Der Name Neve fällt meist in Verbindung zu Geräten aus den Anfängen der Transistorära Ende der 60er bis Anfang der 70er. Der im Februar 2021 verstorbene Rupert Neve hat aber bis zuletzt nach dem perfekten Klang gesucht und weiter neue Geräte geschaffen. Wie den MBC »Master Buss Converter«, das wohl letzte Gerät, an dem der Altmeister beteiligt war.
Rupert Neves anhaltende Innovationskraft zeigt sich schon darin, dass dieses Gerät keiner üblichen Kategorie zuzuordnen ist. »Master Buss Converter« klingt nach AD-Wandler, ist aber mehr! In den analogen Class-A-Signalweg integriert sind zuschaltbare Übertrager mit Rupert Neves patentierter »Silk«-Schaltung sowie ein VCA-Limiter, um das Signal vor der Wandlung noch ein wenig in Form zu bringen.
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Rundgang
Der MBC von Rupert Neve Designs kommt im 19″-Rackgehäuse mit nur einer Höheneinheit und einer Tiefe von 229 mm. Das Gerät wiegt 4,5 kg und ist sorgfältig verarbeitet. Die gebürstete Aluminium-Frontplatte in Schwarz wirkt elegant, zumal mit Metallknöpfen in den typischen Farben von Rupert Neve Designs: Grau-Blau, ein abgetöntes Rot und Silber. Das hat Stil!
Links und rechts angeordnet sind die Regler des VCA-Limiters: Gain, Threshold und Release. Für den Sidechain gibt es ein schaltbares Hochpassfilter mit regelbarer Einsatzfrequenz von 20 bis 250 Hz. Letzteres ist für einen Limiter eher ungewöhnlich, hilft aber, bei bassstarker Musik den Punch zu erhalten. Die Release lässt sich in einem weiten Bereich von 50 bis 1.000 ms einstellen. Zur visuellen Unterstützung gibt es eine 22-Segment-Pegelanzeige, die im oberen Bereich sehr fein in 0,5-dB-Schritten auflöst. Die Gain-Reduction wird über eine 8-Segmet-Anzeige visualisiert.
In der Mitte der Gerätefront angeordnet sind die Bedienelemente des AD-Wandlers. Es stehen alle gängigen Abtastraten von 44,1 bis 192 kHz zur Auswahl. Wahlweise kann der MBC zu einer externen WordClock getaktet werden. Das analoge Pegelniveau lässt sich in vier Schritten einstellen. Zur Auswahl stehen –14, –16, –18 und –20 dBFS, bezogen auf die analoge Referenz von +4 dBu. Damit sollte in allen professionellen Umgebungen eine optimale Kalibrierung gewährleistet sein. Gleich daneben lassen sich – für beide Kanäle gemeinsam – Übertager in den Signalweg schalten. Deren analoges Flair lässt sich über die spezielle »Silk«-Schaltung einstellen, die sich auch in anderen Geräten von Rupert Neve Designs findet. »Silk« gibt es in zwei Varianten, »blue« und »red« mit einer etwas unterschiedlichen spektralen Verteilung. Im roten Modus ist die Verzerrung zugunsten der hohen Frequenzen gewichtet, im blauen Modus arbeitet die Silk-Schaltung mit einer Präemphase der tiefen Frequenzen. Die Stärke lässt sich jeweils über das Texture-Poti einstellen. Alle Potis sind übrigens gerastert, um einen Recall zu erleichtern. Sehr gefreut hat mich ein versenktes Trimpoti zum Einstellen der LED-Helligkeit. Das würde ich mir bei vielen meiner Geräte wünschen, die im studioüblichen Dämmerlicht viel zu hell strahlen.
Schauen wir uns die Rückseite an: Die analogen Eingänge sind als Combobuchsen ausgeführt, können also mit XLR- oder Klinkensteckern belegt werden. Das spart im Zweifelsfall einen Adapter. Ausgänge gibt es ausschließlich in digitaler Form, und zwar in drei Ausführungen: S/PDIF, wahlweise koaxial oder optisch, und AES3 im professionellen XLR-Format. Wie erwähnt, gibt es einen WordClock-Input zur externen Taktung und natürlich auch einen WordClock-Out, wenn der MBC als Master fungiert oder um die Clock im Daisy-Chain-Betrieb weiterzureichen. Ansonsten befinden sich auf der Rückseite auch zwei DIP-Schalter, um die Peak-Hold-Funktion der Meter ein- und auszuschalten bzw. auf 1 oder 3 Sekunden zu setzen.
Reingeschaut
Im Gegensatz zu vielen seiner Bewunderer war Rupert Neve kein sentimentaler Nostalgiker, sondern stets der Zukunft zugewandt. Das erkennt man auf den ersten Blick, wenn man ins Innere des MBC schaut: Bis auf wenige Bauteile ist die Platine komplett in SMD-Technik bestückt, und zur Stromversorgung kommt ein modernes, energieeffizientes Schaltnetzteil zum Einsatz. Geblieben sind ein paar typische Elemente der späteren Neve-Jahre wie die NE5534A-Opamps, die Rupert Neve bereits zu seinen Focusrite-Zeiten gerne einsetzte, etwa im ISA-Mikrofonvorverstärker. Typisch Neve ist auch, wie er diese Opamps einsetzt; er zwingt sie nämlich mit einer speziellen Beschaltung in einen Class-A-Modus. Tja, wenn man weiß, wie man das Optimum an Signalqualität herausholt, braucht man nicht unbedingt esoterische Bauteile. Die zuschaltbaren Übertrager sind Spezialanfertigungen nach des Meisters Spezifikationen – Rupert Neve war Zeit Lebens Befürworter von Übertragern und war – richtigerweise – davon überzeugt, dass diese genau auf die Schaltung abgestimmt sein müssen. Das unterscheidet ihn von seinen Nachahmern, die Übertrager meist »von der Stange« kaufen.
Beim Wandlerbaustein vertraut Neve auf ein Spitzenmodell des japanischen Edelherstellers AKM, nämlich den AK5397. Dabei handelt es sich um einen 32-Bit-fähigen Zweikanal-Wandlerchip in Premiumqualität mit einem erstaunlichen Dynamikumfang von 127 dB. Das ist in der Tat Mastering-Niveau! Der vom Hersteller angegebene Rauschabstand ist jedoch nur 114 dB (mit Übertrager) bzw. 108 dB im übertragerlosen Betrieb. In meinen eigenen Messungen war die tatsächliche Performance jeweils um 3 dB besser. Für die Praxis sind diese Werte ausreichend; auf diesem (Preis-)Niveau dürfte man sich jedoch etwas imposantere wünschen.
Bild: Dr. Andreas Hau
Die Platine des MBC ist sehr sauber bestückt, größtenteils mit SMD-Bauteilen. Die Betriebsspannungen liefert
ein modernes Schaltnetzteil.
Bild: Dr. Andreas Hau
Der NE5534 Opamp gehört zu Rupert Neves bevorzugten Bauteilen.
Durch eine spezielle Beschaltung zwingt Neve ihn in den Class-ABetrieb.
Bild: Dr. Andreas Hau
Rupert Neve Designs MBC
Bild: Dr. Andreas Hau
Die internen Zwischenübertrager sind Spezialanfertigungen nach des
Meisters Spezifikationen.
Praxis
Wie praktisch alle Geräte mit Mastering-Anspruch agiert der Master Buss Converter eher subtil. Die Klangformung sollte im Wesentlichen bereits zuvor stattgefunden haben; der MBC setzt lediglich das Sahnehäubchen darauf und veredelt das Endergebnis. Das ist zumindest die Idee. In der Praxis kann der MBC durchaus auch beherzt zugreifen, um Mixes richtig laut zu machen.
Über den Gain-Regler lässt sich das Eingangssignal an den Threshold heranführen, der sich von –14 bis über 0 dBFS justieren lässt. Da es sich um einen analogen Limiter handelt, ist der MBC nicht 100 % »wasserdicht«. D. h., wenn man den Threshold knapp unter 0 dBFS setzt, können sehr schnelle Impulse dennoch zu kurzzeitigen Übersteuerungen der Wandler führen. Das sind aber in der Regel nur wenige Samples, was kaum hörbar ist. Wer sichergehen will, muss den Threshold bis auf etwa –6 dBFS absenken. In der Praxis wird man den MBC eher für den Analog-Touch verwenden. Denn auch wenn der Limiter des MBC sehr transparent klingt, arbeitet er nicht so klinisch rein wie ein Plug-in, sondern macht den Sound etwas lebendiger. Die letzten paar dB an Lautheit wird man im Zweifelsfall eher auf digitaler Ebene mit einem 100 % dichten Brickwall Limiter hinter dem MBC herausholen wollen.
Zum analogen Flair des MBC gehören natürlich auch die zuschaltbaren Übertrager samt Silk/Texture-Funktion. Während das bloße Zuschalten der Übertrager nur geringe Auswirkungen auf die (hohe) Linearität des MBC hat, formt die mysteriöse Silk/Texture-Schaltung den Sound deutlicher. Im blauen Modus macht der MBC mehr »Dampf« in den unteren Frequenzen, im roten Modus wird der Klang feingliedriger und silbriger, ähnlich wie mit einem sanft eingestellten Exciter. Die Messungen zeigen, dass ein Teil des Effekts auf Änderungen im Frequenzgang beruht. Im blauen Modus werden die Bässe wie mit einem sehr tief ansetzenden Shelf-Filter angehoben, im roten Modus kommt es zu einer sehr breitbandigen Betonung vor allem der Präsenzen um 3 kHz. Das ist, wie gesagt, aber nur ein Teil des Effekts. Gleichzeitig werden durch Sättigung künstliche Obertöne erzeugt. Nach meinen Informationen geschieht dies durch einen leichten Gleichstrom-Bias auf den Übertragern, die eine Vormagnetisierung des Kerns erzeugt.
Im übertragerlosen Betrieb arbeitet der MBC sehr sauber. Die
Klirrprodukte bleiben unter –110 dBFS.
Bei aktivierter Silk-Funktion steigen die Verzerrungen an;
in Mittelstellung des Texture-Reglers auf etwa –90 dBFS.
Schaltet man Silk in den blauen Modus, ändert sich das Spektrum
nur wenig, zumindest bei einem statischen Testton. Im Höreindruck
ist sehr wohl ein Klangunterschied vorhanden.
Die Silk-Schaltung hat auch auf Auswirkungen auf den Frequenzgang. Je
nach Position des Texture-Reglers (hier in Mittelstellung) werden im roten
Modus die Präsenzen leicht angehoben, im blauen Modus die Bässe.
Die Silk-Funktion macht den Sound spürbar lebendiger, und zwar tatsächlich in die gewünschte Richtung. Wie erwähnt, reden wir hier aber nicht von plakativer Distortion, sondern von eher subtilen Effekten. Es ist ja primär ein Gerät für die Stereosumme, d. h. das finale Ausspielen des Mixdowns. Interessant ist der MBC in dieser Konstellation eigentlich nur für Engineers, die tatsächlich noch analog mischen. Das ist heute wohl die Minderheit. Wer weitgehend in-the-box arbeitet und nur punktuell noch auf Outboard setzt, würde sich wünschen, dass der MBC auch digitale Eingänge hätte, um das Gerät als Hardware-Plug-in einbinden zu können.
Aber man muss Geräte ja nicht zwingend so einsetzen, wie vom Hersteller gedacht! Eigentlich macht der MBC für mich am meisten Sinn als hochwertiges Front-End bzw. als Ergänzung zu hochwertigem Front-End, d. h. als AD-Wandler mit Limiter und »einer Prise Analog« hinter einem ähnlich hochwertigen Preamp. Der integrierte Limiter eignet sich ausgezeichnet, um schon beim Aufnehmen pralle Signale mit Punch auf die Festplatte zu bannen. Das macht das anschließende Mischen umso leichter – zumal man beim Ausspielen des Mixes den MBC ja noch mal verwenden kann – ganz so, wie Meister Neve es sich erträumte.
Fazit
Der Master Buss Converter ist ein hochwertiger AD-Wandler mit einem ebenso hochwertigen Limiter und zuschaltbaren Übertragern inklusive Silk-Schaltung für zusätzliche analoge Färbung. Der Name ist vielleicht ein bisschen irreführend bzw. schränkt den Nutzerkreis unnötig ein. Die wenigsten Engineers mischen heute noch auf analoger Ebene, sodass ein finales Digitalisieren des analogen Mixes entfällt. Der MBC eignet sich aber auch ganz hervorragend als Front-End zum Aufnehmen. Der analoge Limiter erlaubt es, die integrierten AD-Wandler hoch auszusteuern, und über die Silk-Schaltung lässt sich bei Bedarf eine leichte Sättigung hinzuregeln – das ist ein bisschen wie auf Analog-Tape aufnehmen. Und so darf man sich freuen, dass Rupert Neve bis zuletzt sehr zeitgemäße Geräte entwickelt hat, die uns helfen, bessere Aufnahmen zu machen. Danke!
Hersteller/Vertrieb: Rupert Neve Designs / Mega Audio
UvP/Straßenpreis: 4.206,03 Euro / 4.111,– Euro
Internet: www.rupertneve.com
Unsere Meinung:
++ hochwertige Audiotechnik vom Altmeister
++ interessantes Konzept
++ Silk/Texture-Schaltung für analoges Flair
++ sehr präzises Metering
– Wandlerdaten gut, aber nicht überragend