Vocoder und Stringmachine in einem Gerät? Kann das gutgehen? Beim italienischen Hersteller CRB sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt …
Anzeige
Wenn man in die geheimnisvolle Welt der italienischen Synthesizer eintaucht, gibt es immer wieder viel Faszinierendes zu entdecken. Schon die Modellnamen in diesem ehemals blühenden und inzwischen untergegangenen Synth-Imperium sind meist klangvoll und vielversprechend. Die italienische Firma CRB Elettronica hatte z.B. Geräte wie den Oberon, den Uranus, die Combo-Orgel Tanzanite oder den Voco-Strings im Programm. Die Buchstaben CRB stehen übrigens für Costruzioni Radioelettriche Borsini (klingt irgendwie lecker …).
Die Firma wurde 1948 in Senigallia von Duilio Borsini gegründet. Anfang der 1960er-Jahre zog das Unternehmen an den Stadtrand von Ancona und startete 1967 mit der Produktion von elektronischen Orgeln, darunter die Modelle Coral, Topazio und Rubin. Etwas später begann man mit der Produktion von Konzertverstärkern, die nach ganz Europa exportiert wurden. Dazu gehörten die ersten Modelle der Diamond-Serie und der Space Sound mit Leslie-Effekt, ein von CRB patentiertes System, das von Borsini selbst entwickelt wurde. Die Produktion erfolgte in der neuen Fabrik mit dem Namen Space Sound in Casenuove di Osimo.
1977 wurde mit dem Uranus der erste CRB-Synth präsentiert. Sein Nachfolger Uranus 2 ist ein Analog-Synth mit zwei polyfonen Preset-Sektionen und einer monofonen Solo-Sektion. Zum Userkreis gehörte neben der damals in Italien populären italienischen Progrock-Band Banco auch Stevie Wonder. CRB hatte mit dem Oberon auch einen monofonen Synth im Programm. Außerdem wurden neben Orgeln auch Stringmachines und Drumcomputer angeboten.
Ein außergewöhnliches Produkt brachten die Italiener 1979 unter dem Namen Voco-Strings heraus, einem Zwitterwesen von Stringsynth und Vocoder. Es wurde eine Zeitlang auch von der Firma Solton vertrieben. CRB beendete 1982 wegen mangelnden Verkaufszahlen seine Geschäftstätigkeit; aus der Asche des Unternehmens entstand dann die Firma Ketron.
Das Metallgehäuse
… des Voco-Strings ist superstabil und verfügt über eine vieroktavige, nicht anschlagsdynamische Tastatur. Die Bedienoberfläche ist klar gegliedert. Links befinden sich die Regler für die String-Sektion, welche die Instrumente Cello, Viola, Violin bietet und mit einer einfachen Hüllkurve mit Attack und Sustain ausgestattet ist. Die Gesamtstimmung des Instruments wird mit dem Tuning-Regler eingestellt; etwas rätselhaft ist der benachbarte Poti mit der Bezeichnung »Motion Control«. Betätigt man ihn, wird das Signal des String-Synths detuned, d. h., die einzelnen Oszillatoren des String-Synths werden gegeneinander verstimmt – ein ungewöhnlicher Effekt für diese Instrumentengattung, der aber vor allem beim Vocoder Sinn macht (s.u.). Zur Klangbearbeitung gibt es außerdem einen einfachen Equalizer mit Reglern für Bass und Höhen. Die String-Sektion lässt sich mit einem Wippschalter muten, um nur das reine Vocoder-Signal zu hören.
Die Vocoder-Sektion
… gliedert sich in den Eingangsbereich, in dem die Lautstärke und die Empfindlichkeit des Mikros (oder eines andern Eingangssignals) geregelt wird, und eine, etwas missverständlich »Chorus« betitelte Abteilung. Dabei handelt es sich nicht etwa um den gleichnamigen Effekt, vielmehr wird hier der Vocoder-Klang in zwei Lagen zugeschaltet und die Vocoder-Lautstärke eingestellt. Außerdem steht ein Kompressor für das Vocoder-Signal zur Verfügung, das zudem mit den Hüllkurvenreglern der Strings, dem Tuning-Poti und der Motion Control gestaltet werden kann.
Synthesizerspezialist Ingo Rippstein, der schon mehrere der Geräte restauriert hat, machte mich darauf aufmerksam, dass die Vocoder-Klangerzeugung des Voco-Strings technisch baugleich mit der des Electro-Harmonix-Vocoders EH 0300 ist. Dieses Gerät kam Ende der 70er-Jahre auf den Markt und gehörte (im Gegensatz zu den hochpreisigen Modellen von EMS, Sennheiser und Moog) damals zu den wenigen Vocodern, die auch für normalsterbliche Musiker erschwinglich waren (ca. 1.700 Mark). Die Italiener haben sich da vom Gerät der New Yorker Firma inspirieren lassen.
Das Design des EH 0300 sieht aus wie eine Mischung von Wehrtechnik und Tesla Cybertruck und kommt ebenfalls mit wenig Bedienelementen aus. In der zweiten Hälfte der 70er-Jahre war EMS-Ingenieur Dave Cockerell zum Electro Harmonix-Team gestoßen und hat die Entwicklung des EH 0300 kreativ begleitet. Die Vocoder-Schaltung des Electro Harmonix-Gerätes (und des Voco-Strings) arbeitet mit 14 Frequenzbändern, deren zentrale Frequenzen etwa eine große Terz auseinanderliegen. Der Vocoder des Voco-Strings ist mit einem internen Carrier-Signal ausgestattet, das auf der Klangerzeugung des String-Synths basiert. Daher kann man mit einem Mikro sofort loslegen, ohne sich um einen zusätzlichen externen Klangerzeuger bemühen zu müssen. Die String-Sektion kann (sofern sie nicht gemutet ist) dazugemischt werden, was manchmal durchaus reizvoll sein kann. Übrigens lassen sich auch externe Quellen rückseitig als Carrier-Signal nutzen, was die Flexibilität des Gerätes erweitert.
Der Sound
… des Vocoders ist nicht besonders clean, aber gut einsetzbar, obwohl er nicht die edle Transparenz von Hi-End-Geräten wie EMS oder Sennheiser bietet. Mit der internen Klangerzeugung kann man schnell brauchbare Ergebnisse erzielen; auch eine akzeptable Sprachverständlichkeit ist trotz fehlender »Hiss«- bzw. Unvoiced-Detector-Funktion gegeben. Per Motion Control lassen sich auch Ergebnisse erzielen, die in Richtung böser, atonaler Roboter-Speak gehen. Der leicht dreckige, charakterstarke Klang des CRB-Boliden hat seinen ganz eigenen Charme und lässt sich gut in modernen Electro-Produktionen einsetzen. Auch eine leichte Übersteuerung des Mikrofoneingangs durch den Sensitivity-Fader kann reizvoll sein. Bei Verwendung externer Synths muss man allerdings ein wenig wählerisch sein, um ein brauchbares Carrier-Signal zu bekommen.
Der String-Synth
… des Instruments arbeitet mit einer klassischen, vollpolyfonen Frequenzteilerschaltung und verfügt über einen durchsetzungsfähigen und lebendigen Sound, der in den hohen Lagen auch dezent silbrig wirken kann. Klanglich liegt er irgendwo zwischen Elka Rapsody und dem Logan String Melody.
Der Voco-Strings war übrigens (ebenso wenig wie der 0300 von Electro Harmonix) kein großer kommerzieller Erfolg; vor allem die japanische Vocoder-Konkurrenz von Roland (der VP-330 hat ebenfalls einen String-Synth an Bord) und Korg (VC-10) machte dem eigenwilligen CRB-Modell zu schaffen, und es wurden nur relativ wenige Geräte gefertigt. Auch heute gibt es mit dem Walldorf STVC und dem (Roland-Klon) Behringer VC 340 Geräte, die Vocoder und Stringmachine in einem Gehäuse vereinen.
Der CRB Voco-Strings wurde uns freundlicherweise von Ingo Rippstein (www.synthmaster.de) zur Verfügung gestellt, der uns mit zusätzlichen Fotos von CRB-Geräten versorgt hat. Die Fotos des Electro Harmonix-Vocoders stammen aus dem sehr empfehlenswerten Buch Vintage FX von Matthias Fuchs (vintagefx-thebook.com). Für zusätzliches Fotomaterial danken wir Werner Bothe, der auf seiner Website www.wernbo.de viele liebevoll restaurierte Tasteninstrumente anbietet, sowie Steve Baltes (www.sonic-sales.de).