzte Wipes oder ein Logo-Wipe zur Verfügung die einzeln anwendbar sind oder sich in Makros integrieren lassen.
Praktisches Standalone-Streaming
Im Vergleich zum ATEM Mini punktet der Pro vor allem mit der Erweiterung um direkte Streaming- und Aufnahmefunktionen, so dass er im rudimentären Standalone-Betrieb gänzlich ohne die erweiterten Konfigurationsoptionen per Software oder Pult funktioniert. Der integrierte Hardwareencoder kann via Real Time Messaging Protocol (RTMP) von Haus aus über ATEM Software
Control für die Streamingdienste YouTube, Facebook und Twitch eingerichtet werden – weitere Dienste sollen sich manuell über die XML-Konfigurationsdateien für ATEM Software Control einrichten lassen. Einmal konfiguriert, kann der Stream danach direkt über den Mischer gestartet und per Ethernet ausgegeben werden.
Auch in seiner Funktion als Webcam-Input für andere Software überzeugt der Bildmischer mehr oder weniger out of the box. Unter Windows 10 und mit installierter ATEM Software Control wird das Gerät von beispielsweise OBS direkt als Webcam erkannt und kann dort in die Show integriert werden. Alternativ kann der ATEM Mini Pro über den USB-C-Anschluss H.264 mit AAC-Audio im mp4-Format auf angeschlossene USB-Speichermedien aufzeichnen. Der jeweilige Status von Aufnahme und Stream wird – ebenso wie sämtliche verfügbaren Audiopegel und das per Taster einspielbare Still – im Multiviewer angezeigt.
Umfangreicher Multiviewer
Der einzige HDMI-Ausgang des ATEM Mini Pro kann sowohl mit einem der vier Eingänge als auch mit dem Programm belegt werden, um das Signal für eventuelle Verarbeitung weiterzugeben. Der naheliegendste Nutzen dürfte in den meisten Fällen allerdings der integrierte Multiviewer sein. Neben den obligatorischen Programm- und Vorschau-Fenstern finden sich dort die vier HDMI-Inputs. Darüber hinaus bieten die Entwickler hier außerdem eine Vorschau auf das jeweils gerade anliegende Still aus dem bis zu 20 Bilder fassenden internen Speicher sowie Statusinformationen zur Aufnahme, Streaming sowie sämtlicher Audiopegel. Neben dem einzelnen Fenster mit sämtlichen Audiospuren sowie Master-Level lässt sich der jeweilige Pegel auch direkt in den Bildvorschauen anzeigen.
Grenzen im Standalone-Betrieb
Seiner kompakten Bauweise geschuldet, sind nicht alle Funktionen des ATEM Mini Pro am Bildmischer selbst nutzbar. Die integrierte PIP-Funktion beispielsweise kann über die direkten Tasten lediglich in den jeweiligen Ecken des Bildes positioniert und mit fester Größe ein- oder ausgeschaltet werden. Als PIP-Quelle steht dabei grundsätzlich nur der HDMI-Input 1 zur Verfügung. Der Upstream-Keyer lässt sich ebenfalls nur ein- und ausschalten, aber nicht weiter konfigurieren. Der eigentlich verfügbare Downstream-Keyer steht grundsätzlich nicht über die Hardwaresteuerung des ATEM Mini Pro zur Verfügung, sondern muss über ATEM Software Control oder ein ATEM 1 M/E Advanced Panel eingerichtet werden.
Dreh- und Angelpunkt: ATEM Software Control
Als Konfigurations- und Steuersoftware bietet ATEM Software Control über den USB-C Anschluss als auch über Netzwerk Zugriff auf alle Funktionen des ATEM Mini Pro, die nicht ihren Weg in die physische Bedienung des Geräts gefunden haben. Verfügbar ist die Software für Windows 10 – ausschließlich 64 Bit – sowie Mac 10.14 Mojave und Mac 10.15 Catalina oder höher.
In der Oberfläche lassen sich neben einem virtuellen Control Panel umfangreiche Einstellungen beispielsweise des PIP und des Keyings vornehmen. Das PIP kann hier dann auch aus anderen Quellen als Input 1 bedient, aber auch beispielsweise verschoben, vergrößert, maskiert oder mit Schatten und Rahmen versehen werden. Im Up- und Downstream stehen außerdem Luma- und Linear-Keyer zur Verfügung, als alleinige Upstream-Keyer außerdem noch Muster und Chroma. Mittels der integrierten Makro-Funktion können so entsprechend Bildmanipulationen erstellt und abgerufen werden, die komplexer ablaufen sollen als die Optionen, die per Taster zur Verfügung stehen.
Weiterhin können bis zu 20 Stills über die Software oder auch über ein automatisch mitinstalliertes Adobe Photoshop Plugin im ATEM Mini Pro abgelegt oder aus dem Programm abgegriffen und dem Still-Taster zugewiesen werden. Auch Grafiken mit vormultipliziertem Key für Bauchbinden u. ä. lassen sich so direkt einbinden. Ein weiteres wichtiges Feature der Software ist der integrierte Audiomixer.
Tipp: Remote-Steuerung am Stream Deck
Zur Konfiguration des ATEM Mini Pro ist ATEM Software Control zwar unumgänglich, doch lässt sich für den Show-Betrieb auch das Stream Deck via Companion neben dem ATEM Mini Pro einsetzen – in der mittlerweile für das Stable Release angekündigten Companion Version 2.0 sind die neuen ATEM-Geräte bereits integriert. Das Stream Deck bietet damit ergänzende Möglichkeiten, die eine Show erleichtern können, ohne auf die größeren (entsprechend kostspieligeren) Steuerpulte aus der ATEM Serie zurückgreifen zu müssen.
Über die Shortcuts lassen sich beispielsweise Stills aus dem Bildspeicher des ATEM Mini Pro in den abspielbaren Medien-Slot wechseln oder in ATEM Software Control aufgenommene
Makros abspielen – beides Einstellungen, die sonst über die Software vorgenommen werden müssen. Darüber hinaus punktet Companion natürlich mit der Option, auch andere Geräte in die Steuerung zu integrieren.
Audiofunktionen
Über die direkte Taster-Steuerung am Gerät lassen sich die vier Audiokanäle der HDMI-Inputs sowie zwei Mikrofon- bzw. Line-Inputs jeweils einzeln zuschalten und auch per Taster pegeln – Drehpotis hätten sich an dieser Stelle evtl. besser angefühlt und trotzdem ins kompakte Layout des Geräts eingefügt. Für die HDMI-Eingänge lässt sich außerdem „Audio Follows Video“ (AFV) aktivieren, um den Audiokanal bei Zuschaltung der jeweiligen Quelle zu öffnen. Visuelles Feedback über die Pegel erhält man über das eigene Feld im Multiviewer.
Das volle Potenzial im Audiobereich tut sich allerdings auch hier erst auf, wenn ATEM Software Control ins Spiel kommt. Im dortigen Audiomixer finden sich die sechs verfügbaren Spuren sowie der Master-Ausgang. Jede Spur verfügt über Tally-Licht für dauerhaft offene Kanäle sowie AFV – beide Optionen lassen sich auch hier direkt schalten. Für AFV besteht die Option, einen Cut oder Übergang des Tons beim Bildwechsel festzulegen. Neben Pan- und Gain-Regler sowie dem Level-Fader findet sich hier weiterhin der Zugang zum parametrischen 6-Band-Equalizer und den Dynamik-Steuerelementen, die über Untermenüs auf allen Eingängen sowie dem Master-Ausgang zur Verfügung stehen.
Bild: Lukas J. Herbers
Der Audiomixer verfügt über parametrische 6-Band-Equalizer und Dynamikwerkzeuge auf allen Audiospuren und dem Master-Ausgang
Bild: Lukas J. Herbers
Der Audiomixer verfügt über parametrische 6-Band-Equalizer und Dynamikwerkzeuge auf allen Audiospuren und dem Master-Ausgang
Zu beachten ist, dass alle diese Funktionen ausschließlich über ATEM Software Control zur Verfügung stehen. Umgekehrt hat entsprechend auch der Reset-Button am ATEM Mini Pro keine Auswirkungen auf hier konfigurierte Einstellungen, sondern pegelt den entsprechenden Kanal lediglich auf 0 dB. Über ein Mackie-Control-fähiges Pult lassen sich allerdings über ATEM Software Control auch Teile des Audiomixers physisch bedienen. Der Funktionsumfang hängt dabei vom verwendeten Pult ab.
Einbindung in das Ökosystem von Blackmagic Design
Die Einbindung in das eigene Ökosystem von Blackmagic Design ist ein großer Vorteil des ATEM Mini Pro. Parallel zu ATEM Software Control kann der Bildmischer auch beispielsweise über das ATEM 1 M/E Advanced Panel bedient und eingerichtet werden. Andersherum funktioniert der ATEM Mini Pro selbst als CCU für die Modelle Blackmagic Design Pocket Cinema Camera 4K und 6K, die mit dem Firmware-Upgrade auf Version 6.9 umfangreiche Studio-Funktionen erhalten haben. Innerhalb von ATEM Software Control oder über ein ATEM Camera Control Panel lassen sich die Kameras über die HDMI-Anschlüsse des Bildmischers ansteuern. Hierbei stehen nicht nur Funktionen wie Weißabgleich, Zoom und Blende zur Verfügung, sondern auch Tally und die Option, die Kameras ihre eigenen Streams für späteren Videoschnitt aufzeichnen zu lassen. Der ATEM Mini Pro fungiert hier außerdem automatisch als Sync-Geber. Als weiterem Bildgeber kann der Bildmischer über Ethernet mit bis zu vier HyperDeck kommunizieren und von dort Einspieler oder Grafiken anliefern lassen.
Fazit: Ein runder Start ins Online-Streaming
Mit 675 Euro Listenpreis brutto ist Blackmagic Designs ATEM Mini Pro ein auf Streaming optimierter Bildmischer zu fairem Preis, der unter der sehr überschaubaren Oberfläche viele Funktionen versteckt, um – im Umfang von vier Bildquellen – weit vorne mitzuspielen.
Out of the box liefert das Gerät alle Funktionen, um mit geringem Konfigurationsaufwand und ohne große Vorkenntnisse eine Show aus Kameras und Computern auf YouTube, Facebook oder Twitch online zu bringen. Gleichzeitig bieten ATEM Software Control und die Möglichkeit der Ansteuerung über Companion oder die Panels aus der ATEM-Reihe viele weitere Optionen für anspruchsvollere Anwender, die man auf den ersten Blick nicht erwarten würde. Schön wäre es zwar gewesen, zumindest ein paar weitreichendere Funktionen wie PIP-Größe und Positionierung
oder auch den Downstream-Keyer über die Hardware des ATEM Mini Pro oder ein OSD einrichten zu können. Aber auch die einfach gehaltene Gestaltung, für welche die Entwickler sich letztlich entschieden haben, hat sicherlich ihre Vorzüge.
Gerade in der momentanen Corona-Situation, in der die meisten Veranstaltungen an Verboten und Vernunft scheitern und immer mehr Tagesgeschäft ins Internet wandert, ist der Bildmischer sicherlich keine falsche Investition. Sofern man ihn noch in die Finger bekommt … sowohl der ATEM Mini als auch der ATEM Mini Pro haben aufgrund ihrer Vorzüge bei den meisten Händlern zum Zeitpunkt unseres Tests mehrwöchige Lieferzeiten.