... das ist hier die Frage!

Mixing-Tutorial: Zuerst EQ oder Kompressor?

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Waldemar Fix My Mix(Bild: Dirk Heilmann)

In so ziemlich jedem Workshop, den ich jemals besucht oder gegeben habe, kommt irgendwann die Frage: Kommt der EQ vor oder nach dem Kompressor? In dieser Folge wollen wir der Frage mal auf den Grund gehen, uns die Vor- und Nachteile beider Varianten anschauen und hoffentlich eine angemessene Antwort für die Zukunft finden.

Und wer das sofort wissen will und nicht bis zum Ende lesen möchte, für den ist die Antwort: erst der Kompressor und dann der EQ. Da das Thema aber natürlich deutlich komplexer ist, wäre die richtige Antwort eigentlich: Es kommt darauf an!

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Aus meiner Erfahrung greifen die meisten Tontechniker grundsätzlich als Allererstes zu einem EQ. Das ist dem Umstand geschuldet, dass wir das Signal schnell und hörbar verändern wollen, nachdem wir entschieden haben, ob es uns gefällt und was wir daran ändern möchten. Mit einem EQ können wir den Frequenzgang nach Belieben verbiegen und so eine deutlich hörbare tonale Änderung zu Gunsten unserer Vorstellung erreichen. Ein Kompressor dagegen würde zwar die Dynamik eines Signals verändern und es im Gesamtkontext ausgewogen machen, aber eine deutlich hörbare Klangveränderung hätte man nur bei extremeren Einstellungen bzw. wenn der Kompressor einen unverwechselbaren Eigenklang hätte.

Der Sonnox EQ und der Softube Summit TLA-100A wurden für die E-Gitarre und der Waves CLA-2A und Plugin Alliance SSL9000J-EQ für die Vocals benutzt.

Ein großer Nachteil, den ich bei Verwendung eines Kompressors nach einem EQ sehe, ist, dass dieser die vorherigen Einstellungen des EQs relativiert. Da er das Signal in der Dynamik einschränkt bzw. ausgleicht, gleicht er auch die Unterschiede im Frequenzgang und der Tonalität an. Habe ich wie in unserem Beispiel eine E-Gitarre in den unteren Mitten etwas aufgeräumt und den Ton bei ca. 1–2 kHz verstärkt, relativiert der nachträgliche Kompressor diese Arbeit, indem er das Signal dichter und so die unteren Mitten wieder voller macht und den Ton und Biss bei 1–2 kHz entschärft. Das führt dazu, dass ich nach dem Kompressor einen weiteren EQ benutzen muss, um meine Klangvorstellung noch einmal nach zu basteln. Und wenn ich jetzt wieder die unteren Mitten aufräume und der Gitarre mehr Ton bei 1–2 kHz gebe, wird das Signal wieder dynamischer und offener. Was mich evtl. dazu bewegt, noch einen Kompressor dahinter zu benutzen.

So dreht man sich ganz schnell im Kreis, und es ergeben sich Bearbeitungsketten von vier EQs und drei Kompressoren, die sich immer ein Stück weit gegenseitig aufheben. Ich persönlich tendiere in 99 % der Fälle lieber zu dem Ansatz, zuerst einen Kompressor zu benutzen. Das ist wahrscheinlich die schwierigere Variante, da man hier evtl. mit einem Signal arbeitet, dass klanglich noch nicht ausgewogen oder tonal nicht den eigenen Vorstellungen entspricht. Aber wenn man dieses Signal zuerst komprimiert, können sich Probleme durch das angleichen der Dynamik in Luft auflösen – z. B. wenn störende Frequenzen weiter in das Signal gedrückt werden und so weniger auffällig sind. Oder es werden Probleme überhaupt erst durch die Kompression hörbar. So weiß ich jetzt ganz genau, was ich EQen muss. Und i.d.R. muss ich das auch nur einmal einstellen, da kein nachträglicher Kompressor das wieder verändern wird.

So habe ich in unserem nächsten Beispiel den Gesang als Allererstes mit dem Waves CLA-2A um 2–3 dB komprimiert und höre nun ganz deutlich, was mich stört. Es gibt ein lautes Rumpeln im Bass und der Sänger klingt sehr matt und langweilig. Was mich dazu verleitet, einen EQ zu benutzen und den Bass mit einem Lo-Cut bei 90 Hz abzuschneiden sowie 3 dB bei ca. 5 kHz und ca. 3 dB mit einem Hi-Shelf ab 10 kHz zu boosten, sodass der Gesang jetzt schon zu 99 % perfekt im Mix sitzt.

Jedoch muss bei dieser Variante der EQ nicht zwingend immer nur nach dem Kompressor kommen. Abhängig davon, wie viel oder wenig dieser arbeitet, kann ich nachträglich auch einen EQ vor den Kompressor setzen und dessen Bearbeitung steuern. Wird mein Gesang z. B. zu stark komprimiert, könnte ich mit einem EQ vor dem Kompressor das Signal schon etwas dünner machen und somit den Kompressor entlasten. Bekommt der Kompressor den Gesang wiederum nicht zu fassen, weil das Signal zu dynamisch oder nicht fett genug ist, könnte ich den EQ nutzen, um die unteren Mitten oder den Bass zu boosten und somit dem Kompressor mehr zum Arbeiten geben.

Wie ihr seht, hat die zweite Variante viele Vorteile, und so würde ich sagen, dass die Regel lauten sollte: zuerst der Kompressor und dann entscheiden, ob der EQ vor oder nach ihm kommt.

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