Bei Vienna Symphonic Library (VSL) geht es derzeit effektvoll zu. Mit dem Studio FX Piano lotet die Sample-Manufaktur aus Wien die Grenzen dessen neu aus, was ein Flügel alles sein kann. Mit allerlei kreativen Spieltechniken wird ein Yamaha CFX Konzertflügel ein experimentelles Tool für Sounddesign. Dazu gesellen zusätzlich noch die neuen FX-Klänge der Duality Streicher.
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Studio FX Piano
Das Projekt entstand aus einer systematischen Erkundung klanglicher Möglichkeiten eines Flügels. Max Kubizek, Klavierstimmer der Vienna Synchron Stage, und Gottfried Rabl entwickelten über vier Monate hinweg eine Methodik der kontrollierten Klangmanipulation, die über John Cages ursprüngliche Idee des präparierten Klaviers hinausgeht – mit viel Spaß am spielerischen Experimentieren.
Unkonventionelle Spieltechniken und Klanggestaltung
Die Klangmanipulation erfolgt beispielsweise durch präzise physische Eingriffe in die Saitenmechanik. Filzkeile dämpfen Schwingungen und transformieren den Klang ins beinahe Synthetische. Metallschrauben zwischen den Saitendrähten generieren komplexe Obertonspektren, während Glasplatten unerwartete metallische Schlageffekte produzieren.
Ein elektronischer Bogen erzeugt elektromagnetische Saitenschwingungen, während eine mit Kolophonium präparierte Angelschnur neuartige Streichtechniken ermöglicht. Der Einsatz eines Fahrradschlauchs zaubert walgesangähnliche Klänge, Jazzbesen gleiten in ungewohnten Glissando-Techniken und gezielte Handschläge setzen zusätzliche klangliche Akzente. Des Weiteren wird gezupft, geschabt und geklöppelt, was der Flügel hergibt. Nicht immer bleibt er dabei als solcher zu erkennen. Dabei helfen die Sounddesignmöglichkeiten des Synchron Players, die auch mit vielen Beispielen von FX-Presets beigelegt sind.
Die Patches sind nur zum Teil komplett chromatisch spielbar – immer so, wie es die Spielweise hergibt.
Auch wenn es in diesem Bereich schon mehrere Libraries auf dem Markt gibt, so ist dieses Instrument durch seine detailverliebte und professionelle Herangehensweise wirklich etwas Besonderes – vor allem im sonst eher klassischen VSL-Kosmos.
Technische Infrastruktur
Die Aufnahme erfolgte in der akustisch eher trockenen Stage B der Vienna Synchron Stage. Die Mikrofonierung ermöglicht differenzierte Klangaufnahmen mit vier Positionen in der Standard Library und acht Positionen in der Full Library, inklusive Surround-Aufnahmen. Alle Spielweisen sind in den beiden Editionen identisch, ein späteres Upgrade ist problemlos möglich. Es spricht also nichts dagegen, zunächst die günstigere Standard Edition zu wählen.
Ein Faltungshall auf Basis von Vienna MIR Pro 3D erlaubt zusätzlich zu den Mikrofonpositionen eine weitere Raumgestaltung.
Obwohl es sich um eine Piano-Library handelt, läuft diese nicht im dedizierten Piano-Player von VSL, sondern unter der Studio-Collection im normalen Synchron Player. Dies ist jedoch kein Nachteil. Im Gegenteil, im Synchron Player, der auch die anderen Orchester-Libraries wie z.B. die Streicher beherbergt, sind die klanglichen Gestaltungsmöglichkeiten wesentlich umfangreicher.
Damit sind wir auch schon bei der zweiten FX-Library aus dem Hause VSL.
Effekte auch für die Duality-Streicher
Die „Duality Strings (fx)“ erweitern die Reihe der doppelt aufgenommenen Streicher um experimentelle Klänge für die besonderen Einsatzzwecke. Bei den Libraries der Duality Strings handelt es sich um zwei akustisch isolierte Streicherensembles – gleichzeitig aufgenommen in den unterschiedlichen Räumlichkeiten der Stage A (großer Raum, großes Ensemble) und Stage B (eher trockener „Studio“-Klang, kleines Ensemble). Im Synchron Player verschmelzen sie zu einem gemeinsamen Klangbild, auf Wunsch auch in einer ständig angepassten Mischung. Weitere Details zu den Duality Strings finden sich hier, wo wir uns bereits andere Teile der Serie genauer angeschaut haben. https://www.soundandrecording.de/equipment/grosse-streicher-libraries-im-vergleich/
Die Musiker*innen der „Duality Strings (fx)“ wurden bewusst mit Partituren und Aufgaben konfrontiert, die klassische Grenzen des Streicherspiels zum Teil sehr überschreiten. Das Ergebnis sind teils wilde, in jedem Fall aber ungewöhnliche Klänge und Spielweisen. Die Bibliothek unterscheidet sich auch durch ihre performative Experimentierfreude. Die Musiker*innen wurden bewusst angewiesen, Präzision zu vernachlässigen und sich dem Moment zu überlassen. Das Ergebnis sind unvorhersehbare, organische Klanglandschaften. Nichts alles ist für schwache Nerven geeignet.
Die Vielfalt der mitgelieferten extravaganten Artikulationen ist groß: von Clustern und vertikalen Bogentechniken für einen geisterhaft-fragilen Klang bis hin zu Geräuscheffekten wie Scratching und ungewöhnlichen Harmonics. Sehr besonders sind Techniken wie das “Impossible Octave Trill”, das Musiker*innen zunächst als unmöglich ablehnten – und das nun wie panische Möwen klingt. Oder das Pegs Tuning: Die Musiker*innen stimmen während des Spielens die Saiten um – ein extrem ungewöhnlicher Effekt, der erst am Ende der Aufnahmesession aufgezeichnet wurde. Oder die Open String Clusters: durch leichtes Verstimmen der Saiten entstehen Klänge, die an ein Waterphone erinnern. Bei dem Patch „Hammer On“ hört man eine von Gitarrist*innen bekannte Technik, bei der Finger einfach auf die Saiten “gehämmert” werden – bei Streichinstrumenten eine absolute Rarität.
Diese Library ist – wie auch schon die Studio FX Piano sicherlich keine Einsteiger- oder Brot-und-Butter-Library, wenngleich der Flügel sicherlich noch etwas universeller einsetzbar ist. Wer das Außergewöhnliche sucht, das sich vor allem wunderbar mit den anderen Libraries des Herstellers kombinieren lässt, findet hier zwei tolle Sammlungen.
Bei VSL bleibt kein Sample auf dem anderen
Auch abseits der eigentlichen Neuerscheinungen waren die Wiener in den letzten Monaten sehr fleißig und haben sich praktisch komplett neu aufgestellt. Neben der neuen Website wurde auch ein Projekt abgeschlossen, das alle früheren Libraries des Herstellers den neuesten Stand bringt. Die bisher als „synchronized“ bezeichneten Neuauflagen früherer Aufnahmen finden sich nun in der Kategorie „Studio“. Sie stellen quasi eine Remastered Edition der ersten Libraries dar, mit detaillierten Verbesserungen auf Sample-Ebene und einer Portierung auf den moderneren Synchron Player. Das ganz neue „Studio Cube Bundle“ versammelt sieben Klangkollektionen dieser Kategorie in einem umfangreichen Bundle – ähnlich dem „Vienna Symphonic Cube“ aus der Anfangszeit von VSL.
Neu ist auch, dass einige Libraries, allen voran die Prime-Edition, die neue, übersichtliche Flow-Ansicht im Synchron Player mitbringen, die intuitives Arrangieren von Soloinstrumenten bis hin zu komplexen Orchesteraufnahmen in einer schicken Umgebung ermöglicht. Diese alternative Ansicht wird es in Zukunft auch für andere Libraries geben, sofern dies machbar ist.
Eine unscheinbare, aber sehr nützliche Neuerung: Alle erhältlichen Libraries erhalten nach und nach ein kostenloses Update, das durch die neue komprimierte Speicherung der Samples viel Platz auf der SSD spart. Sehr gut!
Das Kleingedruckte
Die beiden neuen Libraries „ Studio FX Piano“ und „Duality Strings (fx)“ bekommt man im Webshop des Herstellers und anderen bekannten Online Shops. Es wird zusätzlich ein kostenfreies iLok Konto für die Lizenz benötigt. Beide Libraries gibt es in einer Standard-Variante mit reduzierten Signalen oder das komplette Signalpaket in der Full Library.
Das wohlpräparierte Piano kostet regulär 249 € (Standard) bzw. 399 € (Full). Bis zum 17.02.2025 kann man vom Einführungspreis profitieren. Die Duality FX-Strings kosten fast genauso viel, allerdings werden hier regulär „nur“ 388 € für die Full-Edition verlangt. Außerdem gibt es derzeit Sonderangebote für weitere FX-Libraries aus dem Hause VSL.