Für welchen Zweck lohnt sich der Kauf welcher Plugins besonders? Und wo schneiden die Bordmittel der DAWs am besten ab? Nach dem Einstieg ins Thema Plugins werfen wir nun einen Blick auf die Bordmittel der DAWs. Bei den unzähligen Diskussionen um Plugins stellt sich besonders Einsteigern die Frage: Analog-Feeling, akribische Emulationen … muss das eigentlich sein, oder klappt’s auch mit den internen DAW-Plugins?
Anzeige
Wie schon meine geschätzten Kollegen in der genannten Ausgabe beschrieben, hängt die Entscheidung für (oder gegen) ein Plugin stark vom persönlichen Geschmack ab. Jedoch spielen nicht nur nicht nur die klang – ästhetischen, sondern auch die technischen Aspekte eine wichtige Rolle
DIE SPEZIAL-KOMBOS
Viele Hardware-Geräte − und deren Software-Emulation − haben sich nicht zuletzt zu Klassikern entwickelt, weil sie nur ein paar wenige Aufgaben beherrschen, aber diese perfekt − ein solches Gerät ist zum Beispiel der EQ-P1, dessen Hardware-Clone von Warm Audio gerade Furore macht (siehe Testbericht auf S. 34). Häufig liegt das an »Nebenprodukten« bzw. Begleiterscheinungen, die während der Bearbeitung entstehen.
Ein LA-2A beispielsweise komprimiert eben nicht nur, ein Echoplex-Delay erzeugt mehr als nur rhythmische Rückwürfe, weil deren Eingangs- und Ausgangsstufen häufig mit stark färbenden Elementen versehen sind, die das Signal zusätzlich sättigen und/oder verzerren. Allgemein entpuppen sich Emulationen von Amps, Cabinets, Röhrenkompressoren, Bandmaschinen und viele andere als hochkomplex, da die Klangbearbeitung je nach Frequenzgehalt, Dynamik und Eingangspegel des Programmmaterials stark variiert.
Insofern gibt es unzählige Effekte, bei denen man mit dem »Eigenbau« durch Kombination von mitgeliefert Plugins in der DAW gnadenlos scheitern wird − und dennoch ist die Erfolgsquote bei einigen Kandidaten relativ hoch. Ein Grund, warum viele beigepackte Effekte des Öfteren verschmäht werden, ist schlichtweg deren Einfachheit, oder besser gesagt, deren Fokus auf einen kleinen Aufgabenbereich. So liefern Delays in vielen DAWs eben »nur« ein Delay ab. Wenn überhaupt, ist noch eine Filtersektion integriert, die das Absenken von hohen und/oder tiefen Frequenzen ermöglicht. Beispiele wären das »Stereo Delay« in Cubase oder das »Filter Delay« in Ableton Live.
Viele Drittanbieter erweitern dieses grundlegende Feature-Set unauffällig um weitere »Effekte im Effekt«. Diese sind entweder durchgehend oder optional durch zuschaltbare Funktionen, etwa mit »Analog«- Modus betitelt, vorhanden und machen einen Großteils des Klangunterschiedes aus. Insofern muss jeder für sich selbst entscheiden, ob eine exakte Emulation von Übertragern der originalen Effektgeräte den höheren Preis rechtfertigt oder ob man nicht selbst entsprechende, interne Spezialisten vor oder hinter das ach so »langweilige« Plugin schaltet, die das Ausgangssignal anrauen und etwas durchsetzungsfähiger gestalten.
Oft hilft schon eine Recherche auf eigene Faust, wie die analogen Originale aufgebaut sind. Hat man das Konzept verstanden, kann man selbst mit der gewünschten Kombination nachhelfen, was ja mit Channel-Presets gerade auf Aux-Returns kein Problem darstellt. Nur Mut − am Ende des Tages entscheiden die Ohren!
ALLES ANALOG?
Ein beachtlicher Teil der Reverb-Emulationen von Drittanbietern konzentriert sich auf eine möglichst exakte Nachahmung der Klangästhetik der 80er-Jahre. Die Gerätschaften von Lexicon, AMS & Co begeistern mit ihren charaktervollen Hallfahnen, die man ausgeklügelten Algorithmen zu verdanken hat. Das alleine macht den Sound aber noch nicht aus. Zumindest kann man versuchen, hinsichtlich der Eckdaten einem Standard-Reverb mehr »Vibe« zu verleihen.
In der frühen Digitaltechnik waren klare Grenzen gesetzt, besonders was Abtastrate und Bitrate betrifft. So arbeiteten viele Hallgeräte mit einer Samplingrate von nur 16 oder 20 kHz (nicht 44,1 kHz!), was die Bandbreite natürlich merklich einschränkte. Mit einem steilflankigen Tiefpassfilter vor und/ oder nach dem DAW-Hall, gesetzt bei einer Grenzfrequenz zwischen 8 oder 10 kHz, kann man diese ungenaue Reproduktion recht überzeugend nachahmen. Auch die Auflösung war im Vergleich zu heutigen Effektprozessoren viel geringer. Im digitalen Vintage-Sound schwingt stets die Unausgereiftheit damaliger AD-/DA-Wandler mit.
Wortbreiten von nur 12 Bit waren keine Seltenheit. Auch hier sollte man mal mit Bitcrusher vor oder nach dem fraglichen Plugin experimentieren, um das Eingangs- oder Ausgangssignal dynamisch einzugrenzen und etwas Rauschanteil beizugeben. Einen weiteren wichtigen Punkt sollte man sich außerdem vor dem Kauf eines Drittanbieter-Reverbs vor Augen führen. So gut wie jede DAW ist heute mit einem eigenen Faltungshall ausgestattet: z. B. »Reverence« in Steinberg Cubase, »Convolution Reverb Pro« in Ableton Live oder »Open Air« in Presonus StudioOne.
Ein Nachteil ist die etwas geringere Flexibilität hinsichtlich der Parametrisierung, der Vorteil allerdings, dass meistens schon ein riesiges Repertoire von Impulsantworten fester Bestandteil ist − auch von teurer Hardware bzw. deren Software-Emulation. Im Internet verstecken sich zudem sehr viele Quellen, die ein kostenloses Aufstocken mit weiteren Impulsantworten diverser Studioräume und von teuren Klassikern ermöglichen: Bricasti M7, Lexicon 480L, AMS RMX 16 etc.
Delays und Reverbs eignen sich besonders gut, um mit eigenen DAW-Effekten mehr Originaltreue zu erreichen.
DES KAISERS NEUE PLUGINS
Auch »V.O.G.« von Little Labs ist ein weit verbreitetes Studio-Tool, das vor einiger Zeit ebenso in der UAD-Plattform Einzug hielt. Hier handelt es sich um einen Spezialisten, der mit nur wenigen Bedienelementen ein starkes Bassfundament verspricht. Dies wird durch einen resonanten Hochpassfilter gelöst, dessen Grenzfrequenz und Amplitude über zwei Drehregler festgelegt wird. Allerdings klappt das − gewusst wie − auch sehr gut mit herkömmlichen Equalizern. In Cubase lässt sich diese gut mit dem »Studio EQ« nachempfinden. Bevor man also in neue Plugins investiert, sollte man mit der Demo-Version einfach mal ausprobieren, wie nah man an die Klangeigenschaften mit Bordmitteln herankommt.
Und woher weiß man, ob man nahe genug am Drittanbieter-Plugin ist? Mit einem einfachen Trick − nicht nur bei Equalizern − lassen sich Einstellungen »messen«: Fast jede DAW bietet einen Testtongenerator an. Diesen schaltet man auf »White Noise« und legt ihn auf einer Audiospur ab. Deren Ausgangs-Routing nimmt man von der Stereosumme und schickt stattdessen das Rauschen mithilfe von zwei Aux-Sends auf zwei Subgruppen.
Auf der ersten Gruppe wird das Drittanbieter-Plugin eingefügt. Die zweite Gruppe erhält das jeweilige Test-Plugin. Zuerst erklingt das Rauschsignal sehr laut, dreht man die Phase einer der beiden Gruppen, ändert sich der Sound. Ziel ist es, das Test-Plugin so einzustellen, dass das Rauschen möglichst leise auf der Stereosumme ankommt, sprich eine möglichst hohe Auslöschung zwischen beiden Gruppenspuren entsteht. Kann man eine Pegelreduktion von mehr als 20 dB über den gesamten Frequenzbereich erzielen, liegt eine durchaus brauchbare Kopie vor.
NICHT BEEINFLUSSEN LASSEN!
Ist eine Phasenauslöschung aufgrund zu vieler interagierender Parameter nicht möglich, kann auch ein Hörvergleich entscheiden, ob sich die Vollversion eines Plugins rentiert. Um diesen Wettkampf zwischen eines DAW-internen Plugins und dem eines Drittanbieters fair zu gestalten, sollte man auf ein paar typische Fallstricke achten. In erster Linie gilt es, die klassischen »Lautermacher« zu entlarven, denn immer wieder gibt es Plug ins, die schon im nicht-aktiven Zustand den Pegel subtil anheben und sich somit eine bessere Position im Wettkampf ergattern. Für eine exakte Kontrolle ist es ratsam, ein exaktes Pegelmessgerät zu beauftragen.
Das kostenlose »Dynamic Range Meter« beispielsweise eignet sich gut, um sowohl Peak- und besonders den RMS-Pegel verschiedener Signale darzustellen. Noch sinnvoller in diesem Zusammenhang sind Metering-Plugins, welche die Lautheit in der Einheit »LU«, also »Loudness Unit«, anzeigen, da die Messung
hier nicht nur in einem größeren und damit repräsentativeren Zeitfenster, sondern auch mit einer gehörangepassten Frequenzkurve erfolgt. Andere Plugins machen gar keinen Hehl daraus, dass es sich in ihrem Einsatzbereich primär um Lautheit dreht. Viele Kandidaten, etwa »Sausage Fattener« von Dada Life, bieten zwar Parameter wie »Input Gain« oder »Drive« an, verzichten allerdings auf das Gegenstück, zum Anpassen des anschließend sehr heißen Ausgangspegels.
»Gain Changer«: Viele Plugins verschaffen sich durch simples »Lautmachen« eine bessere Startposition.
In solchen Fällen sollte man unbedingt mit einer Trim-Funktion hinter dem Plugin wieder herunterregeln − stets mit Blick auf das Metering. Dass dieser ehrliche Vergleich auch komfortabler möglich ist, haben ja schon ein paar Hersteller bewiesen. So ermöglicht Slate Digitals »Virtual Tape Machine« durch die entgegengesetzt wirkende Kopplung von Eingangs- und Ausgangsregler eine genaue Beurteilung des Bandsättigungseffekts, ohne dass man sich von der Lautheit in die Irre führen lassen muss.
Auch das kostenlose Plug in »SlickEQ« von TDR legt alle Karten auf den Tisch, indem die Auto-Gain-Funktion das Ausgangssignal zuverlässig in Abhängigkeit der soeben vorgenommenen Einstellungen der Equalizer-Bänder nachjustiert. Derartig unparteiische und gleichzeitig hilfreiche Funktionen bringen in vielen Situationen Licht ins Dunkel. Es wäre schön, wenn sich mehr Entwickler diesen Paradebeispielen anschließen würden.
DAS AUGE HÖRT MIT
Professionelle und teure Marketing-Kampagnen der großen Hersteller machen es vielen Indientwicklern schwer, denn neben überzeugenden Werbeaktionen ist unterbewusst auch das GUI-Design oft ein ausschlaggebendes Kriterium für den Kaufentscheid. Schade, floriert doch der Markt von günstigen oder gar kostenlosen Plugins, denen ebenso wie vielen DAW-Plugins aufgrund ihres bescheidenen Designs nur geringe Beachtung geschenkt wird.
Vermutlich würden einige Produzenten selbst den »Glue Compressor« in Ableton Live verschmähen, wäre auf der GUI nicht das Qualitätssiegel »Softube« angebracht. Nehmen wir das kostenlose Plugin »SHEPPi Free Spatial Enhancer« als Paradebeispiel. Mit der eher ironisch, spartanisch gestalteten Oberfläche macht der Prozessor erst mal einen weniger vertrauenswürdigen Eindruck.
Ein Besuch auf der Entwickler-Homepage liefert jedoch eine fundierte Beschreibung der technischen Hintergründe, und ein ehrlicher Screenshot bildet den Bauplan im »Synth Maker« ab. So weit, so gut − das Ergebnis ist wirklich erschreckend (überzeugend)! Klar wird der eine oder andere in Zweifel geraten, wenn Mastering-Legende Bob Katz seinen Kopf für das Original hinhält, aber da auch die 14-tägige-Demo-Version von UAD nichts kostet, kann jeder für sich einen A/B-Vergleich anstellen und guten Gewissens selbst eine Entscheidung treffen.