Mit seiner Privia-Serie hat das japanische Unternehmen Casio sein individuelles Digitalpianokonzept in den letzten Jahren kontinuierlich weiterentwickelt. Aktuell markieren die kompakten und funktionalen PX-Modelle S5000, S6000 und S7000 einen neuen Höhepunkt der Evolution und bereiten sich ausgehend von ihrem traditionell angestammten Platz innerhalb der eigenen vier Wände für den Sprung auf die nächstgelegene Bühne vor.
Wer bisher über die Anschaffung eines Stagepianos nachdachte, hatte mit Sicherheit im Handumdrehen eine ganze Bandbreite an Herstellern auf dem Zettel, die es im ewigen Battle um die individuell beste Lösung gegeneinander auszuspielen galt. Casio dürfte in der Vergangenheit eher seltener in eine solche Liste gerutscht sein, waren die meisten Modelle des Herstellers doch formal klar für den Heimbereich konzipiert. Dies könnte sich mit der neusten Privia-Generation grundlegend ändern. Denn auch wenn das Marketing des Konzerns weiterhin primär in die gewohnte Richtung abhebt, bringen die Modelle Qualitäten mit, die sich auch bei Gigs und Bandproben mehr als sehen und hören lassen können.
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Ein erster Blick
… zeigt, dass der Look des PX-S6000 dem bereits von den günstigeren Vertretern der Privia-Familie, wie etwa dem S-3100, bekannten Design folgt, und die elegante Hochglanz-Touch-Oberfläche verhilft zu noch mehr praxisgerechtem Purismus. Die Front und Seiten umschließende Holzoptik ergänzt darüber hinaus einen edlen, wohlig warmen Anstrich. Auch die von vier integrierten Lautsprechern mit je 8 Watt und Micaverstärkten Membranen dominierte und mit dunklem Stoff bespannte Rückseite des Instruments fügt sich stimmig in das Gesamtbild ein.
Hier finden sich in Ergänzung zu den frontseitig (!) verbauten 3,5-mm- und 6,3-mm-Klinkenausgängen (für bis zu zwei Kopfhörer) ein Standard-Set aus Stereoausgang, USB A und B, Pedalanschlüssen (Expression/Sustain) neben einem 24-Volt-Netzteilanschluss. Komplettiert wird das Setup durch einen Eingang für ein dynamisches Mikrofon mit Gain-Regelung. Letzteres lässt sich auch in Kombination mit 25 speziell dafür vorgesehenen integrierten Effekten einsetzen und direkt mit dem Stagekeyboard-Sound der Wahl über den Ausgang ausgeben.
Über den mitgelieferten Bluetooth-Adapter lassen sich zudem passende Apps (z. B. Casios Music Space) mit dem Instrument verwenden oder direkt Audio-Inhalte per Smartphone abspielen.
Ein absolutes Alleinstellungsmerkmal stellt die Bedienung über die beleuchteten Sensorelemente (inklusive virtuellem Jogwheel mit NSWO-Pfeiltasten-Funktion) dar, die nicht nur optische Vorzüge bietet.
Kurze Tasten – kein Problem!
Das PX-S6000 setzt genau wie der große Bruder PX-S7000 auf die neuste Version des 88-tastigen Smart Hybrid Hammer Action Keyboard aus dem Hause Casio. Trotz einer durch die Bautiefe des Instruments von unter 25 cm physisch begrenzten Tastenlänge rekreiert die Klaviatur über eine ausgeklügelte Hammermechanik auf beeindruckende Weise das authentische Verhalten eines Flügels. Look & Feel werden dabei im Falle der weißen Tasten zusätzlich durch den Einsatz einer Sandwich-Konstruktion aus einem beidseitig mit je einer Lage Fichtenholz abgeschlossenen Kunstharzkern samt Kunststoffdecklage in Elfenbein-Optik und -Textur bestimmt. Bei den schwarzen Tasten kommt ein entsprechendes Ebenholzimitat zum Einsatz. Statt einer mechanischen Graduierung setzt das S6000 auf eine Digital Scaling genannte Technologie, welche das Anschlagsgefühl von Bass bis Diskant im Zusammenspiel mit den Pianosounds per Algorithmus optimiert. Beeinflusst werden für diesen Effekt also im Wesentlichen die Parameter Lautstärke und Timing.
In puncto Bespielbarkeit hat sich bei Casios aktuellen Tastaturmodellen wirklich einiges getan. Sie fühlen sich nicht nur ausgezeichnet an, sie lassen sich auch außergewöhnlich gut spielen. Bei rasanten Repetitionen kommt die Flügelillusion allerdings an ihre mechanischen und elektronischen Grenzen – damit ist Casio allerdings bei Weitem nicht allein. Im Feld der Digitalpianodisziplin präsentiert sich die »Smart Hybrid Hammer Action«-Klaviatur nichtsdestotrotz als echte Premiumlösung, die man gerne unter den Fingern hat.
Sound.
Ein exquisiter Flügelsample ist für ein modernes Digitalpiano natürlich oberste Pflicht, aber ungeachtet seiner Hochwertigkeit bei der authentischen Reproduktion eines echten Pianoklangs immer auch unzureichend. Ein Klaviersound lebt nämlich nicht durch die bloße Addition seiner tonalen Einzelteile, sondern zu einem erheblichen Teil auch von klanglicher Interferenz in Form von Resonanzen und den sich daraus ergebend ergänzenden Obertönen. Um diese sympathetischen Resonanzen und ihr je nach Spiel variables Verhalten nachzubilden, braucht es einen umfangreichen Griff in die DSP-gestützte Trickkiste. Diese heißt bei Casio Multi-Dimensional Morphing AiR Sound Source und kümmert sich in Echtzeit um die Ergänzung besagter (und in der Intensität per Menü regelbarer) Klanganteile. Auch die feinen Klangänderungen, die bei einer Klaviersaite durch unterschiedliche Anschlagsstärke hervorgerufen werden, können über einen Morphing-Algorithmus entsprechend abgebildet werden, was den Pianoklang im Ergebnis dynamischer und natürlicher werden lässt.
Mit dem deutlich nach Hansestadt klingenden Privia Grand bohren die Entwickler bei Casio ein ziemlich dickes Pianobrett, welches den Vergleich mit der Konkurrenz in keinster Weise zu scheuen braucht. Dieser Flügel klingt nicht nur unverschämt gut, er lässt sich in Kombination mit der verwendeten Klaviatur auch ungemein gut spielen. In diese Paarung ist merklich viel Abstimmungsarbeit hineingeflossen.
Wo wir gerade bei Sounds sind: Die zweite bedeutende Säule, auf der die Kernkompetenz des PX-S6000 ruht, ist die mit eigener Schnellwahltaste versehene E-Piano-Rubrik. Dort tummeln sich die immer noch angesagten Klassiker der elektromechanischen Ära neben liebgewonnen digitalen FM-Schätzchen. Um dem Nutzer in der Praxis die Auswahl noch ein wenig leichter zu gestalten, wurden die einzelnen, zum Teil mit einschlägigen Effekten (insgesamt stehen davon 100 zur Auswahl) versehenen Sounds erahnbar nach ihren klanglichen Songvorbildern benannt. Die Reproduktion von Rhodes, Wurli & Co. ist vorbildlich und lässt im Prinzip keine Wünsche offen.
Natürlich bietet das PX-S6000 noch viele weitere Sounds, angefangen bei Orgeln über Strings, Synths, Brass und Bass in seinem 350 Presets umfassenden Speicher. Auch wenn viele davon praxisgerechte (Legacy-)Qualitäten für den Alltag mitbringen, können sie den Piano-Kollegen in den meisten Fällen klanglich nicht das Wasser reichen – müssen sie meiner Meinung nach aber auch nicht.
Wo steht mein Piano?
Das im PX-S6000 integrierte Soundsystem hält ein besonderes Feature bereit, welches ich so noch bei keinem Digitalpiano zuvor erlebt habe. Über integrierte Presets lässt sich die Aufstellposition des Instruments definieren. Mittels entsprechend angepasstem EQing lässt sich der über integrierte Diffusoren generierte Spatial-Sound neben einer Standard-Variante auch für die Aufstellung mitten im Raum, an der Wand oder auf einer Tischplatte optimieren.
Trotz dieses wirklich hervorragenden und anpassbaren Wiedergabesystems fällt der Klang, bedingt durch die reduzierten Gehäusedimensionen, trotzdem gegenüber dem per Kopfhörer realisierten Erlebnis ab.
Fazit: Mit der aktuellen Privia-Serie legt Casio mit neuen intuitiv bedienbaren Digitalpianos nach, die nicht nur das eigene Wohnzimmer oder Studio aufhübschen, sondern beim nächsten Gig auch bitte nicht dort vergessen werden möchten. Für unschlagbare 1.500 Euro erhält man mit dem PX-S6000 ein wirklich außergewöhnlich gutes Digitalpiano mit hervorragender Tastatur. Dieses Instrument mach in jeder Situation und an jedem Ort eine gute Figur – bei Bedarf sogar batteriebetrieben!