Mixing-Tutorial: Sidechaining im Mix richtig angewandt
von Waldemar Vogel,
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Oft weiß man sich bei der Produktion erst einmal nicht besser zu helfen als immer mehr und mehr Instrumente aufeinander zu stapeln. Und so sitzt man dann später vor seinem Mix und wundert sich, warum alle Elemente um den Platz im Rampenlicht kämpfen. Und wenn man dann auch noch versucht, den Mix durch Kompression und Limiting schön laut zu bekommen, endet das oft in einem undurchsichtigen Brei. Hier kann das »Sidechaining«/Ducking Abhilfe schaffen und die Instrumente dynamisch gegeneinander ausbalancieren.
Dieses Mal möchten wir uns nicht mit einem Instrument, sondern mit einer ganz bestimmten Technik beschäftigen. Es geht um das Thema Ducking bzw. Sidechaining – und zwar nicht, um ein Pumpen auf einem Instrument zu erzeugen, sondern vielmehr, um Klarheit und Platz zwischen den verschiedenen Elementen im Mix zu schaffen.
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In unserem ersten Beispiel haben wir das Problem, dass der Gesang in einigen Songpassagen durch die Akustikgitarre maskiert wird. Beide Instrumente klingen zwar schön und sind auch wichtig für diesen Song, aber leider wird der Gesang an einigen Stellen einfach unverständlich. Die einfachste und offensichtlichste Lösung wäre es, die Priorität auf den Gesang zu legen und die Gitarre an der entsprechenden Stelle durch Lautstärkeautomation leiser zu fahren. Das scheint erst einmal die schnellste Lösung zu sein, jedoch wird es recht zeitaufwendig, wenn man die Automation an sehr vielen Stellen im Song schreiben muss – und vielleicht sogar noch für jedes Wort mit einem anderen Wert, weil der Gesang so dynamisch ist. Würde man dann auch noch den Gesang oder die Gitarre nachträglich anders bearbeiten, würden sich auch die Verhältnisse ändern, und man müsste wahrscheinlich die ganze Automation an vielen Stellen anpassen.
Deutlich flexibler ist hier das sogenannte Ducking. Man legt einen Kompressor auf die Gitarre und lässt diesen durch den Gesang »sidechainen«/steuern. Dadurch wird die Akustikgitarre nur an den Stellen runterkomprimiert, wo der Gesang auch tatsächlich vorkommt. Der Kompressor »guckt« ausschließlich auf den Threshold des Sidechains und reagiert dadurch auch immer variabel auf entsprechende Änderungen. Das heißt: lauter Gesang, mehr Kompression – leiserer Gesang, weniger Kompression auf der Gitarre. Dadurch hat man quasi eine intelligente Automation.
Für unser zweites Beispiel möchten wir die Technik etwas erweitern und die Bassgitarre von der Kick ducken lassen, da die beiden Instrumente sich gegenseitig maskieren und sehr viel Energie auf den Master schicken. Allerdings kämpfen die beiden Instrumente eigentlich nur im Bassbereich miteinander; in den Mitten und Höhen gibt es überhaupt keine Probleme. Außerdem spielt der Bass einen sehr schönen Achtel-Groove, der durch das Ducking unbrauchbar wäre.
Daher benutzen wir in diesem Fall einen Multibandkompressor, denn hier kann ich das Signal in mehrere Bänder splitten und entscheiden, welcher Teil des Frequenzspektrums komprimiert werden soll. So habe ich den Bass bis 150 Hz durch die Kick ducken lassen, ohne dass der Rest in irgendeiner Form bearbeitet wird. Dadurch bleibt der Groove weitgehend erhalten, aber die beiden Instrumente kämpfen nicht mehr um den Platz im Mix. Alternativ könnte man auch dynamische EQs mit Sidechain-Funktion benutzen, denn diese funktionieren ähnlich wie Multibandkompressoren, haben aber den Vorteil, dass das Frequenzspektrum nicht in mehrere Bänder geteilt wird und es somit auch nicht zu Phasenproblemen an den Trennfrequenzen kommen kann.
Eine mögliche Erweiterung der Technik wäre auch, wenn wir im Mid/Side-Modus anstatt Stereo arbeiten. In unserem dritten Beispiel haben wir einen Lead-Gesang, der zusammen mit einer Ansammlung von Backing-Vocals und Chören singt. Leider verschwindet der Hauptsänger immer unter dem großen Chor. In diesem Fall benutzen wir das Plug-in Trackspacer von Wavesfactory, ein sehr einfaches Sidechaining-Plug-in mit insgesamt 32 Bändern, die im Hintergrund arbeiten. Hier können wir alle Backing-Vocals und den Chor zusammen von den Lead-Vocals ducken lassen. Zusätzlich benutzen wir das Plug-in im M/S-Mode und lassen nur das Mittensignal im Frequenzbereich 250 Hz – 4,5 kHz ducken. So bleiben alle Backing-Vocals in Stereo erhalten, und der Mix klingt immer noch groß und fett, aber es entsteht eine entsprechende Lücke in der Mono-Mitte, wo der Lead-Gesang sich hauptsächlich befindet.
Mit diesen Mitteln kann man das Sidechaining/Ducking immer weiter ausbauen und sehr flexibel einsetzen, um Durchsichtigkeit und Transparenz im Mix zu schaffen.