Zoom SSH-6 Stereo-Richtrohr-Mikrofonaufsatz im Test
von DR. ANDREAS HAU, Artikel aus dem Archiv
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Vor rund zwei Jahren führte Zoom mit dem H6 ein neuartiges Wechselkopfsystem ein, das seitdem konsequent weiterentwickelt wurde. Inzwischen arbeiten auch der kleinere H5 und der Audio/Video-Rekorder Q8 mit diesem System, und das Angebot an Mikrofonmodulen wurde sukzessive erweitert. Nach verschiedenen Stereo-Aufsätzen und einem Mono-Richtrohr erscheint nun mit dem SSH-6 sehr nützlicher »Exot«: ein Stereo-Richtrohr.
Zooms neuer Stereo-Richtrohr-Aufsatz wird in einer Pappverpackung geliefert, die man fortan auch als Transportbox verwenden sollte, eine praktische Plastik-»Tupperdose« wie beim H5 oder H6 liegt nämlich nicht bei. Dafür aber ein Fell-Windschutz, den man bei anderen Herstellern meist teuer dazukaufen muss. Das SSH-6-Mikrofonmodul ist insgesamt etwa 178 mm lang, wobei rund 152 mm auf das eigentliche Richtrohr entfallen.
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Damit gehört das Zoom SSH-6 zu den kurzen Richtrohren, wie man sie z. B. für Interviews in schwieriger akustischer Umgebung oder für Filmdialoge verwendet. Videoanwendungen scheint der Hersteller auch primär im Sinn gehabt haben, denn das silbergraue Finish passt perfekt zu Zooms neuer VideokameraQ8, während die bisherigen Aufsätze für Zooms Handy-Recorder-Flotte silbern sind.
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Getestet habe ich den SSH-6-Aufsatz am redaktionseigenen Zoom H5-Rekorder. Bei der ersten Kontaktaufnahme bestand der H5 auf ein Firmware-Update. Das erscheint zunächst umständlich, macht aber durchaus Sinn. So wird nämlich sichergestellt, dass auch die später erschienenen Mikrofonmodule nicht nur »irgendwie« ihren Dienst tun, sondern samt ihrer spezifischen Eigenheiten optimal eingebunden werden. Das Firmware-Update ist auf der Zoom-Website leicht zu finden und wird über die SD-Speicherkarte auf den Rekorder überspielt.
Die Bedienung ist ein Kinderspiel. Zoom bleibt dem »analogen« Konzept treu: Völlig ohne Tipptasten und Pixel-Schieberei lässt sich die Vorverstärkung am griffigen Gain-Poti einstellen. Ins Menü blicken muss man nur, um die Stereobreite nachzujustieren. Das SSH-6-Modul arbeitet mit Mitten/SeitenStereofonie. Die Richtrohr-Keule bildet dabei die M-Komponente, und ein Achtermikrofon (bzw. vermutlich zwei gegenphasige Nierenkapseln) liefert das Seitensignal.
Die Matrizierung des M/S-Signals in ein übliches Links/ Rechts-Stereosignal übernimmt der Rekorder. Auf Wunsch kann aber auch »raw«, d. h. das »rohe« M/S-Signal, aufgezeichnet werden, um es später »von Hand« zu matrizieren. Den Aufwand muss man sich im Grunde aber gar nicht machen. Auf digitaler Ebene kann ggf. ein bereits auf matriziertes Stereosignal verlustfrei in M/S rückgewandelt werden, um nachträglich die Basisbreite zu manipulieren.
IM EINSATZ
Als Faustregel gilt: je länger die Röhre, desto höher die Richtwirkung, desto »verbogener« aber auch das Klangbild. Lange Richtrohre müssen daher perfekt auf die Schallquelle ausgerichtet sein, da außerhalb der Mikrofonachse der Klang noch unnatürlicher wirkt. Es gibt also gute Gründe, warum Richtrohre in verschiedenen Längen angeboten werden.
Mit rund 15 cm gehört das SSH-6 zu den kürzesten seiner Art. Für Tieraufnahmen aus großer Entfernung ist die Richtwirkung zu gering. Dafür wirkt das Klangbild des SSH-6 recht ausgeglichen und relativ natürlich, zumal die regelbare Stereokomponente für etwas Ambience sorgt.
Einen so realistischen Stereoeindruck wie mit dem XY-Mikrofonmodul darf man von einer solchen Stereo-Shotgun nicht erwarten, das gibt der Aufbau nicht her. Die Ortung wirkt nicht sonderlich präzise, es klingt eher nach Richtmikrofon mit ein bisschen Raum drum herum. Was gerade in Verbindung mit Video jedoch völlig ausreicht, weil das Ohr hier vom Auge geleitet wird.
Bei größeren Mikrofonabständen kommt der Bass etwas flach, was sich aber in der Nachbearbeitung recht gut ausgleichen lässt. Die Sprachverständlichkeit ist sehr gut, auch aus mehreren Metern Abstand, nicht zuletzt, weil Zoom der Kapsel eine breite Höhenanhebung spendiert hat. Die Sprachkonsonanten erscheinen trotzdem nicht unangenehm scharf.
Der beigelegte Fellwindschutz schluckt gerade so viel Höhen, dass sich ein weitgehend linearer Verlauf bis ca. 15 kHz ergibt. Da Richtrohre sehr windempfindlich sind, ist der Fellwindschutz, auch »Windjammer« genannt, für Außenaufnahmen ein Muss. Mehr als eine mittlere Brise lässt sich damit nicht vom Mikrofon fernhalten. Auch das ist kein spezifisches Problem des SSH-6 oder von dessen Windschutz; für Aufnahmen in starkem Wind benötigt ein Richtrohr einen voluminösen Zeppelin-Windschutz.
FAZIT
Zooms Stereo-Richtrohr SSH-6 ist eine clevere Lösung für saubere Aufnahmen unter erschwerten Bedingungen. In erster Linie empfiehlt es sich für Reportagezwecke und Filmaufnahmen. Die Richtwirkung genügt, um z. B. Filmdialoge oder Interviews aus mehreren Metern Entfernung aufzuzeichnen, ohne dass das Mikrofon ins Bild ragt.
Praktischerweise bietet der Hersteller mit der Q8 auch gleich eine hoch auflösende Videocam an, die mit dem Zoom-Modulsystem kompatibel ist. Bei komplexeren Projekten mit mehreren Kameras empfiehlt sich das SSH-6 für den Einsatz an einem H5- oder H6-Rekorder, um den Ton, ggf. ergänzt um weitere Mikrofone, separat aufzuzeichnen.
Es ist wirklich erstaunlich, welche Möglichkeiten uns Anwendern heute schon mit sehr überschaubarem Budget offenstehen. Nicht zuletzt auch durch Zooms Recorder-Flotte und das clevere Wechselkopf-Mikrofonsystem.