Im letzten Beitrag hatten wir Random Access Memories von Daft Punk mit Hintergrundinfos und Workshops vorgestellt. Mich hat der entspannte Sound dieses Albums total angesteckt, weshalb dieser Workshop irgendwo dort anknüpft und Tipps & Tricks enthält, wie man auch mit Notebook und Plug-ins klanglich ein wenig in diese Richtung steuern kann.
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Ein Problem bei dieser Soundästhetik ist oft, dass unser Ausgangsmaterial aus Sample-Librarys und Software-Synthesizern bereits so aufpoliert ist, dass es schwer wird, aus diesem Material noch einen entspannten Gesamtmix zu zaubern. Höhenlastige Mikros kombiniert mit linearen Audiowandlern bis in die obersten Audiofrequenzen setzen sich vielleicht im Mix beim Gesang durch, sorgen aber auch dafür, dass alle anderen Sounds im Mix dagegen ankämpfen müssen! Ein ähnliches Bild bei den Drumsounds: Das Preset „Big Bottom“ des Bassdrum-EQs startet doch nur den Wettkampf gegen den Bass, welcher dann am Ende durch die finale Punktevergabe eines Multiband-Limiters entschieden wird. Das neue Album von Daft Punk klingt hier erfrischend anders, weshalb ich auf diesen Seiten einige Tricks zum Umarbeiten unserer digitalen Multiband-Perfektionen in eine entspannte Mix-Ästhetik zum Besten geben möchte.
Attacks verbiegen
Es gibt im Fußball ja zuweilen Spieler, die zwar gerne selbst ein Tor vollenden, als Teamplayer aber auf ganzer Linie versagen und selbst bei einer guten Aufstellung nur sehr selten den Ball an die anderen Spieler abspielen. Im Audiomix passiert manchmal Ähnliches, als Beispiel soll hier ein Wellenform-Ausschnitt aus dem Entstehungsprozess des Charlatan-Demotracks für unseren S&R-Blog „Plug-in Spot“ herhalten. Der Unterschied zwischen dem roten und dem grünen Mix in Abbildung unten auf dieser Seite ist nicht etwa eine simple Reduzierung der Bassdrumlautstärke oder ein höherer Lo-Cut. Beides würde zwar helfen, aber dann ginge die Bassdrum im Mix auch unter! Auf die Bassdrum hatte ich vorher nur Softubes FET Compressor angesetzt sowie mit ddmfs 6144 EQ die Tiefbässe geschnitten und die Frequenzen darüber schmalbandig angehoben.
Für eine Synthesizer-Bassdrum soweit sicher keine Überraschung. Aber diese Bassdrum ist kein Teamplayer! Sie ist zu knallig, zu präzise − eine Eigenschaft, die sie mit vielen kommerziellen Software-Instrumenten teilt, weil ja jeder im Rennen um „mehr Soundqualität“ noch knalliger und direkter klingen möchte. Zudem ist ihr Pegel im Gesamtmix einfach zu laut, sobald man sie aber leiser mischt, geht sie im Mix unter. Die Rettung war hier eine Kombination aus dem Freeware-Plug-in Flux Bittersweet (www.fluxhome.com) und Masseys- Tape-Head (www.masseyplugins.com). Bittersweet benutze ich dabei gerne vor einem Kompressor, um die Attacks genau auf den Klangcharakter und die Kompressions-Intensität des Kompressors abzustimmen.
Manchmal findet man zwischen Attack, Treshold und Input-Gain auch am besten Kompressor-Plug-in keine optimale Lösung, bei der ein Sound noch natürlich bleibt und dennoch in der kompletten Sequenz ausreichend laut ist. Flux Bittersweet kann den Attacks dann etwas die Spitze nehmen und der Kompressor somit natürlicher und doch effektiv arbeiten. Masseys TapeHead kam dann nach dem Kompressor zum Einsatz, um den eher cleanen Sound aufzurauen. Masseys Plug-ins sind seit einiger Zeit ja nicht mehr nur exklusiv für Pro-Tools-Systeme, sondern auch als VST-Version für Mac und PC verfügbar. Und auch wenn TapeHead sicher keine Vintage-Bandmaschine ersetzen kann, so ist es als einfaches Tool für etwas mehr Schmutz im Bassbereich eine kleine Wunderkiste.
Sättigung
Wo wir gerade bei Dreckmachern sind: Klanghelm hat vor Kurzem mit der Freeware IVGI (www.klanghelm.com) ein sagenhaftes Plug-in vorgestellt, um dezent Klänge anzuzerren, ohne dabei die Attacks und den Grundcharakter zu zerstören. Eine gute Ausgangsbasis für unsere Stilrichtung ist es dabei, die Anzeige beim Erhöhen des Drive-Knopfes auf OUTIN umzuschalten und darauf zu achten, dass sich die Pegelanzeige nur bei den lautesten Passagen ganz dezent bewegt. ASYM-MIX kann ruhig auf 7 oder höher gestellt werden, Response auf ca. 11 Uhr.
Das Ergebnis ist ein Sound, der beispielsweise auch drahtige Pop-Pianos oder Hi-Hats aus dem Drumcomputer anzerrt, ohne dass diese Verzerrung im Höhenbereich aufdringlich wird oder die Klangsubstanz zerstört. Die Signale können so beispielsweise ohne Probleme auch mit einem weiten Shelving-EQ in den Höhen bearbeitet werden. Für Bass-Sounds oder Giorgio-Moog-Arpeggios im Daft-Punk-Stil darf’s natürlich auch gerne eine Verzerrungs-Schippe mehr sein, aber dezent eingesetzt gefällt mir das Plug-in wirklich bei vielen Signalen sehr gut.
Trafo-Simulation
Für die Einsatzgebiete Funk-Gitarren, Hammond und für manche Synthesizer-Sounds gibt es seit Kurzem noch so ein kleines Freeware-Wunder mit aber ganz anderem Klangcharakter: Thrillseeker-VBL von Variety-Of-Sound überzeugt mit sehr deutlicher Klangfärbung und angenehmer Verzerrungscharakteristik gerade bei den genannten Instrumentengruppen. Natürlich kann man damit auch „einfach nur“ Sounds komprimieren, oft benutze ich dieses neue Plug-in aber eher im Amp-Modus mit eingeschalteter Transformer-Simulation, um einen Klangcharakter stark zu verbiegen und nutze den Kompressor daher eher zweckentfremdet.
Daneben eignet sich der Kompressor auch hervorragend, um ein bisschen mehr Abwechslung in gedoppelte Vocal-Tracks oder Synthesizer-Spuren zu bekommen. In der Eingangssektion kann man den Thrillseeker-VBL dazu auf die Dual-Mono-Betriebsart umschalten. Dann den Amp-Knopf aufdrehen und die winzige virtuelle Brilliance-Stellschraube ebenfalls erhöhen. Bei traditionellen analogen Synthesizer-Arpeggios, die jeweils auf der linken oder rechten Seite im Stereobild verteilt wurden, entsteht durch die Unterschiede im Attack der einzelnen Noten ein sehr lebendiger und dennoch nicht aufdringlicher Stereoeindruck.
Weniger Envelope-Amount
Sofern es sich bei unseren Klängen eh um Synthesizer-Sounds handelt, möchte ich noch einen ganz einfachen Trick loswerden, der aus herausragenden Solo-Sounds wieder gute Teamplayer zaubert − ganz ohne zusätzliche Plug-ins! Synthesizer-Plug-ins sind nun einmal vergleichbar, sehr schnell sogar. Also versuchen viele Software-Instrumente mit den ersten Presets bereits zu überzeugen: Durch Lautstärke, Effekte und oft auch einen möglichst weiten Frequenzgang. Jeder SoloSound brizzelt so bis in die höchsten Höhen, damit sich der Sound auch ja im Mix durchsetzt! Oft reicht es hier, die Hüllkurvenintensität, die das Filter steuert, etwas zu reduzieren und so schon zu einem ausgeglichenen Gesamtsound zu gelangen. Meist gibt es dafür einen Knopf Envelope-Amount auf der Oberfläche des Instruments.
Filter mit Envelope-Follower
Dieser Trick lässt sich auch bei beliebigen Audiosignalen anwenden, indem man ein Filter-Plug-in mit Envelope-Follower in den virtuellen Signalpfad einsetzt. Beispiele wären etwa Urs Heckmanns Runciter aus dem Uhbik-Bundle oder Filterstation von Audio Damage. Insbesondere Signale, die mit Kompression in einem Mix nach vorne geholt werden, lassen sich durch so ein LowpassFilter wieder dezent nach hinten schieben. Dazu programmiert man das Filter zuerst mit niedrigem Cutoff-Wert und recht hoher Resonanz. Die Auswirkung des Filters auf den Sound ist so sehr einfach zu hören. Jetzt stellt man die Intensität des Envelope-Followers ein, der das Filter dynamisch auf das Eingangssignal anpassen soll. Wenn die Pegel zur Steuerung und eventuelle Zeitanpassungen gut auf das Eingangssignal reagieren, wird die Resonanz abschließend auf niedrige Werte zurückgesetzt und Cutoff so hoch geschraubt, dass der Effekt nur noch in Nuancen wahrzunehmen ist.
Sounds schlechter machen?
Bis jetzt haben wir Sounds in einigen Varianten zerstört, die Attacks vermindert, Hüllkurven reduziert und vieles mehr − aber was hat das nun alles mit einem entspannten Gesamtmix zu tun? Um mixtechnisch in diese Richtung zu gelangen, ist es wichtig, dass die Sounds sich nicht alle automatisch nach vorne drängeln. Alle diese Dinge können in Grenzen dazu beitragen, dass man einen Mix besser unter die Füße bekommt. Natürlich ist es dabei auch wichtig, welche Effekte man einsetzt. Wenn ein Solo sich mit höhenreichem Hall und PingPong-Delay im ganzen Mix breitmacht, dann ist so ein Track garantiert kein Teamplayer mehr! Das Fair-Play beginnt bereits beim Einspielen oder Einsingen der Spuren − wer immer nur Vollgas gibt, wird am Ende nicht entspannt klingen! Ich wünsche viel Spaß beim Experimentieren!