Mit „Alt Choir“ präsentiert Westwood Instruments eine tolle neue Chor-Library, die eine Brücke zwischen klassischen und zeitgenössischen Gesangselementen schlagen möchte. „Alt“ steht in diesem Fall nicht für die Stimmlage, sondern für „Alternative“, wie auch schon beim „Alt Piano“ von Westwood und frei nach dem Motto des Herstellers „Alternative sounds for music makers“. Ein Ensemble aus 16 Vokalisten (je vier pro Stimmlage) bietet eine kreative Palette von schönen Performances, die von hintergründig bis auffällig rangieren und sogar Percussions enthalten.
Anzeige
Grundsätzliches
Neben dem Ensemble-Patch gibt es für jede Stimmlage ein eigenes Instrument mit allen Artikulationen. Alle Stimmgruppen wurden isoliert aufgenommen, um alle Möglichkeiten im Mix zu haben. Einige Stimmen bieten neben dem einheitlichen Satz an Artikulationen auch zusätzliche Singweisen und Body-Percussion. Ein weiteres Patch liefert schließlich Pads mit vokal inspirierten Texturen.
Neben einem schönen fertigen Mix finden man alle Aufnahmen in drei Mikrofonsignalen (Nah, Raum und Galerie), die im Mixer des Instruments eingestellt werden können.
Episodes – Harmonische und unaufdringliche Phrasen
Eines der Highlights von „Alt Choir“ ist die Artikulation “Episodes”. Dabei handelt es sich um harmonisierte Performances, die perfekt in Tonart und Takt eingebunden sind. Die Performances wurden ursprünglich mit 105 bpm aufgenommen, können aber optional an das DAW-Tempo angepasst werden, wenn es notwendig erscheint. Jede der drei Gesangsstimmen – Sopran, Alt und Tenor – verfügt über ihre eigenen “Episodes”, die so konzipiert wurden, dass sie nahtlos ineinander übergehen und so eine fließende, sich wellenartig entfaltende Darbietung ergeben. Damit diese harmonisch in die Komposition passen, lässt sich ganz einfach die gewünschte Tonart auswählen, woraufhin farblich gekennzeichnete Tasten auf der Kontakt-Tastatur erscheinen: Grüne Tasten spielen die “Episode”-Performances ab, blaue Tasten hingegen die improvisierten Sustained-Sounds.
Die langen Episode-Darbietungen wurden nicht „gelooped”, sondern müssen bei Bedarf erneut angestoßen werden. Interessante Akkordflächen und Progressionen lassen sich am besten über den erweiterten Tastenumfang in den individuellen Instrumenten-NKIs der einzelnen Stimmen zusammenstellen. Dort findet man bei den Alt-Stimmen auch die besondere „schwebende” (suspended) Version, was ihnen einen einzigartigen, von den Tenören und Sopranen abweichenden Charakter verleiht.
Mehr als nur Episoden
Neben den Episodes bietet „Alt Choir“ noch eine Reihe weiterer nützlicher Artikulationen und Performances. Neben den Standard-Artikulationen wie Sustains und Shorts findet man auch improvisierte Klangvarianten, „Moving 5th“ und „Chatters“. Außerdem sind auf der zweiten Seite des GUIs die dynamischen „Waves“-Artikulationen in mehreren Varianten und Vokalen versteckt. Diese finde ich, wie schon in anderen Libraries, immer wieder besonders schön. Allerdings muss sich nun auch diese Library mit der tollen Streicher-Library String Contours von Strezov Sampling messen, die mit kreativem Scripting Akkord- und Notenwechsel innerhalb einer Waves-Performance ermöglicht. Das gibt es allerdings auch bisher sonst nirgendwo, soweit ich weiß. Vielleicht lässt sich das ja mit einem Update noch nachrüsten.
Richtig gelungen finde ich die Legatos, vor allem das improvisierte Legato, das für mich die realistischsten Übergänge zwischen den Noten schafft. Zusätzlich lässt sich das Verhalten mit einem Geschwindigkeitsregler steuern.
Toll gefallen mir außerdem die weichen „M-Sustains“ oder die „Breathy Sustains“
Eine schöne Ergänzung für kreative Klangverläufe ist der Vokal-Schieberegler, der den Klangcharakter zwischen verschiedenen Vokalen bei einigen Patches variieren lässt.
Neben dem Mix und den drei separaten Mikrofonen ist auch ein flexibler Hall mit acht verschiedenen Klangräumen integriert. Weitere Klangveränderungen sind in der FX-Ansicht mit Delay, Stereobreite und Transpitch-Funktion (kreative Veränderung der Samples durch nachträgliche Anpassung der Tonhöhe von Samples anderer Noten) möglich.
Übrigens können alle Artikulationen im Detail feinjustiert werden. Dazu gibt es jeweils ein Untermenü. Wie bei anderen Westwood-Libraries ist es möglich, mehrere Artikulationen gleichzeitig auszuwählen (Shift-Klick), um sie gemeinsam zu spielen.
Abgerundet wird die Klangauswahl in allen Stimmlagen durch separate Body-Percussions, die auch außerhalb von Choralzusammenhängen eingesetzt werden können.
Fazit
Mit “Alt Choir” hat Westwood Instruments eine wirklich schöne Chor-Library veröffentlicht, die neben den zu erwartenden Standards mit vielen Besonderheiten aufwartet.
Die Sänger*innen klingen nie glatt oder eindimensional, sondern bringen eine spürbare Emotionalität und Individualität in die Aufnahmen ein. Gleichzeitig klingt die Library sehr schön und ist flexibel anpassbar.
Die Sustains und die tollen Legatos (vor allem das improvisierte Legato) sowie die zeitgenössischen, teilweise fast minimalistisch anmutenden Gesangselemente machen sie vielseitig einsetzbar. Auch die dynamische Vokalsteuerung gefällt mir sehr gut, ebenso wie die tollen Texturen.
„Alt Choir“ kostet regulär 279 €, ist aber zur Einführung bis zum 14.11.2024 mit 30% Rabatt erhältlich. Für die Samples benötigt man knapp 21 GB auf der SSD.
Ausblick bei Westwood
Nach dem Start der Toolkit-Serie „Novella“ mit dem viel gelobten ersten Teil „Origin“ vor rund einem Jahr geht es nun weiter. Für Dezember hat der britische Hersteller bereits den zweiten Teil angekündigt. Man darf gespannt sein!